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(K)Eine Terminsgebühr im Auslieferungsverfahren, oder: Bitte Entscheidungen schicken.

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So, heute Gebührenfreitag, also gebührenrechtliche Entscheidungen. Der ersten Entscheidung stelle ich aber einen Aufruf voran, nämlich: Bitte weiterhin gebührenrechtliche Entscheidungen schicken. Mein Ordner „RVG“ ist nämlich leer und ich brauche dringend Nachschub für die Berichterstattung hier und auch für meine Homepage und natürlich für den RVG-Kommentar, den man übrigens <<Werbemodus an>> hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>. Also: ich erwarte dann Entscheidungen 🙂 .

Heute stelle ich dann aus meinem knappen Reservoir den OLG Köln, Beschl. v. 10.01.2018 – 6 AuslA 195/17 – vor. Der Kenner sieht am Aktenzeichen, dass es um Gebühren im Auslieferungsverfahren geht. Das stimmt, und zwar mal wieder um die Frage, ob für die für Teilnahme an einem Anhörungstermin zur Verkündung des Auslieferungshaftbefehls eine Terminsgebühr entsteht. Das OLG Köln sagt – ebenso wie die h.M.: Nein:

2. Die zulässige Erinnerung ist unbegründet, da der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu Recht die Terminsgebühr abgesetzt hat, da am 04.12.2017 vor dem Amtsgericht Köln keine Verhandlung im Sinne von Nr. 6102 VV-RVG stattfand.

a) Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass die Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV-RVG lediglich für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht gemäß §§ 30 Abs. 3, 31, 33 Abs. 3 IRG anfällt (vgl. zuletzt SenE vom 18.07.2017, 6 AuslA 174/16 – 118 -; SenE vom 14.03.2006, 2 ARs 35/06, NJW-RR 2007, 71) und folgt damit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2006, 2 (s) Sbd IX 43/06, StraFo 2006, 259; OLG Hamm vom 25.10.2016, III-1 Ws 241/16, RVGreport 2017, 52; OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2007, 33 Ausl 84/06, JurBüro 2007, 252; KG Berlin, Beschluss vom 13.08.2007, 1 Ws 109/07, AGS 2008, 130-131; OLG Koblenz, Beschluss vom 29.02.2008, (1) Ausl-III-20/07, NStZ-RR 2008, 263; OLG Rostock, Beschluss vom 12.03.2009, Ausl 14/08 I 7/08, JurBüro 2009, 364; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.03.2009, Ausl 56/08, NStZ-RR 2009, 192; OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2009, 2 Ausl (A) 30/08, NStZ-RR 2009, 392; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.10.2009, 1 (3) Ausl 1110/09, NStZ 2010, 710; OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2009, 1 ARs 86/09, NdsRpfl 2010, 95; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 05.05.2011, (1) 53 AuslA 43/10 (20/10), StRR 2011, 247; außerdem Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, Nr. 6100-6101 VV Rn. 4). Die Gegenansicht (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 14.05.2007, 1 Ws 122/07, NStZ-RR 2008; Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 22. Auflage 2015, VV 6100-6102 Rn. 7; Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 7. Auflage 2014, VV 6100-6102 RVG Rn. 26 f.; Riedel/Sußbauer-Schneider, RVG, 10. Auflage 2015, VV 6100-6102 Rn. 8; Burhoff-Volpert, RVG, 4. Aufl. 2014, Nr. 6102 VV RVG Rn. 7; krit. auch Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Auflage 2014, Nr. 6102 VV RVG Rn. 3) überzeugt aus verschiedenen Gründen nicht.

aa) Nach dem Wortlaut der Regelung in Nr. 6102 VV-RVG (bzw. Nr. 6101 a.F.) fällt bei Verfahren nach dem IRG „je Verhandlungstag“ eine Terminsgebühr für den gerichtlich bestellten Verteidiger i.H.v. 424 Euro an. In der Vorbemerkung 6 Abs. 3 VV-RVG heißt es ferner, dass die Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen entsteht, soweit nichts anderes bestimmt ist. Zwar stellt die Anhörung nach § 28 IRG vor dem Amtsgericht zweifelsfrei einen gerichtlichen Termin dar und wird daher vom Wortlaut der Vorbemerkung 6 Abs. 3 VV-RVG erfasst, jedoch ist in Nr. 6102 VV-RVG eine von der Vorbemerkung zugelassene abweichende Bestimmung zu sehen.

