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StPO I: Durchsuchung beim Nichtbeschuldigten, oder: Anforderungen an die Auffindevermutung

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Und heute dann – am Tag des Inkrafttretens der Änderungen in der StPO durch das „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ v. 25.06.2021 – hier dann StPO-Entscheidungen. Die kommen aber mal nicht vom BGH oder von OLG, sondern von LG.

Zunächst stelle ich den LG Dresden, Beschl. v. 02.06.2021 – 1 Qs 3/21 – vor. Er behandelt eine Durchsuchungsproblematik, nämlich die Durchsuchung bei einem Dritten (§ 103 StPO). Die Aussagen des LG dazu sind nicht neu, aber man muss sie sich immer wieder bewusst machen:

„Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Ungeachtet der Beendigung der Durchsuchung und damit der Erledigung des Beschlusses aufgrund der bereits erfolgten und abgeschlossenen Durchsuchung bleibt die Beschwerde gleichwohl zulässig.

Die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes gegen den Eingriff in das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 13 GG gebietet, dass auch nach Abschluss der Durchsuchung deren Rechtmäßigkeit mit dem grundsätzlich gegen diese Maßnahme gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel zur Überprüfung gestellt werden kann (vgl. BGH. Beschluss vom 13.10.1999 – StB 7, 8/99). Daher bleibt ein Feststellungsinteresse des von der Durchsuchungsmaßnahme Betroffenen für den Fall bestehen, dass — wie hier — die Rechtswidrigkeit der Maßnahme gerügt wird.

2. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden vom 29.09.2020 war in Bezug auf den Beschwerdeführer rechtswidrig.

Der angefochtene Beschluss genügt nicht den Anforderungen. die aus rechtsstaatlicher Sicht an die richterliche Anordnung einer Durchsuchung gemäß §§ 103, 105 StPO zu stellen sind.

Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung und gewährt dem Einzelnen einen elementaren, dem staatlichen Eingriff entzogenen Lebensbereich innerhalb dessen er seine Privatsphäre ungestört entfalten kann. Dabei fallen auch Betriebs- und Geschäftsräume grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG. Hat eine nicht verdächtige Person durch ihr Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben, müssen deshalb konkrete Gründe und nicht nur die allgemeine Lebenserfahrung dafür sprechen, dass der gesuchte Beweisgegenstand in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.2016 — 2 BvR 1361/13).

Dies war vorliegend nicht der Fall. Die Notwendigkeit der Durchsuchung aller Räume auf dem Grundstück pp.Str. wurde durch das Amtsgericht damit begründet, dass sämtliche auf dem Grundstück ansässigen Firmen mit der Familie des Beschuldigten in Verbindung stehen. Dies ergebe sich v.a. daraus, dass Eigentümer der gesamten Immobilie der Vater des Beschuldigten sei. Aus der Ermittlungsakte ergibt sich zunächst, dass die pp. mbH Eigentümerin des Grundstücks ist, wobei es sich bei deren Geschäftsführer tatsächlich um den Vater des Beschuldigten handelt (vgl. BI. 1058 d.A.). Darüber hinaus waren aber keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine konkrete Verbindung des Beschuldigten zum Unternehmen des Beschwerdeführers sprachen. Der Umstand, dass der Beschuldigte sich häufig in dem auf dem Grundstück pp.Str. befindlichen Bürogebäude der Firma pp. aufhielt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da sich das Gebäude in einer nicht unerheblichen Entfernung zu den vom Beschwerdeführer gemieteten Räumlichkeiten befindet. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte über entsprechende Möglichkeiten verfügte, auch auf Räumlichkeiten der anderen auf dem Grund-stück ansässigen Firmen zuzugreifen, waren nicht gegeben. Hierbei handelte es sich lediglich um Vermutungen, die nicht durch weitere Tatsachen gestützt wurden. Für die Annahme, dass die gesuchten Beweisgegenstände in den Räumlichkeiten des Beschwerdeführers aufgefunden werden könnten, sprach vor diesem Hintergrund bereits nicht die allgemeine Lebenserfahrung, erst recht aber gab es hierfür keine konkreten Gründe.

