Schlagwort-Archive: Gegenstandswert

Gegenstandswert bei der Einziehung, oder: Auch Kleinvieh macht Mist

© mpanch – Fotolia.com

Den „Gebührenfreitag“ eröffne ich mit dem LG Aschaffenburg, Beschl. v. 29.05.2018 – KLs 112 8389/17. Er stammt aus der Rubrik „klein aber fein“ oder: „Auch Kleinvieh macht Mist“. Es geht um die Höhe des Gegenstandswertes bei der zuästzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG in einem Verfahren wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. In der Anklageschrift war die StA von einer Einziehung von Taterträgen in Höhe von 24.000 € ausgegangen worden, eingezogen wurden im Urteil dann nur 18.000 €. Der Kostenbeamte ist zunächst von einem Gegenstandswert von 18.000 € ausgegangen, das LG sagt auf die Erinnerung der Kollegin: Nein, 24.000 €, denn:

„Mit Erinnerung vom 23.05.2018 wendet sich Rechtsanwältin pp. gegen den Festsetzungsbeschluss vom 14.05.2018 hinsichtlich der Berechnung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 18.000,– Euro. Die Erinnerung ist begründet, da die Gebühr gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeiten des Anwalts erfasst, auch eine Beratungstätigkeit. Da laut Anklageschrift die Voraussetzungen für die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 24.000,– Euro vorlagen, ist für die Beratungstätigkeit der Anwältin pp. die Gebühr nach 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 24.000,– Euro angefallen, obwohl im Urteil nur die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 18.000,– Euro gegen den Verurteilten angeordnet wurde. Es war daher die Differenz zwischen der bereits angesetzten Gebühr 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 18.000,– Euro und der beantragten Gebühr 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 24.000,– Euro nebst entsprechender Mehrwertsteuer festzusetzen.2

Hat hier im Ergebnis zur 31,33 € gebracht, aber immerhin. Und: es kann ja auch mal mehr sein.

Und nochmals: Einziehungsgebühr nach neuem Recht, oder: Aller guten Dinge sind drei

entnommen openclipart.org

Und – wie heißt es immer: Aller guten Dinge sind drei. Daher bringe ich am „Gebührenfreitag“ dann noch einmal einen Beschluss des LG Berlin zur Nr. 4142 VV RVG nach neuem Recht. Ich habe darüber ja schon zweimal berichtet. Hier dann also der LG Berlin, Beschl. v. 13.04.2018 – (511 KLs) 255 Js 739/14 (11/17), den mir der Kollege K.Reese aus Berlin geschickt hat.

Der Kollege war Pflichtverteidiger. Im Verfahren hatte es einen dinglichen Arrest des AG in Höhe von 418.851,00 € gegeben. Der Kollege hat bei der Vergütungsfestsetzung dann auch Festsetzung der zuätzlichen Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 4142 VV RVG nach einem Gegenstandswert von Euro 418.000,00, mithin in Höhe von 447,00 € geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat den Betrag nicht festgesetzt , weil der Arrest ausweislich seiner Begründung der Rückgewinnungshilfe gedient habe und eine solche Anordnung nicht unter den Gebührentatbestand der Nr. 4142 VV RVG falle. Dagegen die Erinnerung, die dann beim LG Berlin Erfolg hatte:

