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Wochenspiegel für die 19. KW – oder wir schauen mal wieder über den Tellerrand

Berichtenswert aus der letzten KW sind für mich:

  1. Der Frage: „Gibt es noch funktionierende Blitzer? ist Red_Tape nachgegangen.
  2. Die durch das sog. Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens geplante „Aussagepflicht bei der Polizei“ war auch noch einmal Thema.
  3. Mit der „Einwilligungserklärung zur freiwilligen Blutprobenentnahme“ befasst sich RA Melchior.
  4. Ob guter Rat, ob unbefriedigender Rat – Geld kosten sie alle, meint RAin Braun hier.
  5. Mit den Problemen des „Bergaufwärtsfahrenden“ befasst sich der Schadenfixblog.
  6. Auf eine Entscheidung des AG Ahrensburg zum (nach)denkenden Polizeibeamten wird hier hingewiesen.
  7. Was ist „eine neue Ramsau?

Das Schwätzchen zum Jahrestag :-), oder: Man lernt nie aus

Ich hatte ja gerade schon gepostet, dass ich mir zur Feier des Tages heute auch mal ein Schwätzchen erlaube.

Eingehen will ich auf eine schon etwas zurückliegende Begebenheit: Ich befand mich auf der Rückfahrt vom OLG Hamm nach Münster. Im Bereich einer „gefährdeten“ (= häufige Geschwindigkeitsüberwachungen) Stelle wird mal wieder kontrolliert. Ich denke nicht an die Gefahr und fahre zu schnell. Nicht viel, aber es reicht, um herausgewunken zu werden. Der Polizeibeamte verweist mich an seine beiden Kollegen, die in einem Bulli auf mich warten und gleich das Gespräch damit eröffnen: „Sie sind geblitzt worden, Sie waren zu schnell, kostet 20 €“. Na ja, geblitzt hatte es nicht, aber was soll es, dachte ich. Für 20 € machste kein Theater, zumal ich es eilig hatte. Ich habe also bezahlt, konnte mir dann aber beim Aussteigen es dennoch nicht verkneifen, Folgendes anzumerken:

Ich: „War jetzt für mich sehr lehrreich“.

PB 1: “ Ja, Sie fahren jetzt hier sicher nicht mehr zu schnell.“

Ich: „Nee, nicht deshalb, sondern ich frage mich, wann ich denn belehrt und angehört worden bin. Also §§ 55 OWi, 136 StPO“.

PB 2: „Hm, wie meinen Sie das denn?“

Ich:: „Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie mich über mein Schweigerecht belehrt haben“.

PB 1: Aber, wir haben Ihnen doch gesagt, dass Sie zu schnell gefahren sind.“

Ich: „Das dürfte kaum ausreichen..“

PB2: „Mal ne Frage: Was sind Sie denn von Beruf?“

Ich: „Richter am OLG. Und ich habe gerade gelernt, dass an dem, was man immer wieder in den Akten liest, dass nämlich nicht belehrt wird, doch wohl etwas dran ist.“

PB1 und PB2: Schweigen.

Ich: „Schönen Tag noch meine Herren. Man lernt eben nie aus.“

Das wollen Rechtsanwälte…

Am vergangenen Samstag ist der 61. DAT in Aachen zu Ende gegangen. Dort sind auch straf(verfahrens)rechtliche Fragen, die auch in Blogs bereits eine Rolle gespielt haben, diskutiert worden. Wie die Rechtsanwälte dazu stehen, lässt sich den Pressemitteilungen des DAV entnehmen. Im Einzelnen:

  1. Zur geplanten Änderung des § 160a StPO heißt es: Anwälte fordern Stärkung des Anwaltsgeheimnisses; vgl. dazu auch hier, hier und hier.
  2. Die „Anwälte begrüßen Maßnahmen gegen überlange Gerichtsverfahren„, vgl dazu auch hier und hier.
  3. Die „Reform der Sicherungsverwahrung überfällig„, vgl. dazu auch hier.
  4. Gefordert wird (zu Recht): „Keine Erscheinens- und Aussagepflicht für Zeugen bei der Polizei„, vgl. dazu auch hier, und hier.