Die bloße Vermutung, die Durchsuchung werde zum Auffinden relevanter Beweismittel führen, reicht für ein Vorgehen nach § 103 StPO nicht aus. Der Beschluss war daher rechtswidrig.“

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 467 StPO.“

Und  <<Werbemodus an>> – ceterum censeo – wenn ich schon das „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ v. 25.06.2021″ anspreche, dann weise ich auch auf mein Ebook „Fortentwicklung der StPO u.a. Die Änderungen in der StPO 2021 – ein erster Überblick“ hin, dass mal hier als PDF bestellen kann. Preis: 27 EUR. <<Werbemodus aus>>

Gebührenbemessung im Bußgeldverfahren, oder: Gebührenexperten aus Sachsen am Werk

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Heute ist Freitag und damit Zeit für RVG-Entscheidungen bzw. auch Entscheidungen zum Kostenrecht.

Ich starte mit dem LG Dresden, Beschl. v. 05.10.2020 – 5 Qs 77/20. Gegenstand der Entscheidung sind Gebühren im straßenverkehrsrechtlcichen Bußgeldverfahren. Es handelt sich leider mal wieder um eine dieser Entscheidungen, über die man nur den Kopfschütteln und sich ärgern kann. Da waren mal wieder richtige Gebührenexperten am Werk.

Denn: Das LG sieht die vom Verteidiger getroffene Gebührenbestimmung als unverbindlich an. Der Verteidiger hatte die Mittelgebühr um jeweils 20 % erhöht. Nun lassen wir mal dahingestellt, ob diese Erhöhung angemessen ist/war. Das LG Dresden „kürzt“ nämlich nicht nur auf die Mittelgebühr, sondern geht darüber noch hinaus und bestätigt seine frühere – falsche Rechtsprechung -, wonach in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren immer nur eine niedrigere Gebühr als die Mittelgebühr angemessen sein soll:

„Die Gebührenbestimmung bewegt sich nicht innerhalb der zuzubilligenden Toleranzgrenze von 20 % und ist daher unverbindlich.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer kommt als angemessene Gebühr für die Verteidigung eines Betroffenen, dem eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit mit geringer Bedeutung zur Last gelegt wird, grundsätzlich nicht die Mittelgebühr, sondern nur eine niedrigere Gebühr in Betracht (vgl. Landgericht Dresden, 03.04.2014, 5 Qs 24/14; 24.03.2009, 5 Qs 34/09, zuletzt 25.01.2019, 5 Qs 122/18 und 13.03.2019, 5 Qs 23/19).

Die in Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG vorgesehenen Gebührenraten sind für die Vergütung in sämtlichen Bußgeldsachen heranzuziehen. Dies sind neben Verkehrsordnungswidrigkeiten auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- oder Steuerrechts, die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens von 60,00 bis 5.000,00 Euro geahndet werden und mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind. Zwar können auch Verkehrsordnungswidrigkeiten im Einzelfall einen gleich hohen oder höheren Aufwand als andere Ordnungswidrigkeiten verursachen. Allerdings sind durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Verkehrszentralregister als unterdurchschnittliche Bußgeldsachen anzusehen.

Gegenstand des Ordnungswidrigkeitenverfahrens war eine Geschwindigkeitsübertretung innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 35 km/h mit der Folge einer Geldbuße von 160,00 Euro, einem drohenden einmonatigen Fahrverbot und einer Eintragung von zwei Punkten in das Fahreignungsregister.

Der Verteidiger des Betroffenen hat den Einspruch nicht begründet und hatte bereits im verwaltungsrechtlichen Verfahren Einsicht in die zu diesem Zeitpunkt 9 Seiten umfassende Akte genommen.

Der Umfang (der zeitliche Aufwand) und die Schwierigkeit (die Intensität der Arbeit) der anwaltlichen Tätigkeit waren als unterdurchschnittlich zu bewerten, auch wenn der Verteidiger nach eigenem Vorbringen mehrere ausführliche Beratungsgespräche geführt haben will. Auch der Umstand, dass der Betroffenen beruflich auf den Führerschein angewiesen ist, mach die Angelegenheit nicht zu einer zumindest durchschnittlichen Ordnungswidrigkeit i.S.d. des Gebührenrechts.

Vielmehr ist das vorliegende Bußgeldverfahren unter Berücksichtigung dieser Kriterien gegenüber anderen als unterdurchschnittlich anzusehen. Aufgrund der Gesamtumstände erscheint daher – wie es der Rechtsprechung der Kammer in vergleichbaren Fällen entspricht – eine Festsetzung der Grund- und Verfahrensgebühren in Höhe von 70 % der jeweiligen Mittelgebühr angemessen.

