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Rechtsmittel III: Wirksame Berufungsbeschränkung?, oder: Ausreichende Ermächtigung und Zustimmung

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Und die dritte Entscheidung kommt dann ebenfalls zur Berufung. Der OLG Hamm, Beschl. v. 14.09.2021 – III-3 RVs 49/21 – verhält sich zur Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung. In der Entscheidung geht es aber mal nicht um ausreichende Feststellungen, sondern um die ausreichende Ermächtigung des Verteidigers zur nachträglichen Beschränlung der Berufung und/oder um die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu nachträglichen Beschränkung.

Das LG war von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen. Das hat das OLG anders gesehen:

„Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist und deshalb die erforderlichen eigenen Feststellungen zum Schuldspruch nicht getroffen hat.

1. Die mit Verteidigerschriftsatz vom 14. Dezember 2020 nach Rechtsmitteleinlegung erklärte Berufungsbeschränkung, deren Wirksamkeit das Revisionsgericht von Amts wegen und ohne Bindung an die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts prüft (BGH, Beschluss vom 30. November 1976 — 1 StR 319/76 juris; Schmitt, in: Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 64. Auflage 2021, § 318, Rn. 33), erweist sich als unwirksam. Denn bei der nachträglichen Beschränkung der Revision handelt es sich um eine Teilrücknahme des Rechtsmittels, so dass der Verteidiger gem. § 302 Abs. 2 StPO hierzu einer ausdrücklichen Ermächtigung bedurfte (Schmitt, a. a. O., § 302, Rn. 1). Eine solche ist nicht ersichtlich. Die in der allgemeinen Strafprozessvollmacht vom 1. Oktober 2020 enthaltene Befugnis, ,,Rechtsmittel einzulegen, zurückzunehmen, zu beschränken“, genügt schon deshalb nicht als ausdrückliche Ermächtigung im Sinne von § 302 Abs. 2 StPO, weil sie sich nicht auf ein konkretes Rechtsmittel bezieht (vgl. BGH, Beschluß vom 2. August 2000 – 3 StR 284/00, juris; Schmitt, a. a. 0., Rn. 32; Allgayer, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2016, § 302, Rn. 43). Zudem war diese Vollmacht mit Niederlegung des Wahlmandats und Beiordnung als Pflichtverteidiger in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung am 27. Oktober 2020 erloschen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Novembe’r 1990 — 4 StR 457/90 juris).

2. Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass in der Berufungshauptverhandlung am 19. Mai 2021 wirksam eine Berufungsbeschränkung erklärt worden ist.

Nach der Sitzungsniederschrift wurde die Berufung des Angeklagten „mit Schriftsatz vom 14.12.2020 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt“. Dies legt nahe, dass der Angeklagte oder der Verteidiger in der Berufungshauptverhandlungen gerade keine weiteren Erklärungen zum Umfang der Berufung abgegeben haben, sondern die Beteiligten die Erklärung vom 14. Dezember 2020 zugrunde gelegt haben. Doch selbst wenn man das Schweigen des Angeklagten und des Verteidigers als durch schlüssiges Verhalten erneut erklärte Berufungsbeschränkung auslegen wollte, ändert dies an der Unwirksamkeit nichts. Denn in diesem. Fall hätte es gem. § 303 Satz 1 StPO der Zustimmung der Staatsanwaltschaft bedurft. Auch diese vermag der Senat nicht festzustellen.

Zwar kann die gem. § 303 Satz 1 StPO erforderliche Zustimmung ebenfalls durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Das Ausbleiben einer Reaktion kann indes ohne weitere Anhaltspunkte nicht als Zustimmung gewertet werden (MüKoStPO/Allgayer, 1. Aufl. 2016, StPO § 303 Rn. 6). So verhält es sich hier: Zwar hat auch die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Diese Beschränkung war allerdings schon mit der Berufungsbegründung vom 2. Dezember 2020 erklärt worden, so dass ihr ein Erklärungswert in Bezug auf Erklärungen des Angeklagten oder seines Verteidigers in der Berufungshauptverhandlung nicht zukommt. Auch andere Gesichtspunkte, die auf eine Zustimmung der Staatsanwaltschaft in der mündlichen Verhandlung hindeuten, bestehen nicht.“

BayObLG III: Nachträgliche Berufungsbeschränkung, oder: Lag die „ausdrückliche Ermächtigung“ vor?

