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Klassischer Fehler VII: Ordnungsgemäße Anklage – der BGH lässt nicht alles durchgehen.

© Dan Race - Fotolia.com

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Auch ein Klassiker im Revisionsrecht bzw. mit in die Gruppe „Klassischer Fehler“ gehören die mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anklageerhebung zusammenhängenden Fragen, die meist in Zusammenhang mit Serienstraftaten eine Rolle spielen. Da ist die Rechtsprechung des BGH zwar verhältnismäßig weit/großzügig, aber nicht so weit, dass der BGH nun alles durchgehen lässt, was an Anklage bei ihm ankommt bzw., was die Tatgerichte haben durchgehen lassen. Aus dem Bereich ist dann hinzuweisen auf den BGH, Beschl. v. 04.02.2014 – 2 StR 533/13, der eine Verurteilung wegen Bankrotts betrifft:

a) Der Verurteilung des Angeklagten wegen Bankrotts in den vorgenannten Fällen liegen nach den Feststellungen des Landgerichts 13 konkret beziffer-te Auszahlungen in einer Gesamthöhe von 78.875 Euro zugrunde, die der Angeklagte in der Zeit vom 22. Februar 2011 bis zum 26. August 2011 (UA S. 15) bzw. 12. September 2011 (UA S. 13) für seine Tätigkeit als Honorararzt von vier näher bezeichneten Krankenhausbetreibern erhalten und dem in Bezug auf sein Vermögen bestellten Insolvenzverwalter nicht offenbart hat.

b) Die Verurteilung des Angeklagten in diesen Fällen wird von der zugelassenen Anklage nicht erfasst. Es fehlt an einem hinreichend umgrenzten Tatvorwurf.

Die Anklage hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen (Umgrenzungsfunktion). Die begangene, konkrete Tat muss durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Fehlt es hieran, so ist die Anklage unwirksam (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 160).

Diesen Anforderungen wird die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage nicht gerecht. Der von der Strafkammer in den Fällen II. 66 bis 78 abgeurteilte Lebenssachverhalt wird weder im Anklagesatz noch im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen konkret beschrieben. Die Anklage teilt lediglich mit, der Angeklagte habe in einer Mehrzahl von Fällen seine als Honorararzt von Krankenhausbetreibern erzielten Einnahmen in Höhe von insgesamt 78.515 Euro dem bestellten Insolvenzverwalter nicht offengelegt.

Schon die Benennung des Tatzeitraums fehlt bzw. umfasst – soweit die Anklage noch vor den nachfolgenden Angaben im konkreten Anklagesatz einen Tatzeitraum vom 18. Dezember 2006 bis Ende 2010 nennt – ganz offensichtlich nicht die abgeurteilten in der Zeit vom 22. Februar 2011 bis August 2011 erfolgten Honorarauszahlungen. Die Taten sind auch nicht durch andere Umstände unverwechselbar umschrieben und daher ausreichend konkretisiert. Die Anklageschrift nennt weder die verschiedenen Krankenhäuser noch gibt sie Auskunft über konkret erzielte Honorare. Angesichts der fehlenden Angabe des Tatzeitraums und jedweder weitergehender Konkretisierung der Tathandlung ist auch die Mitteilung des Gesamtbetrags der Auszahlungen in Höhe von 78.515 Euro nicht geeignet, den angeklagten Lebenssachverhalt hinreichend zu individualisieren (vgl. dagegen Senat, Urteil vom 12. Februar 2014 – 2 StR 308/13). Der in der Anklage genannte Gesamtbetrag stimmt im Übrigen auch nicht mit dem von der Strafkammer festgestellten Gesamtbetrag von 78.575 Euro überein, weshalb mangels anderweitiger Konkretisierungen schon nicht überprüft werden kann, ob die festgestellten einzelnen Auszahlungen auch alle vom Anklagevorwurf umfasst waren.“

Ergebnis: Teileinstellung und Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch. Wenigstens etwas 🙂 . Und: Im Übrigen eine Frage, die der BGH von Amts wegen prüft, da es sich bei der ordnungsgemäßen Anklageerhebung um eine Verfahrensvoraussetzung handelt.