Nr. 6102 VV-RVG sieht die Terminsgebühr „je Verhandlungstag“ vor. Eine „Verhandlung“ im eigentlichen Wortsinne ist jedoch nach dem IRG nur vor dem Oberlandesgericht vorgesehen, wenn insbesondere über die Zulässigkeit der Auslieferung oder die Fortdauer der Auslieferungshaft (vgl. §§ 30 Abs. 3, 31, 33 Abs. 3 IRG) verhandelt wird (ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2007, 33 Ausl 84/06, a.a.O.). Das Amtsgericht hingegen, welches die hier maßgebliche Anhörung nach § 28 IRG durchführt und den Auslieferungshaftbefehl verkündet, hat im Wesentlichen keine eigenen Sachentscheidungsbefugnisse, sondern ist auf die Prüfung formeller Aspekte begrenzt (vgl. §§ 21 Abs. 3 und 5, 22 Abs. 3, 23 IRG). Die Aufgaben beschränken sich auf die Verkündung des Auslieferungshaftbefehls, die Vornahme von Belehrungen und die Protokollierung von Erklärungen (vgl. §§ 28 Abs. 2 S. 2, 41 Abs. 4, 79 Abs. 2 S. 4 IRG). Eine inhaltliche Auseinandersetzung im Sinne einer Verhandlung erfolgt grundsätzlich nicht (ebenso OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2009, 2 Ausl (A) 30/08, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.10.2009, 1 (3) Ausl 1110/09, a.a.O.).

Soweit die Gegenansicht anführt, die Formulierung „Terminsgebühr pro Verhandlungstag“ spreche nicht für eine Einschränkung in dem Sinne, dass eine Terminsgebühr nur bei Verhandlungen nach §§ 30, 31 IRG anfalle, sondern diene lediglich der Klarstellung, dass die Gebühr mehrfach anfallen kann (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 14.05.2007, 1 Ws 122/07, a.a.O.), ändert dies nichts daran, dass der Wortlaut der Regelung eine einschränkende Auslegung nahelegt. Hierfür streiten nach der folgenden Gesamtschau auch die besseren Gründe.

bb) Für eine solche einschränkende Auslegung spricht entgegen der Ansicht des Thüringer Oberlandesgerichts die Gesetzesentstehung, wonach durch die Neufassung im RVG die bis dahin geltende Regelung in §§ 106, 107 BRAO inhaltlich übernommen werden sollte (BT-Drs. 15/1971, S. 231). Auch nach der überwiegenden Ansicht zur früheren Regelung wurde die Teilnahme am Anhörungstermin jedoch bereits durch die Verhandlungsgebühr abgegolten (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.03.2009, Ausl 56/08, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2009, 1 ARs 86/09, a.a.O.). Eine abweichende Regelung hat der Gesetzgeber im Rahmen der Neufassung lediglich beispielsweise für Vernehmungen im Ermittlungsverfahren für notwendig erachtet (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 222 bzw. Nr. 4102 VV-RVG), nicht jedoch für Verfahren nach dem IRG. Auch im Rahmen des 2. KostRMoG vom 23.07.2013 hat der Gesetzgeber – in Kenntnis des Streitstandes – eine Änderung nicht für erforderlich gehalten.