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Und dann noch als dritte Entscheidung heute der BayObLG, Beschl. v.16.06.2021 206 StRR 226/21 – mit einer Problematik aus dem Rechtsmittelrecht, nämlich die Frage der Wirksamkeit einer (nachträglichen) Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch. In dem Zusammenhnag spielt ja dann eine Rolle, ob der Verteidiger, der die Beschränkung erklärt über eine ausdrückliche Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 StPO verfügt. Denn die ist (auch) in den Fällen erforderlich:

„Die zulässige Revision hat mit der Sachrüge – zumindest vorläufig – Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

1. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung (Paul in KK, StPO, 8. Aufl., § 318 Rdn. 1) ergibt, dass das Berufungsgericht zu Unrecht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Strafausspruch ausgegangen ist und damit den Umfang des zur Überprüfung stehenden Prozessgegenstands verkannt hat. Durch den Schriftsatz seines Verteidigers vom 24. November 2020 ist keine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erfolgt.

a) Bei der erklärten Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch handelt es sich um eine Teilrücknahme des zunächst mit Schriftsatz vom 15. Juli 2020 unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels, das mit Schriftsatz vom 24. November 2020 nachträglich als Berufung bezeichnet wurde und für die der Verteidiger gemäß § 302 Abs. 2 StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung des Angeklagten bedarf. Es kann offenbleiben, ob dies für das Rechtsmittel der Berufung nur dann gelten soll, wenn die Beschränkung außerhalb der Frist zur Berufungsbegründung gemäß § 317 StPO erfolgt, oder in jedem Fall der nachträglichen Berufungsbeschränkung (vgl. dazu OLG München, Beschluss vom 14. Juli 2016 – 5 OLG 13 Ss 230/16 -, juris Rdn. 5; OLG Koblenz, Beschluss vom 8. Februar 2000 – 1 Ss 5/00 -, juris Rdn. 7). Vorliegend erfolgte die Beschränkung nämlich durch Verteidigerschriftsatz vom 24. November 2020 und damit jedenfalls außerhalb der mit Ablauf des 30. Juli 2020 endenden Frist zur Berufungsbegründung, nachdem das Urteil des Amtsgerichts dem Verteidiger am 23. Juli 2020 zugestellt worden war (§ 317 StPO).

b) Der zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom 24. November 2020 bei Gericht als Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt war nicht mit einer entsprechenden Vollmacht nach § 302 Abs. 2 StPO ausgestattet. Das Vorliegen einer „besonderen Vollmacht“ für die Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – 5 StR 484/18 -, juris) hat der Pflichtverteidiger des Angeklagten nicht behauptet. Auch auf die allgemeine Strafprozessvollmacht, die den Verteidiger zur Rücknahme von Rechtsmitteln ermächtigt, kann insoweit nicht abgestellt werden, da diese mit der Niederlegung des Wahlmandats im Zusammenhang mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger am 3. November 2020 erloschen ist (BGH, Beschluss vom 8. November 1990 – 4 StR 457/90 -, juris Rdn. 2).

c) Der Nachweis der Ermächtigung kann auch noch nach Abgabe der Erklärung geführt werden (BGH, Beschluss vom 10. September 2009 – 4 StR 120/09 -, juris Rdn. 5). Das Protokoll der Berufungshauptverhandlung enthält insoweit allerdings nur die gerichtliche Feststellung, dass der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 15. Juli 2020 form- und fristgerecht Berufung eingelegt und die Berufung mit Schriftsatz vom 24. November 2020 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Wegen ihrer Unwiderruflichkeit sind strenge Anforderungen an die Eindeutigkeit einer Rücknahme- oder Verzichtserklärung zu stellen. Deshalb genügt das bloße Schweigen des Angeklagten auf die gerichtliche Feststellung der Beschränkung seiner Berufung nicht als Nachweis einer Ermächtigung des Verteidigers oder gar als Beleg einer eigenen Rücknahmeerklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (vgl. OLG München, Beschluss vom 14. Juli 2016 – 5 OLG 13 Ss 230/16 juris Rdn. 7).