In Anbetracht dieser Sachlage ist der Ansatz der Kostenbeamtin, jeweils die Mittelgebühr anzusetzen, nicht gerechtfertigt. Sofern sich der Verteidiger im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zur Angemessenheit zumindest der jeweiligen Mittelgebühren auf anderslautende Entscheidungen beruft, ist dies kein Anlass für die Kammer, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen. Danach sind zur Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sowohl die Höhe der Geldbuße, der Aktenumfang, als auch die Dauer der Hauptverhandlung Kriterien, welche neben dem Inhalt des Vorwurfs des Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen sind.

Wie der Bezirksrevisor des Amtsgerichts Dresden zu Recht ausführt, stellt die hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeit (Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit) eine unterdurchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit dar. Auch der Umstand, dass die Eintragung von zwei Punkten in das Fahreignungsregister und ein einmonatiges Fahrverbot drohte, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Mittelgebühr ist zugeschnitten auf den Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche und nicht auf den Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Zum anderen ist auch das drohende Fahrverbot von einem Monat nicht geeignet, einen besonderen Umstand zu begründen. Ein besonderer Härtefall, der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine besondere Bedürftigkeit (z.B. Behinderung) drohten nicht. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen spielten bei der Entscheidung keine Rolle.

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war insgesamt vielmehr im unterdurchschnittlichen Bereich anzusiedeln. Die Verfahrensakte war überschaubar, einfach zu erfassen und wies in rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten auf. Aufgrund dieser Gesamtumstände erscheint daher – wie es der Rechtsprechung der Kammer in vergleichbaren Fällen entspricht – eine Festsetzung der Grund- und Verfahrensgebühren wie auch der Terminsgebühr in Höhe von 70% der jeweiligen Mittelgebühr angemessen (vgl. u.a. LG Osnabrück, Beschluss vom 25. Februar 2020 – 15 Qs 11/20 -, juris; LG Hanau, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 7 Qs 38/20 -, juris; LG Halle (Saale), Beschluss vom 18. Dezember 2019-3 Qs 117/19-, juris).

Nachdem die Gebührenbestimmung durch den eingereichten Kostenfestsetzungsantrag wegen Unbilligkeit nicht mehr bindend ist, hat das Beschwerdegericht die Gebühren selber festzulegen. Wie vom Bezirksrevisor des Amtsgerichts Dresden ausgeführt, ist hier lediglich eine auf 70 % reduzierte Mittelgebühr angemessen.“

Wie gesagt: Man kann nur den Kopfschütteln, wenn man das liest.Warum auch ein drohendes Fahrverbot nicht zumindest die Mittelgebürh rechtfertigt, erschließt sich nicht. Ich möchte mal erleben, dass einem Mitglied der Beschwerdekammer ein Fahrverbot droht. Das ist dann sicherlich die „wichtigste Sache der Welt“

Das Ganze lässt sich letztlich mit dem RVG nicht begründen und ist freie Rechtsschöpfung der LG und AG, die so vorgehen und sich dann nur selbst zitieren, ohne sich mit abweichenden Meinungen/Entscheidungen auseinander zu setzen.

Und die Ausführungen zur – natürlich nicht gewährten – zusätzlichen Verfahrensgebühr sind auch falsch:

„Soweit mit Antrag vom 16.04.2020 auch die Gebühr gem. Nr. 5115 VV RVG begehrt wurde, ist diese nicht zuzubilligen, da die Gebühr durch das Verhalten des Verteidigers nicht zur Vermeidung der Hauptverhandlung beigetragen hat. Allein der Umstand, dass vor dem Hintergrund eines standardisierten Messverfahrens prophylaktisch ein Gutachten durch das Gericht eingeholt werden sollte und der Verteidiger hierzu seine Zustimmung erteilte, führte dies nicht zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung.

Die Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG ist eine Erfolgsgebühr. Der Erfolg muss – anders als der Verteidiger offenbar meint – gerade durch die Mitwirkung des Verteidigers eingetreten sein. Der Verteidiger soll für eine Mitwirkung an einer Vereinfachung und Verkürzung des Verfahrens gesondert honoriert werden (Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage 2015, VV RVG 5115, Rdnr. 1 und 2), nicht aber für eine dem Betroffenen besonders günstige Verteidigungsstrategie.

Die Einlegung des Einspruchs ist für sich genommen keine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Mitwirkungshandlung und kann auch nicht als „gezieltes Schweigen“ angesehen werden.