cc) Gleichfalls sprechen systematische Erwägungen für das gefundene Ergebnis, etwa der Vergleich mit Nr. 4102 Nr. 3 VV-RVG. Danach lösen Termine zur Verkündung eines die Untersuchungshaft anordnenden Haftbefehls nur dann eine Terminsgebühr aus, wenn über Anordnung und Fortdauer verhandelt wird. Zudem wird in diesem Fall auch nur eine geringere Gebühr als bei Nr. 6102 VV-RVG fällig, die außerdem nur einmal anfällt für die Teilnahme an jeweils bis zu drei Terminen. Es wäre systemwidrig, anzunehmen, dass im Falle einer Anhörung nach § 28 IRG dennoch für jeden Termin ohne inhaltliche Verhandlung in der Sache die deutlich höhere Gebühr nach Nr. 6102 VV-RVG anfallen soll (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2009, 2 Ausl (A) 30/08, a.a.O., OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2006, 2 (s) Sbd IX 43/06, a.a.O.; OLG Rostock, Beschluss vom 12.03.2009, Ausl 14/08 I 7/08, a.a.O.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.03.2009, Ausl 56/08, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2009, 1 ARs 86/09, a.a.O.).

Weiterhin entspricht die in Nr. 6102 VV-RVG festgesetzte Gebührenhöhe der bei erstinstanzlichen Terminen vor dem OLG (bzw. Schwurgericht, Staatsschutz- oder Wirtschaftsstrafkammern, vgl. Nr. 4120 VV RVG), was ebenfalls dafür spricht, dass die Regelung Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht, nicht aber Anhörungen vor dem Amtsgericht erfassen soll. Soweit gegen diese Argumentation eingewandt wird, dass in Strafsachen eher inhaltliche Gesichtspunkte und nicht das Gericht für die Gebührenhöhe maßgeblich seien (so Thüringer OLG Jena, Beschluss vom 14.05.2007, 1 Ws 122/07, a.a.O.), ist dem entgegenzuhalten, dass dem RVG eine Differenzierung nach Art des Gerichts auch in Strafsachen keineswegs fremd ist.

Nicht überzeugen kann weiterhin die Erwägung, dass bei Nr. 4126 VV-RVG, der von „Hauptverhandlungstag“ spricht, auch Anhörungen und Vernehmungen erfasst würden, nämlich durch die Anwendung etwa in Rehabilitierungsverfahren nach § 13 StRehaG (so Thüringer OLG, Beschluss vom 14.05.2007, 1 Ws 122/07, a.a.O.). Denn insoweit ordnet das Gesetz ausdrücklich eine entsprechende Anwendung an (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2009, 2 Ausl (A) 30/08, a.a.O.).

dd) Schließlich führt das gefundene Ergebnis auch zu keiner unbilligen Härte. Zwar ist einzuräumen, dass der Anhörung nach § 28 IRG im Einzelfall Bedeutung zukommen kann und sie der Vorbereitung der Auslieferungsentscheidung dient. Die Erklärungen des Verfolgten können, da unwiderruflich, weitreichende Folgen für das weitere Verfahren haben, so dass die Begleitung durch den Beistand erforderlich bzw. wünschenswert sein kann. Jedoch kann ein besonderer Umfang im Einzelfall im Wege der Festsetzung einer Pauschgebühr (nach § 42 bzw. 51 I RVG) auf Antrag des Beistands berücksichtigt werden (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2009, 1 ARs 86/09, a.a.O.; vgl. auch OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2007, 33 Ausl 84/06, a.a.O.).

b) Aus dem Vorgenannten ergibt sich, dass die Anwesenheit des Antragstellers bei der am 20.12.2017 vor dem Amtsgericht Köln erfolgten Verkündung des Auslieferungshaftbefehls sowie der gleichzeitig durchgeführten Anhörung gemäß § 28 IRG keine Terminsgebühr auszulösen vermag, sondern vielmehr bereits durch die Verhandlungsgebühr nach Nr. 6101 VV-RVG abgegolten ist. Ein Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 51 IRG wurde nicht gestellt, insoweit ist zudem nach Aktenlage ein besonderer Umfang oder eine besondere Schwierigkeit der Sache für den Senat auch nicht erkennbar.“

Ist m.E. auch ein Punkt, den das 3. KostRMoG regeln sollte.

