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KCanG II: Neufestsetzung der Strafe nach dem KCanG, oder: Geringere Strafe, Urteilsfeststellungen, JGG

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Und im zweiten Posting dann drei OLG-Emtscheidungen zur Neufestsetzung der Strafe. Das ist der Bereich, in dem derzeit bei den OLG „die Musik spielt“. Ich stelle aber auch hier nur die Leitsätze vor, und zwar:

1. Allein der Umstand, dass das Handeltreiben mit Marihuana in nicht geringer Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG im Vergleich zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit einer geringeren Strafe bedroht ist, führt nicht zu einer nachträglichen Strafmilderung nach Art. 316p, 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB.

2. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB liegen nicht vor.

1. Für die Entscheidung nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 5 EGStGB über einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der auf die Neufestsetzung von Strafen abzielt, besteht nicht eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, sondern des Gerichts des ersten Rechtszugs.

2. Art. 313 Abs. 3 EGStGB regelt – schon mit Blick auf den ausdrücklichen Verweis auf § 73 StGB a.F., der Vorgängernorm des § 52 StGB, den der Gesetzgeber des Art. 316p EGStGB erklärtermaßen im Blick hatte (vgl. BT-Drs. 20/8704, S. 155) – Fälle der tateinheitlichen Verwirklichung mehrerer Tatbestände, wobei der einen dieser Tatbestände ausfüllende Sachverhalt als solcher nach neuer Rechtslage nicht mehr gesondert sanktionsbedroht ist.

1. Die Feststellung, ob eine Tat im Sinne des Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB nicht mehr strafbar ist, ist allein anhand der Urteilsfeststellungen zu treffen.

2. Steht nach den Urteilsfeststellungen die fehlende Strafbarkeit einer einer Einheitsjugendstrafe zugrundeliegenden Tat nach neuem Recht nicht fest, ist eine Neufestsetzung der Einheitsjugendstrafe nach Art. 313 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB, § 66 JGG nicht veranlasst.

Strafe II: Zwei Entscheidungen aus dem Jugendrecht, oder: Schwere der Schuld und Einheitsjugendstrafe

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Und dann im zweiten Postingzwei Entscheidungen aus dem Jugendstrafrecht.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – 5 StR 205/23. Er betrifft die Jugendstrafe. Es handelt sich bei der Entscheidung um einen sog. Anfragebeschluss. Der BGH möchte also die Rechtsprechnung ändern und fragt daher bei den anderen Senat wie sie es mit ggf. entgegenstehender Rechtsprechung halten, und zwar wie folgt:

2. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:

Die Verhängung einer Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG, bei der wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist, setzt nicht voraus, dass bei dem Angeklagten eine Erziehungsbedürftigkeit oder -fähigkeit festgestellt werden kann.

Das hat der BGH umfassend begründet, und zwar so umfassend, dass ich auf das Selbstleseverfahren verweise.

Und als zweite Entscheidung noch etwas vom KG, und zwar der KG, Beschl. v. 27.12.2023 – 4 ORs 72/23. Er befasst sich mit der der sog. Einheitsjugendstrafe, und zwar:

§ 31 Abs. 2 JGG sieht grundsätzlich eine Einbeziehung bereits rechtskräftiger Entscheidungen, solange sie noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt sind, in ein neues Urteil und die Verhängung einer einheitlichen Maßnahme für alle Taten vor. Von der Einbeziehung einer früheren Verurteilung kann zwar aus erzieherischen Zweckmäßigkeitserwägungen (§ 31 Abs. 3 S. 1 JGG) abgesehen werden, hierfür müssen aber Gründe vorliegen, die unter dem Gesichtspunkt der Erziehung von ganz besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen. Erst wenn solche Gründe festgestellt sind, ist der tatrichterliche Ermessensspielraum eröffnet. Das Abstellen allein auf den Ablauf der Bewährungszeit genügt diesen Anforderungen nicht.

 

Strafzumessung I: Die „einbezogene Jugendstrafe“, oder: So passt es nicht

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Jeder Verteidiger, der im Jugendrecht tätig ist, weiß – oder sollte wissen -, dass es nach dem JGG anders als im Erwachsenenrecht keine Gesamtfreiheitsstrafe gibt, sondern nur eine Einheitsjugendstrafe (§ 31 Abs. 2 JGG). Was bei deren Bildung zu beachten und vor allem wie diese Strafe zu begründen ist, zeigt noch einmal der BGH, Beschl. v. 16.11.2016 – 2 StR 316/16. Da hatte die Jugendkammer den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes unter Einbeziehung „der Strafe“ aus einer anderen Verurteilung wegen desselben Tatvorwurfs zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das hat beim BGH „nicht gehalten“:

„Auch der Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten M. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es ist zwar nicht zu beanstanden, dass die Jugendkammer die Verhängung einer Jugendstrafe gegen den Angeklagten für erforderlich erachtet hat. Sowohl schädliche Neigungen wie auch die Schwere der Schuld hat das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen. Hingegen begegnen die Ausführungen zur Höhe der Einheitsjugendstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Jugendkammer hat diese – wie sich dem Tenor der angefochtenen Entscheidung entnehmen lässt – „unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Stralsund – Zweigstelle Bergen – vom 14. Januar 2016 (35 Ls 20/15 jug.)“ gebildet. Dies ist rechtsfehlerhaft.

Bei Anwendung von § 31 Abs.2 JGG wird nicht lediglich die Strafe, sondern das Urteil in die Bildung der Einheitsjugendstrafe übernommen. Dabei hat der Tatrichter eine neue, selbständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten vorzunehmen (BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 4, 5). Ist – wie hier – in der einzubeziehenden Entscheidung bereits eine frühere Entscheidung einbezogen worden, sind sämtliche Entscheidungen unter Neubewertung zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen (BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7). Daran fehlt es hier. Das Landgericht hat zwar im Rahmen der konkreten Strafbemessung berücksichtigt, dass der Angeklagte erheblich vorbestraft ist und unter laufender Bewährung stand. Es hat auch einleitend – ohne nähere Erläuterung, und im Widerspruch zur Tenorierung – das „Urteil“ des Amtsgerichts Stralsund – Zweigstelle Bergen – vom 14. Januar 2016 einbezogen. Gleichwohl lassen die Ausführungen der Jugendkammer besorgen, dass sie sich der Notwendigkeit, eine neue, selbständige Bewertung aller früher und jetzt abgeurteilten Taten vornehmen zu müssen, nicht bewusst war. Die Strafzumessungserwägungen beziehen sich lediglich auf die jetzt neu abzuurteilende Tat. Eine Auseinandersetzung mit den früheren Entscheidungen und ihrer Bedeutung für den Erziehungsbedarf lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Die „Einbeziehung“ des Urteils des Amtsgerichts Stralsund vom 14. Januar 2016 erfolgt lediglich formelhaft und erfasst zudem – obwohl geboten – auch nicht die in die genannte Entscheidung einbezogene frühere Verurteilung des Amtsgerichts Stralsund – Zweigstelle Bergen – vom 26. August 2014.“