Nachdem tatsächlich kein Gutachten eingeholt worden war, sondern das Verfahren schlicht nicht bearbeitet werden konnte und somit die verfahrensgegenständliche Ordnungswidrigkeit verjährt ist, lag in der Tätigkeit des Verteidigers keine Förderung des Verfahrens vor.“

„Der Verteidiger soll für eine Mitwirkung an einer Vereinfachung und Verkürzung des Verfahrens gesondert honoriert werden (Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage 2015, VV RVG 5115, Rdnr. 1 und 2), nicht aber für eine dem Betroffenen besonders günstige Verteidigungsstrategie.“ Eben. Liest den keiner in der Kammer mehr das, was der Berichterstatter geschrieben. Natürlich honoriert die Nr. 5115 VV RVG auch eine „besonders günstige Verteidigungsstrategie“, die zu einer „Vereinfachung und Verkürzung des Verfahrens “ führt, wodurch dem Rechtsanwalt die Terminsgebühr verloren geht.  Ob die Gebühr hier berechtigt war, lässt sich im Übrigen nicht abschließend sagen, da das LG nicht alle maßgeblichen Umstände mitteilt. Die Qualität des Beschlusses spricht aber m.E. dafür, dass das LG auch an der Stelle nicht richtig liegt.

 

 

 

Nochmals E-Scooter, oder: Kraftfahrzeug (?) und (Regel)Entziehung der Fahrerlaubnis

entnommen wikimedia.org – gemeinfrei

Und als zweites Posting dann noch einmal etwas zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) mit einem E-Scooter.

Das AG Dresden hat im AG Dresden, Urt. v. 11.02.2020 – 219 Cs 634 Js 55394/19  – entzogen. Das AG hat zur Fahrt folgende Feststellungen getroffen: 1,12 Promille, Tatzeit morgen 04.25 Uhr. Fahren auf einem Radweg entgegen der Fahrtrichtung. Dagegen die Berufung und (vorab) die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Die hat das LG Dresden im LG Dresden, Beschl. v. 27.03.2020 -16 Qs 14/20 – zurückgewiesen:

„a) Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist in der Regel davon auszugehen, dass der Täter ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist, wenn er sich eines Vergehens d. § 316 StGB schuldig gemacht hat. Dass der Angeklagte einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 u. 2 StGB) schuldig ist steht zwar nicht rechtskräftig fest, ist aber – nicht nur wegen seines Geständnisses – hochwahrscheinlich. Auf die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen. Damit ist das Regelbeispiel des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB erfüllt. Dabei spielt nach dem Wortlaut der genannten Vorschriften keine Rolle, dass der Straftatbestand des § 316 StGB auch mit anderen Fahrzeugen erfüllt werden kann, die Anwendbarkeit von § 69 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB hingegen die Benutzung eines Kraftfahrzeuges voraussetzt (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 69 Rn. 25 m.w.N.). Bei dem vom Angeklagten zur Tatbegehung verwendeten E-Scooter handelt es sich nach der Legaldefinition des § 248b Abs. 4 StGB jeden-falls um ein Kraftfahrzeug (vgl. auch § 1 StVG).

b) Aufgrund des klaren Wortlauts der Vorschrift des § 69 StGB sieht die Kammer keinen Raum für die Annahme einer abweichenden Rechtsfolge (ebenso: LG München, Beschluss vom 29.11.2019 – 26 Qs 51/19, DAR 2020, 111 = juris Rn. 18 ff.; a.A.: AG Dortmund, Urteil vom 21.01.2020 – 729 Ds 60 Js 513/19-349/19, juris Rn. 19). Es ist somit ein Regelbeispiel erfüllt.

