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Drogenfahrt: Weiß doch jeder, dass man nach Kiffen nicht fahren darf….

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Schon seit längerem hängen in meinem „Blog-Ordner“ zwei Entscheidungen, die sich mit der Frage der Fahrlässigkeit bei einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG befassen, ein Thema, das die Rechtsprechung der OLG in letzter Zeit wiederholt beschäftigt hat. Die eine Entscheidung, auf die ich zunächst eingehen will, ist der OLG Hamm, Beschl. v.21.12.2013 – III-2 RBs 83/12.

Der Betroffene hatte sich dahin eingelassen, er habe drei Tage vor der „Drogenfahrt“ gekifft. Das AG war von Fahrlässigkeit ausgegangen und hatte das u.a. damit begründet, dass jeder Kraftfahrer, der sein Fahrzeug nach einem illegalen Drogenkonsum fahre, wisse, dass er vorsichtig sein müsse. Diese Kenntnisvermittlung sei seit Jahrzehnten Bestandteil jeder Führerscheinausbildung. Demzufolge könne und müsse sich ein Kraftfahrzeugführer Kenntnis darüber verschaffen, wie lange die Wirkungsdauer der von ihm eingenommen Droge andauere. Dabei müss er alles in seiner Macht stehende tun, damit er nicht, da objektiv unter Drogenwirkung stehend, eine für andere potenziell gefährliche Fahrt antrete.

Das OLG zeigt mal so richtig, was es alles gelesen hat :-), wenn es dazu ausführt:

„Diese Erwägungen lassen jedoch eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Einlassung des Betroffenen, er habe drei Tage vor dem hier in Rede stehenden Vorfall „gekifft,“ wobei es sich bei ihm nicht um einen gewohnheitsmäßigen Konsumenten handele, vermissen. Nach dem Ergebnis von Recherchen und Untersuchungen der Grenzwertkommission, die dem derzeitigen Stand der Wissenschaft entsprechen dürften, können THC-Konzentrationen oberhalb von 1 ng,iml auch nach einem Zeitintervall oberhalb von einem Tag zwischen letzter Drogenaufnahme und Fahrtantritt beobachtet werden, und zwar dann, wenn der Betroffene vorher durch regelmäßigen/täglichen Konsum THC-Speicher im Blut aufgebaut hat. Bei einer solchen Fallgestaltung kann hinsichtlich des Führens eines Kraftfahrzeugs eine Abstinenzphase bis zu einer Woche notwendig sein, um Wirkstoffe soweit zu eliminieren, dass keine Wirkung im Sinne des § 24a StVG mehr gegeben ist (vgl. Daldrup, Drogendelikte im Verkehr, Naturwissenschaftliche Grundlagen der Fahrlässigkeit – Zeitspanne der Nachweisbarkeit – Zuverlässigkeit von Drogenvortests – Vortrag im Rahmen des Arbeitskreises ! des Deutschen Verkehrsgerichtstages 2011, Blutalkohol (48) 2011, S. 72 ff). Dagegen ist bei einem einmaligen oder gelegentiichen Konsum immer von einem nur wenige Stunden zurückliegenden Konsum auszugehen, wenn die THC-Konzentration im Blutserum bei mindestens 1 ng/ml liegt, da bei solchen Konsumenten das THC bereits 6 bis 8 Stunden später fast vollständig abgebaut war. Nur bei einem chronisch/regelmäßigen Cannabiskonsum muss auf der Grundlage der herangezogenen Untersuchungen über 20 Stunden hinaus mit einem Nachweis von THC und gegebenenfalls 11-0H-THC (sowie THC-000H) gerechnet werden (vgl. Daldrup. a.a.O., S. 76). Bei einem einmaligen/gelegentlichen Konsum ist jedenfalls beim Führen eines Kraftfahrzeuges nach Ablauf einer empfohlenen Wartezeit von 24 Stunden nach dem letzten Konsum nicht mehr mit einem Verstoß gegen § 24 a Abs. 2 StVO rechnen (vgl. Daldrup a.a.O., S. 77). Auch nach den Aus¬führungen von Eisenmenger (Drogen im Straßenverkehr – Neue Entwicklungen, NZV 2006. 24) kommen nur bei chronischen Konsumenten Nachweiszeiten von mehr als 24 Stunden, teilweise sogar 48 Stunden in Betracht (vgl. insoweit auch Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, Rdnr. 481 ff). Nach einmaligem bzw. gelegentlichen Konsum auch hoher Dosen Cannabis ist davon auszugehen, dass die THC-Konzentration im Serum binnen eines Zeitraumes von 6 Stunden auf eine Konzentration von 1 ng/ml absinkt (Eisenmenger. a.a.O., S. 25; ebenso Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, Blutalkohol (43) 2006, 361, 365; vgl. auch Haase/Sachs, Strafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Einordnung von Drogenfahrten nach Konsum von Haschisch. Amphetaminen, Kokain und Heroin [= Drogen nach der Anlage zu § 24a StVG] – Tabellarische Übersicht im Anschluss an die Ausführungen in der NZV 2008, 221 ff. Haase -Sachs , NZV 2011, 584, die von einem Zeitraum von 6-10 Stunden ausgehen). Der Betroffene hätte daher, selbst wenn er sich über die Wirkungsdauer des von ihm behaupteten Cannabiskonsums erkundigt hätte und man von einer Auskunftserteilung entsprechend dem oben dargelegten derzeitigen Stand der Wissenschaft ausginge, bei Zugrundelegung seines Vorbringens, er sei kein gewohnheitsmäßiger Konsument, nach Ablauf von drei Tagen nach der von ihm eingeräumten Drogeneinnahme, nicht mehr damit rechnen müssen, dass sein Drogenkonsum seine Fahrsicherheit noch beeinträchtigen könnte, so dass sich ein fahrlässiges Handeln des Betroffenen nicht feststellen ließe. In Bezug auf eine etwaige Verzögerung des Drogenabbaus aufgrund einer möglichen Wechselwirkung mit dem Insulin, das sich der Betroffene spritzt, wäre dem Betroffenen fahrlässiges Handeln nur vorzuwerfen, wenn solche Folgen dieses Medikaments positiv feststünden. Entsprechende Feststellungen sind durch das Amtsgericht aber nicht getroffen worden.“

