Schlagwort-Archive: Führungsaufsicht

StPO III: Führungsaufsicht: Ausschreibung zur Beobachtung, oder: Voraussetzungen

© artefacti – Fotolia.com

Und dann noch der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.04.2024 – 1 Ws 42/24 – zur Zulässigkeit der Ausschreibung eines Veruretilten zur Beobachtung im Rahmen der Führungsaufsicht. Dazu reichen hier die Leitsätze, nämlich:

    1. Gegen die Anordnung des Leiters der Führungsaufsichtsstelle, den Verurteilten nach § 463a Abs. 2 StPO zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen auszuschreiben, ist ein Antrag auf gerichtliche Bestätigung statthaft.
    2. Über den Antrag hat das für die Durchführung der Führungsaufsicht verantwortliche Gericht zu entscheiden.
    3. Eine Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen nach § 463a StPO ist nur zulässig, wenn sie geeignet und erforderlich ist, um gefährliche Entwicklungen des Verurteilten rechtzeitig zu erkennen und die Einhaltung der Weisungen des Führungsaufsichtsbeschlusses zu überwachen.
    4. Eine Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen nach § 463a Abs. 2 StPO erlaubt keine Beobachtung, Registrierung oder Meldung von Kontakt- oder Begleitpersonen.

Vollstreckung II: Zulässigkeit einer Abstinenzweisung, oder: Ggf. ausnahmsweise zulässig

Bild von Warren Lee auf Pixabay

Und auch im zweiten Posting dann etwas zur Zulässigkeit einer Abstinenzweisung bei einer suchtkranken Person im Rahmen der Führungsaufsicht. Der OLG Frankfurt am Main , Beschl. v. 18.10.2023 – 7 Ws 176/23 – macht von dem Grundsatz, dass eine Abstinenzweisung bei einer suchtkranken Person im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 S. 1 Ziff. 10 StGB nicht zumutbar ist:

„Die beanstandete Abstinenzweisung ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB). Sie setzt voraus, dass aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird. Solche Umstände liegen, wie die Strafvollstreckungskammer in ihrem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt hat und auch mit der Beschwerde nicht in Abrede gestellt werden, bei dem Verurteilten unzweifelhaft vor. Die Abstinenzweisung ist geeignet, dem entgegenzuwirken.

Entgegen der Auffassung des Verurteilten stellt die Abstinenzweisung auch nicht bereits wegen der fehlenden erfolgreichen suchttherapeutischen Behandlung eine unzumutbare Anforderung an seine Lebensführung (§ 68b Abs. 3 StGB) dar.

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main, die im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte steht, bei einer manifest suchtkranken Person, die nicht oder nicht erfolgreich behandelt worden ist, eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 10 StGB in der Regel nicht zumutbar (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23 m.w.N.).

Doch kann von dieser Regel unter Umständen abgewichen werden, wenn sich der Verurteilte während des Strafvollzuges über einen längeren Zeitraum als zur Abstinenz fähig erwiesen hat (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23; 19. März 2019 – 3 Ws 112 + 115/19 und vom 30. August 2018 – 3 Ws 669/19 m.w.N.; OLG München, Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 Ws 488 – 494/11; OLG Köln, Beschluss vom 13. September 2010 NStZ-RR 2011, 62).

Denn es ist zu bedenken, dass die strafbewehrte Abstinenzweisung vom Gesetzgeber zu Recht als ein grundsätzlich taugliches Instrument zur Beförderung eines künftig straffreien Lebens verstanden wird. Dass sie gerade auch gegenüber Personen zulässig ist, die nach Vollverbüßung unter Führungsaufsicht stehen, belegt, dass die Abstinenzweisung auch in Fällen ungünstiger Prognose in Betracht kommt. Bei Verurteilten, denen es immerhin gelungen ist, im eng strukturierten und kontrollierten Rahmen des Strafvollzugs abstinent zu leben, kann es deshalb unter Umständen auch dann gerechtfertigt sein, eine Abstinenzweisung zu erteilen, wenn es keineswegs gesichert erscheint, dass der Verurteilte in Freiheit dauerhaft abstinent wird leben können. Andererseits gibt es Fälle, in denen es bei einer jahrelang schwer suchtmittelabhängigen Person, bei der Therapieversuche mehrfach gescheitert sind und sich auch im Strafvollzug keine wesentlichen Gesichtspunkte dafür ergeben haben, dass es ihr künftig gelingen könnte, suchtfrei zu leben, trotz eines in Bezug auf Abstinenz im Wesentlichen beanstandungsfreien Verhaltens im Vollzug, so hochgradig wahrscheinlich ist, dass der Betreffende außerhalb der eng strukturierten Bedingungen des Strafvollzugs nicht zu Abstinenz in der Lage sein wird, dass bei einer Abstinenzweisung Straftaten nach § 145a StGB regelrecht vorprogrammiert wären (st. Rspr. des OLG Frankfurt am Main, vgl. Beschlüsse vom 5. Februar 2021 – 3 Ws 6/21; 20. Januar 2022 – 3 Ws 736 + 737/21 und 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23).