„a) Der Angeklagte pp. hatte sich vor dem Landgericht Berlin gegen eine drohende Einziehung gemäß §§ 73, 73c StGB neue Fassung, also gegen einen endgültigen Vermögensverlust im Sinne der Nr. 4142 VV RVG zu verteidigen. Infolge der Streichung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB alte Fassung kann der Tatertrag oder ein seinem Wert entsprechender Geldbetrag auch dann abgeschöpft werden, wenn Schadensersatzansprüche von Tatgeschädigten im Raum stehen. Grundlegender Gedanke des neuen Rechts ist es, dass sich Straftaten nicht lohnen sollen. Entsprechend ist im Hauptverhandlungstermin am 18.12.2017 ein Hinweis erteilt worden, anhand welcher Kriterien die Höhe einer in Betracht kommenden Einziehung zu schätzen sein wird. Eine Einziehung nach §§ 73, 73c StGB unterfällt dem Gebührentatbestand der Nr. 4142 W RVG. Dieser Gebührentatbestand hat den Sinn und Zweck, den Verteidigeraufwand in Verfahren, in denen Abschöpfungsmaßnahmen infrage kommen, angemessen zu honorieren (vgl. KG, Beschluss vom 20.12.2017, 1 Ws 70/17, juris Rz. 3). Die Kammer schließt sich der Auffassung der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin im Beschluss vom 16.01.2018 (501 Qs 127/17) an. Danach kann der Umstand, dass die in Ansatz gebrachte Gebühr Nr. 4142 VV RVG Rechtsanwalt R. nach der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung geltenden Rechtslage nicht zugebilligt worden wäre, weil der dingliche Arrest der Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen der verletzten Opfer diente (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 15.04.2008, 1 Ws 309 — 310/07, juris), nicht zur Versagung des Gebührenansatzes nach neuem Recht herangezogen werden (vgl. LG Berlin, a.a.O., juris Rz. 7). Der Anwendungsbereich von § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nicht eröffnet, da der Verteidiger nach altem Recht nicht etwa eine geringere, sondern überhaupt keine Gebühr hätte verlangen können.

b) Auch die von Rechtsanwalt R. angesetzte Höhe der Wertgebühr Nr. 4142 VV RVG ist berechtigt. Gemäß § 49 RVG ist bei einem Gegenstandswert von über Euro 30.000,00 eine Gebühr in Höhe von Euro 447,00 (netto) zu vergüten. Für die Bestimmung des Gegenstandswertes ist nach Ansicht der Kammer nicht maßgeblich, in welcher Höhe eine Einziehung im Urteil am 08.02.2018 angeordnet worden ist, sondern in welcher Höhe eine Einziehung drohte. Nach den Gründen des dinglichen Arrestes vom 19.10.2016 wurde die Höhe der zu sichernden Ansprüche nach der Anzahl der Bestellungen der verletzten Opfer durch Freier in den Bordellen „Kino 3″ und „Le Bar“ sowie im Escort-Service in der Zeit von Januar 2013 bis September 2016 berechnet. Unter Heranziehung des ebenfalls am 19.10.2016 erlassenen Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten (Blatt 91 ff. Band Il Kostenband) dem Angeklagten pp. seinerzeit Taten zu Lasten von 1 1 Prostituierten vorgeworfenn nämlich zu Lasten der pp. In der Anklageschrift vom 06.03.2017 (Blatt 2 ff. Band I Kostenband) wurde zwar der Tatvorwurf zu Lasten der pp. nicht aufrechterhalten. Jedoch wurden dem Angeklagten pp. Tatvorwürfe zu Lasten weiterer 13 Prostituierter unterbreitet, so zu der pp. Die Tatvorwürfe zu Lasten der insgesamt 23 Prostituierten bestanden nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung am 01.07.2017 fort. Nach allem ist nicht zu beanstanden, dass der Verteidiger die Verteidigung des Angeklagten pp. darauf ausgerichtet hat, eine drohende Einziehung in Höhe von insgesamt Euro 418.000,00 abzuwenden. Abgesehen davon hat die Staatsanwaltschaft in der Sitzung am 05.02.2018 in Bezug auf den Angeklagten pp.  eine Einziehung in Höhe von insgesamt Euro 291.930,40 beantragt. Aber selbst die im Urteil der Kammer angeordnete Einziehung eines Wertersatzes von insgesamt Euro 41.840,00 rechtfertigt einen Gebührenansatz in Höhe von Euro 447,00 netto.“

Ich wage – ist kein großes Wagnis 🙂 – die Behauptung: Das wird die Bezirksrevisorin (auch) nicht schlucken. Und damit wären dann wahrscheinlich drei Verfahren in der weiteren Beschwerde beim KG. Auf Leute, an die Arbeit….