Die „Kollage“ in der Revisionsbegründung

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„Probleme“ mit der Revisionsbegründung des Verteidigers hatte der 5. Strafsenat in einem Verfahren bzw. er gibt einen recht deutlichen Hinweis, was er von einem Teil der Revisionsbegründung des Verteidigers hält. Gerügt hatte der Verteidiger u.a. wohl auch die Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages. Dazu der BGH, Beschl. v.23.04.2013 – 5 StR 145/13 -:

„2. Bei dieser Sachlage kann der Senat dahinstehen lassen, ob er auch mit dem Generalbundesanwalt die Rüge der Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages für durchgreifend halten würde. Dieser war auf Vernehmung der Schwester des Zeugen R. zu dessen Beziehungen zu den Nebenklägerinnen auf der Grundlage behaupteten gemeinsamen Wohnens gerichtet. An der Zulässigkeit der Rüge könnten im Blick auf die mangelhafte Angabe einer ladungsfähigen Anschrift dieser Zeugin in der Revisionsbegründung Zweifel bestehen. Darüber hinaus lässt die überaus wortreiche, aber wenig strukturierte und fast wie eine Kollage zusammengestellte Revisionsbegründungsschrift nicht ganz eindeutig erkennen, ob die Behandlung dieses Hilfsbeweisantrags überhaupt gesondert beanstandet werden soll.

Begründet wäre die Rüge allerdings, wenn sie zulässig wäre. Insgesamt hatte im Übrigen die Revision des Angeklagten Erfolg, da das LG einen Beweisantrag mit fehlerhafter Begründung abgelehnt hatte. Nun, damit kann der Verteidiger die „Kollage“ ggf. nacharbeiten/ausbessern.

Nur: Blutprobe verwechselt und unbemerkt beigemischt? Das reicht so nicht

Folgender Sachverhalt: Bei einer Kfz-Führerin werden in einer Blutprobe Amphetamin und Methamphetamin festgestellt. Ihr wird darauf die Fahrerlaubnis  (vorläufig) entzogen. Dagegen setzt sie sich beim VG mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wieder herzustellen, zur Wehr. Zur Begründung trägt sie u.a. vor, ihr seien die in ihrem Blut festgestellten Wirkstoffe unbemerkt beigebracht worden und das von einem rechtsmedizinischen Institut untersuchte Blut sei nicht das ihre. Mit beiden „Einlassungen“ hat sie – weder beim VG noch beim OVG – Erfolg. Dazu der OVG Sachsen, Beschl. v. 14.12.2012 – 3 B 274/12:

