Schlagwort-Archive: EuGH

Keine innereuropäische Kostenerstattungspflicht

Europa wächst immer mehr zusammen, aber: Die Liebe untereinander 🙂 geht nicht so weit, dass das eine (nationale) Gericht verpflichtet ist/wäre, die Auslagen eines auf sein Ersuchen hin durch das  Gericht eines anderen Mitgliedstaates vernommenen Zeugen zu tragen (vl. EuGH, Urt. v. 17.02.2011 – C 283/09).

„Gestritten“ hatten sich ein polnisches und ein irisches Gericht. Die Iren wollten den Polen nur vernehmen, wenn dem die nach irischem Recht zustehende Entschädigung von 40 € gezahlt war. Der EuGH sah das anders.

Der EuGH und der organisierte Betäubungsmittelhandel

In Auslieferungsfragen nach dem Europäischen Haftbefehlgesetz ist der EuGH häufig die letzte Instanz, wenn die OLG sich in der Auslegung des nationalen Rechts in diesem Bereich nicht sicher sind. So das OLG Stuttgart in seinem Beschl. v. 29.06.2009 – 3 Ausl. 175/08, StRR 2010, 158.

Nach dem Sachverhalt bestand gegen den Verfolgten, einen in Deutschland lebenden italienischen Staatsangehörigen, ein Europäischer Haftbefehl des Tribunale di Catania, in dem ihm vorgeworfen wird, Mitglied einer Vereinigung mit dem Zweck unerlaubten Betäubungsmittelhandels gewesen zu sein. Zuvor war er in Italien bereits wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren, 6 Monaten und 20 Tagen verurteilt worden, die er teilweise verbüßt hatte und von der ihm ein Teil aufgrund einer Amnestie erlassen worden war. Für das vorlegende OLG  stellte sich die Frage, ob der Verfolgung nicht der Grundsatz „ne bis in idem“ entgegensteht, da die italienischen Strafverfolgungsbehörden bereits zum Zeitpunkt der vorgenannten Verurteilung hinreichende Beweise hatten, um den Verfolgten auch wegen der im Haftbefehl genannten Anschuldigungen, insbesondere wegen bandenmäßigen Rauschgifthandels, anzuklagen und strafrechtlich zu verfolgen, sie indessen aus ermittlungstaktischen Gründen – um den Rauschgifthandel aufdecken und die weiteren Beteiligten festnehmen zu können – weder die ihnen vorliegenden Informationen und Beweise an die Untersuchungsrichterin weitergeleitet noch seinerzeit um die Verfolgung dieser Taten ersucht haben.

Der EuGH hat jetzt in seinem Urt. v. 16.11.2010 – C-261/09 die Frage beantwortet und ein aus Art 3 Nr. 2 des Europäischen Haftbefehl Rahmenbeschlusses herzuleitendes Auslieferungshindernis (vgl. § 83 Nr. 1 IRG) verneint. Der Begriff „dieselbe Tat“ sei autonom dahingehend auszulegen, dass der Betroffene nur dann als wegen derselben Handlung rechtskräftig verurteilt i.S. des Art. 3 Nr. 2 des Rahmenbeschlusses anzusehen sei, wenn die Strafklage aufgrund eines Strafverfahrens endgültig verbraucht sei oder die Justizbehörden eines Mitgliedstaats eine Entscheidung erlassen hätten, mit der er von dem Tatvorwurf rechtskräftig freigesprochen worden sei. Ob ein Urteil rechtskräftig i.S. von Art. 3 Nr. 2 des Rahmenbeschlusses sei, bestimme sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem dieses Urteil erlassen worden sei. Daher könne eine Entscheidung, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, der die Strafverfolgung gegen eine Person einleite, die Strafklage auf nationaler Ebene für eine bestimmte Handlung nicht endgültig verbrauche, grundsätzlich nicht als ein Verfahrenshindernis hinsichtlich der etwaigen Einleitung oder Fortführung der Strafverfolgung wegen derselben Handlung gegen den Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat der Union angesehen werden.

Nachzulesen im Volltext – und zwar übersetzt – hier.