Gegenstandswert im Revisionsverfahren, oder: 2.006.713,43 EUR – ist doch mal was

© SZ-Designs – Fotolia.com

Den Gebührenfreitag eröffne ich mit dem BGH, Beschl. v. 08.03.2018 – 3 StR 163/15 – 3 StR 163/15. So häufig sagen die Strafsenate des BGH ja nichts zu Gebühren, meist nur zu § 51 RVG. Hier dann aber mal zu Nr. 4142 VV RVG. Allerdings nicht zur Gebühr an sich, aber zum Gegenstandswert im Revisionsverfahren betreffend die Verteidigungs des Angeklagten gegen eine Revision der StA. Da hat der BGH den Gegenstandswert auf 2.006.713,43 € festgesetzt:

„Das Landgericht hat den Angeklagten K.   wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Eine von der Staatsanwaltschaft gegen – unter anderen – diesen Angeklagten beantragte Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO aF hat es nicht getroffen. Der Senat hat die unter anderem dagegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 10. Dezember 2015 als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller war im Revisionsverfahren Verteidiger des Angeklagten K.   . Er hat beantragt, den Gegenstandswert des Revisionsverfahrens hinsichtlich dieses Angeklagten auf 2.006.713,43 € festzusetzen, weil die Staatsanwaltschaft noch im Revisionsverfahren die Feststellung begehrt habe, dass auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in dieser Höhe (Summe der arrestierten Beträge) nur deshalb nicht erkannt werden könne, weil Ansprüche der Geschädigten entgegenstünden.

Der Senat setzt den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers zur Verteidigung des Angeklagten K.   gegen die beantragte Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aF antragsgemäß auf 2.006.713,43 € fest.

Gemäß § 32 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beantragen. Ein Gegenstandswert war hier festzusetzen, weil die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision weiterhin eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO aF erstrebte und sich die Verteidigung durch den Antragsteller hierauf erstreckte. Nach Nr. 4142 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV) fällt eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr an, wenn der Rechtsanwalt bei Ein-ziehung und verwandten Maßnahmen (§ 442 StPO aF) eine darauf bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt. Diese Gebühr steht dem Rechtsanwalt für jeden Rechtszug zu (vgl. Kroiß in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Aufl., Rn. 16 zu Nrn. 4141 – 4147 VV).

Zu den „verwandten Maßnahmen“ nach Nr. 4142 VV zählte auch die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aF: Entscheidend für die Anwendbarkeit des Gebührentatbestands ist, dass es sich um eine Maßnahme handelt, die dem Betroffenen den Vermögensgegenstand endgültig entziehen bzw. die es zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen soll (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 23. Aufl., 4142 VV Rn. 6 mwN; so auch KG, Beschluss vom 15. April 2008 – 1 Ws 309-310/07, ZfS 2008, 647; OLG Köln, Beschluss vom 22. November 2006 – 2 Ws 614/06, StraFo 2007, 131). So verhält es sich hier: Die Feststellung des aus der Tat Erlangten, bezüglich dessen nur aufgrund der vorrangigen Ansprüche der Geschädigten der Verfall (von Wertersatz) nicht angeordnet werden konnte (§ 111i Abs. 2 StPO aF), diente letztlich jedenfalls auch dem Auffangrechtserwerb des Staates gemäß § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO aF, der kraft Gesetzes eintrat, wenn die nach § 111i Abs. 3 StPO aF zu bestimmende Drei-Jahres-Frist abgelaufen war. Der Anwendungsbereich von Nr. 4142 VV ist mithin eröffnet.

Der vom Senat nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft, soweit diese das Unterlassen der Feststellung beanstandet hat (vgl. für den Verfall BGH, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 1 StR 245/09, juris Rn. 5). Dem steht nicht entgegen, dass dem Verteidiger auch für die Verteidigung gegen den Tatvorwurf Gebühren zustehen.

Die Staatsanwaltschaft hat im Revisionsverfahren – weiterhin – die Feststellung begehrt, dass der Angeklagte aus den Taten jedenfalls die bei ihm arrestierten 2.006.713,43 € erlangt habe; in dieser Höhe drohte ihm ein endgültiger Vermögensverlust, der mithin sein wirtschaftliches Interesse an der Verteidigung gegen die Revision der Staatsanwaltschaft ausmacht. Mit Blick auf die gegen den Angeklagten erwirkten und vollstreckten Arreste braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob eine gegebenenfalls zweifelhafte Durchsetzbarkeit der Ansprüche gegen den Angeklagten den Gegenstandswert mindern könnte (vgl. insoweit BGH, aaO, juris Rn. 7 mwN).“

Falls ein Pflichtverteidiger im Verfahren war: Den wird es nicht berühren. Die Begrenzung aus § 49 RVG greift….

RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren

© SZ-Designs – Fotolia.com

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge habe ich das OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2017 – 1 U 203/15 – gelesen. Ergangen ist das Urteil in einem Entschädigungsverfahren nach dem StrEG. In dem hat der Kläger Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mi der Vollziehung eines dinglichen Arrests geltend gemacht. Der Kläger war Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren. Durch Beschluss des AG Frankfurt am Main vom 08.04.2010 wurde der dingliche Arrest in Höhe von 10.835.791,- € in das Vermögen des Klägers angeordnet. Der Arrest wurde vom 28.4.2010 bis zum11.8.2010, durch Kontenpfändung und bis zum 26.8.2010 durch Pfändung beweglicher Sachen vollzogen. Gegen den Arrestbeschluss hat der Verteidiger des Klägers Beschwerde eingelegt. Das AG Frankfurt hat den Arrestbeschluss mit Beschluss vom 16.08.2010 aufgehoben. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde unter dem 11.03.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Mit Beschluss vom 10.06.2014 hat das AG festgestellt, dass der Kläger „für den vollzogenen dinglichen Arrest des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom B. April 2010 in der Zeit vom 28.4.2010 bis zum 26.8.2010 zu entschädigen ist“.

Gestritten wird nun um die Gebühr Nr. 4142 VV RVG. Die hat der Kläger geltend gemacht, und zwar aus einem Gegenstandswert des Arrestverfahrens in Höhe von 3.621.930,00 €. Die GStA hält nur einen Gegenstandswert in Höhe der vollzogenen Arrestes für zutreffend.

Die Klage war vom LG Frankfrut abgewiesen worden, beim OLG hatte der Kläger nun aber Erfolg. Aus dem Urteil:

Zunächst das lachende Auge: Das bezieht sich auf die Auffassung des OLG, das davon ausgeht, dass die Gebühr auch in den Fällen der so. Rückgewinnungshilfe anfällt. Es schließt sich damit der inzwischen wohl h.N. in der Rechtsprechung Literatur an:

„cc) Einer Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten steht vorliegend auch nicht entgegen, dass der Arrest auch auf § 111b Abs. 5 StPO gestützt war.

Allerdings ist streitig, ob die Gebühr nach VV 4142 RVG überhaupt anfallen kann, wenn ein Arrest nicht nur gem. § 111b Abs. 2 StPO zur Sicherung staatlicher Ansprüche auf Verfall des Wertersatzes angeordnet ist, sondern wenn er auch gemäß § 111 b Abs. 5 StPO zur Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen angeordnet ist (Burhoff in: Gerold/Schmidt., a.a.O., 4142 VV, Rn 8). Eine Gebühr nach Nr. VV 4142 RVG soll dann nicht ausgelöst werden, wenn ein Arrest allein zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO) angeordnet ist, ist, da dieser nicht zu den „vorgenannten Maßnahmen“ im Tatbestand der Nr. VV4142 RVG gehöre (OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2006 — 2Ws 614/06). Das OLG Hamm hat den Anfall einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG verneint, wenn die Sicherstellung von Eigentum nicht zu einer endgültige Entscheidung über den Vermögensverlust führt, sondern erst durch zivilrechtliche Verfahren eine Klärung herbeizuführen ist, in denen dann wiederum anwaltliche Gebühren entstehen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2009 – 2 Ws 378/08). Nach anderer Auffassung, der sich der Senat anschließt, soll sich der auch zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe angeordnete dingliche Arrest in Intensität und wirtschaftlicher Auswirkung aus Sicht des Betroffenen nicht mehr wesentlich von der Pfändung eines Vermögensgegenstandes auf der Grundlage eines nach § 111b Abs. 2 StPO ausgebrachten dinglichen Arrestes unterscheiden (OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 — 1 Ws 212/13; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 — 3 Ws 323/07). Dafür spricht auch, dass gemäß § 111i StPO beschlagnahmte Gegenstände nach Ablauf von 3 Jahren mit Verfallswirkung dem Staat anheimfallen, was aus Sicht des durch die Beschlagnahme Betroffenen die gleiche Wirkung wie die Einziehung des Wertersatzes hat.

