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Rüffel vom VerfGH, oder: Das OLG darf es sich bei Haftentscheidungen nicht zu einfach machen

HaftDer regelmäßige Leser dieses Blog weiß, dass ich immer gern über den Fortgang von Verfahren berichte, aus denen ich hier schon Entscheidungen vorgestellt habe. Und das tue ich dann jetzt auch mit dem VerfGH Sachsen, Beschl. v. 21.04.2016 – VerfG Vf. 16-IV-16 (HS), der im sog. Infinus-Verfahren (Vorwurf: Betrug) ergangen ist, in dem derzeit beim LG Dresden die Hauptverhandlung läuft. Über das Verfahren und die darin ergangenen Haftentscheidungen hatte ich teilweise schon berichtet, und zwar über den OLG Dresden, Beschl. v. 23.12.2014 – 2 Ws 542/14 (vgl. dazu Freibrief/Freilos – Erstaunliches zur U-Haft-Fortdauer vom OLG Dresden) und den dazu ergangenen VerfGH Sachsen, Beschl. v. 26.02.2015 – 7-IV-15, 8-IV-15 (vgl. Freibrief/Freilos – Erstaunliches zur U-Haft-Fortdauer aus Sachsen – II).

Waren die Meldungen dazu bisher eher negativ, so sind sie jetzt erfreulich (nun ja, kommt darauf an, das OLG Dresden wird es anders sehen). Denn: Der Verteidiger hatte nach mehr als zwei Jahren Untersuchungshaft erneut während laufender Hauptverhandlung die Haftentlassung seines Mandanten beantragt. Das LG hatte das erneut abgelehnt und das u.a. damit begründet, dass die Hauptverhandlung keine Aspekte ergeben habe, die den dringenden Tatverdacht bzw. eine die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigende Straferwartung in Frage stellen könnten. Es sei bedacht worden, dass bei einer Verurteilung wegen Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug der Strafrahmen auf höchstens 7 Jahre 6 Monate vermindert sei. Es hätten sich zudem Hinweise dafür ergeben, dass ein etwaiges Betrugsgeschehen schon deutlich vor dem angeklagten Tatzeitpunkt begonnen habe. Das OLG hat die dagegen gerichtete Beschwerde verworfen und hat sich dabei weitgehend auf die Ausführungen des LG bezogen.

Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte dann jetzt Erfolg. Dem VerfGH Sachsen hat es dann jetzt gereicht. Er moniert, dass es sich LG und OLG dann doch ein wenig zu einfach gemacht haben. Denn:

„… Es hängt von der jeweiligen Sachlage im Einzelfall ab, wann fehlende Ausführungen zur Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit gegen das Freiheitsgrundrecht verstoßen. In sich schlüssige und nachvollziehbare Erwägungen — gemessen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz — sind aber bei Haftfortdauerentscheidungen nach § 122 StPO immer notwendig (vgl. z.B. SächsVerfGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 Vf. 7-1V-I0 [HS]/Vf. 8-1V-10 [e.A.] —juris Rn. 18).

b) Angesichts der zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits seit mehr als zwei Jahren andauernden Untersuchungshaft und einer gesetzlichen Straferwartung von zwischen 3 Jahren 9 Monaten und 7 Jahren 6 Monaten werden der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 26. Februar 2016 und der Beschluss des Landgerichts vom 22. Dezember 2015 in der Form der Nichtabhilfeverfügung vom 11. Februar 2016 den Anforderungen an die Begründungstiefe nicht gerecht.

