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7 x Aktuelles zur Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: Fahranfänger, CanG, Alkohol, Bindung, Eignungszweifel

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Und dann habe ich am Samstagnachmittag eine kleine Recjtsprechungsübersicht zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Da hat sich einiges angesammelt, das ich heute vorstelle. Aber – es handelt sich um insgesamt sieben Entscheidungen – hier gibt es nur die Leitsätze. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungen gilt das Selbstleseverfahren.

Hier sind dann:

Eine von einem auf Suchterkrankungen spezialisierten Bezirkskrankenhaus und dem Hausarzt mehrfach diagnostizierte Alkoholabhängigkeit gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV begründet unabhängig von der berauschten Teilnahme des Abhängigen am Straßenverkehr einen Fahreignungsmangel, der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des StVG. Bei alkoholabhängigen Personen besteht krankheitsbedingt jederzeit die Gefahr eines Kontrollverlusts und der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss. Diese der Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV zugrunde liegende Annahme des Verordnungsgebers wird nicht dadurch widerlegt, dass Alkoholfahrten des Antragstellers trotz langjähriger Abhängigkeit nicht bekannt geworden sind oder dass er sich aufgrund seiner Krankheitseinsicht bei einem Rückfall oder Lapsus freiwillig wieder in Behandlung begab und begibt. Eine hinreichend feststehende und nicht überwundene Alkoholabhängigkeit hat zwangsläufig die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge, ohne dass es hierfür weiterer Abklärung bedarf.

1. Die Verwaltungsbehörde ist an eine strafrichterliche Eignungsbeurteilung nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und wenn die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als der Strafrichter auszugehen hat.

2. Wenn das Amtsgericht anstelle einer Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) ein Fahrverbot (§ 44 StGB) verhängt hat, ist dies nicht schon für sich genommen Ausdruck einer stillschweigenden Prüfung und Bejahung der Fahreignung.

Neue Erkenntnisse, die sich nach einer Gutachtensanforderung ergeben, sind insoweit von Bedeutung, als eine ursprünglich gerechtfertigte Beibringungsanordnung aufzuheben ist, wenn die Bedenken gegen die Fahreignung auch ohne Vorlage des geforderten Gutachtens in sonstiger Weise vollständig – auch für den (medizinisch und psychologisch nicht geschulten) Laien nachvollziehbar – eindeutig ausgeräumt sind. Davon ist allerdings nur dann auszugehen‚ wenn keinerlei Restzweifel hinsichtlich der Fahreignung mehr verbleiben und die ursprünglichen Bedenken eindeutig widerlegt sind.

1. Bei Fahranfängern in der Probezeit ist ab einer THC-Konzentration von 1 ng/ml im Blutserum von einem Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung von THC im Sinne von § 24c Abs. 1 StVG auszugehen.

2. Ein Anhaltspunkt für Cannabismissbrauch aufgrund des Führens eines Kraftfahrzeugs mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung liegt – auch bei Fahranfängern in der Probezeit – erst vor, wenn der in § 24a Abs. 1a StVG genannte Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum erreicht oder überschritten ist.

3. Ein Antrag auf Herausgabe des Führerscheins im Wege der Vollzugsfolgenbeseitigung (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO) setzt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Führerscheinablieferung voraus.

1. Im Regelfall schließt bereits die einmalige Einnahme von Betäubungsmitteln i.S.d. BtMG die Fahreignung aus und zwar unabhängig davon, ob der Betroffene unter dem Einfluss eines solchen Betäubungsmittels ein Kraftfahrzeug geführt oder Ausfallerscheinungen gezeigt hat, sowie unabhängig von der Höhe einer festgestellten Wirkstoffkonzentration.

2. Bei einer Dauerbehandlung mit Arzneimitteln scheidet eine Fahreignung nur aus, sofern eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß vorliegt, was grundsätzlich nur durch die Einholung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzuklären sein dürfte.

3. Bei einer Dauerbehandlung mit einem betäubungsmittelhaltigen Arzneimittel i. S. v. Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zu FeV ist zu prüfen, ob dessen Einnahme indiziert und ärztlich verordnet ist, es zuverlässig nach ärztlicher Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, und ob zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch die Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird.

1. Nach § 13a Satz 1 Nr. 2a 2. Alt. FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens von einem Fahrerlaubnisinhaber anordnen, wenn sonstige Tatsachen die Annahme eines Cannabismissbrauchs begründen. Die einmalig gebliebene Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss kann in diesem Sinne die Annahme von Cannabismissbrauch nur begründen, wenn zusätzliche aussagekräftige Umstände(„Zusatztatsachen“) hinzutreten.