Dabei ist das Verwaltungsgericht Chemnitz im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Behauptung der Antragstellerin, die in ihrem Blut festgestellte Wirkstoffkonzentration sei ihr unbemerkt beigebracht worden, unglaubhaft sein dürfte. Offen bleiben kann dabei, ob – wie das Gericht meint – die Antragstellerin bei der bei ihr festgestellten Wirkstoffkonzentration starke Nebenwirkungen hätten bemerken müssen, wenn es sich – wie von dieser behauptet – um eine erstmalige Drogeneinnahme gehandelt hatte. Jedenfalls ist die Behauptung der Antragstellerin, ein Dritter habe ihr möglicherweise während des Toilettengangs Betäubungsmittel in ein Getränk gemischt, nicht geeignet, Zweifel an der Vermutung zu begründen, sie habe die in ihrem Körper aufgefundene Methamphetamindosis selbst und absichtlich zu sich genommen. Grundsätzlich kann zwar das Vorbringen, unwissentlich Betäubungsmittel zu sich genommen zu haben, für die Kraftfahreignung von Bedeutung sein. Allerdings ist es einhellige Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass sich ein Fahrerlaubnisinhaber für die Frage des einmaligen Konsums von „harten Drogen“ im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren grundsätzlich nicht allein mit dem pauschalen Vorbringen entlasten kann, das Betäubungsmittel sei ihm ohne sein Wissen von Dritten verabreicht worden. Angesichts der von einem grundsätzlich ungeeigneten, weil harte Drogen konsumierenden Fahrerlaubnisinhaber für andere Verkehrsteilnehmer ausgehenden erheblichen Gefahren sind an die Plausibilität der Einlassungen des Betroffenen erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Fahrerlaubnisinhaber muss deswegen zumindest eine nachvollziehbare Schilderung abgeben, wie es trotz der gegen eine zufällige Einnahme von in Getränken aufgelösten Betäubungsmitteln sprechenden Umständen zu einem unbewussten, zufälligen oder durch Dritte manipulierten Genuss des Betäubungsmittels gekommen sein soll (vgl. Beschl. des erkennenden Senats v. 12. Januar 2012 – 3 A 928/10 – Rn. 7 m.w.N.; jüngst auch BayVGH, Beschl. v. 21. November 2012 – 11 CS 12.2171 -, […] Rn. 8, sowie OVG LSA, Beschl. v. 8. November 2012 – 3 M 599/12 -, […] Rn. 6, jeweils m.w.N.). Diesen Vorgaben wird das mit der Beschwerde auch nicht mehr ausdrücklich weiterverfolgte Vorbringen der Antragstellerin nicht gerecht, da mit dem bloßen Hinweis darauf, unbekannte Personen hätten ohne ihr Wissen Betäubungsmittel in ihre Getränke gemischt, nicht plausibel gemacht werden kann, dass ein anderer Konsument mit dem Betäubungsmittel leichtfertig verfahren würde oder absichtlich einem Unbekannten ohne nachvollziehbares Motiv einen kostenlosen Rausch verschaffen wollte. Bei dieser Sachlage ist es daher ohne Belang, ob die Antragstellerin als drogengewöhnte Konsumentin bei der bei ihr vorgefundenen Wirkstoffkonzentration keine Nebenwirkungen verspürt oder – als Erstkonsumentin -die von den Betäubungsmitteln ausgehenden Wirkungen bemerkt hätte, und, welche individuelle Reaktion bei der vorgefundenen Wirkstoffkonzentration zu erwarten gewesen wäre (SächsOVG a.a.O. mit Hinweis auf die für Amphetamin festgelegte Wirkungsgrenze).