Die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts setzen sich im Zusammenhang mit der prognostizierten Straferwartung nicht mit der hier gebotenen Begründungstiefe mit dem hypothetischen Ende und der Ausgestaltung einer möglicherweise zu verhängenden Freiheitsstrafe auseinander (vgl. zur Maßgeblichkeit des tatsächlich zu erwartenden Freiheitsentzugs: SächsVerfGH, Beschluss vorn 14. August 2012 — Vf. 60-IV12 [HS]/Vf. 61-IV-12 [e.A.]; BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 2012 —2 BvR 644/12 — juris Rn. 35, 37: KG Berlin, Beschluss vom 3. November 2011, StV 2012, 350 [351]; Creuß in BeckOK, StPO, Stand: 1. Juni 2012, § 112 Rn. 17) und unterlassen eine hierauf bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung. Des Weiteren enthalten die Entscheidungen keine hinreichenden Ausführungen zu einer möglichen Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes nach § 57 StGB, obwohl der Beschwerdeführer nicht vorbestraft ist und nach rechtskräftiger Verurteilung erstmalig eine Freiheitsstrafe verbüßen würde (vgl. BVerfG, a.a,0.).“

Wie gesagt, wird man beim OLG nicht so gerne lesen den Rüffel. Aber gelesen hat man den Beschluss des VerfGH, zumindest beim LG. Denn das hat den Haftbefehl inzwischen im LG Dresden, Beschl. v. 25.04.2015 – 5 KLs 100 Js 7387/12 – außer Vollzug gesetzt. Na bitte. Geht doch. Und auf einmal geht es auch schnell 🙂 .

Pflichti III: Und es gibt sie doch: Die Untätigkeitsbeschwerde

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So, die kleine Serie zur Pflichtverteidigung (s. LG Stendal, Beschl. v. 26.11.2015 – 501 AR 9/15 und dazu Pflichti I: Rückwirkende Beiordnung, oder „Hase und Igel“ und LG Hamburg, Beschl. v. 04.11.2015 – 628 Qs 34/15 und dazu Pflichti II: Wegfall der „Waffengleichheit“, oder: Vorgeschobene Entpflichtungsgründe?) schließe ich dann für heute ab mit dem LG Dresden, Beschl. v. 07.12.2015 – 3 Qs 118/15.

Der Sachverhalt: Das AG hatte gegen den Angeklagten einen Strrafbefehl wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen erlassen. Gegen den hat der Angeklagte Einspruch eingelegt und die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragt weil er aufgrund einer psychischen Erkrankung in seiner Verteidigungsfähigkeit beschränkt sei. Am 10.11.2015 bestimmte das AG Dresden Termin zur Hauptverhandlung auf den 26.11.2015, ohne über den Antrag auf Verteidigerbestellung zu entscheiden. Unter dem 12.11.2015 legte der Angeklagte gegen die unterlassene Beiordnung eines Pflichtverteidigers Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 16.11.2015 wies das AG den Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers zurück. Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, weil der Angeklagte die Beschwerde einlegte, bevor das AG am 16.11.2015 den Bestellungsantrag des Angeklagten zurückgewiesen hat. Das LG macht das nicht mit, sondern:

„1. Die am 12.11.2015 eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht als Beschwerde gegen den durch das Amtsgericht Dresden erst am 16.11.2015 gefassten Beschluss gerichtet, sondern bereits gegen das Unterlassen einer Entscheidung über den Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung bei Terminierung.

Zwar ist der Strafprozessordnung eine reine Untätigkeitsbeschwerde fremd, weil in der bloßen Untätigkeit keine sachliche Entscheidung liegt. Nur eine solche aber Gegenstand der Überprüfung durch das Beschwerdegericht sein kann. Die Unterlassung einer von Amts wegen oder auf Antrag zu treffenden Entscheidung ist jedoch dann anfechtbar, wenn die unterlassene Entscheidung selbst bzw. deren Ablehnung anfechtbar ist, und der Unterlassung die Bedeutung einer Sachentscheidung im Sinne einer endgültigen Ablehnung und nicht einer bloßen Verzögerung der zu treffenden Entscheidung zukommt. Das ist hier der Fall. Gegen die Ablehnung der Bestellung steht dem Angeklagten das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 304 StPO zu. Angesichts des Umstandes. dass das Amtsgericht am 10.11.2015 bei Bestimmung eines 16 Tage später stattfindenden Hauptverhandlungstermins nicht über den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers entschied, entspricht dies einer ablehnenden Sachentscheidung. Denn ein beigeordneter Verteidiger hätte die verbleibende Zeit bis zum Hauptverhandlungstermin zur Terminsvorbereitung nutzen müssen. Eine am 10.11.2015 nicht getroffene Entscheidung kommt daher einer endgültigen Ablehnung gleich. Hiergegen kann sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde wenden. In der Folge ist der am 16.11.2015 ergangene amtsgerichtliche Beschluss vom 16.11.2015 als Nichtabhilfeentscheidung zu betrachten.“