Mal sehen, was aus den Vorhaben wird und wann und wie sie Gesetze werden.

Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens – teilweise zu leicht befunden, oder?

Der Rechtsausschuss des Bundesrates befasst sich heute mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens“, indem unter anderem eine Erscheinens- und Aussageverpflichtung für Zeugen bei der Polizei vorgesehen ist (BR-Drucksache 120/10). Wir hatten über dieses Vorhaben der Schwarz-gelben Koalition schon in Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag berichtet. Hierbei handelt es sich um eine Forderung, die schon mehrfach aus dem Bundesrat erhoben wurde. So entspricht der vorliegende Entwurf wörtlich den Gesetzesanträgen des Bundesrates in der Bundestagsdrucksache 14/6079 vom 16.05.2001 und in der Bundestagsdrucksache 16/3659 vom 30.11.2006 – und dies sogar einschließlich der Begründung.

Man fragt sich: Wieso wird das Strafverfahren eigentlich effektiver, wenn Zeugen bei der Polizei erscheinen und aussagen müssen? Und: Wie will man eigentlich die schwierigen Fragen der Zeugnis- und Aussage- bzw. Auskunftsverweigerung regeln. Wenn man sich die Rechtsprechung anschaut, haben ja schon ausgewachsene Kammer Schwierigkeiten, die Fragen des § 55 StPO richtig zu beantworten. Und das macht dann demnächst der vernehmende Polizeibeamte? Und wenn der Zeuge sich mit dem nicht einigen kann, geht es dann gleich in die Beugehaft?

Fazit: Abzulehnen. So übrigens auch der DAV; vgl. auch hier.

Biene Maja/Schwarz/Gelb: Was ist denn nun an dem Vorhaben liberal? Aussagepflicht vor der Polizei?

Liest man den Koalitionsvertrag – Überschrift „Wachstum.Bildung.Zusammenhalt – dann ist man, wenn sich dem Bereich der Rechtspolitik nähert, schon erstaunt. Da hat man doch zwischen Änderungen im Wiederaufnahmerecht (zu Lasten des Angeklagten/Verurteilten) und Änderungen im Transsexuellenrecht eine m.E. weit reichende Änderung „versteckt“. Lapidar heißt es dort: „Wir werden eine gesetzliche Verpflichtung schaffen, wonach Zeugen im Ermittlungsverfahren nicht nur vor dem Richter und dem Staatsanwalt, sondern auch vor der Polizei erscheinen und – unbeschadet gesetzlicher Zeugenrechte – zur Sache aussagen müssen.“ Da kann man Frau Leutheuser-Schnarrenberger ja gleich mal fragen, was das soll und wie man das regeln will? Mit einer vorherigen Ladung oder sollen die Zeugen auch ohne Ladung – „vor Ort/auf Zuruf“ zur Aussage verpflichtet sein. Und was ist, wenn sich der Zeuge weigert. Kann die Polizei dann Zwangsmittel festsetzen? Oder soll das so laufen wie bei der Beiordnung des Vernehmungsbeistandes, dass darüber dann die StA oder der Ermittlungsrichter entscheidet? Können die Polizeibeamten überhaupt die Frage eines Zeugnisverweigerungsrechts oder – noch besser – eines Auskunftsverweigerungsrechts abschätzen/beurteilen. Es werden sicherlich wunderbare Vernehmungen bei der Polizei werden, wenn man das wirklich umsetzt.

Das Ganze ist allerdings übrigens nicht so ganz neu. Denn ein entsprechender Vorschlag war schon im Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens“ (BR-Drucks. 660/06) als Ergänzung zu § 163a Abs. 6 StPO-E enthalten; übrigens ein wunderbarer Name für ein Gesetz, das ua. Rechte abbaut. Gegen dieses Gesetz hat sich das BMJ allerdings als nicht genügend „rechtsstaatlich“ ausgesprochen (vgl. BT-Drucks. 16/3659).

Jetzt sind wir aber „liberal“ .

zu allem auch: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/10/25/von-der-polizeiwache-in-die-ordnungshaft/