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Haftzuschlag – Verteidiger muss nichts getan haben

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Das RVG sieht an verschiedenen Stellen Gebühren mit Zuschlag vor, die der Verteidiger abrechnen kann, wenn sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befunden hat. Immer wieder wird dagegen versucht ein zu wenden, dass beim Verteidiger dann aber auch Erschwernisse entstanden sein müssen, da zu deren Abgeltung der Zuschlag diene.

Das ist schlicht falsch. Denn die h.M. geht davon aus, dass eben nicht tatsächlich Erschwernisse entstanden sein müssen. Der „Zuschlag“ ist also, wenn der Mandant inhaftiert war, eine Art „Zusatz-“ oder Garantiegebühr.

So zutreffend jetzt auch der OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.120.2012 – 1 Ws 422/12, an dem alles passt, nur. Zitiert wird unser RVG-Kommentar leider noch in der 2. Aufl. :-(. Das OLG kurz und bündig:

„.. Die Verfahrensgebühr mit Zuschlag nach Nr. 4205 VV entsteht immer dann, wenn der Mandant sich während eines sonstigen Verfahrens in der Strafvoll-streckung nicht auf freiem Fuß befindet (vgl. Volpert in Burhoff, RVG 2. Aufl. Nr. 4205 VV Rn. 2). Zwar ist Sinn und Zweck des Zuschlags, den Mehraufwand abzugelten, der anfällt, weil die Kontaktaufnahme mit einem inhaftierten Mandanten notwendig wird bzw. werden kann. Jedoch ist nicht erforderlich, dass derartige Erschwernisse oder Mehraufwendungen auch tatsächlich entstanden sind (vgl. Burhoff, RVG 2. Aufl. Vorbem. 4 Rn. 87 m.w.N.). Der Gebührenanfall setzt vielmehr nur voraus, dass der Mandant in dem Zeitabschnitt, für den die Gebühr anfällt, sich nicht in Freiheit befand, wobei die Dauer des Freiheitsentzugs ebenfalls ohne Bedeutung ist (Burhoff RVG, 2. Aufl. Vorbem. 4 Rn. 88 ff).

 Da vorstehend die Beauftragung der Verteidigerin ihr am 15.12.2010 und damit – wenn auch nur zwei Tage – vor der Entlassung des Mandanten aus der Haft zuging und von ihr an diesem Tage auch angenommen wurde, liegen die Voraussetzungen für den Anfall der Gebühr aus VV 4205 vor. Dementsprechend war der angefochtene Beschluss abzuändern…

Wegen der anderen behandelten Frage komme ich noch mal auf ihn zurück.

Freiwillig in der Therapie – nicht auf freiem Fuß?

Die Frage, ob der Verteidiger des Mandanten, der sich freiwillig in einer stationären Therapie befindet, den sog. Haftzuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG beanspruchen kann, ist umstritten. Ich meine, dass ist möglich und vertrete das auch so in Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldverfahren, 3. Aufl. 2011, Vorbem. 4 VV Rn. 88 (vgl. zu dem neuen Buch hier). Von der h.M. wird das anders gesehen.

Dazu zählt auch der Beschl. des LG München v. 08.01.2008 – 1 Ws 1/08, auf den ich über eine Diskussion im Rechtspflegerforum aufmerksam geworden bin und den ich mir dann beim OLG München besorgt habe. Das OLG hat ihn mir komplikationslos gefaxt. Hätte ich gar nicht mit gerechnet.

Beschluss ist schon etwas älter, aber aus „Fairnessgründen“ sollte man auch über ihn berichten. Das Argument mit den anderen Krankenhäusern liest sich ja ganz gut, ist m.E. aber nicht durchgreifend, weil die Folgen, wenn ich ein Krankenhaus verlasse, strafverfahrensrechtlich nicht so schwerwiegend sind, wie ein Therapieabbruch. Aber: Die h.M. sieht es anders. Muss man mit leben und ist ja auch nicht eine so ganz wesentliche Frage.