Auslieferungsverfahren, oder: Gilt das Verbot der Mehrfachverteidigung?

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Bei der dritten Entscheidung handelt es sich dann um den KG, Beschl. v. 09.07.2018 – (4) 151 AuslA 206/17 (1/18). Ihn stelle ich wegen der vom KG entschiedenen Frage, ob das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) auch im Auslieferungsverfahren Anwendung findet, vor. Das KG hat die Frage bejaht:

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, Rechtsanwalt J wegen Verstoßes gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 Satz 1 StPO) gemäß § 146a Abs. 1 Satz 1 StPO als Beistand zurückzuweisen, war stattzugeben.

1. §§ 146, 146a StPO sind gemäß § 40 Abs. 3 IRG, der auf alle Vorschriften des 11. Abschnitts des I. Buches der StPO mit Ausnahme der §§ 140, 141 Abs. 1 bis 3 und 142 Abs. 2 StPO verweist, im Auslieferungsverfahren entsprechend anwendbar (vgl. OLG Rostock NStZ 2012, 101; Thomas/Kämpfer in MüKo-StPO, § 146 Rn. 9; Lagodny/Schomburg/Hackner in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 5. Aufl., § 40 Rn. 28; Böhm in Grützner/Pötz/Kreß/Gazeas aaO, § 40 Rn. 40). Die im Schriftsatz des Beistands Rechtsanwalt P vom 3. Juli 2018 herangezogene gegenteilige Position vermag im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht zu überzeugen. Angesichts der Verweisungsnorm stellt sich auch die Frage der Analogiefähigkeit von § 146 StPO nicht.

2. Zweifelhaft erscheint allerdings, ob durch die Meldung des Rechtsanwalts J als Beistand der gesondert Verfolgten N „für ein etwaiges Verfahren nach dem Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl, das Ihrer Behörde aus Malta übersandt werden mag,“ (Schreiben an die Staatsanwaltschaft Berlin vom 27. November 2014) eine Vertretung begründet worden ist, aufgrund derer die jetzige Vertretung der derselben Tat beschuldigten Verfolgten sich als verbotene Doppelbeistandschaft darstellt. Denn insoweit ist bisher kein deutsches (Auslieferungs-) Verfahren anhängig, da N bisher im Inland nicht ergriffen wurde und – soweit bekannt – weiterhin flüchtig ist.

3. Dies kann jedoch dahinstehen, da Rechtsanwalt J sich auch als Verteidiger in dem gegen N und – insoweit nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt – die Verfolgte geführten Ermittlungsverfahren 286 Js 6062/14 der Staatsanwaltschaft Berlin gemeldet hat. Die gleichzeitige Vertretung der N in dem gegen sie geführten Ermittlungsverfahren und der Verfolgten in dem hiesigen, wegen derselben Tat geführten Auslieferungsverfahren begründet die (unwiderleglich vermutete [vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 146 Rn. 9]) Möglichkeit von Interessenkonflikten, der das Verbot des § 146 StPO entgegenwirken soll.

Die Norm lässt daher eine abweichende Regelung selbst dann nicht zu, wenn ein Interessenwiderstreit sicher auszuschließen wäre. Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, da ein solcher Ausschluss vorliegend nicht möglich ist.“

Auslieferungsverfahren, oder: Terminsgebühr für die Teilnahme an einer Anhörung beim AG?

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Den Gebührenfreitag beginn ich heute mit dem OLG Bremen, Beschl. v. 12.09.2018 – 1 Ausl. A 2/18. Er ist zu einer gebührenrechtlichen Problematik des Auslieferungsverfahrens ergangen, also zu Teil 6 VV RVG. Der Bereich ist an sich nicht der Bereich, aus/über dem/den ich sonst berichte. Da aber das Auslieferungsverfahren immer mehr an Bedeutung zunimmt, will ich den Beschluss heute hier vorstellen.

