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Schlussantrag des Generalanwalts zur Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis in EuGH C-419/10

Ein Autor des VRR hat mich auf den am 10.11.2011 gestellten Schlussantrag des Generalanwalts in der noch beim EuGH anhängigen „Führerscheinsache“ C-419/10 (Hofmann) aufmerksam gemacht. Er lautet:

„Die Art. 2 Abs. 1 und 11 Abs. 4 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein sind dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ablehnen muss, wenn dessen Inhaber im erstgenannten Mitgliedstaat ein Führerschein wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss entzogen worden ist und in dem ausstellenden Mitgliedstaat nicht die in Nr. 14.1 des Anhangs III der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Überprüfungen bezüglich seiner Fahrtauglichkeit vorgenommen wurden.

(Nichts) Neues aus Straßburg/vom EuGH zur ausländischen Fahrerlaubnis

Die Fragen des „Führerscheintourismus“ beschäftigen den EuGH immer wieder und immer noch. Nach seiner Rechtsprechung sind zwar von den Mitgliedsstaaten erteilte EU-Führerscheine von den anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich anzuerkennen. Das gilt aber nicht, wenn der Fahrerlaubniserwerber tatsächlich gar keinen Wohnsitz im Ausstellerland inne hatte.

Darauf hat der EuGH jetzt in EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-184/10 noch einmal hingewiesen und die Klage einer Fahrerlaubnisinhaberin aus Bayern abgewiesen. Diese hatte ihre Fahrerlaubnis in der benachbarten Tschechischen Republik erworben, ohne dass sie dort tatsächlich einen Wohnsitz hatte. Allerdings war ihr die Fahrerlaubnis auch nicht in der Bundesrepublik entzogen worden, sondern es hatte sich um einen Ersterwerb gehandelt. Der EuGH hat jedoch am „Wohnsitzprinzip“ festgehalten.  Zwar müssten die EU-Staaten grds. die Fahrerlaubnis anderer Mitgliedstaaten anerkennen. Diese dürfe aber an die Voraussetzung geknüpft werden, dass der Autofahrer mindestens sechs Monate in dem jeweiligen Land gewohnt hat. Bei diesem sogenannten Wohnsitzerfordernis unterscheide die EU-Führerscheinrichtlinie nicht zwischen einer ersten und einer weiteren Fahrerlaubnis. Da die Klägerin nie einen Wohnsitz im Ausstellerstaat hatte, sei die dort erteilte Fahrerlaubnis auch nicht anzuerkennen gewesen (vgl. § 28 Abs. 1, 4 FeV).

Also: Auch bei einem Neuerwerb einer Fahrerlaubnis muss eine Fahrerlaubnis von den deutschen Fahrerlaubnisbehörden nur anerkannt werden, wenn der Autofahrer mindestens sechs Monate in dem anderen EU-Mitgliedsstaat gewohnt hat.

Zu der Problematik vgl. auch noch:

Alle Jahre wieder: Ostern, aber auch der EuGH zur ausländischen FE

Ostern  ist – ebenso wie Weihnachten – alle Jahre wieder. Und alle Jahre wieder gibt es auch Entscheidungen des EuGH zur ausländischen Fahrerlaubnis, einer der verkehrsrechtlichen Dauerbrenner.

Der EuGH, Beschl. v. 02. 12. 2010 – C-334/09 (Rechtssache Scheffler) musste dazu jetzt noch einmal Stellung nehmen. „Musste“ ist deshalb formuliert, weil man der Entscheidung des EuGH schon deutlich anmerkt, dass der EuGH dieses Problem und die damit zusammenhängenden Fragestellungen eigentlich „leid ist“. Denn der EuGH sagt erneut, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine es deutschen Behörden verwehrt, die Nichteignung eines Führerscheinsinhabers aufgrund eines negativen Eignungsgutachtens festzustellen, wenn die Gründe für die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens ausschließlich vor der Erteilung des ausländischen Führerscheins zu sehen sind und kein Bezug zum Verhalten des Betroffenen nach der Erteilung des EU-Führerscheins besteht.