Jedenfalls in den Fällen, in denen – wie vorliegend – der Arrest nicht nur der Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen sondern auch der Sicherung staatlicher Ansprüche aus Wertersatz dient, ist danach der Anfall einer Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht ausgeschlossen.“

Aber, dann das weinende Auge: Beim Gegenstandswert sieht das OLG die Rechtslage anders als die wohl h.M.:

Die Gebühr aus Nr. VV 4142 RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung oder verwandte Maßnahmen bezieht. Letztere sind in §§ 442 Abs. 1 StPO mit Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung oder Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands benannt. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen (Burhoff in: Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 4142, Rn. 9).

Sinn und Zweck des VV142 RVG ist es danach, eine Anwaltsvergütung für die Tätigkeiten zu erhalten, die sich auf die Bewahrung des Eigentums Mandanten richten (vgl. Kotz/Beck-OK-RVG, 35. Ed. (15.7.2015), VV 4142 Rn. 1). Dementsprechend bestimmt sich der Gegenstandswert für die Gebühren nach der ganz überwiegenden Rechtsprechurig und Auffassung nach objektiven Wert der betroffenen Gegenstände (OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.2006 — 2 Ws 137/06; KG, Urt. v. 18.7.2005 — 5 Ws 256/05, JurBüro 2005, 531; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 — 3 Ws 323/07, wistra 2008, 160; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 — 1 Ws 212/13, NStZ-RR 2014 – 360; Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn. 19; Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, VV 4142 Rn. 16; Riedel/Sußbauer/Kremer, RVG 10. Aufl. 2015, Rn. 11; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 4141-4147 VV, Rn 18).

Von der Rechtsprechung und der Literatur wird allerdings teilweise auch für die Vergütung aus Nr. VV 4142 RVG der Gegenstandswert des Arrestes mit einem Drittel des zu sichernden Hauptanspruchs angenommen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2008 – 3 Ws 560/07, OLG München, Beschl. v. 16.8.2010 – 4 Ws 114/10 (K); OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 – 1 Ws 212/13; Riedel/Sußbauer /Kremer, a.a.O., Rn. 15). Die Wertfestsetzung beruht dabei jeweils ohne eingehendere Begründung auf einer Übertragung der Grundsätze die im Zivilrecht für die Wertfestsetzung im Arrestverfahren entwickelt worden.

Das erscheint nicht zutreffend. Die Streitwertfestsetzung im zivilrechtlichen Arrestverfahren beruht darauf, dass sich eine Partei einer Geldforderung berühmt und deren Zwangsvollstreckung sichern möchte (§ 916 Abs. 1 ZPO). Danach ist die obere Grenze bei der Sicherung einer Geldforderung deren Betrag, wobei wegen der Vorläufigkeit der Regelung regelmäßig ein Abschlag auf ein Drittel dieses Betrages gemacht wird (vgl. nur Herget/Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn 16 „Arrestverfahren“).

Ein Arrestanspruch ist jedoch nicht Voraussetzung für den Erlass eines Arrestes gem. § 111 b Abs. 1 StPO wegen des Verfalls oder der Einziehung von Wertersatz. Hierfür müssen allein Gründe für die Annahme vorliegen, dass Maß nahmen nach den §§ 73a, 74c StGB verhängt werden (Spillecke, Karlsruhe Kommentar zur StPO; 7. Aufl. 2013, § 111d Rn. 4). Auf § 916 Abs. 1 ZPO ist in § 111 d Abs. 2 StPO auch nicht verwiesen.

Soweit die antragstellende Staatsanwaltschaft Ansprüche durch Bezifferung konkretisiert, handelt es sich hierbei um eine notwendig vorläufige Annahme, die von dem jeweiligen Stand der Ermittlungen und Erkenntnisse abhängt.