In dem Beschluss geht es um die Frage, ob der Rechtsanwalt, der im Auslieferungsverfahren als Beistand des Verfolgten an einer Anhörung seines Mandanten beim AG teilgenommen hat, eine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG abrechnen kann oder nicht. Das Problem wird seit Inkrafttreten des RVG in Rechtsprechung und Literatur diskutiert. Die Rechtsprechung hat die Frage (fast) einhellig verneint, nur das OLG Jena ist vor längerer Zeit mal anderer Auffassung gewesen, in der Literatur wird die Frage hingegen (teilweise) bejaht, so auch von Herrn Volpert in unserem RVG-Kommentar Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., der auch – was manchmal ein wenig übersehen wird – die mit Teil 6 VV RVG zusammenhängenden Fragen behandelt.

Das OLG Bremen hat sich den bekannten Argumenten der h.M. in der Rechtsprechung angeschlossen. Da die sattsam bekannt sind, stelle ich hier nur den Leitsatz ein. Rest dann bitte im Selbststudium:

„Für die Teilnahme des Beistands des Verfolgten im Rahmen des Auslieferungsverfahrens an einem Termin zur Vernehmung des Verfolgten vor dem Amtsgericht nach den §§ 21, 22 oder 28 IRG fällt keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG an. Das Anfallen der Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG ist lediglich für die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht vorgesehen.“

Wie gesagt, über die Frage wird diskutiert. M.E. ist die h.M. nicht richtig, aber man kann gegen die versammelte Macht der OLg nichts (mehr) ausrichten.

Zutreffend ist allerdings, wenn das OLG Bremen die vom Beistand auch heltend gemachte Gebühr Nr. 6100 VV RVG nicht gewährt  hat. Die kann nämlich im Auslieferungsverfahren nicht anfallen:

„b) Zutreffend ist auch die Gebühr nach Nr. 6100 VV RVG durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle von den beantragten Gebühren abgesetzt worden. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 6100 VV RVG entsteht ausweislich der Überschrift dieses Unterabschnitts 1 und der Vorbemerkung 6.1.1. nur für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde in Verfahren nach den §§ 87 ff. IRG. Eine Verfahrensgebühr für das gerichtliche Auslieferungsverfahren entsteht dagegen lediglich, wie beantragt und zuerkannt, nach Nr. 6101 VV RVG (siehe OLG Dresden, Beschluss vom 01.12.2017 – OLG Ausl 111/16, juris Rn. 16, JurBüro 2018, 70; Mayer, in: Gerold/Schmidt, 23. Aufl., 6101, 6102 VV RVG Rn. 2; H. Schneider, in: Riedel/Sußbauer, 10. Aufl., 6101 VV RVG Rn. 3).“

Entschädigung III: Ungerechtfertigte Auslieferungshaft wird im Zweifel nicht entschädigt.

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Und zum Schluss dann zwei „Exoten“ 🙂 , nämlich StrEG und Auslieferungsverfahren. Es geht um die Frage: Muss der Verfolgte wegen zu Unrecht erlittener Auslieferungshaft entschädigt werden?  Damit musste sich das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 06.12.2016 – 1 AR (Ausl) 55/16 – befassen. Grundlage des Verfahrens war ein Ausliferungsersuchen der Türkei zum Zwecke der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren wegen Totschlags. Dre Verfolgte wird deswegen in Auslieferungshaft genommen und es wird die förmliche Auslieferungshaft gegen den Verfolgten angeordnet, wobei das OLG aber „betonte, dass nach vorläufiger Würdigung (der Auslieferungsunterlagen) eine Strafbarkeit des dem Auslieferungsersuchen zu Grunde liegenden Tatgeschehens sowohl nach türkischem als auch deutschem Recht gegeben sei, die Beurteilung einer Strafbarkeit nach deutschem Recht allerdings unter dem Vorbehalt einer Klärung des Vorliegens des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr stehe.“ Später wird dann Auslieferungshaftbefehl aufgehoben und diese Entscheidung darauf gestützt, dass eine doppelte Strafbarkeit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk nicht gegeben sei, weil die dem Auslieferungsersuchen zu Grunde liegende Tat des Verfolgten nach deutschem Recht wegen Notwehr gerechtfertigt gewesen sei. Insofern erscheine die Auslieferung als von vornherein unzulässig im Sinne des § 15 Abs. 2 IRG, so dass eine Aufrechterhaltung der Auslieferungshaft nicht weiter in Betracht komme. Das Auslieferungsersuchen ist inzwischen dann ganz abgelehnt.