2. Solche Tatsachen können u.a. der Zeitpunkt des Cannabiskonsums und das Verhalten während der Verkehrskontrolle sein.

Die Eignungsvoraussetzungen der der Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV sind auch weiterhin maßgeblich. Sie werden nicht modifiziert durch die umfassenden und grundlegenden Änderungen, welche die bis zum Inkrafttreten des CanG vom 27.3.2024 am 1.4. 2024 geltende Fassung der Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV durch das CanG und durch das Sechste Gesetz zur Änderung des StVG und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 16. August 2024 erfahren hat.

KCanG III: Fahrerlaubnisentziehung wegen Cannabis, oder: Ausschließlicher Zweck einer Anbauvereinigung

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Und im dritten Posting zum KCanG habe ich dann zwei Entscheidungen, die nicht mit Strafverfahren zu tun haben, sondern das Verkehrsverwaltungsrecht bzw. das Vereinsrecht betreffen. Also an sich „Kessel-Buntes-Entscheidungen“, aber sie passen heute ganz gut. Also:

1. Durch die Änderung der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV sollte die darin enthaltene Legaldefinition von Cannabismissbrauch an die gesetzliche Wirkungsgrenze von 3,5 ng/ml THC im Blutserum in § 24a Abs. 1a StVG angepasst werden.

2. Eine Übertragung des Verhältnisses von 3,5 ng/ml THC auf eine mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille vergleichbare Beeinträchtigung mit der Folge, dass eine Hochrechnung der in Bezug auf den Alkoholmissbrauch gesetzten Grenze von 1,6 Promille erst ab einem Wert von 28 ng/ml THC im Blutserum zu der Annahme von Cannabismissbrauch führe, kommt nicht in Betracht.

1. Die vereinsrechtliche Konstruktion eines in Zweigvereine untergliederten Gesamtvereins setzt voraus, dass sich die Vereinszwecke von Zentralverein und Zweigvereinen decken.

2. Wegen zwingender Vorgaben des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG) kann sich der Vereinszweck eines übergeordneten, auf die Förderung örtlicher Anbauvereinigungen ausgerichteten Zentralvereins mit dem in § 1 Nr. 13 KCanG legaldefinierten, ausschließlichen Zweck einer Anbauvereinigung im Sinne des KCanG nicht decken. Die Eintragung einer Anbauvereinigung in das Vereinsregister als Zweigverein eines so konzipierten Gesamtvereins ist daher unzulässig.

Entziehung der Fahrerlaubnis nach neuem KCanG, oder: Täglicher Cannabis-Konsum

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Heute steht dann mal wieder – es ist Samstag – der „Kessel Buntes“ an. Und in dem „köcheln“ heute zwei VG-Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis, also mal wieder Verkehrsverwaltungsrecht.

Ich beginne mit dem VG Ansbach, Beschl. v. 20.01.2025 – AN 10 S 24.2731. Der würde an sich auch an einem KCanG-Tag passen, aber zum KCanG habe ich im Moment keine berichtenswerten Entscheidungen. Daher dann heute. In der Entscheidun geht es noch einmal um die Entziehung der Fahrerlaubnis und/bei Cannabismissbrauch nach neuem Recht.

Folgender Sachverhalt: Gestritten wird um einstweiligen Rechtsschutz gegen den Entzug einer Fahrerlaubnis sowie die damit verbundene Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins.

Die Antragstellerin war Inhaberin der Fahrerlaubnis der Klassen A1, A, A (unb.), B, M, L und S. Die Antragsgegnerin erhielt Kenntnis von der vorschriftswidrigen Einnahme psychoaktiv wirkender Arzneimittel im Rahmen eines Suizidversuchs der Antragstellerin im Jahr 2022. Dem Arztbrief des behandelnden Klinikums vom 10.02.2022 war eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen, Differentialdiagnose Schizophrenie Spektrum Störung zu entnehmen. Am 26.04.2022 wurde bei der Antragstellerin eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtiger schwerer Episode und psychotischen Symptomen diagnostiziert.