c) Um von der Wirkung des Regelbeispiels abweichen zu können, müssen besondere Um-stände objektiver und subjektiver Art gegeben sein, welche die Vermutung mangelnder Eignung zum Zeitpunkt der Tat widerlegen oder einen Eignungsmangel jedenfalls zum Zeitpunkt der Aburteilung ausschließen (Fischer, a.a.O., Rn. 34 m.w.N.). Derartige Besonderheiten kann die Kammer hier nicht erkennen. Insbesondere liegen sie nicht schon darin, dass der Straftat-bestand des § 316 Abs.1 u. 2 StGB hier „nur“ mit einem E-Scooter begangen wurde. Zwar mag von einem solchen Gefährt eine geringere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen als z.B. von einem Pkw, während sich der Verlust der Fahrerlaubnis lediglich auf die zukünftige Verwendung von fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen (§ 2 StVG), also insbesondere Pkw, auswirkt. Dies ändert an der Rechtslage aber nichts. Der Gesetzgeber lässt dem Gericht hier weder einen Spielraum noch existieren für E-Scooter an diesem Punkt Sonderregelungen. Auch wenn unter Verkehrsteilnehmern derzeit noch nicht allgemein bekannt sein sollte, dass E-Scooter als Kraftfahrzeuge im Sinne des Strafgesetzbuchs anzusehen sind, bleibt es bei dieser Rechtslage. Insbesondere ist für einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB) im Bereich der Rechtsfolgen kein Raum. Im Übrigen hat der Angeklagte auch eingeräumt, dass ihm die Kraftfahrzeugeigenschaft des E-Scooters bekannt war. Nur am Rande sei erwähnt, dass es nach Ansicht der Kammer zur Fahrtauglichkeit im Sinne des § 69a Abs. 1 Satz 1 StGB auch gehört, dass man sich als Inhaber einer Fahrerlaubnis über die für E-Skooter geltenden Regelungen erkundigt, bevor man diese verwendet. Dies war dem Angeklagten hier vor der Tat durchaus möglich und zumutbar (s. z.B. hes://vvww.autobild de/artikel/e-scooter-fuehrerschein-regeln-strafen-15106399.html vom 28.06.2019). Auch das Unternehmen, bei dem der Angeklagte den Skooter gemietet hatte, weist, insbesondere auf seiner Website, auf die Rechtslage hin (z.B. aktuell: https://www.li.me/de/how-to-lime).

d) Auch wenn es nicht darauf ankommt, weist die Kammer zusätzlich darauf hin, dass die Be-sonderheiten des vorliegenden Falles jedenfalls nicht ausschließlich gegen eine Fahruntauglichkeit des Angeklagten sprechen. Dass zur Tatzeit nur wenig Verkehr herrschte und der An-geklagte keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigte, kann Zufall gewesen sein. Dass er – wider besseres Wissen – die falsche Straßenseite befuhr, könnte erfahrungsgemäß als Fehleinschätzung der Gefährlichkeit dieser Situation durchaus auch eine typische Folge seiner Alkoholisierung gewesen sein. Dies spricht für eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte auch versucht sein könnte, ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug, insb. Pkws, in vergleichbar unverantwortlicher Weise im Straßenverkehr zu führen. Schließlich ist zu bedenken, dass die gemessene Blutalkoholkonzentration über eine Stunde nach der Tat gemessen wurde, so dass von einer höheren Alkoholisierung zur Tatzeit auszugehen ist. Vor diesem Hintergrund könnten die im Urteil beschriebene Überraschung des Angeklagten hierüber und das Fehlen von Ausfallerscheinungen während der Tat für eine Alkoholgewöhnung des Ange-klagten sprechen. Die an dieser Stelle verharmlosende Einlassung des Angeklagten, er habe nur eine kurze Strecke bis zur nächsten Bushaltestelle mit dem E-Scooter zurücklegen wollen, hat die Strafrichterin im Übrigen überzeugend widerlegt.

2. Die Verwendung des E-Skooters als Besonderheit des vorliegenden Falles kann im Ergebnis also nicht bei der Frage, ob dem Angeklagten die Fahrerlaubnis – vorläufig und endgültig zu entziehen ist, ausschlaggebende Berücksichtigung finden. Im Rahmen der Strafzumessung ist dies anders. Die Strafrichterin hat dies in ihrem Urteil vom 22.01.2020 richtigerweise auch ausdrücklich herausgestellt.“

Punktehandel, oder: Nicht strafbar, sagt (auch) das LG Dresden

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Und als dritte Entscheidung des Tages dann das LG Dresden, Urt. v. 11.07.2019 – 8 Ns 301 Js 18519/18 (2). Es behandelt einen Sachverhalt, in dem Verkehrsrecht zumindest tangiert wird. Es geht nämlich um die Strafbarkeit des sog. Punkethandels. Das LG hat diesen – mit dem OLG Stuttgart – verneint.