Und: Das LG hat dann gem. § 140 Abs. 2 StPO einen Pflichtverteidiger bestellt. Der Angeklagte habe Unterlagen vorgelegt, aus denen ersichtlich sei, „dass bei ihm eine „schwere andere seelische Abartigkeit vorliegt und zwar eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzistischen und selbstunsicheren Zügen (amtsärztliches Gutachten am 26.03.2012) bzw. Verdacht auf kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen, Verdacht auf wahnhafte Störung (Epikrise der Universitätsklinik vom 30.04.2014). Die Kammer hat deshalb erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Angeklagten zur Selbstverteidigung, so dass ihm gemäß § 140 Abs. 2 StPO ein Verteidiger zu bestellen war.“

Bei der Wiedereinsetzung: Aufpassen, was vorgetragen wird, oder: Schweigen kann Gold sein…..

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Der LG Dresden, Beschl. v. 11.09.2015 – 5 Qs 89/15 – ist für mich Anlass, noch einmal eine Problematik in Erinnerung zur rufen, bei der in Zusammenhang mit Rechtsmitteln nach einer Verwerfungsentscheidung häufig Fehler gemacht werden. Nach Verwerfung z.B. des Einspruchs im Bußgeldverfahren nach § 74 Abs. 2 OWiG oder der Berufung im Strafverfahren nach § 329 Abs. 1 StPO stehen dem Betroffenen/Angeklagten als „Rechtsmittel“ die Wiedereinsetztung (§§ 74 Abs. 34 OWiG; 329 Abs. 3 StPO) oder die Rechtsbeschwerde bzw. die Revision zur Verfügung.

Und, je nachdem welches „Rechtsmittel“ gewählt wird, muss man als Verteidiger darauf achten, was bei einem Wiedereinsetzungsantrag vorgetragen wird. Denn der kann nur auf neue Tatsachen gestützt werden und nicht auf dem Gericht bereits bekannte. Dazu das LG Dresden:

„Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht deshalb unzulässig, weil hier dem Gericht bereits bekannte Tatsachen bloß wiederholt würden. Eine Wiedereinsetzung setzt allerdings auch im Bußgeldverfahren voraus, dass zur Entschuldigung geeignete Tatsachen geltend und glaubhaft gemacht werden, die das Amtsgericht bei der Verwerfung des Einspruchs nicht gewürdigt hat (Beschluss der Kammer vom 31.03.2009 – 5 Qs 46/08 -, Juris; für das Strafverfahren allg. Meinung, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 329, Rdnr. 42 m.w.N.). Es kann nicht Wiedereinsetzung mit der gleichen Tatsachenbehauptung beantragt werden, mit der der Betroffene sein Nichterscheinen schon zuvor entschuldigt hatte und die das Gericht bei seiner Entscheidung bereits würdigen konnte. Die aus Sicht des Beschwerdeführers fehlerhafte Würdigung derartiger bekannter Tatsachen kann – wie vorliegend parallel erfolgt – nur mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden.