Der Verfolgte möchte nunmehr für die erlittene Auslieferungshaft nach § 2 StrEG entschädigt werden. Das OLG sagt:

Der Antrag des Verfolgten auf Feststellung einer Entschädigungspflicht für die erlittene Auslieferungshaft in entsprechender Anwendung des § 2 StrEG ist abzulehnen.

Für die beantragte Feststellung einer Entschädigungspflicht in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) ist aus Rechtsgründen kein Raum.

1. Nach Ansicht des KG Berlin und des OLG Düsseldorf kommt eine (entsprechende) Anwendung von § 2 StrEG bei auf Ersuchen ausländischer Behörden in der Bundesrepublik Deutschland – retrospektiv betrachtet – zu Unrecht erlittener Auslieferungshaft generell nicht in Betracht (KG Berlin, Beschluss vom 29. November 2010 – (4) Ausl A 915/06 (183/06), NStZ-RR 2011, 207; KG Berlin, Beschluss vom 30. Januar 2009 – (4) AuslA. 522-03 (139/140/07), StV 2009, 423; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Juli 1991 – 4 Ausl (A) 231/89 – 26/91 III, NJW 1992, 646. Vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 4. Juli 2005 – 6 Ausl 53-05/24/05, NStZ-RR 2006, 151; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Januar 1997 – (2) 4 Ausl 30/91 (36/96), NStZ 1997, 246). Demnach schiede die beantragte Feststellung einer Entschädigungspflicht von vornherein aus.

2. Nach – allerdings bereits älterer – Rechtsprechung des BGH ist zwar eine Entschädigung eines Verfolgten wegen zu Unrecht erlittener Auslieferungshaft in entsprechender Anwendung des StrEG nicht generell ausgeschlossen, sie komme allerdings nur in Betracht, wenn die unberechtigte Inhaftierung von den Behörden der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten sei (BGH, Beschluss vom 9. Juni 1981 – 4 ARs 4/81, BGHSt 30, 152). Ausdrücklich hat der BGH festgestellt, dass ein zu Unrecht in Auslieferungshaft genommener Verfolgter für den Vollzug der Haft nicht in entsprechender Anwendung des StrEG aus der Staatskasse entschädigt werden könne, wenn die Behörden der Bundesrepublik Deutschland die unberechtigte Verfolgung nicht zu vertreten haben (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1984 – 4 ARs 19/83, BGHSt 32, 221. Ebenso OLG Celle, Beschluss vom 14. Juni 2010 –1 Ausl 7/10, StraFo 2010, 431; OLG Celle, Beschluss vom 17. Januar 2002 – 1 (3) ARs 8/01 (Ausl), Nds. RPfl. 2002, 269; Schomburg/Hackner, in: Schomburg u.a. [Hrsg.], Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl. 2012, Vor § 15 Rn. 10 ff.).