Im daraufhin eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Fahreignung forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin am 17. Mai 2023 zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung auf, da sich aufgrund der oben genannten Diagnosen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV Zweifel an der Fahreignung ergeben hätten. Laut dem beigebrachten ärztlichen Gutachten der pp. vom 4. September 2023 lag bei der Antragstellerin eine rezidivierende depressive Störung und damit eine Erkrankung nach Nr. 7 der Anlage 4 FeV vor. Die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 1 bestehe, sofern die Auflage der sechsmonatigen fachärztlichen Kontrollen eingehalten werde. Eine am 28.07.2023 durchgeführte leistungspsychologische Untersuchung ergab keine Hinweise auf fahreignungsrelevante Beeinträchtigungen der psychofunktionalen Leistungsfähigkeit. Im Rahmen des Begutachtungsprozesses gab die Antragstellerin an, in der Vergangenheit über einen Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren täglich Cannabis konsumiert zu haben. Die zwei während der medizinischen Untersuchung forensisch gesicherten, entsprechend den Beurteilungskriterien unter Sicht abgegebenen Urinproben ergaben keinen Hinweis auf aktuellen Drogenkonsum.

Mit Schreiben vom 25.09.2023 teilte die Antragsgegnerin dann mit, dass ausweislich des Gutachtens der pp. bei der Antragstellerin ein missbräuchlicher Drogen- und Arzneimittelkonsum in der Vergangenheit vorgelegen habe, jedoch mutmaßlich seit Anfang 2022 eine Betäubungsmittelabstinenz vorliege. Ein damit verbundener Einstellungswandel müsse im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung auf Stabilität hin überprüft werden. Sie wurde zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (ohne Reaktions- und Leistungstests) einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Klärung folgender Fragen aufgefordert.

Nach negativer Begutachtung wurde wurde der Antragstellerin der beabsichtigte Entzug der Fahrerlaubnis angekündigt und ihr die Möglichkeit gegeben, Stellung zu nehmen. Die Antragstellerin gab dann an, dass sie von der Antragsgegnerin zuvor die Auskunft erhalten habe, dass keine Abstinenznachweise zu erbringen seien und legte ein ärztliches Attest ihres behandelnden Psychiaters vor, welches einen positiven Krankheitsverlauf und eine glaubhaft berichtete vollständige Cannabisabstinenz auswies.

Mit Bescheid vom 08.03.2024 wurde der Antragstellerin die Fahrerlaubnis der Klassen A1, A, A (unb.), B, M, L und S entzogen. Zugleich verpflichtete die Antragsgegnerin sie, ihren Führerschein binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides abzugeben. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides wurden angeordnet. Zudem wurde der Antragstellerin unmittelbarer Zwang angedroht.

Die Antragstellerin gab dann ihren Führerschein bei der Antragsgegnerin ab. Sie hat dann Klage erhoben und begehrt einstweiligen Rechtsschutz.

Und sie hatte Erfolg.

Ich stelle nicht die gesamte – wie immer bei einem VG umfangreiche – Begründung ein, sondern beschränke mich auf die Leitsätze. Die lauten:

1. Auch wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, dem Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, rechtmäßig gewesen ist, kann viel dafür sprechen, dass sowohl der Entzug der Fahrerlaubnis wie auch die Ablieferungsverpflichtung des Führerscheins gegen Treu und Glauben als allgemeiner auch im Verwaltungsrecht geltender Rechtsgrundsatz verstoßen. Das kann der Fall sein, wenn sich die Entziehung der Fahrerlaubnis vor dem Hintergrund der zum 1. April 2024 geänderten Rechtslage als widersprüchlich darstellt, das ggf. unter Anwendung des § 13a Nr. 2 FeV überwiegend wahrscheinlich sein kann, dass der Betroffene eines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis diese ohne Weiteres wieder erteilt werden müsste.

2. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV (Alkoholmissbrauch) und um den Begriff des fahrerlaubnisrechtlich relevanten Cannabismissbrauchs nicht zu überdehnen, ist im Rahmen des § 13a Nr. 2 a) Alt. 2 FeV ein zumindest mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum und einer Teilnahme am Straßenverkehr zu fordern. Hat der Betroffene keinem Zeitpunkt unter Cannabiseinfluss ein Fahrzeug geführt, darf ein mittelbarer Zusammenhang gerade nicht daraus gezogen werden, dass der in der Vergangenheit täglich Cannabis konsumierte, denn es ist unter Heranziehung der neuen Fassung der Nr. 9.2.1. der Anlage 4 zur FeV ohne Hinzutreten weiterer Umstände gerade nicht mehr auf einen Kontrollverlust oder eine fehlende Trennfähigkeit zu schließen.