Die Strafvollstreckungskammer, die die Führungsaufsicht ausgestaltet und eine strafbewehrte Abstinenzweisung erteilen will, hat die Gesichtspunkte der Eignung und der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall konkret gegeneinander abzuwägen. Dabei wird sie je nach Konstellation auch das Gewicht derjenigen Straftaten in den Blick nehmen müssen, die durch die Abstinenzweisung verhindert werden sollen (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23 und 6. Juni 2019 – 3 Ws 326/19).

Daran gemessen stellt die angefochtene Abstinenzweisung keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten und damit keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit dar. Die Ausführungen des Beschlusses tragen die getroffene Entscheidung, trotz der langjährigen, nicht erfolgreich behandelten Drogensucht des Verurteilten, eine strafbewehrte Abstinenzweisung zu erteilen. Die Strafvollstreckungskammer hat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung die zu verhindernden Straftaten wie die Teilnahme im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln aufgrund der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer zutreffend als schwere Straftaten berücksichtigt und bei der Frage der Zumutbarkeit der Abstinenzweisung insbesondere darauf abgestellt, dass der Verurteilte erfolgreich substituiert wird und nach seinen eigenen Angaben keinerlei Suchtdruck verspürt. Sie hat zudem in ihre Entscheidung eingestellt, dass der Verurteilte weiterhin um eine therapeutische Aufarbeitung seiner langjährigen Drogensucht bemüht ist und zwischenzeitliches Scheitern einzelner therapeutischer Maßnahmen in der Vergangenheit nicht zwangsläufig nur auf seine Abhängigkeit, sondern auch auf seine anderen problematischen Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. So fiel es ihm u.a. in der Vergangenheit schwer, allgemeinverbindliche Strukturen für sich zu akzeptieren (Therapiebescheinigung Therapiezentrum Waldmühle vom 2. September 2019) und hat der Verurteilte in seiner Anhörung im Rahmen der Prüfung einer Reststrafenaussetzung am 9. April 2021 für sich reklamiert, dass die damals wohl letzte Therapie im Kernbereich abgeschlossen gewesen sei und er nur deshalb „rausgeflogen“ sei, weil er wegen eines allergischen Schocks bei seinem Sohn die Klinik sofort („allerdings nach Absprache“) verlassen habe. Wenn die Strafvollstreckungskammer unter diesen Umständen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der weiteren Weisungen, insbesondere der engen Anbindung an die Bewährungshilfe, eine ausreichende Chance sieht, dass der Verurteilte einer mit Nachdruck eingeforderten Abstinenzweisung nachkommen kann, hält sich dies noch in dem Beurteilungsspielraum, den der Senat hinzunehmen hat.

Die mit der Abstinenzweisung verbundene Kontrollweisung ist ebenfalls nicht zu beanstanden und genügt insbesondere dem Bestimmtheitserfordernis.“

 

Vollstreckung I: Zulässigkeit einer Abstinenzweisung; oder: Zulässigkeit beim Suchtkranken?

Bild von 13smok auf Pixabay

Und heute dann einige vllstreckungsrechtliche OLG-Entscheidung.

Ich beginne mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 25.05.2023 – III 2 Ws 67/23 – zur Frage der Zulässigkeit einer sog. Abstinenzweisung bei einem Suchtkranken. Das OLG sagt – wie die h.M. – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG:

„Nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB kann das Gericht einer verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen, keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind. Eine solche Abstinenzweisung kommt vor allem für im Vollzug erfolgreich behandelte rauschmittelabhängige Probanden in Betracht. Problematisch ist ein Konsumverbot hingegen bei Personen, die eine langjährige, nicht (erfolgreich) therapierte Suchtmittelabhängigkeit aufweisen. Voraussetzung ist zunächst, dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Rauschmittelkonsum zur Gefahr weiterer Straftaten beitragen könnte. Maßgeblich ist nicht das Rückfallrisiko an sich, sondern die Wahrscheinlichkeit eines „Beitrags“ zu strafbaren Handlungen, zum Beispiel auch die Gefahr von Beschaffungskriminalität (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 68b Rn. 14). Demgemäß muss eine solche Weisung geeignet sein, den mit ihr angestrebten Zweck zu erreichen, wobei bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Bei einer Abstinenzweisung muss also die Möglichkeit bestehen, dass Straftaten unterbleiben, die im Fall weiteren Suchtmittelkonsums zu erwarten wären. Ungeeignet wäre eine Abstinenzweisung hingegen, wenn eine Verminderung des Risikos der Begehung weiterer Straftaten aufgrund dieser Weisung ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 30.03.2016 – 2 BvR 496/12, NJW 2016, 2170, 2171).