Das AG hatte den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung bzw. Anstiftung frei gesprochen. Dagegen hatte die StA Berufung eingelegt, die beim LG dann keinen Erfolge hatte:

„Dem Angeklagten wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 25.09.2018 folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

Der Angeklagte erhielt den Bescheid des Landrates des Hochsauerlandkreises vom 18.10.2017 zur Anhörung einer ihm zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit vom 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften in Menschede am 21.09.2017.

Wissentlich und gewollt, in Kenntnis, dass gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt wird, wandte er sich an sich zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Oktober oder November 2017 von seinem Wohn- oder Geschäftssitz in Dresden aus, an den Portalbetreiber „Punktehandel Flensburg“, der mit der Schreibstube pp. zusammenarbeitet

In Kenntnis dessen, dass anstelle seiner Person eine andere Person als Fahrer benannt und dieser das Bußgeld und die Sperre „auf sich nimmt“, bezahlte der Angeklagte ein der Höhe nach nicht ermittelbares Entgelt, geschätzt mindestens 2.000,00 Euro, an den Portalbetreiber „Punktehandel Flensburg“. Dem Angeklagten war bewusst, dass er durch die Zahlung des Entgeltes Dritte dazu bestimmt, dass der Anhörungsbogen mit der Angabe einer dritten Person, die die Ordnungswidrigkeit „auf sich nimmt“ eine Urkundenfälschung darstellt, was er auch wollte, um nicht der Ordnungswidrigkeit unterworfen zu werden. Dem Landrat des Hochsauerlandkreises wurde das Anhörungsformular, unterzeichnet am 01.11.2017 von dem nicht existenten pp. zugesandt, unter der Angabe, dass, die dem Angeklagten zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit begangen hat. Auch wenn eine dritte Person das Anhörungsformular unterschreibt, wollte der Angeklagte geistiger Urheber der Erklärung sein, der sich zurechnen lassen will und muss, dass die dritte Person der Verursacher der Ordnungswidrigkeit sein will und nicht er selbst. Der gegen pp. erlassene Bußgeldbescheid vom 15.11.2017 wurde am 18.11.2017 an den nicht existenten, unter der Anschrift, Schreibstube pp. in Hamburg zugestellt.

Soweit dem Angeklagten zur Last gelegt wurde, einen anderen dazu bestimmt zu haben, zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herzustellen fehlt es am erforderlichen Anstiftungsvorsatz und an einer strafbaren Haupttat.

Der Angeklagte hat keine Angaben zur Sache gemacht.

Die Kammer hat im Rahmen der Berufungshauptverhandlung die Internetseite des Portalbetreibers „Punktehandel-Flensburg. de“ zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht. Bereits die Formulierung hinsichtlich des Leistungsangebotes verweist auf den Betreiber des Portals und ist so formuliert, dass alleine pp. handelt. Das Angebot ist wie folgt formuliert:

„Sollten Sie sich für mein Angebot entscheiden, senden Sie mir eine Mail mit der Auftragserteilung. Dann erhalten Sie von mir eine Mail mit dem Überweisungsbetrag und meiner Bankverbindung. Nach Zahlungseingang fülle ich den Anhörungsbogen mit meinen Daten aus, gebe den Verstoß zu, und schicke diesen an die ausstellende Behörde zurück. Wenn ich danach den Bußgeldbescheid erhalte, zahle ich die geforderte Geldstrafe inklusive der Verwaltungskosten. Spätestens jetzt ist für Sie die Sache erledigt!“

Des Weiteren enthält die Internetseite einen Link zu Rechtsgrundlagen in dem Stellungnahmen von Fachanwälten für Verkehrs- und Strafrecht veröffentlicht sind, die unter anderem darauf verweisen; „Selbstbezichtigung ist in Bußgeldsachen straflos“. In einer weiteren Stellungnahme des Fachanwaltes Strafrecht und Spezialist für Verkehrsstrafrecht pp. heißt es dort: „Anders sieht es aus, wenn der Betroffene den Anhörungsbogen der anderen Person nur übergibt, diese hierin den Verstoß zugibt und die Antwort von sich aus an die Bußgeldstelle zurückschickt In einer Zusammenfassung wird auch unter Punkt Urkundenfälschung folgendes ausgeführt:

„Beim Punktehandel begeht keiner der Beteiligten eine Urkundenfälschung. Bei den Daten und Aufzeichnungen, die das Kraftfahrt-Bundesamt und die Bußgeldbehörden erstellen und speichern, handelt es sich jedoch nicht um Urkunden…. darüber hinaus wird beim Punktehandel weder eine bestehende Urkunde verfälscht, noch eine unechte oder verfälschte Urkunde hergestellt oder gebraucht….“

