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StGB II: Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht, oder: Bloße Mutmaßungen reichen nicht

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Im zweiten Beitrag des Tages geht es um den OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.02.2024 – Ws 1142/23, der allerdings erst vor kurzem veröffentlicht worden ist. Gegenstand der Entscheidung ist die Frage der Wirksamkeit/Zulässigkeit von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht.

Der Verurteilte ist wegen Verstöße gegen das BtMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren zehn Monaten verurteilt. Zudem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Verurteilte einen gewinnbringenden Handel mit Betäubungsmitteln (Haschisch und Methamphetamin) betrieb, um Drogen bzw. Geldmittel für den Erwerb von Drogen für den Eigenkonsum zu erlangen. Es wurde eine seit vielen Jahren bestehende schwere Abhängigkeit des Verurteilten von multiplen Substanzen mit den Präferenzen für Opiate, Cannabinoide und Stimulanzien, jedoch kein regelmäßiger Alkoholkonsum festgestellt.

Der Verurteilte befand sich seit 28.12.2020 zum Vollzug der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer wurden ab 15.12.2023 der weitere Vollzug der angeordneten Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt sowie die weitere Vollstreckung der gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Zudem stellte die Kammer fest, dass mit der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährungsaufsicht Führungsaufsicht eintritt, kürzte deren Höchstdauer von fünf Jahren nicht ab, setzte die Bewährungszeit auf fünf Jahre fest und stellte den Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers. Unter Ziffer V. des Beschlusses erteilte die Kammer dem Verurteilten diverse strafbewehrte Weisungen.

Unter anderem ordnete sie in Ziffer V. 2. des Beschlusses strafbewehrt an:

„2. sich jeglichen Alkoholkonsums, des Konsums illegaler Drogen nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG), des Konsums von Substanzen nach dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG), sowie des Konsums anderer berauschender Mittel, die nicht ärztlich verordnet sind, insbesondere auch von Cannabis nach einer etwaigen Legalisierung, zu enthalten, § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB“.

Der Verurteilte hat Beschwerde eingelegt, die Erfolg hatte. Ich verweise wegen der Einzelheiten der Begründung des OLG auf den verlinkten Volltext. Hier gibt es nur die Leitsätze zu der Entscheidung. Die lauten:

1. Voraussetzung für die Erteilung einer Alkoholabstinenzweisung ist, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Konsum von Alkohol zur Gefahr weiterer Straftaten beitragen wird. Bloße Mutmaßungen hierzu reichen nicht aus.

2. Dienten die Anlasstaten der Finanzierung des Betäubungsmittelkonsums, besteht bei dem Verurteilten keine Alkoholproblematik und war Alkoholkonsum für die Tat-begehung nicht ursächlich, genügt es zur Begründung einer Alkoholabstinenz-weisung nicht, dass die theoretische Möglichkeit für eine Suchtverlagerung oder eine herabgesetzte Hemmschwelle für den weiteren Konsum illegaler Drogen durch vorangegangenen Alkoholkonsum besteht.

StGB III: Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht, oder: Hausbesuche durch den Bewährungshelfer

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Die dritte Entscheidung kommt dann noch einmal vom OLG Bamberg. Es handelt sich um eine Entscheidung zur Zulässigkeit von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht. Der OLG Bamberg, Beschl. v. 22.07.2021 -1 Ws 413/21 – hat also vollstreckungsrechtlichen Einschlag.

Der Verurteilte hatte gegen ihm im Rahmen der Anordnung von Führungsaufsicht erteilte Weisungen Rechtsmittel eingelegt. Das hatte teilweise Erfolg. Das OLG meint – hier die Leitsätze:

  1. Eine unter der Bedingung erteilte Weisung nach § 68b StGB, dass der Verurteilte nicht vorher erfolgreich eine Therapie im Rahmen des § 35 BtMG abschließen kann, ist rechtlich nicht zulässig.
  2. Die Erteilung einer Weisung nach § 68b StGB, Hausbesuche durch den Bewährungshelfer zu dulden, ist ebenfalls rechtlich nicht zulässig.
  3. Ungeachtet des der Strafvollstreckungskammer zustehenden Ermessensspielraums im Rahmen der Ausgestaltung der Führungsaufsicht ist das Beschwerdegericht befugt, klarstellende Neufassungen einer Weisung vorzunehmen, die nicht mit einer sachlichen Änderung derselben verbunden sind.

Pflichti III: Strafvollstreckungsverfahren, oder: „Rechtlich einfach“, wenn das KG sieben Seiten schreibt?

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Bei der dritten Entscheidung zum Pflichtverteidiger handelt es sich ebenfalls um einen KG, Beschluss, nämlich den KG, Beschl. v. 06.12.2016 – 2 Ws 248/16, also auch schon etwas älter. Es geht um die Beiordnung eines Verteidigers im Vollstreckungsverfahren, wenn bei einer Führungsaufsicht allein über den Bestand und die Ausgestaltung von Weisungen zu entscheiden ist. Das KG hat dem Verurteilten kein „Nikolausgeschenk“ gemacht, sondern die Beiordnung abgelehnt:

Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens einen Pflichtverteidiger beizuordnen, hat keinen Erfolg.

„Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers liegen nicht vor. Im Vollstreckungsverfahren ist in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO dem Verurteilten nur dann ein Verteidiger zu bestellen, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig oder sonst ersichtlich ist, dass sich der Betroffene nicht selbst verteidigen kann (vgl. BVerfGE 70, 297 – 323 = NJW 1986, 767, 771) oder wenn die Entscheidung von besonders hohem Gewicht ist (vgl. BVerfGE 86, 288 – 369 = NJW 1992, 2947 – 2960 für die Aussetzung einer lebenslangen Strafe; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Juni 1993 – 1 Ws 115/93 – [juris] = StV 1994, 552 – zehn Jahre Freiheitsstrafe). Diese genannten Voraussetzungen liegen indes in Vollstreckungsverfahren nur ausnahmsweise vor. Denn diese sind anders als Erkenntnisverfahren nicht kontradiktorisch ausgestaltet. So muss sich der Verurteilte hier nicht gegen einen Tatvorwurf verteidigen. Vielmehr ist das Vollstreckungsgericht an die rechtskräftigen Feststellungen des Tatrichters in dem Urteil gebunden. Soweit zusätzliche Feststellungen überhaupt zu treffen sind, gilt das Freibeweisverfahren. Schließlich ergehen im Vollstreckungsverfahren gerichtliche Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung (vgl. zu alledem Senat, NJW 2015, 1897 und Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 2 Ws 386/14 – [juris]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Aufl., § 140 Rdn. 33 mit weit. Nachweisen). Im Vollstreckungsverfahren ist daher maßgebend, ob die vollstreckungsrechtliche Lage schwierig ist.

Das Beschwerdevorbringen wirft vorliegend weder in tatsächlicher, noch in rechtlicher Hinsicht Fragen auf, die über die Probleme hinausgehen, die das Gericht in der Regel bei seiner Entscheidung über Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht zu prüfen hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verurteilte seine Interessen nicht auch ohne den Beistand eines Verteidigers ausreichend vertreten könnte.“

Na ja, ist immer so eine Sache mit den Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Immerhin schreibt das KG dazu dann gut sieben Seiten.