d) Der Nachweis der Ermächtigung kann gegenüber dem Revisionsgericht auch dann noch im Freibeweisverfahren erbracht werden, wenn das Berufungsgericht über die – von ihm als wirksam beschränkt behandelte – Berufung entschieden hat (OLG München a.a.O. Rdn. 8). Vorliegend wurde der Nachweis der Ermächtigung jedoch auch nicht im Freibeweisverfahren geführt. Der frühere (Pflicht)verteidiger des Angeklagten, der zwischenzeitlich nicht mehr als Rechtsanwalt tätig ist und seine Anwaltszulassung zurückgegeben hat, hat auf Anfrage der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, er berufe sich auf seine Verschwiegenheitspächt als Rechtsanwalt, die auch nach Rückgabe der Zulassung gelte. Die nunmehrige Verteidigerin des Angeklagten hat mit Schriftsatz vom 17. Februar 2021 mitgeteilt, dass der Angeklagte eine Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO nicht erteilt habe (RB S. 2). Danach ist der Nachweis nicht zu führen, dass zum Zeitpunkt der Erklärung der Beschränkung mit Schriftsatz vom 24. November 2020 eine Ermächtigung zur Berufungsbeschränkung durch den Verteidiger vorgelegen hat.

2. Das Fehlen der Ermächtigung zur Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen durch den Verteidiger (bzw. einer eigenen Beschränkung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung) hat zur Folge, dass das Rechtsmittel als unbeschränkt eingelegt anzusehen ist. Mangels einer wirksamen Beschränkung war die Berufungskammer verpflichtet, über den Verfahrensgegenstand in vollem Umfang zu entscheiden. Das ist nicht erfolgt….“

Rechtsmittel III: Umfang der Berufungsbeschränkung, oder: Feststellungen zum Regelbeispiel?

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Die dritte und letzte Entscheidung, der OLG Celle, Beschl. v. 17.05.2019 – 2 Ss 59/19, ist schon etwas älter. Er „passt“ aber heute ganz gut, da er auf die Frage der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung zum Gegenstand hat.

Das AG hat den Angeklagten u.a. wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Das LG hat die dagegen gerichtete – beschränkte – Berufung verworfen.

Das LG hat in seinem Urteil die vom AG getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt. Es hat  weiter festgestellt, der Angeklagte habe beabsichtigt, aus der wiederholten Begehung vergleichbarer Taten eine nicht nur kurzfristige Einkommensquelle von einigem Gewicht zu schaffen. Rechtlich hat das Landgericht die Taten als gewerbsmäßigen Betrug gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, 53 StGB gewertet. Bei der Strafzumessung hat das LG den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB zur Anwendung gebracht und auf dieselben Einzelstrafen und dieselbe Gesamtfreiheitsstrafe erkannt wie bereits das Amtsgericht.

Die Revision des Angeklagten hatte zum Strafausspruch Erfolg:

„2. Das Urteil konnte allerdings im Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraumes liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen, in Zweifelsfällen muss die Strafzumessung des Tatrichters hingenommen werden (vgl. BGHSt 34, 345; 29, 319; StraFo 2006, 383). Dies setzt allerdings voraus, dass der Tatrichter seiner Strafzumessung den richtigen Strafrahmen zugrunde gelegt hat und das Revisionsgericht bei mehreren zur Verfügung stehenden Strafrahmen die vorgenommene Auswahl des letztlich zugrunde gelegten Strafrahmens nachvollziehen und auf mögliche Rechtsfehler hin überprüfen kann (vgl. BGH Urteil vom 06.09.1989 – 2 StR 353/89 -; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.05.1992 – 1 Ss 85/92 -; BGH NJW 1978, 174; wistra 1982, 225; Senat, Beschluss vom 31.08.2016 – 2 Ss 93/16 -).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat bei seiner Strafzumessung den für besonders schwere Fälle des Betruges vorgesehenen Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB zugrunde gelegt, ohne ausreichende Feststellungen zu der Frage der angenommenen Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) getroffen zu haben.