Der Wiedereinsetzungsantrag wiederholt zwar auch die dem Amtsgericht schon bereits bekannten behaupteten Tatsachen der Erkrankung an Bronchitis und die behauptete Reiseunfähigkeit zum Hauptverhandlungstag. Dabei trägt er allerdings ergänzend vor, dass dem Betroffenen vom Arzt dringend die Rückkehr nach Hause und das Einhalten einwöchiger Bettruhe empfohlen worden war. Zudem wird die Behauptung der Reiseunfähigkeit nunmehr (erstmals) unterlegt durch die entsprechende ärztliche Bescheinigung. Dabei kann zwar ein Wiedereinsetzungsgesuch, welches keine Tatsachen enthält, die das Gericht bereits gewürdigt hat, nach verbreiteter Ansicht nicht dadurch zulässig werden, dass neue Beweismittel vorgelegt werden (OLG Koblenz, VRS 64, 211 f.). Unabhängig davon, ob das Wiedereinsetzungsgesuch deswegen zulässig ist, weil das Amtsgericht sich mit der Entschuldigung einer Reiseunfähigkeit gerade nicht auseinandergesetzt hat bzw. nicht auseinandersetzen konnte (weil der behandelnde Arzt für Nachfragen nicht rechtzeitig erreichbar war), trägt der Beschwerdeführer nunmehr ergänzend aber auch vor, ihm sei eine Woche Bettruhe empfohlen worden und macht dies durch die Bescheinigung des Arztes, dass Reiseunfähigkeit gegeben war, glaubhaft. Insofern handelt es sich um neuen, wenn auch mit dem früheren Vorbringen im Zusammenhang stehenden Tatsachenvortrag, der deswegen, weil er vom Erstgericht im Verwerfungsurteil gar nicht gewürdigt werden konnte, im Wiedereinsetzungsverfahren vorgebracht werden kann (OLG Düsseldorf, wistra 1996, 158 f.).

Geht es darum, dass der Entschuldigungsvortrag des Betroffenen/Angeklagten nicht richtig gewürdigt worden ist, dann ist nicht der Wiedereinsetzungsantrag das richtige „Rechtsmittel“ sondern die Rechtsbeschwerde/Revision, wo das mit der Verfahrensrüge geltend zu machen ist.

Dieser Unterschied ist übrigens der Grund, warum erfahrene Verteidiger, wenn der Mandant nicht erschienen ist, in der Hauptverhandlung (lieber) schweigen, wenn sie den Grund für das Ausbleiben nicht oder nicht genau kennen. Dann kann das Gericht den Vortrag des Verteidigers nicht würdigen und es stehen Wiedereinsetzung und Rechtsbeschwerde/Revision als „Rechtsmittel“ zur Verfügung.

Ein Hauptverhandlungstag/Woche reicht nicht, oder: Wenn ein LG es besser kann als ein OLG

© Birgit Reitz-Hofmann - Fotolia.com

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Es gibt sie – „schöne Beschlüsse“ aus Dresden. Über einen weniger „schönen“ des OLG Dresden hatte ich ja neulich erst berichtet müssen (vgl. den OLG Dresden, Beschl. v. 23.12.2014 – 2 Ws 542/14 und dazu Freibrief/Freilos – Erstaunliches zur U-Haft-Fortdauer vom OLG Dresden und dazu dann noch der VerfGH Sachsen, Beschl. v. 26.02.2015 – Vf. 7-IV-15 (EIS) mit Freibrief/Freilos – Erstaunliches zur U-Haft-Fortdauer aus Sachsen – II). Heute dann auch zu einer Haftfrage der LG Dresden, Beschl. v. 30.03.2015 – 4 Qs 25/15, ein „schöner“ Beschluss. Er verhält sich u.a. zur Frage der Verletzung des Beschleunigungsgebotes durch das AG Dresden. Das hatte in einem Verfahren wegen gewerbs- u. bandenmäßigen Fälschens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion u.a. nach Auffassung des LG nicht ausreichend „hautpverhandelt“. Die Beschlussgründe sprechen m.E. für sich, wenn es heißt:

…. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 25.11.2014 wurde bei der gesetzlichen Haftprüfung im Sinne der §§ 121, 122 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft bei beiden Angeklagten angeordnet. Das bei Haftsachen zu beachtende Beschleunigungsgebot wurde u.a. auch deshalb als gewahrt angesehen, da der Vorsitzende des Schöffengerichts in Absprache mit den Verteidigern bereits Hauptverhandlungstermin auf den 21.01.2015 festgesetzt hatte. An diesem Hauptverhandlungstag, bei dem die Strafsache zwischen 13:33 Uhr und 14:55 Uhr verhandelt wurde, wurden keine Zeugen geladen. Auch der weitere Fortsetzungstermin am 10.02.2015 war erkennbar als sogenannter Schiebetermin geplant und war ausweislich des Protokolls nur von 15-minütiger Verhandlungsdauer. Gleiches gilt für den dritten Fortsetzungstermin am 03.03.2015, bei dem ebenfalls keine Zeugen gehört sondern im Wesentlichen nur Bestandteile der Akte in Augenschein genommen wurden. Auch dieser Termin erstreckte sich über lediglich 15 Minuten. Erst am weiteren Fortsetzungstermin am 13.03.2015 wurde erstmals eine Polizeibeamtin als Zeugin gehört, wobei sich die Verhandlung über einen Zeitraum von 2 Stunden und 25 Minuten – einschließlich einer Sitzungsunterbrechung von 35 Minuten – erstreckte. In diesem Hauptverhandlungstermin stellten die beiden Verteidiger der Angeklagten, die Rechtsanwälte pppp. und pppp. jeweils Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls. Durch Beschluss des Amtsgerichts Dresden, der noch in der Hauptverhandlung verkündet wurde, wurden die Anträge jeweils abgelehnt. Zur Begründung wurde hierbei folgendes ausgeführt: „Nach der bis her durchgeführten Beweisaufnahme besteht weiterhin dringender Tatverdacht. Auf Beschluss des Landgerichts Dresden vom 22.10.2014 wird Bezug genommen. Das Verfahren wurde, soweit es die Terminplanung mit den Verteidigern ermöglichte, zügig bearbeitet. Krankheitsbedingte Ausfälle der Zeugen sind nicht vom Gericht zu verantworten. In Anbetracht der Straferwartung im Falle einer Verurteilung ist die Aufrechterhaltung des Haftbefehls und Fortdauer der Untersuchungshaft zu beiden Angeklagten derzeit verhältnismäßig.“  …..

Die Haftbeschwerden sind zulässig und sind auch in der Sache begründet……

Darüber hinaus liegt zugleich auch eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes vor. Zwar hat das Amtsgericht mit dem ersten Hauptverhandlungstermin am 21.01.2015 dem Beschleunigungsgebot noch genügt. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts reicht eine Verhandlungsdichte von durchschnittlich einem oder knapp über einem Verhandlungstag pro Woche jedenfalls dann nicht mehr aus, wenn die Untersuchungshaft schon lange andauert bzw. an einzelnen Verhandlungstagen nur kurz verhandelt wird. Das Beschleunigungsgebot ist jedenfalls dann nicht mehr gewahrt, wenn die in Haftsachen gebotene Terminierungsdichte nicht annähernd eingehalten wird und es sich bei den bislang stattgefunden Hauptverhandlungsterminen seit dem 21.01.2015 – wie dargestellt – überwiegend um sogenannte Schiebetermine gehandelt hat, mit denen nur ein äußerst geringer Verfahrensfortschritt erzielt werden konnte. Es kommt hinzu, dass die weiteren geplanten Hauptverhandlungstermine (07.04., 28.04. und 12.05.2015) mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen nicht mehr in Übereinstimmung gebracht werden können. Dies gilt umso mehr, da sich die Angeklagten derzeit bereits mehr als 10 Monate ununterbrochen in Untersuchungshaft befinden.“

Weniger schön für das AG im Übrigen auch die Ausführungen des LG zur Nichtabhilfeentscheidung:

„Vorliegend enthält weder die Nichtabhilfeentscheidung noch der Beschluss vom 13.03.2015 eine – wenn auch noch so rudimentäre – Auseinandersetzung mit dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme….