Die Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf die Einziehung, Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes von Sachen des Mandanten beziehen. Ausgangspunkt der Tätigkeit des Verteidigers ist daher allein die Sicherung von dessen Vermögensgegenständen. Der objektive Gegenstandswert für diese Tätigkeit ergibt sich danach nicht aus der Annahme, dass Wertgegenstände in einer bestimmten Höhe der Einziehung oder dem Verfall unterliegen könnten, sondern aus dem Wert der Gegenstände, zu deren Sicherung der Verteidiger tätig wird.“

Zu den Fragen werden wir dann demnächst etwas vom BGH hören. Denn das OLG hat die Revision zugelassen. Und die Sache hat Bedeutung, denn es geht ja schon um ein paar Euro anwaltliche Vergütung mehr….

Ein (weiterer) Schluck aus der Pulle

© fotomek - Fotolia.com

© fotomek – Fotolia.com

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an das Posting 5,2 Mio Gegenstandswert im Strafverfahren – das ist doch mal “ein Schluck aus der Pulle” aus Juni 2014 zum BGH, Beschl. v. 30.04.2014 – 1 StR 245/09. Da hatte der BGH im Hinblick auf die Gebühr Nr. 4142 VV RVG (wird häufig übersehen) den Gegenstandswert auf 5,2 Mio € festgesetzt. Da hat er dann jetzt getoppt – also ein weiterer Schluck aus der Pulle. Im BGH, Beschl. v. 24.02.2015 – 1 StR 245/09 – hat er nämlich in demselben Verfahren den Gegenstandswert – jetzt für einen der Verteidiger – nun auf 30.000.000 € festgesetzt:

„3. Der Senat setzt den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers zur Verteidigung des Angeklagten F. gegen Maßnahmen des Verfalls antragsgemäß auf 30.000.000,00 Euro fest.

Gemäß § 32 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beantragen. Ein Gegenstandswert war hier festzusetzen, weil die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten F. erstrebte und sich die Verteidigung durch den Antragsteller hierauf erstreckte. Nr. 4142 Vergütungsverzeichnis (VV) sieht eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr vor, wenn der Rechtsanwalt bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (§ 442 StPO) eine darauf bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt. Diese Gebühr steht dem Rechtsanwalt für jeden Rechtszug zu (vgl. Kroiß in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 6. Aufl., 2013, Rn. 16 zu Nrn. 4141 – 4147 VV).

Der vom Senat nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren bemisst sich insoweit – nicht anders als für den Vertreter eines Verfallsbeteiligten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. April 2014 – 1 StR 245/09 und 1 StR 53/13 sowie vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 166/07) – nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft, soweit diese das Unterlassen einer Verfallsanordnung beanstandet hat. Dem steht nicht entgegen, dass dem Verteidiger auch für die Verteidigung gegen den Tatvorwurf Gebühren zu-stehen.

Die Staatsanwaltschaft beanstandete im Revisionsverfahren, das Landgericht habe zu Unrecht davon abgesehen, hinsichtlich des Angeklagten F. den Verfall von Wertersatz anzuordnen. Wie der Antragsteller zutreffend dargelegt hat, verfolgte die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision weiterhin das Ziel einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 30.000.000,00 Euro gegen den Angeklagten F. . Diese Summe beschreibt daher auch das wirtschaftliche Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. auch Kotz in BeckOK-RVG, RVG 4142 Rn. 15). Der Gegenstandswert für seine Verteidigung insoweit beträgt demgemäß 30.000.000,00 Euro.

Anhaltspunkte für eine fehlende Durchsetzbarkeit der von der Staatsanwaltschaft erstrebten Verfallsanordnung bestehen hier – insbesondere im Hin-blick auf die Höhe der erwirkten und vollstreckten Arreste – nicht. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob dieser Umstand überhaupt zu einer Minderung des Gegenstandswerts führen könnte (ebenfalls offengelassen in BGH, Beschlüsse vom 30. April 2014 – 1 StR 245/09 und 1 StR 53/13 sowie vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 166/07; vgl. aber auch BGH, Beschluss vom 24. März 2009 – 5 StR 225/06).“

Na, das ist dann doch mal „ein Schluck aus der Pulle“, passend zum Wochenende allerdings: Bitte nicht zu früh freuen: Für den Pflichtverteidiger gilt ggf. die Beschränkung aus § 49 RVG.