Mit einer entsprechenden Abstinenzweisung dürfen zudem nach § 68b Abs. 3 StGB keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten gestellt werden. Die Abstinenzweisung muss erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn sein. Letzteres bedeutet, dass sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten darf, sondern diesem zumutbar sein. Insoweit stellt § 68b Abs. 3 StGB eine einfachgesetzliche Ausprägung der sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen dar. Die Feststellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne setzt eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, zu deren Wahrnehmung es erforderlich ist, in die Grundrechte des Betroffenen einzugreifen, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter des Betroffenen voraus. Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Abstinenzweisung strafbewehrt ist. Insoweit unterscheidet sich die Abstinenzweisung im Rahmen der Führungsaufsicht von einer Weisung im Rahmen der Bewährungsaussetzung gern. § 56c StGB, sodass an eine Abstinenzweisung gern. § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Da im Fall der Verletzung einer Abstinenzweisung gern. § 68 b I Nr. 10 StGB die Möglichkeit der Verhängung einer Strafe als der schärfsten dem Staat zur Verfügung stehenden Sanktion besteht (vgl. § 145 a StGB), kann von dem Betroffenen die Hinnahme des damit verbundenen ethischen Unwerturteils im allgemeinen nur erwartet werden, wenn er überhaupt in der Lage ist, sich normgerecht zu verhalten, und der Schutz überwiegender Interessen anderer oder der Allgemeinheit eine strafrechtliche Sanktionierung gebietet. Von der Verhältnismäßigkeit einer Abstinenzweisung gern. § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB wird regelmäßig auszugehen sein, wenn diese gegenüber einer ohne Weiteres zum Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln fähigen Person angeordnet wird und im Fall des erneuten Alkohol- oder Suchtmittelkonsums mit der Begehung erheblicher, die Sicherheitsinteressen der All-gemeinheit betreffender Straftaten zu rechnen ist. Wenn der Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln lediglich vorn Willen und der charakterlichen Festigkeit des Weisungsunterworfenen abhängt, ist es ohne Weiteres zumutbar, für die Dauer der Führungsaufsicht zur Vermeidung weiterer Straftaten einen solchen Verzicht einzufordern. Anders verhält es sich demgegenüber im Fall eines nicht oder erfolglos therapierten langjährigen Suchtkranken. Ungeachtet der Tatsache, dass § 68 b Abs. 1 Nr. 10 StGB nicht zwischen erfolgreich therapierten und nichttherapierten Suchtkranken unterscheidet, stellt sich die Frage der Zumutbarkeit des Verzichts auf den Konsum von Suchtmitteln in beiden Fällen unterschiedlich dar. Für den Suchtkranken beinhaltet die Abstinenzweisung eine deutlich schwerere Belastung. Dennoch wird auch in diesen Fällen nicht ausnahmslos davon ausgegangen werden können, dass die Weisung, auf den Konsum von Suchtmitteln zu verzichten, unzumutbar ist. Vielmehr ist auch insoweit eine Abwägung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls erforderlich. Dabei sind insbesondere die Fragen, in welchem Umfang überhaupt die Aussicht besteht, den mit einer Abstinenzweisung verfolgten Zweck zu erreichen, ob und inwieweit der Suchtkranke sich (wenn auch erfolglos) Therapieangeboten geöffnet hat und welche Straftaten im Fall weiteren Suchtmittelkonsums zu erwarten sind, in die Abwägung einzustellen. Jedenfalls in Fällen, in denen ein langjähriger, mehrfach erfolglos therapierter Suchtabhängiger aufgrund seiner Suchtkrankheit nicht zu nachhaltiger Abstinenz in der Lage ist und von ihm keine die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit erheblich beeinträchtigenden Straftaten drohen, ist eine strafbewehrte Abstinenzweisung gem. § 68 b I Nr. 10′ StGB als unzumutbare Anforderung an die Lebensführung iSv § 68 b III StGB und damit zugleich als Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit anzusehen (vgl. BVerfG, NJW 2016, 2170 Rn. 18-26, beck-online).

Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes kann die unter Ziff. 1. d) erteilten Abstinenzweisung in dem Beschluss der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 08.11.2022 (BI. 19 ff. FA-Heft) nach dem bisherigen Sach- und Verfahrensstand keinen Bestand haben.

…..

2. Indes beruht die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer auf einer rechtsfehlerhaften Ermessensausübung bzgl. der Feststellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Der angefochtene Beschluss unter Ergänzung durch die Nichtabhilfeentscheidung beruht hinsichtlich der Weisung unter Ziff. 1. d) – unter Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht – auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage und entbehrt daher der vorliegend erforderlichen vertieften Begründung.

Die Strafvollstreckungskammer hat im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht die für ihre Entscheidungsfindung maßgeblichen Tatsachen festzustellen und in eine ordnungsgemäße Ermessensabwägung einzubeziehen. Das Institut der Führungsaufsicht nach § 68f StGB hat nämlich die Aufgabe, gefährliche oder (rückfall)gefährdete Täter in ihrer Lebensführung in Freiheit über gewisse kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten. Führungsaufsicht soll damit nicht nur Lebenshilfe für den Übergang von der Freiheitsentziehung in die Freiheit geben, sondern auch den Verurteilten führen und überwachen. Wenn diese umfassende Sozialisierungshilfe wirksam sein soll, setzt dies Weisungen voraus, die auf den Täter, die Tat(en), deretwegen er verurteilt wurde, und -damit zusammenhängend – auf die von ihm ausgehende Gefährlichkeit hinsichtlich der Begehung weiterer Straftaten möglichst genau abzustimmen sind. Um dieser kriminalpolitischen Zielsetzung gerecht zu werden, ist eine Schematisierung der zu erteilenden Weisungen nicht möglich (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 27.03.2008 – 2 Ws 147/08, NStZ 2008, 572)……“

Wegen der Einzelheiten des konkreten Falles dann bitte im verlinkten Volltext weiterlesen.

Bewährung III: Bestimmtheit einer Meldeauflage, oder: Ein bisschen Spielraum darf sein

Bild von Michael Zimmermann auf Pixabay

Bei der dritten Entscheidung handelt es sich heute dann um den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.10.2023 – 2 Ws 310/23. Er befasst sich mit den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Meldeweisung. Das zwar im Rahmen der Führungsaufsicht, aber die Problematik kann sich ja auch im Rahmen der Bewährung stellen.

Dem Verurteilten was folgende strafbewehrte Weisung erteilt worden:

„Der Verurteilte wird angewiesen, sich eine Woche nach Zustellung dieses Beschlusses bei der für seinen Wohnort zuständigen Bewährungshilfe persönlich einzufinden und nach näherer Bestimmung durch diese mindestens einmal, höchstens dreimal monatlich, in deren Sprechstunde künftig Termine wahrzunehmen. Die Bewährungshilfe bestimmt, in welcher Form (persönlich, telefonisch, per E-Post, etc) diese Kontaktaufnahme zu erfolgen hat (§ 68 b Abs. 1 Nr. 7 StGB). Diese Weisung ist strafbewehrt.“

Dagegen die Beschwerde der Staatsanwaltschaf, die keinen Erfolg hatte:

„Bezüglich der nach §§ 68a bis 68d StGB zu treffenden Entscheidungen besteht nur ein eingeschränktes Überprüfungsrecht des Senats. Er darf die angefochtene Entscheidung nur auf ihre Gesetzmäßigkeit hin überprüfen (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 2 StPO) und darf insbesondere nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Strafvollstreckungskammer setzen. Gesetzwidrig sind Anordnungen nur dann, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar sind oder sonst die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreiten. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz eingehalten ist (vgl. OLG Karlsruhe, StV 2010, 643 – 644; OLG München, Beschluss vom 29.07.2014 – 3 Ws 581/14 -, juris; KG, Beschluss vom 13.01.2020 – 2 Ws 202-203/19 -, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 15.11.2022 – 2 Ws 325/22 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.03.2023, a.a.O.).

Im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorschriften kommt insbesondere dem Bestimmtheitsgebot freiheitsgewährende Funktion zu (vgl. BVerGE 117, 71 <111>, m.w.N.). Danach hat das Gericht und nicht erst der Bewährungshelfer bei der Erteilung strafbewehrter Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht die Vorgaben so bestimmt zu formulieren, dass der Verurteilte der Weisung unmissverständlich entnehmen können muss, mit welchem Verhalten er gegen sie verstößt (vgl. KG, Beschluss vom 11.12.2019, a.a.O.; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 06.03.2023 – 1 Ws 31/23 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.03.2023, a.a.O.).

