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Vorbefassung kann zur (Besorgnis der) Befangenheit führen…. also aufgepasst!

Immer wieder stellt sich im Strafverfahren die Frage: War der Richter mit der Sache vorbefasst und ist er deshalb ggf. befangen oder besteht zumindest die Besorgnis der Befangenheit. Das spielt insbesondere eine Rolle, wenn der Richter sich zu Haftfragen geäußert hat.

So auch in dem dem Beschl. des BGH v. 17.12.2009 – 3 StR 367/09 zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort hatte der Richter im Rahmen eines Haftbefehles gegen einen Mitangeklagten auch zu den Tatbeiträgen des Angeklagten Stellung genommen. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass eine Vorbefassung mit der Sache vom Gesetz grds. gesetzlich vorgesehen sei und keinen originären Anlehnungsgrund begründt. Dies gelte jedoch nicht, wenn aufgrund der Vorbefassung berechtigte Bedenken an der Objektivität des Richters bestehen. Davon sei auszugehen, wenn er in einem Haftbefehl indikativisch Bezug auf die Tatbeiträge der Angeklagten Bezug nimmt und Sachverhaltsschilderungen als feststehend formuliert, die insbesondere die Höhe der entstandenen Schäden betreffen, obwohl diese noch völlig unklar sind. Der Verteidiger muss die Formulierungen also sehr genau prüfen.

Erst mal verhaften (lassen), dann terminieren….

Das hat das AG Koblenz aber richtig hingelangt: Angeklagter erscheint nicht zur Hauptverhandlung am 13.08.2009, es ergeht Haftbefehl nach § 230 StPO, der Angeklagte wird am 27.12.2009 festgenommen und bleibt über den Jahreswechsel in Haft. Auf die Haftbeschwerde hebt das LG Koblenz am 6.1.2010 (2 Qs 1/10) auf und verweist auf die Rechtsprechung des BVerfG (NJW 2007, 2318). Das LG weist das AG nachdrücklich darauf hin, dass ein Sicherungshaftbefehl nur dann erlassen werden darf, wenn das weniger einschneidende Mittel des Vorführungsbe­fehls nicht ausreicht. Zudem habe der Angeklagte über einen festen Wohnsitz ver­fügt, weshalb kein Grund ersichtlich sei, warum ein Vorführungsbefehl nicht ausreichend sein sollte, um die Durchführung der Hauptverhandlung sicher­zustellen. Und: In das Kriterium der Verhältnismäßigkeitserwägung sei auch die schwere Tatvorwurfs (hier nicht erheblich) und die Strafer­wartung einzubeziehen. Besonders pikant: Das AG hatte noch nicht einmal terminiert. Warum man dann schon den Angeklagter verhaften muss, leuchtet nun wirklich nicht ein. Art 2 GG läßt grüßen.

Weihnachtsgeschenk (?) für Verena Becker: BGH hebt Haftbefehl auf

Der BGH hat heute noch den Haftbefehl gegen Verena Becker wegen des Buback-Mordes aus dem Jahr 1977 aufgehoben. Der BGH hat zwar den dringenden Tatverdacht bejaht (wird man sicherlich ohne genaue Aktenkenntnis nicht abschließend beurteilen können. Verneit hat er aber einen Hafgrund. Dazu heißt es in der PM :

„Einen für die Anordnung von Untersuchungshaft notwendigen Haftgrund, insbesondere Fluchtgefahr, hat der Senat trotz der außerordentlich schweren Tat nicht festzustellen vermocht. Aufgrund der besonderen verfahrensrechtlichen Konstellation hat Verena Becker, auch wenn sie wegen Beihilfe zu dem Attentat vom 7. April 1977 verurteilt werden sollte, jedenfalls keine so hohe Strafe mehr zu erwarten, dass von dieser ein wesentlicher Fluchtanreiz ausgeht. Denn das Tatgericht wird es bei der Bemessung der Strafe angemessen ausgleichen müssen, dass nach der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe gegen Verena Becker wegen der bei ihrer Festnahme begangenen Taten die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nicht mehr in Betracht kommt. Ihre persönlichen Verhältnisse sprechen ebenfalls dagegen, dass sie sich dem Verfahren durch Flucht entziehen wird.“

Beschluss vom 23. Dezember 2009 – StB 51/09

Haftrecht: OLG Naumburg und (verneinte) Verdunkelungsgefahr

Gegen den Angeklagten war ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung anhängig. In unmittelbarem Zusammenhang mit einer Durchsuchungsmaßnahme verschwand ein gefüllter Plastikmüllsack (womit gefüllt?). Das hat das AG zum Anlass genommen, einen Haftbefehl gegen den Angeklagten auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO zu stützen. Das hat das LG gehalten. Das OLG Naumburg sagt jetzt im Beschluss vom 02.12.2009 – 1 Ws 789/09: reicht nicht!

„Die bloße Fortwirkung einer früheren Verdunkelungshandlung, die hier im vom Beschuldigten nicht hinreichend erklärten Verschwinden eines gefüllten Plastikmüllsacks im unmittelbaren Zusammenhang mit den Durchsuchungsmaßnahmen am 22. September 2009 erblickt wer­den könnte, reicht für die Annahme einer noch bestehenden Verdunkelungsgefahr grund­sätzlich nicht aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 112 Rdnr. 35). Die auf bestimmte Tatschen begründete Gefahr zukünftiger Verdunkelungshandlungen ist derzeit nicht ersicht­lich.“

Stimmt.

BGH erklärt Richter-Freispruch für rechtskräftig

Der BGH hat den Freispruch eines wegen Rechtsbeugung angeklagten Richters aus Sachsen-Anhalt bestätigt. Dem 48-Jährigen war in dem nunmehr fünf Jahre währenden Rechtsstreit vorgeworfen worden, er habe den Haftbefehl gegen einen Vietnamesen aufgehoben, um dessen Abschiebung zu ermöglichen. (dpa-Meldung) BGH vom 29.10.2009, 4 StR 97/09.