Von eigenen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung war die Strafkammer trotz der wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Celle vom 06.09.2018 nicht befreit. Bei § 263 Abs. 3 StGB handelt es sich um keinen selbständigen Straftatbestand, sondern um eine gesetzliche Strafzumessungsregel. Ist die Gewerbsmäßigkeit der Tat wie nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB als Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund ausgestaltet, so ist sie allein für die Strafzumessung relevant. Bei den tatrichterlichen Feststellungen zum gewerbsmäßigen Vorgehen handelt es sich in der Regel nicht um doppelrelevante Tatsachen, die sowohl den Schuld- als auch den Strafausspruch berühren. Im Falle einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch entfalten daher die erstinstanzlichen Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln in der Regel keine Bindungswirkung für das Berufungsgericht, so dass dieses insoweit eigene Feststellungen zu treffen hat (vgl. BGH Beschluss vom 20.06.2017 – 1 StR 458/16 -; OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2018 – III 4 RVS 84/18 – KG Berlin Beschluss vom 11.12.2017- (5) 161 Ss 161/17 (77/17) -.

So liegt der Fall hier, denn Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend die die gewerbsmäßige Begehung begründenden Umstände nicht hinzu oder hinweg gedacht werden könnten, ohne dass der für den Schuldspruch tragende Geschehensablauf hiervon berührt würde, liegen nicht vor.

Das Landgericht hätte hiernach bei seiner Rechtsfolgenentscheidung eigene tatsächliche Feststellungen treffen müssen, die geeignet sind, die Bewertung der Taten als gewerbsmäßige Begehungsweise zu tragen. Dieser Mangel führt zur Aufhebung des Urteiles im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang.“

StPO III: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, oder: Sollte man wissen

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Und als letzte Entscheidung des Tages weise ich dann auf das KG, Urt. v. 05.11.2018 – (2) 161 Ss 33/18 (5/18) – hin, u.a. betreffend die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung. Die Entscheidung habe ich ja schon einmal vorgestellt wegen der vom KG entschiedenen materiellen Frage (vgl. Gewerbsmäßig?, oder: Auch wer sparen will, kann “gewerbsmäßig” handeln…).

Heute geht es um den verfahrensrechtlichen Aspekt. Worum es dabei geht, ergibt sich aus dem Leitsatz der Entscheidung:

„Die Feststellung des Amtsgerichts, der Angeklagte sei betäubungsmittelabhängig im Sinne des § 17 Abs. 2 BZRG, ist nicht Teil des Schuldspruchs. Daher ist das Berufungsgericht auch bei einer Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch nicht gehindert, zu einer etwaigen Betäubungsmittelabhängigkeit eigene und vom Urteil des Amtsgerichts abweichende Feststellungen zu treffen.“

Sollte man eigentlich wissen.

Rechtsmittel II: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, oder: Zusatz

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es ich um das OLG Bamberg, Urt. v. 22.06.2018 – 3 OLG 110 Ss 38/18 – zur Strafmaßberufung beim besonders schwerem Fall der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO. Das AG hat den Angeklagtren wegen Steuerhinterziehung in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein, welche er mit Verteidigerschriftsatz vom 02.02.2018 „auf das Strafmaß und die Rechtsfrage“ beschränkte, „ob für die Veranlagungszeiträume 2007, 2008 und 2009 ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 III 2 Nr. 1 AO“ vorliege. Das LG ist von einer wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels auf den „Rechtsfolgenausspruch“ ausgegangen. Das OLG ist dem gefolgt:

„1. Die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß ist wirksam, was der Senat aufgrund der zulässigen Revision von Amts wegen zu prüfen hat (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 30.11.1976 – 1 StR 319/76 = BGHSt 27, 70 = NJW 1977, 442 = JZ 1977, 142 = MDR 1977, 326 = DAR 1977, 136 = JR 1978, 70; BayObLG, Beschl. vom 02.02.2001 – 5St RR 20/01 = VRS 100 [2001], 354 = NZV 2001, 353 = BA 38, 290; OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18; 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr. 7 = ZfS 2018, 114; 09.10.2017 – 3 OLG 6 Ss 94/17; Urt. vom 14.03.2017 – 3 OLG 6 Ss 22/17 [jeweils bei juris]; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 318 Rn. 33, § 327 Rn. 9, § 352 Rn. 4).