Auch ist an der von der Antragstellerin angegriffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts Chemnitz nicht zu zweifeln, dass eine Verwechselung von Blutproben ausgeschlossen werden könne. Das Gericht hat anhand der hierfür einschlägigen Vorschriften im Einzelnen überprüft, ob die Vorgaben, die bei Blutentnahme und -probe einzuhalten sind, vorliegend erfüllt worden sind. Wie sich dem in den Behördenakten enthaltenen und vom Gericht herangezogenen Unterlagen (Protokoll und Antrag zur Feststellung von Betäubungsmitteln [AS 31], ärztlicher Untersuchungsbericht [AS 32], Befundbericht [3-4]) ergibt, ist die Blutprobe unter der der Antragstellerin zugeordneten Identifikationsnummer „SN 149363″ durchgeführt worden. Angesichts der dokumentierten Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens kann mit dem alleinigen Hinweis darauf, dass der Klebezettel, der die Identifikationsnummer der Antragstellerin enthielt, theoretisch einem anderen Blutentnahmeröhrchen aufgeklebt worden sein könnte, im vorliegenden Fall nicht von der Möglichkeit oder der Gefahr einer Verwechselung ausgegangen werden. Auch insoweit entspricht es nämlich der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass mit der bloßen Behauptung des Gegenteils der dokumentierte ordnungsgemäße Ablauf der Untersuchung nicht in Frage gestellt werden kann, so dass die von der Antragstellerin angeregte Einholung eines DNA-Tests nicht erforderlich ist (jüngst OVG NRW, Beschl. v. 11. September 2012 – 16 B 944/12 -, […] Rn. 10; BayVGH, Beschl. v. 11. Mai 2010 – 11 CS 10.68 -, […] Rn. 20-21, jeweils m.w.N.).“

Im Verkehrsstrafrecht, wo man diese Einlassungen auch immer wieder mal findet, gilt übrigens dasselbe: „Butter bei die Fische“, wenn es Erfolg haben soll

 

Wieder „Verteidigerfehler Verfahrensrüge“ – mein Gott, ist das denn so schwer?

Dass die Revisionsgerichte die Hürden zur ordnungsgemäßen Begründung einer Verfahrensrüge durch eine strenge – sicherlich an manchen Stellen zu strenge – Auslegung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (zu) hoch legen, wird allgemein beklagt und ist sicherlich auch nicht von der Hand zu weisen. Andererseits wage ich die Behauptung, dass Verteidiger nicht selten aber auch selbst an einem Misserfolg ihrer Revision schuld sind. Nämlich dann, wenn – in meinen Augen einfachste – revisionsrechtliche Vorgaben nicht beachtet werden.

Ein Beispiel dafür, wie man es nicht bzw. wie man es falsch macht, ist der BGH, Beschl. v. 12.03.2013 – 2 StR 34/13, bei dessem ersten Lesen ich nur gedacht habe: Mein Gott, ist das denn so schwer?

Der BGH listet unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des GBA die Mängel auf. Gerügt war die (unzulässige) Ablehnung von Beweisanträgen und außerdem erhoben war die Aufklärungsrüge. Schenken wir uns den allgemeinen, alsseits (hoffentlichen) bekannten Vorspann des BGH zu den Anforderungen an die Verfahrensrüge. Konkret führt der BGH zu den Rügen aus:

1. In der Revisionsbegründungsschrift (Bl. 739-741) sind die vom Revisionsführer gestellten Beweisanträge auf Vernehmung der Zeugen G. , E. und T. (vgl. Bl. 527-529) sowie die entsprechenden Ableh-nungsbeschlüsse der Strafkammer (vgl. Bl. 638-640) nicht vollständig wiedergegeben. Der Revisionsführer hat diese weder durch wörtliche oder inhaltliche Wiedergabe noch durch die Einfügung von Abschriften oder Ablichtungen zum Gegenstand seiner Revisionsbegründung gemacht. Das Revisionsgericht kann daher nicht allein aufgrund der Be-gründungsschrift prüfen, ob die Antragsablehnung durch die Strafkammer – sollte das tatsächliche Vorbringen zutreffen – rechtsfehlerfrei erfolg-te.

2. Eine zulässig erhobene Aufklärungsrüge setzt voraus, dass der Revi-sionsführer eine bestimmte Beweistatsache, ein bestimmtes Beweismittel und die Umstände angibt, aufgrund derer sich der Tatrichter zu der ver-missten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen (BGHR StPO, § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7 mwN). Der Revisionsbegründung ist keine dieser Voraussetzungen zu entnehmen: Der Beschwerdeführer bezeichnet weder eine bestimmte Tatsache („zu ermitteln, ob…“) noch gibt er ein Beweismittel oder die Umstände an, warum sich die Straf-kammer zu der vermissten Beweiserhebung über die etwaige Betreuung der Kinder durch Wo. hätte gedrängt sehen müssen.“