Die Festnahme des Verfolgten und die Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft durch Beschluss des Senats vom 10. Juni 2016 erfolgten aus der Basis einer Interpol-Ausschreibung der türkischen Behörden. In der Interpol-Ausschreibung war das Tatgeschehen, das der Verurteilung des Verfolgten zu Grunde lag, lediglich dahingehend beschrieben, dass der Verfolgte sein Opfer, das Rache nehmen wollte für die Tötung seines Hundes, angriff und auf dieses einstach, wodurch das Opfer ums Leben kam. Auf der Basis dieses mitgeteilten Sachverhalts bestand kein Anlass, Zweifel an der Strafbarkeit des Tatgeschehens nach deutschem Recht zu hegen. Zunächst erschien die Auslieferungshaft damit nicht von vornherein unzulässig und war daher rechtskonform. Erst die nach Vorlage der vollständigen Auslieferungsunterlagen ergab sich die Notwendigkeit einer Prüfung und Beantwortung der Frage, ob das nunmehr in Einzelheiten mitgeteilte Tathandeln des Verfolgten nach deutschem Recht wegen Handelns in Notwehr gerechtfertigt war. Die Notwendigkeit dieser Prüfung hat der Senat, wie seinem Beschluss vom 15. Juli 2016, mit dem er die förmliche Auslieferungshaft angeordnet hat und der unmittelbar nach Vorlage der Akten mit den vollständigen Auslieferungsunterlagen erging, zu entnehmen ist, sogleich erkannt. Als Ergebnis der komplexen Prüfung hat der Senat dann – wie dargetan – den Auslieferungshaftbefehl mit Beschluss vom 2. August 2016 mangels doppelter Strafbarkeit des Tatgeschehens im Sinne des Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk aufgehoben und die sofortige Freilassung des Verfolgten veranlasst.

Die – retrospektiv betrachtet – zu Unrecht vollzogene Auslieferungshaft ist vorliegend also nicht durch Organe der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten, sondern beruht allein darauf, dass der Interpol-Ausschreibung der türkischen Behörden nicht zu entnehmen war, dass der Verfolgte bei Anwendung deutschen Strafrechts auf das Tatgeschehen gerechtfertigt handelte.

Selbst wenn man daher – der Rechtsprechung des BGH folgend – eine Entschädigungspflicht für erlittene Auslieferungshaft nach dem StrEG für grundsätzlich möglich erachtete, käme sie im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

3. Soweit der BGH (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 1984 – 4 ARs 19/83, BGHSt 32, 221) darauf hingewiesen hat, dass der Ausschluss von Entschädigungsansprüchen nach dem StrEG Ansprüche aus Art. 5 Abs. 5 EMRK unberührt lasse, hat der Senat darüber nicht zu befinden, da solche Ansprüche gegenüber der Landesjustizverwaltung geltend zu machen und gegebenenfalls vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen sind (OLG München, Beschluss vom 5. Juli 1995 – 1 Ws 289/95, NStZ-RR 1996, 125; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Juli 1991 – 4 Ausl (A) 231/89 – 26/91 III, NJW 1992, 646).“

Irgendwie auch „unschön“…………

Auslieferungsverfahren: Der notwendige Beistand

Machen wir heute mal einen KG-Tag mit ausländischem Recht bzw. Berühungspunkten dorthin.

Übersehen wird häufig, dass es auch im Auslieferungsverfahren den „Pflichtverteidiger“ gibt, dort heißt er allerdings Beistand. Geregelt sind die damit zusammenhängenden Fragen in § 40 IRG. Die Beiordnung erfolgt u.a. auch dann, wenn die Sach oder Rechtslage schwierig ist. Dazu das KG, Beschl. v. 14.03.2011  –  (4) Ausl. A. 4/11 (30/11):