Steuerhinterziehung: Anklage und Verjährung

© M. Schuppich - Fotolia.com

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Steuerhinterziehungsverfahren  spielen derzeit in der Praxis eine große Rolle – U. Hoeneß lässt grüßen. Mit einem Steuerhinterziehungsfall befasst sich auch der AG Dresden, Beschl. v. 11.04.2014 – 231 Ds 115 Js 22856/13, der nichts wesentlich Neues bringt, aber doch zwei Umstände noch einmal ins Gedächtnis ruft. Im Verfahren war die Ordnungsgemäßheit der Anklage erhoben worden. dazu ds AG:

  • Bei einem Tatvorwurf der Steuerhinterziehung ist im Anklagesatz allein das relevante Verhalten und der Taterfolg im Sinne von § 370 AO  anzuführen, einer Berechnungsdarstellung der Steuerverkürzung bedarf es dort nicht (BGH wistra 2012, 489f.). Denn Ausführungen zur Schadensberechnung können keinen Beitrag zur Individualisierung der Tat leisten und unter Umständen sogar dazu führen, dass der Tatvorwurf im Anklagesatz nicht klar, übersichtlich und verständlich dargestellt wird.
  • Aber: Eine Anklage, die den Anforderungen des § 200 StPO nicht entspricht, hat keine verjährungsunterbrechende Maßnahme im Sinne des § 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB (BGH wistra 2009, 205 f.).

Ergebnis: 2 : 2 = bei zwei Angeschuldigten ist das Hauptverfahren eröffnet worden, bei zwei anderen hat das AG eingestellt

Serienstraftat: Sexueller Missbrauch eines Kindes

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Na, da ist es aber offenbar „fröhlich“ hin und her gegangen zwischen dem LG Frankfurt/oder und dem OLG Brandenburg  in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. Anders kann man das BGH, Urt. v. 22.10.2013 – 5 StR 297/13 nicht verstehen, wenn der BGH darauf hinweist, dass: „Nachdem insoweit wiederholt nach § 206a StPO ergangene Einstellungsbeschlüsse des Landgerichts in der Beschwerdeinstanz aufgehoben worden waren, hat das Landgericht die Tatvorwürfe 1 bis 5 nunmehr durch das angefochtene Urteil eingestellt, weil die Anklageschrift – entgegen der letzten Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts – insofern nicht den Anforderungen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO genüge.“

„Gewonnen“ hat das OLG, denn der BGH hat die Einstellungsentscheidung des LG kassiert und damit das OLG inzidenter bestätigt. Er führt zu den Anforderungen an die Anklage bei einer Serienstraftat in Form sexueller Übergriffe gegenüber einem Kind aus:

„Bei einer Vielzahl sexueller Übergriffe gegenüber Kindern, die häufig – so auch im vorliegenden Fall – erst nach längerer Zeit angezeigt werden, ist eine Individualisierung nach Tatzeit und exaktem Geschehensablauf oftmals nicht möglich. Das darf einer Anklageerhebung nicht entgegenstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfüllt die Anklageschrift in diesen Fällen bereits dann ihre Umgrenzungsfunktion, wenn sie den Ver-fahrensgegenstand durch den zeitlichen Rahmen der Tatserie, die Nennung der Höchstzahl der nach dem Anklagevorwurf innerhalb dieses Rahmens begangenen Taten, das Tatopfer und die wesentlichen Grundzüge des Tatgeschehens bezeichnet (vgl. BGH, Urteile vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 46 f.; vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f. mwN).