Ja, noch Fragen? M.E. eindeutig Verteidigerfehler. Denn die Begründungsanforderungen sollten/müssen bekannt sein, wenn man Revisionsrecht betreibt. Und die Fehler führen dann auch noch zu einem vollständigen Misserfolg der Revision und nicht nur zur Unzulässigkeit der Verfahrensrüge. Denn die Sachrüge war auch nicht erhoben, was in meinen Augen ein ganz erheblicher Fehler ist. Dazu dann kurz und trocken der BGH:

„Die Unzulässigkeit der Verfahrensrügen führt, da die Sachrüge nicht erhoben ist, zur Unzulässigkeit der Revision insgesamt (vgl. mwN Senat, Beschluss vom 16. September 2009 – 2 StR 299/09, NStZ 2010, 97).“

Fazit: Man sollte vielleicht weniger über die Formenstrenge des BGH klagen und die dadurch gewonnene Zeit in die Aneignung von (einfachem) Revisionsrecht investieren.

 

Dauerbrenner: Vorsätzliche Trunkenheitsfahrt

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Im Bereich des § 316 StGB gibt es einen Dauerbrenner, der immer wieder zu Aufhebung amtsgerichtlicher Urteile führt. Das ist die Frage nach den Anforderungen an das Urteil, wenn der Angeklagte wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt verurteilt wird. In diese Serie der Aufhebungen reiht sich der OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.02.2013 –  (2) 53 Ss 1/13 (4/13) – ein. Das AG hatte den Angeklagten bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,51 Promille wegen eines vorsätzlichen Verstoßes verurteilt. Seine „nicht ganz unerheblichen Ausfallerscheinungen“ seien dem Angeklagten nicht entgangen, so dass er zumindest billigend in Kauf genommen habe, zum sicheren Führen seine Motorrades nicht mehr in der Lage gewesen zu sein. Er habe „erhebliche Ausfallerscheinungen“ gehabt, die „dem lebenserfahrenen, 62jährigen Angeklagten nicht entgangen“ sein können. Ihm sei auch bei Antritt der Fahrt bewusst gewesen, „dass er noch am Vormittag weiteren Alkohol zu sich genommen“ habe, der einen „Abbau des Restalkohols vom Vorabend zumindest verlangsamte“.

Dem OLG reicht das für den Vorsatz nicht.

„Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Allein die hohe Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit rechtfertigt anerkanntermaßen nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Tatbegehung; vielmehr müssen weitere auf einen Vorsatz hindeutende Umstände hinzutreten. Zu würdigen sind dabei insbesondere — soweit feststellbar — die Täterpersönlichkeit, der Trinkverlauf, der Zusammenhang zwischen Trinkverlauf und Fahrtantritt sowie das Verhalten des Täters vor und während der Fahrt (vgl. Senat, Beschl. vom 13. Juli 2010 — 2 Ss 21/10; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Februar 2012 — 3 RVs 8/12).

Das Amtsgericht hat die insoweit zu berücksichtigenden Umstände nur lückenhaft gewürdigt und zu einseitig auf die — auch erst beim Absteigen vom Motorrad festgestellten — motorischen Unsicherheiten abgestellt. Bei einer hohen Blutalkoholkonzentration treten häufig Ausfallerscheinungen auf, die für eine Kenntnis des Fahrers von seiner Fahruntüchtigkeit sprechen können. Insoweit ist jedoch stets zu beachten, dass bei fortschreitender Trunkenheit das kritische Bewusstsein und die Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung abnehmen, das subjektive Leistungsgefühl des Alkoholisierten hingegen infolge der Alkoholeinwirkung häufig gesteigert wird mit der Folge, dass der Fahrer seine Fahruntüchtigkeit falsch einschätzt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Die Fähigkeit einer entsprechenden Selbsteinschätzung ist dabei regelmäßig umso geringer, je weiter der Entschluss zur Fahrt vom Trinkende entfernt liegt (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 86).

 Unter diesem Gesichtspunkt hätte das Amtsgericht sich näher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte hier womöglich die Wirkung des auf den Konsum am Vorabend zurückzuführenden Restalkohols verkannt hat. Dazu bestand insbesondere deshalb Veranlassung, weil nach den Urteilsfeststellungen nicht auszuschließen ist, dass die Fahruntüchtigkeit wesentlich auf den Alkoholkonsum am Vortag zurückzuführen ist und der Alkoholgenuss am Vormittag des Tattages „einen Abbau des Restalkohols vom Vorabend“ lediglich verlangsamt hat. …..“