Soweit dem Angeklagten vorgeworfen wird, er habe zumindest bedingt in Kauf genommen, dass ein Anderer, das heißt, eine dritte, abweichend von pp. fiktive Person, Angaben

im Bußgeldverfahren an seiner statt macht, so konnte mit einer für die Verurteilung erforderlichen Sicherheit gemäß § 261 StPO dieser Vorsatz nicht festgestellt werden. Auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes des Angeklagten ist keine andere Beurteilung möglich. Gerade aufgrund des Verweises auf Rechtsgutachten und rechtliche Stellungnahmen wurden für den juristischen Laien sämtliche Bedenken zerstreut. Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, Beschluss vom 07.04.2017, AZ: 1 Ws 42/17 – zitiert nach juris – stellt sich das dem Angeklagten vorgeworfene Tun damit als straflose Anstiftung zu einer straflosen Selbstbezichtigung einer Ordnungswidrigkeit dar.

Mit dem Oberlandesgericht ist auch die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass es sowohl an einer Haupttat fehlt, zu der der Angeklagten hätte anstiften können, als auch der erforderliche Vorsatz fehlt.“

Die erwähnte Entscheidung des OLG Stuttgart war übrigens auch hier Gegenstand der Berichterstattung (vgl. hier:  “Sag doch, der war es”, oder: Anstiftung zur (falschen) Selbstbezichtigung – strafbar?).

EV II: Durchsuchung im BtM-Verfahren, oder: Verhältnismäßig bei geringer Menge?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Dresden, Beschl. v. 06.11.2019 – 3 Qs 69/19, den mir der Kollege Stephan aus Dresden übersandt hat, behandelt ebenfalls ein Problem in Zusammenhang mit einer Durchsuchung. Es geht in einem BtM-Verfahren um die Frage der Verhältnismäßigkeit einer durchgeführten Durchsuchung. Das LG hat einen Anfangsverdacht bejaht, die Verhaltnismäßigkeit hingegen verneint:

„1. Voraussetzung jeder auf § 102 StPO gestützten Durchsuchung ist die aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte bestehende Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen worden ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 102 IBN 2).

Insofern ergibt sich aus der am 05.07.2018 erfolgten Sicherstellung eines an den Beschwerdeführer adressierten Briefes mit den nachfolgend noch näher beschriebene Substanzen im Zuge einer Kontrolle im „Briefzentrum Köln West“ der Deutschen Post AG, Europaallee 15, 50226 Frechen, aus den Niederlanden und Belgien angelieferter, nicht gestelfungspflichtiger Postsendungen ohne weiteres der Verdacht, dass die Übersendung dieses Briefes an den Beschwerdeführer zuvor durch eine Bestellung seinerseits veranlasst worden ist.

Ferner ergibt sich aus der Kombination von Sicherstellungsbericht, Sicherstellungsprotokoll und Sachverständigengutachten der Generalzolldirektion Köln vom 15.11.2018 der Verdacht, dass es sich bei dem Inhalt der Briefsendung um 49 Tabletten „Flurbromazepam Pellets 8mg“ mit einer Mindestwirkstoffmenge von 0,15 Gramm Flubromazepam, zwei Griptüten mit insge¬samt 2,61 Gramm eines im Wesentlichen aus Dibutylon-Hydrochlorid bestehenden, weißen Pulvers, einer Griptüte mit 1,02 Gramm eines im Wesentlichen aus Methylendioxy-U-47700 bestehenden, weißen Pulvers und einer Griptüte mit 0,33 Gramm eines im Wesentlichen aus N-Benzyl-Furanylfentanyl bestehenden, weißen Pulvers gehandelt hat.

Dibutylon-I-lydrochlorid, Methylendioxy-U-47700 und N-Benzyl-Furanylfentanyl sind ausweislich des Gutachtens vom 15.11.2018 verschiedene, aber jeweils von 2-Phenethylam in abgeleitete Verbindungen im Sinne von 1. der Anlage zum NpSG.

Flubromazepam (chemische Bezeichnung: 7-Brom-5-(2-11uorpheny)-1,3-dihydro-2H-1,4-ben¬zo-diazepin-2-on) ist gemäß § 1 Abs. 1 BtMG i. V. m. Anlage II zum GWG ein verkehrs- aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel, dessen Einfuhr und Erwerb ohne Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BtMG auch im Versuch strafbar ist.