Diesen Anforderungen wird die Anklage noch gerecht. Sie geht davon aus, dass es in den Tatzeiträumen zu einer Vielzahl ähnlicher sexueller Übergriffe des Angeklagten auf seine Tochter C. gekommen ist. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb – unter Bezeichnung des Opfers, des Tatortes und der Tatzeiträume – nur Taten angeklagt, die sich in ihrer konkreten Ausführungsart unterscheiden. Die individualisierenden Merkmale lassen trotz der zum Teil langen Tatzeiträume konkrete Lebenssachverhalte erkennen und die Taten von anderen möglichen Übergriffen abgrenzen. Dass die Taten auch etwa detailreicher hätten dargestellt werden können (vgl. wesentliches Ergebnis der Ermittlungen, S. 20 der Anklageschrift) steht dem nicht entgegen. Eine Begrenzung der Anklage auf den Initialfall und jeweils einen Fall mit einer weitergehenden, je individuell unterschiedlichen Modalität hat – worauf das Oberlandesgericht in seiner Beschwerdeentscheidung zu Recht hingewiesen hat – zur Folge, dass nach einem Sachurteil auf der Grundlage dieser Anklage auch für weitere gleichartige oder ähnliche Taten in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes von einem Strafklageverbrauch auszugehen sein wird.“

Und die Frage hat den BGH in der letzten Zeit mal wieder häufiger beschäftigt, wie der BGH, Beschl. v. 21.08.2013 – 2 StR 311/13 – zeigt/beweist.

Was ich immer schon mal wissen wollte: Anklage wegen der NSA-Überwachung und kann Snowden in ein deutsches Zeugenschutzprogramm?

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Der „NSA-Skandal“ führt für Juristen u.a zu zwei Fragen, nämlich:

1. Gibt es eine Anklage wegen der NSA-Überwachung?

2. Kann Snowden in ein deutsches Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden?

Damit befasst sich in einem LTO-Interview unter dem Titel: NSA-Überwachung“Eine Anklage wird es wahrscheinlich nicht geben“ auf LTO Prof. Dr. Christoph Safferling,  Universitätsprofessor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Philipps-Universität Marburg. Das Thema wird sicherlich auch examensrelevant, oder?

Da ist sie: Die Anklage gegen Christian Wulff wegen Bestechlichkeit

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Erst am Dienstag hat Ex-Bundespräsident Christian Wulff das Angebot, das Verfahren gegen ihn nach § 153a StPO einzustellen, abgelehnt (vgl. hier: Christian Wullff lehnt § 153a StPO ab…..na, dann auf in die Hauptverhandlung?)., und schon ist sie da: Die Anklage der StA Hannover wegen Bestechlichkeit (vgl. hier LTO und Spiegel-online).

Bei LTO heißt es:

„Staatsanwaltschaft Hannover erhebt Anklage

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat Anklage wegen Bestechlichkeit gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff erhoben. Das teilten die Ermittler am Freitag mit. Hintergrund ist Wulffs Verbindung zu dem Filmproduzenten David Groenewold, gegen den die Staatsanwaltschaft zeitgleich wegen Bestechung Anklage erhob.

Groenewold übernahm teilweise die Kosten für einen Oktoberfestbesuch des Ehepaares Wulff in München. In der Mitteilung der Staatsanwaltschaft hieß es, es erscheine als hinreichend wahrscheinlich, dass der damalige niedersächsische Ministerpräsident Wulff damit motiviert werden sollte, für ein Filmprojekt Groenewolds bei Siemens um Geld zu werben.

Am Dienstag hatten Wulff und Groenewold ein Angebot der Staatsanwalt zur Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflagen abgelehnt. Nun muss das Landgericht Hannover entscheiden, ob die Anklagen zugelassen werden und es zum Prozess kommt. Diese Entscheidung könnte Monate dauern. Der Vorgang ist einmalig: Noch nie zuvor wurde ein ehemaliger Bundespräsident von der Justiz angeklagt.“

Alles andere als die Anklageerhebung hätte mich überrascht. Nun also: Auf in die Hauptverhandlung, wenn das LG eröffnet. Warum das allerdings „Monate dauern“ soll, erschließt sich mir nicht. Die Sache ist im Zweifel ausgeschrieben.