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Anklage gegen Zwickauer Terrorzelle – ging dann ja doch schneller

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Bei LTO finde ich gerade die Nachricht über die Anklageerhebung gegen die Zwickauer Terrorzelle – mal untechnisch ausgedrückt. Danach hat die Bundesanwaltschaft nun beim OLG München bzw. dem dortigen Staatsschutzsenat Anklage erhoben.Ging dann ja doch schneller als erwartet. Gedauert hat es dann aber immer noch etwas mehr als ein Jahr.

Warum nun gerade München, erschließt sich mir nicht. Aber bei der doch größeren Zahl von Taten wird es eine Reihe Anknüpfungspunkte gegeben haben für die Anklageerhebung.

Die Anklage – ich schätze die Schätzung, erlaubt oder nicht?

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Die Frage, ob ordnungsgemäß Anklage erhoben worden ist, spielt im Strafverfahren ggf. eine erhebliche Rolle. Ist das nämlich nicht der Fall, liegt eine ausreichende Verfahrensgrundlage nicht vor und es kommt ggf. noch im Revisionsverfahren zur Einstellung. Die mit dieser Problematik zusammenhängenden Rechtsfragen tauchen immer wieder in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren eine Rolle.Mit ihnen hat sich jetzt auch noch einem der BGH, Beschl. v. 00.08.2012 – 1 StR 296/12 auseinander gesetzt und zu den Anforderungen an die Anklageschrift bei geschätzter Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge und hinterzogener LohnsteuerStellung genommen.

Der 1. Strafsenat geht davon aus, dass eine Anklageschrift nicht deshalb unwirksam ist, weil sie keine Ausführungen zur Berechnung der hinterzogenen Steuer bzw. der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen enthält. Der Umgrenzungsfunktion sei Genüge geleistet, wenn das relevante Verhalten und der Taterfolge, also bei der Steuerhinterziehung Steuerart und jeweiliger Steuerabschnitt dargestellt seien. Insofern seien auch nicht die strengen Anforderungen, die für die Darstellung in einem Urteil gelten, auf die Anklageschrift übertragbar .

Das vor einiger Zeit das OLG Celle noch anders gesehen. Das OLG Celle hatte im OLG Celle, Beschl. v. 19.07.2011 – 1 ws 271 – 274/11 eine Nichteröffnung des Hauptverfahrens gehalten, die damit begründet worden war, dass die Staatsanwaltschaft eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bzw. der Höhe der vorenthalten Sozialversicherungsbeiträge vorgenommen hatte, obgleich die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht vorlagen, weil eine exakte Berechnung möglich war. Das macht der BGH anders.

Der BGH-Beschluss vom 08.08.2012 ist für uns noch aus einem anderen Grund wichtig/erfreulich. Der BGH bezieht sich in seiner Begründung auf die Veröffentlichung des OLG Celle- Beschluss im StRR 2011, 388 und die dortige Anmerkung des Kollegen Hunsmann. Schön, dass wir nun auch beim BGH angekommen sind 🙂 :-D.

 

Da kann man schön abschreiben – Umgrenzungs-/Informationsfunktion der Anklage

Es gibt ja immer wieder auch BGH-Beschlüssem die „bringen es auf den Punkt“. Sehr schön zur Frage der Abgrenzung der Umgrenzungsfunktion der Anklage von der sog. Informationsfunktion und zu den Folgen bei Fehlern der BGH, Beschl. v. 09.02.0212 – 1 StR 152/11, ergangen in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Da war offenbar die Wirksamkeit der Anklage ein Thema.

Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.

1. Der Eröffnungsbeschluss genügt den an ihn zu stellenden inhaltlichen Anforderungen.

Die Anklageschrift, an die der Eröffnungsbeschluss anknüpft, erfüllt noch ihre Funktion, die hier angeklagten Taten der Hinterziehung von Umsatzsteuer ausreichend zu umschreiben (vgl. zu den Anforderungen an die Darstellung in der Anklageschrift beim Vorwurf der Steuerhinterziehung BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 – 1 StR 665/08, NStZ-RR 2009, 340; siehe auch Weyand in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 385 AO Rn. 19 ff.).

a) Eine Anklage ist dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel dazu führen, dass die Anklage ihrer Umgrenzungsfunktion nicht genügt (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2011 – 1 StR 194/11 mwN). Mängel der Informationsfunktion berühren ihre Wirksamkeit dagegen nicht (vgl. u.a. BGH, Urteile vom 24. Januar 2012 – 1 StR 412/11 und vom 2. März 2011 – 2 StR 524/10; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – 4 StR 481/07, jeweils mwN); insoweit können Fehler auch noch in der Hauptverhandlung durch Hinweise entsprechend § 265 StPO geheilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NJW 2010, 308 mwN).

Genügt der Anklagesatz den Anforderungen an die Wahrung der Umgrenzungsfunktion für sich allein nicht, dürfen die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Verdeutlichung und ergänzenden Erläuterung des Anklagesatzes herangezogen werden (BGHSt 46, 130, 134; BGH NStZ 2001, 656, 657; BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24; Schneider in KK-StPO, 6. Aufl., § 200 StPO Rn. 30). Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass sich aus dem Anklagesatz zumindest die Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben. Fehlende Angaben im Anklagesatz können dann aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnommen werden, wenn sie dort eindeutig benannt sind und daraus deutlich wird, dass sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft hierauf erstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NJW 2010, 308 mwN).“

Kann man schön abschreiben/übernehmen für das Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl.

 

Warum es gut ist, wenn der Beschuldigte Englisch versteht…..