(Haft)Zuschlag zur Terminsgebühr? Es kommt darauf an…

wann in der Hauptverhandlung der Haftbefehl gegen den Angeklagten verkündet wird. Geschieht das noch vor der Rechtsmittelbelehrung, ist das noch in der Hauptverhandlung und die Terminsgebühr entsteht (noch) mit Zuschlag. So jetzt (auch) das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.2010 – III-4 Ws 623/10. Muss man also drauf achten.

Betreutes Wohnen ist nicht Haft

Die Anwendung des im RVG vorgesehenen sog. Haftzuschlages (vgl. Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG) läuft in der Praxis nicht ganz problemlos.

Schwierigkeiten gibt es einmal, weil vielfach auf die Frage abgestellt wird, ob in der Person des Verteidigers aufgrund der Inhaftierung des Mandanten Erschwernisse tatsächlich entstanden sein müssen, was nicht der Fall ist, da es sich um eine Pauschalregelung handelt. Zum anderen gibt es auch Problem bei der Frage, was eigentlich „nicht auf freiem Fuß“ bedeutet. Klar, das U-Haft und Strafhaft „nicht auf freiem Fuß ist. Aber was ist mit dem offenen Vollzug und was ist mit der Unterbringung, wenn die schon in einem Wohnheim in der Form des betreuten Wohnens vollzogen wird.

Zu letzterem hat jetzt das OLG Stuttgart in einem Beschl. v. 27.07.2010 – 5 Ws 120/10 ausgeführt, dass das nicht „nicht auf freiem Fuß“ ist, da sich der Untergebrachte – anders als im offenen Vollzug – frei bewegen könne.

Stimmt m.E. Stimmt im Übrigen auch überein mit der Rechtsprechung des KG (RVGreport 2008, 463 = RVGprofessionell 2008, 212 = NStZ-RR 2009, 31 = JurBüro 2009, 83 = StRR 2009, 156).

OLG Hamm repariert Fehlentscheidung. Gott sei Dank.

Weitgehend einhellig geht die h.M. zum Anfall des sog. Haftzuschlags nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG davon aus, dass es für dessen Gewährung nur darauf ankommt, dass sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet, nicht aber darauf, ob die Unfreiheit aus dem gegenständlichen oder einem anderen Verfahren resultiert (Burhoff/Burhoff, RVG a.a.O., Vorbem. 4 Verteidiger Rn. 89 f., 87; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG 18. Aufl., VV Vorb. 4 Rn. 46; AnwKomm-RVG/N.Schneider, 4. Aufl. Vorbemerkung 4 RVG Rn 46; Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 14. Aufl. 2009, Vorbemerkung 4 Rn, 22, jew. m.w.N.).

Lediglich das OLG Hamm hatte in seinem Beschl. v. 6. 6. 2005 (2 (s) Sbd. VIII 110/05, JurBüro 2005, 535 f.) – einer offensichtlichen Fehlentscheidung – darauf abgestellt, dass der Haftzuschlag aus Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG nur in Betracht komme, wenn der  Beschuldigte in dem Verfahren inhaftiert ist, in dem er von dem Rechtsanwalt verteidigt wird. Gegen diese Rechtsprechung waren nicht nur von der o.a. Literatur, sondern auch von Instanzgerichten Bedenken geltend gemacht worden (vgl. u.a. LG Bochum, Beschl. v. 10. 6. 2009, 1 Qs 49/09; AG Bochum RVGprofessionell 2009, 80 = StRR 2009, 280 = AGS 2009, 325).

Die Kritik hat jetzt dazu geführt, dass das OLG Hamm im Beschl. v. 13. 10. 2009 (2 Ws 185/09) seine (abweichende/falsche) Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben hat. In Übereinstimmung mit der h.M. wird jetzt für die Gewährung des (Haft-)Zuschlages nur noch darauf abgestellt, ob sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befunden, nicht aber darauf, in welchem Verfahren. Ein anderes Verständnis dieser Regelung gebe – so das OLG (a.a.O.) – deren Wortlaut nicht her. Es sei auch mit Sinn und Zweck der Vorschrift, den durch eine Inhaftierung des Beschuldigten grundsätzlich auftretenden Mehraufwand des Verteidigers bei der Abwicklung des Mandates auszugleichen, unvereinbar.

Ich kann nur sagen: Gott sei Dank. Endlich repariert.