Das Bestimmtheitsgebot kann allerdings nicht bedeuten, dass die Weisung bis ins Letzte präzisiert sein muss. Da dem Bewährungshelfer nach § 56d Abs. 3 Satz 2 StGB die Aufgabe zukommt, die Erfüllung der Weisungen zu überwachen, kann es sinnvoll sein, von ihm gewisse Einzelheiten der Mitwirkung des Verurteilten an Kontrollmaßnahmen festlegen zu lassen. Bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der Einwirkungen auf die von der Regelung Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, StV 2012, 481). Danach können gewisse Konkretisierungen der Verhaltensmaßgaben eines Bewährungsbeschlusses dem Bewährungshelfer überlassen werden, soweit eine Konkretisierung unmittelbar durch gerichtlichen Bewährungsbeschluss – beispielsweise im Hinblick auf organisatorische oder durch Interessen des Verurteilten bedingte Flexibilitätserfordernisse – nicht sinnvoll praktikabel ist (BVerfG, a.a.O.).

Der Senat hält im Lichte dieser Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die vorliegend erteilte Vorstellungsweisung, die innerhalb eines eng bemessenen Zeitraums (monatlich) eine Untergrenze (“mindestens einmal monatlich“) und eine Obergrenze (“maximal dreimal monatlich“) festlegt,  für hinreichend bestimmt (so auch: OLG Bamberg, Beschluss vom 15.03.2012 – 1 Ws 138/12 -, BeckRS 2012, 17450; BayObLG, Beschluss vom 23.10.2020 – 203 StRR 414/20 -, BeckRS 2020, 35129; vgl. auch BGH NStZ-RR 2021, 307; a.A. KG, Beschluss vom 11.12.2019, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.03.2023, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 19.09.2019 – III-1 Ws 495/19 -, juris). Denn der Verurteilte kann der gerichtlichen Weisung unmissverständlich entnehmen, dass er sich mindestens einmal, maximal dreimal im Monat – nach näherer Präzisierung hinsichtlich Anzahl, Zeit und Form durch die Bewährungshilfe – bei dieser vorzustellen hat. Die exakte Festlegung nicht nur einer Ober- und Untergrenze, sondern auch der exakten Frequenz der innerhalb eines vom Gericht festgesetzten Zeitraums wahrzunehmenden Termine, hindert eine flexible, an die jeweilige Lebenssituation des Verurteilten, den aktuellen Betreuungsbedarf und die sonstigen Belange des Verurteilten und des Bewährungshelfers angepasste Handhabung der Vorstellungsweisung. Denn die gerichtliche Weisung, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer vom Gericht vorgegebenen exakten Frequenz bei einem Bewährungshelfer zu melden, kann durch diesen jedenfalls zulasten des Verurteilten nicht abgeändert werden (vgl. BGH, NStZ-RR 2021, 307), weshalb – etwa bei einem phasenweise erhöhten Betreuungsbedarf aufgrund von Umständen in der Person des Verurteilten, die bei Erteilung der gerichtlichen Weisung noch nicht absehbar waren – jeweils die gerichtliche Weisung angepasst werden müsste.“

StGB III: Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht, oder: Hausbesuche durch den Bewährungshelfer

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Die dritte Entscheidung kommt dann noch einmal vom OLG Bamberg. Es handelt sich um eine Entscheidung zur Zulässigkeit von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht. Der OLG Bamberg, Beschl. v. 22.07.2021 -1 Ws 413/21 – hat also vollstreckungsrechtlichen Einschlag.

Der Verurteilte hatte gegen ihm im Rahmen der Anordnung von Führungsaufsicht erteilte Weisungen Rechtsmittel eingelegt. Das hatte teilweise Erfolg. Das OLG meint – hier die Leitsätze:

  1. Eine unter der Bedingung erteilte Weisung nach § 68b StGB, dass der Verurteilte nicht vorher erfolgreich eine Therapie im Rahmen des § 35 BtMG abschließen kann, ist rechtlich nicht zulässig.
  2. Die Erteilung einer Weisung nach § 68b StGB, Hausbesuche durch den Bewährungshelfer zu dulden, ist ebenfalls rechtlich nicht zulässig.
  3. Ungeachtet des der Strafvollstreckungskammer zustehenden Ermessensspielraums im Rahmen der Ausgestaltung der Führungsaufsicht ist das Beschwerdegericht befugt, klarstellende Neufassungen einer Weisung vorzunehmen, die nicht mit einer sachlichen Änderung derselben verbunden sind.