Dies gilt umso mehr, da die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts jegliche Auseinandersetzung mit den in den beiden Beschwerdeschriftsätzen vorgetragenen Umständen vermissen lässt.

Ach so. Nein, ich habe kein „O“ vergessen, es ist „nur“ ein LG Beschluss, aber manchmal können die es besser als ein OLG 🙂 .

Acht Monate nichts getan, dann aber die Fahrerlaubnis noch vorläufig entziehen?

hawk88_Calendar_1Die zeitliche Abfolge der Verfahrensereignisse in einem beim LG Dresden anhängigen Verfahren, in dem dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen worden ist, ist schon bemerkenswert, und zwar:

  • 18/19.102.2013 (angebliche) Trunkenheitsfahrt
  • 22.10.2014 Vernehmung der tatrelevanten Zeugen/Befundbericht der Uni Leipzig
  • 22.01.2014 Abschlussbericht der Polizei
  • 10.06.2014 Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis
  • 13.06.2014 Beschluss des AG Leipzig über vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis
  • 27.06.2014 Beschlagnahme des Führerscheins

Das LG Leipzig sagt im LG Leipzig, Beschl. v. 23.09.2014 – 1 Qs 329/14 – offenbar schweren Herzens: So nicht:

„Dass die Staatsanwaltschaft erst längere Zeit nach der Tatbegehung die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt, steht der Anordnung der Maßnahme auch grundsätzlich nicht entgegen. Insoweit kann auch noch ein Jahr nach der Tat die Anordnung des § 111a StPO gerechtfertigt sein, sofern noch weitergehende Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich gewesen wären.

Im vorliegenden Fall muss jedoch Berücksichtigung finden, dass die wesentlichen Ermittlungen bereits mit Eingang des Befundberichtes am 22.10.2013 und der Vernehmung der benannten Zeugen, die ebenfalls noch im Oktober 2013 vorgenommen wurde, bereits ausreichende Anhaltspunkte dafür bieten, dass dringende Gründe für die Annahme einer Anordnung nach § 111a StPO vorgelegen haben.

Desweiteren war zu berücksichtigen, dass zwischen dem polizeilichen Schlussbericht mit Datum vom 22.01.2014 und dem Antrag auf Erlass eines §111a-StPO-Beschlusses mit Verfügung vom 10.06.2014 viereinhalb Monate vergangen sind, in denen keine weitergehenden Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes vorgenommen wurden.

Auch unter Berücksichtigung des dringenden Tatverdachtes und des Umstandes – auf den das Amtsgericht Leipzig zu Recht hinweist – dass bei der Bestätigung einer Alkoholkonzentration in dieser Höhe die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen sein wird, hat der Beschwerdeführer – jedoch lediglich im vorläufigen Verfahren – derzeit – wohl kurzfristigen – Erfolg.

Warum „schweren Herzens“? Nun der letzte Absatz zeigt m.E., dass dem LG eine andere Entscheidung lieber gewesen wäre. An der Aufhebung kam es dann aber wohl angesichts der insoweit doch eindeutigen obergerichtlichen Rechtsprechung nicht vorbei. Und ob es ein „kurzfristiger Erfolg“ ist, das wird man sehen. Zunächst mal muss das AG verhandeln und dann sicherlich berücksichtigen, dass seit dem Vorfall inzwischen fast ein Jahr vergangen ist, in dem der Beschuldigte (hoffentlich) rund neun Monate unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen hat. Da wird es mit der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht so ganz einfach. Kann also auch ein „langfristiger Erfolg“ werden.