Frage: Warum sollte der Beschuldigte Englisch verstehen? Nun, darauf kann es an sich doch nicht ankommen, denn die Gerichtssprache ist doch nach § 184 GVG „deutsch“. So hatte es auch eine Strafkammer des LG Leipzig gedacht und war in einem Wirtschaftsstrafverfahren von einem teilweisen Verfahrenshindernis hinsichtlich einiger gegen die Angeklagten auch erhobenen Untreuevorwürde ausgegangen. Der BGH hat – wie die PM Nr. 177/11 v. 09.11.2011 meldet – das Urteil aufgehoben (Beschl. v. 09.11.2011 – 1 StR 302/11):

„.…Soweit den Angeklagten vorgeworfen wurde, zugleich mit den Korruptionsdelikten an Untreuetaten beteiligt gewesen zu sein, hat das Landgericht Verfahrenshindernisse angenommen, weil die zugrundeliegenden Vertragstexte mit der Anklageschrift nur in englischer Sprache mitgeteilt worden seien und dies einen Verstoß gegen § 184 Satz 1 GVG darstelle, ferner, weil sich der staatsanwaltschaftliche Verfolgungswille auf eine der beiden Taten nicht erstrecke. Gegen die genannten rechtlichen Würdigungen wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft Dresden mit ihrer Revision.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil in weitem Umfang aufgehoben. Die Vorgehensweise des Landgerichts war rechtsfehlerhaft. Für die Wirksamkeit der Anklage genügt es, wenn diese in ihren wesentlichen Teilen in deutscher Sprache abgefasst ist und den Verfahrensgegenstand ausreichend umgrenzt, sodass der Angeschuldigte den ihm gemachten Tatvorwurf erkennen kann. Diesen Anforderungen wird die Anklage gerecht. Das Landgericht hätte deshalb die ihm zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalte auch unter dem Gesichtspunkt möglicher Untreue des Angeklagten H. und ggf. hierzu geleisteter Beihilfe der Angeklagten B. und. S. befassen müssen. Im Falle einer Verurteilung werden alle Rechtsfolgen, insbesondere auch für die Steuerhinterziehung, neu festzusetzen sein….“

Also. Ein wenig Englisch ist gut, weil man sonst ggf. die Anklage nicht versteht

Nacharbeiten erforderlich – Schadensschätzung in der Anklage – nicht immer erlaubt

Insbesondere in Steuerstrafverfahren und wenn es um das Vorenthalten von Arbeitsentgelten geht, ist die Ermittlung der „Schadenssumme“ häufig nicht einfach bzw. langwierig und/oder umständlich. Die Ermittlungsbehörden versuchen den erforderlichen Ermittlungsaufwand (Vernehmung von Zeugen) gern dadurch zu umgehen, dass sie die für eine Anklageerhebung erforderlichen Summen schätzen und die weitere Aufklärung bzw. genaue Ermittlung der Beträge der Hauptverhandlung überlassen.

Zu den damit zusammenhängenden Fragen hat vor einiger Zeit bereits der 1. Strafsenat des BGH in BGH, Beschl. v. 10.11.2009, 1 StR 283/09 Stellung genommen. Danach ist die Schätzung grds. erlaubt. Es müssen allerdings bestimmte Vorgaben erfüllt sein, und zwar dürfen keine anderweitig verlässlichen Beweismittel zur Verfügung stehen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und ohne nennenswerten zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu beschaffen sein.

Diese Rechtsprechung hat das OLG Celle in OLG Celle, Beschl. v. 19.07.2011 – 1 Ws 271-274/11 angewendet und die dort vom LG beschlossene Nichteröffnung des Verfahrens im Ergebnis abgesegnet. Zur Begründung wird ausgeführt, dass an sich eine Schätzung zulässig gewesen wäre, aber:

Allerdings darf bei der Ermittlung der Schwarzlohnsumme „nicht vorschnell auf eine Schätzung ausgewichen werden, wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand der bereits vorliegenden und der erhebbaren Beweismittel möglich erscheint“ (BGH NStZ 2010, 635). Die zuverlässige Klärung, ob eine für die Berechnung verlässliche Tatsachengrundlage beschafft werden kann, ist dabei auch und besonders Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Deshalb wäre es verfehlt und würde die Hauptverhandlung mit unnötigem Aufklärungsaufwand belasten, wenn die Ermittlungsbehörden sich darauf beschränkten, die Lohnsumme zu schätzen, ohne zuvor ausermittelt zu haben, ob eine tatsachenfundierte Berechnung möglich ist.

So liegt es hier. Die vorliegenden Berechnungen sind zwar tatsachenfundiert, eine genauere Ermittlung erscheint nach derzeitigem Sachstand aber durch Vernehmung der bislang nicht vernommenen Arbeitnehmer möglich. Den damit verbundenen Aufwand sieht der Senat im Verhältnis zu dem zu erwartenden Nutzen nicht als unangemessen an. Die Zahl der zu vernehmenden Personen ist für ein Verfahren dieses Umfangs nicht ungewöhnlich hoch. Soweit die Staatsanwaltschaft die Glaubhaftigkeit der zu erwartenden Aussagen von vornherein anzweifelt, handelt es sich um eine Vermutung, die die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen nicht entfallen lässt. Inwieweit jetzt überhaupt noch Strafverfahren gegen Arbeitnehmer wegen ihrerseits begangener Straftaten im Zusammenhang mit der Tätigkeit für die Angeschuldigten offen sind und daraus Auskunftsverweigerungsrechte resultieren, vermag der Senat derzeit nicht festzustellen. Auch dies müssen die weiteren Ermittlungen erweisen.

Ergebnis: Die Staatsanwaltschaft muss nachermitteln.