Bald klare Sicht bei der EU-Fahrerlaubnis? – man kann es nur hoffen…

Wir hatten vor einigen Tagen über das Wirrwarr mit der EU-Fahrerlaubnis, das auch nach den Neuerungen in der FeV zum 19.01.2009 nicht beendet ist, berichtet (vgl. hier). Nun bin ich von einem unseren Autoren im VRR auf die Entscheidung des BayVGH v. 16.08.2010 – 11 B 10.1030 hingewiesen worden. Der hat die Problematik nun dem EuGH vorgelegt, der jetzt dann wieder Gelegenheit hat, ein (Macht)Wort (hoffentlich das letzte) zu sprechen. Die Vorlagefragen lauten:

  1. Die Frage, ob ein Mitgliedsstaat verpflichtet ist, eine von einem anderen Mitgliedsstaat nach dem 18.01.2009 erteilte Fahrerlaubnis allein deshalb nicht an­zuerkennen, weil dem Betroffenen im Mitgliedstaat, der die Anerkennung verwei­gert, zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal eine Fahrerlaubnis entzogen worden ist, wird dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
  2. Es sprechen gewichtige Gründe dafür, die Vorlagefrage zu bejahen.

Man darf gespannt sein, wer Recht behält :-).

JM lässt sich 2 Jahre mit der Entscheidung Zeit – Aussetzung der Sicherungsverwahrung dann ggf. auch ohne ausreichende Vollzugslockerungen

Der 4. Strafsenat des OLG Hamm hatte sich vor kurzem in seinem Beschl. v. 12.05.2010 – 4 Ws 114/10 mit der Aussetzung einer Sicherungsverwahrung zu befassen. Das LG hatte die Ausssetzung beschlossen. Dagegen die Beschwerde der StA, die damit begründet worden ist, dass der Verurteilte noch nicht ausreichend durch Vollzugslockerungen erprobt sei. Das OLG dazu: Der Umstand fehlender Erprobung könne bei der Entscheidung über die Aussetzung einer Strafe zwar grundsätzlich nicht unberücksichtigt bleiben. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn die Versagung von Vollzugslockerungen ersichtlich rechtswidrig war. Davon ist das OLG m.E. zu Recht ausgegangen. Dem JM NRW war es nämlich über zwei Jahre nicht gelungen, eine Entscheidung über die Lockerungen zu treffen.

Im zweiten Teil der Entscheidung befasst sich das OLG dann mit den Auswirkungen der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 und schließt daraus: Nach Rechtskraft der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 (Az.: 19359/04) am 11.05.2010 verstosse die Vollstreckung von Sicherungsverwahrung über den 10-Jahres-Zeitpunkt hinaus sowohl gegen Art. 5 EMRK als auch gegen Art. 7 EMRK.

Ausländische Fahrerlaubnis: Neue Runde vom EuGH eingeläutet

Mal wieder Neues vom EuGH in Sachen ausländische Fahrerlaubnis. Nachdem der EuGH in seiner Entscheidung die Frage, was unbestreitbare Tatsachen sind, noch offen gelassen hatte, hat er sie nun in einem neueren Beschluss vom 09.07.2009 – V-445/08 zumindest insoweit, dass es sich dabei um das Ergebnis eigener Ermittlungen der Verwaltungsbehörde handeln muss, entschieden.

Zudem wird der Entscheidung des Ausstellerstaates, dem Betroffenen eine Fahrerlaubnis zu erteilen, der Vorrang eingeräumt. Die deutschen Fahrerlaubnisbehörden werden sich über diese Entscheidung sicherlich nicht freuen. Denn die deutschen Verwaltungsbehörden müssen wohl die von den anderen Mitgliedsstaaten getroffenen Erteilungsentscheidung selbst dann als ordnungsgemäß anerkennen, wenn sie eigene melderegisterlich gegenteilige Auskünfte über den Wohnsitz des Inhabers zum Zeitpunkt der Erteilungsentscheidung haben.

Damit ist dann die nächste Runde bei der ausländischen Fahrerlaubnis eingeläutet. Wir werde über die Entscheidung in Heft 10 des VRR berichten.