Der EuGH hatte auch schon früher ausgeführt, dass nur neue, nach der Erteilung der Fahrerlaubnis liegende Umstände geeignet seien, die Anerkennung ausländischer Führerscheine abzulehnen. Das hat er jetzt noch einmal klargestellt. Neu ist nur der vom EuGH nunmehr aufgestellte Grundsatz, dass auch nachträglich beigebrachte Eignungsgutachten Bezug auf Umstände haben müssen, die nach Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis liegen, um ggf. anerkennungsschädlich zu sein.

Keine innereuropäische Kostenerstattungspflicht

Europa wächst immer mehr zusammen, aber: Die Liebe untereinander 🙂 geht nicht so weit, dass das eine (nationale) Gericht verpflichtet ist/wäre, die Auslagen eines auf sein Ersuchen hin durch das  Gericht eines anderen Mitgliedstaates vernommenen Zeugen zu tragen (vl. EuGH, Urt. v. 17.02.2011 – C 283/09).

„Gestritten“ hatten sich ein polnisches und ein irisches Gericht. Die Iren wollten den Polen nur vernehmen, wenn dem die nach irischem Recht zustehende Entschädigung von 40 € gezahlt war. Der EuGH sah das anders.

Der EuGH und der organisierte Betäubungsmittelhandel

In Auslieferungsfragen nach dem Europäischen Haftbefehlgesetz ist der EuGH häufig die letzte Instanz, wenn die OLG sich in der Auslegung des nationalen Rechts in diesem Bereich nicht sicher sind. So das OLG Stuttgart in seinem Beschl. v. 29.06.2009 – 3 Ausl. 175/08, StRR 2010, 158.

Nach dem Sachverhalt bestand gegen den Verfolgten, einen in Deutschland lebenden italienischen Staatsangehörigen, ein Europäischer Haftbefehl des Tribunale di Catania, in dem ihm vorgeworfen wird, Mitglied einer Vereinigung mit dem Zweck unerlaubten Betäubungsmittelhandels gewesen zu sein. Zuvor war er in Italien bereits wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren, 6 Monaten und 20 Tagen verurteilt worden, die er teilweise verbüßt hatte und von der ihm ein Teil aufgrund einer Amnestie erlassen worden war. Für das vorlegende OLG  stellte sich die Frage, ob der Verfolgung nicht der Grundsatz „ne bis in idem“ entgegensteht, da die italienischen Strafverfolgungsbehörden bereits zum Zeitpunkt der vorgenannten Verurteilung hinreichende Beweise hatten, um den Verfolgten auch wegen der im Haftbefehl genannten Anschuldigungen, insbesondere wegen bandenmäßigen Rauschgifthandels, anzuklagen und strafrechtlich zu verfolgen, sie indessen aus ermittlungstaktischen Gründen – um den Rauschgifthandel aufdecken und die weiteren Beteiligten festnehmen zu können – weder die ihnen vorliegenden Informationen und Beweise an die Untersuchungsrichterin weitergeleitet noch seinerzeit um die Verfolgung dieser Taten ersucht haben.

Der EuGH hat jetzt in seinem Urt. v. 16.11.2010 – C-261/09 die Frage beantwortet und ein aus Art 3 Nr. 2 des Europäischen Haftbefehl Rahmenbeschlusses herzuleitendes Auslieferungshindernis (vgl. § 83 Nr. 1 IRG) verneint. Der Begriff „dieselbe Tat“ sei autonom dahingehend auszulegen, dass der Betroffene nur dann als wegen derselben Handlung rechtskräftig verurteilt i.S. des Art. 3 Nr. 2 des Rahmenbeschlusses anzusehen sei, wenn die Strafklage aufgrund eines Strafverfahrens endgültig verbraucht sei oder die Justizbehörden eines Mitgliedstaats eine Entscheidung erlassen hätten, mit der er von dem Tatvorwurf rechtskräftig freigesprochen worden sei. Ob ein Urteil rechtskräftig i.S. von Art. 3 Nr. 2 des Rahmenbeschlusses sei, bestimme sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem dieses Urteil erlassen worden sei. Daher könne eine Entscheidung, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, der die Strafverfolgung gegen eine Person einleite, die Strafklage auf nationaler Ebene für eine bestimmte Handlung nicht endgültig verbrauche, grundsätzlich nicht als ein Verfahrenshindernis hinsichtlich der etwaigen Einleitung oder Fortführung der Strafverfolgung wegen derselben Handlung gegen den Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat der Union angesehen werden.

Nachzulesen im Volltext – und zwar übersetzt – hier.