Da die nicht gestellungspflichtige Briefsendung aus den Niederlanden oder aus Belgien kommend bereits bis in das „Briefzentrum Köln West“ gelangt war, besteht der Verdacht einer vollendeten Einfuhr. In Ermangelung anderslautender Erkenntnisse besteht insoweit allerdings gegen den Beschwerdeführer „nur“ der Verdacht, dass er die durch den unbekannten Versender begangene Einfuhr im Zuge seiner Bestellung veranlasst hat, so dass der Verdacht einer Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit versuchtem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BtMG, 26, 52 StGB gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2017, 5 StR 332/17, zitiert nach Juris).

Von 2-Phenethyiamin abgeleitete Verbindungen im Sinne von 1. der Anlage zum NpSG sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 NpSG neue psychoaktive Stoffe, deren Verbringung in den Geltungs-bereich dieses Gesetzes zum Zweck des lnverkehrbringens gemäß §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 2 b und Abs. 2 NpSG auch im Versuch strafbar ist. Inverkehrbringen ist gemäß § 2 Nr. 4 NpSG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe sowie das Feilhalten, das Feilbieten, die Abgabe und das Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch an andere.

In Ermangelung sonstiger Ermittlungserkenntnisse stellt die Menge der bestellten, neuen psychoaktiven Stoffe in Verbindung mit der Menge der bestellten, dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden Tabletten den einzigen Anknüpfungspunkt für Schlussfolgerungen auf die seitens des Beschwerdeführers beabsichtigte Verwendung der Stoffe dar insoweit ist zu konstatieren, dass es sich bei den insgesamt 3,96 Gramm an neuen psychoaktiven Stoffen um eine geringe Menge handelt. Unter Berücksichtigung der zusätzlich bestellten 49 Tabletten einerseits und des mit der Bestellung einer Briefsendung aus den Niederlanden oder Belgien verbundenen Aufwands andererseits begründet diese geringe Menge allein keinen, für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung ausreichend starken Verdacht, dass die Stoffe nicht -verbotenerweise, aber straflos – lediglich zum Eigenkonsum, sondern zum Inverkehrbringen im Sinne des § 2 Nr. 4 NpSG bestellt worden sind.

2. Ausgehend von dem gegen den Beschwerdeführer bestehenden Verdacht, durch die vor dem 05.07.2018 im Ausland erfolgte Bestellung von 49 Tabletten mit einer Mindestwirkstoffmenge von 0,15 Gramm Flubromazepam eine Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit versuchtem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BtMG, 26, 52 StGB begangen zu haben, war die angeordnete Wohnungsdurchsuchung vorliegend unverhältnismäßig und deshalb unzulässig.

Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgt dies allerdings nicht daraus, dass aufgrund des Zeitablaufs mit dem Auffinden relevanter Beweismittel nicht mehr – ausreichend wahrscheinlich – habe gerechnet werden können. Denn der Kammer ist schon aus zahlreichen eigenen Verfahren bekannt, dass Betäubungsmittelbestellungen zwar keineswegs immer, aber doch häufig unter Verursachung entsprechender „Datenspuren“ unter Verwendung von Computern, Tablets, Handys etc. telefonisch, online, per Chat oder auch per SMS vorgenommen werden und die entsprechende Kommunikation oder Spuren davon oft auch ein Jahr und länger danach noch auf im Besitz der Verdächtigen befindlichen Geräten festgestellt werden. Die durch den Beschwerdeführer unter Verweis auf eine entsprechende Gerichtsentscheidung vorgebrachte, gegenteilige Ansicht ist nach den Erfahrungen der Kammer lebensfremd.

Jedoch entspricht dem mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen, erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen ein besonderes Rechtfertigungbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Diesem ist nur Genüge getan, wenn u. a. die Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat steht, was grundsätzlich nur der Fall ist, wenn auch im konkreten Falle die Verurteilung zu einer mehr als geringfügigen Sanktion in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.05.2008, 2 BvR 384/07, RN 12 und 18; Beschluss vom 11.02.2015, 2 BvR 1694/14, RN 23, jeweils zitiert nach Juris). Davon kann aber vorliegend nicht ausgegangen werden, weshalb die angeordnete Durchsuchung nach wertender Gesamtbetrachtung vorliegend unzulässig war.“