a) Die Bestimmung des § 302 II StPO steht der Wirksamkeit der vom Verteidiger erklärten Berufungsbeschränkung auf das Strafmaß nicht entgegen. Der Verteidiger war nach dem Inhalt seiner gegenüber dem Senat […] abgegebenen Stellungnahme ausdrücklich vom Angekl. dazu ermächtigt, die als Teilrücknahme des zunächst unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels zu wertende nachträgliche Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß (vgl. für den Fall der Einspruchsbeschränkung nach § 67 II OWiG zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 [bei juris] m.w.N.) zu erklären.

b) Auch sonst begegnet die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung keinen Bedenken.

aa) Die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils entsprechen zwar nicht den Anforderungen an eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung, weil die Darstellung der Steuerberechnung im Einzelnen (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BGH, Beschl. v. 24.5.2017 ? 1 StR 176/17 = NStZ 2018, 341 = NZWiSt 2018, 38 = StV 2018, 39 = wistra 2017, 445; Urt. v. 19.12.2017 – 1 StR 56/17 [bei juris]; 28.10.2015 – 1 StR 465/14 = NStZ 2016, 292) unterbleibt, sich stattdessen auf die Mitteilung der erklärten zu versteuernden Einkommen, der tatsächlichen Einkommen und der Bezifferung der verkürzten Steuerbeträge beschränkt. Dieser Darstellungsmangel berührt indes nicht die Wirksamkeit der Beschränkung des Rechtsmittels auf das Strafmaß, weil die Angaben zur Höhe der hinterzogenen Steuern für die jeweiligen Veranlagungszeiträume im amtsgerichtlichen Urteil eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung bieten.

bb) Die Berufungsbeschränkung ist auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil die entsprechende Erklärung die Wendung enthält, dass sie sich zusätzlich auf die Rechtsfrage beschränke, ob für die Veranlagungszeiträume 2007, 2008 und 2009 ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 III Satz 2 Nr. 1 AO vorlag.

(1) Durch diesen Zusatz wurde das Rechtsmittel nicht auf die Rechtsfrage des Vorliegens eines besonders schweren Falls beschränkt. Vielmehr ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Erklärung klargestellt, dass sich die Berufung gegen den Strafausspruch insgesamt wendet und dabei auch die Prüfung durch das Rechtsmittelgericht erstrebt wird, ob die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils eine Subsumtion unter die Vorschrift des § 370 III 2 Nr. 1 AO rechtfertigen. Zu einer derartigen Prüfung wäre das Berufungsgericht aber auch ohne einen entsprechenden Zusatz verpflichtet gewesen, sodass der Rekurs auf die Rechtsfrage des Vorliegens eines besonders schweren Falles lediglich als Hinweis auf die Rechtslage anzusehen ist. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Rechtsmittelführer gleichzeitig zum Ausdruck gebracht hätte, dass er sich auch gegen die insoweit maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen zur Höhe der hinterzogenen Steuerbeträge wenden wollte. Dies war aber zweifelsfrei nicht der Fall, was sich schon daraus ergibt, dass es ihm allein um die Klärung der „Rechtsfrage“ ging.

(2) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass es dem Angekl. vor allem darum ging, dass im Falle der Verneinung besonders schwerer Fälle bei einem Teil der Taten das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Zwar kann dann nicht von einer wirksamen Beschränkung einer Berufung auf das Strafmaß ausgegangen werden, wenn der Beschwerdeführer sich auch gegen die Richtigkeit des Schuldspruchs oder der ihm zugrunde liegenden Feststellungen wendet (vgl. hierzu etwa OLG Bamberg, Beschl. v. 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr 7 = ZfS 2018, 114 m.w.N.), weil bei einer derartigen Konstellation die Beschränkung dem erklärten Ziel des Rechtsmittels widerspräche. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Beschwerdeführer – wie hier – der Auffassung ist, es sei Verjährung eingetreten. In einem solchen Falle besteht gerade kein Widerspruch im Willen des Rechtsmittelführers. Denn auch im Falle der horizontalen Teilrechtskraft, die durch die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß eintritt, wäre das Verfahrenshindernis der Verjährung von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. speziell zur Verjährung nur BGH, Beschl. v. 11.04.2013 – 2 StR 401/12 [bei juris]).“