„1. Die Sach- oder Rechtslage ist mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht schwierig (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 IRG). Der Umstand, dass nunmehr über die Zulässigkeit der Auslieferung nach § 29 IRG zu entscheiden ist, führt entgegen der Auffassung des Verfolgten zu keiner anderen Beurteilung. Die in anderem Zusammenhang ergangene Entscheidung BGHSt 32, 221 ff., die die Frage der Erstattungsfähigkeit notwendiger Auslagen in Fällen unberechtigter Verfolgung betrifft, enthält den ihr vom Beistand des Verfolgten beigemessenen Rechtssatz, wonach allein die Antragstellung nach § 29 IRG zur notwendigen Beistandschaft führe, nicht (gegen eine solche Ansicht zutreffend Vogler, IRG 2. Aufl. 24. Lfg., § 40 Rdn. 24). Im Übrigen ist zwar bei Zweifeln an der Zulässigkeit der Auslieferung die Bestellung eines Beistandes geboten (vgl. OLG Karlsruhe StV 2005, 676 bei formeller Unklarheit über die Einordnung einer ausländischen Strafbestimmung). In einem auslieferungsrechtlich tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall wie dem vorliegenden aber ist – ungeachtet des regelmäßig gestellten Antrages nach § 29 IRG – die Bestellung eines Beistandes nicht erforderlich (vgl. OLG Düsseldorf StV 1983, 453; OLG Karlsruhe GA 1987, 514; OLG Köln NStZ-RR 2010, 377; Vogler aaO., Rdn. 17ff.), zumal wenn dem Ersuchen ein Europäischer Haftbefehl zugrunde liegt. Weder der Wortlaut des § 40 IRG noch die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucksachen 9/1338, 60 und 9/2137, 23ff.) sprechen für das Erfordernis einer regelmäßigen Beistandsbestellung im Falle einer nach § 29 IRG anstehenden Entscheidung. Der Gesetzgeber hat eine solche vielmehr von den weiteren in § 40 Abs. 2 IRG abschließend genannten Umständen (vgl. Vogler aaO., Rdn. 26) abhängig gemacht. Auch enthält    § 29 IRG keine Verweisung auf § 40 IRG. Vielmehr verweist das Gesetz lediglich im Falle der Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf das Erfordernis der Hinzuziehung eines Beistandes (§ 31 Abs. 2 IRG). Eine solche ist jedoch regelmäßig nur bei Zweifeln an der Zulässigkeit der Auslieferung und damit bei Vorliegen tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten angezeigt (vgl. BT-Drucksache 9/1338, S. 60; Lagodny in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, IRG 4. Aufl.,  § 30 Rdn. 30). Auch bringt das Gesetz in § 40 Abs. 2 Nr. 1 IRG beispielhaft zum Ausdruck, dass bei Zweifeln, ob die Voraussetzungen der §§ 80, 81 Nr. 4 IRG vorliegen, eine schwierige Sach- oder Rechtslage vorliegt, die die Bestellung eines Beistandes erfordert. Vorliegend sind den vorgenannten Fällen vergleichbare Zweifel an der Zulässigkeit der Auslieferung und damit eine schwierige Sach- oder Rechtslage begründende Umstände weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

2. Es ist auch unverändert nicht erkennbar, dass der Verfolgte seine Rechte nicht selbst hinreichend wahrnehmen kann (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 IRG). Etwaige Verständigungsschwierigkeiten, welche bei dem Verfolgten angesichts seiner in deutscher Sprache zu den Akten gereichten Eingabe vom 25. Februar 2011, nach der er sich bereits seit 1969 in Deutschland aufzuhalten scheint, jedenfalls nicht ausgeprägt sein können, könnten – falls überhaupt vorhanden – durch die Beiziehung eines Dolmetschers behoben werden. Auch die im Hinblick auf § 77 Abs. 1 IRG in Verbindung mit § 147 Abs. 1 StPO fehlende Möglichkeit, Akteneinsicht selbst nehmen zu können, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Verfolgte die vollständige Aktenkenntnis zur hinreichenden und sachgerechten Wahrnehmung seiner Rechte benötigt. Soweit der Beistand „sämtliche Verfahrensakten“ im Auge hat, übersieht er ersichtlich, dass die Akten hier im Wesentlichen aus den Auslieferungsunterlagen bestehen.“