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Corona II: Ablehnung der Terminsaufhebung wegen Corona-Pandemie, oder: Keine Beschwerde

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Die zweite Entscheidung des Tages hat dann auch mit Corona zu tun. Und zwar Terminsaufhebung in „Corona-Zeiten“. Der OLG München, Beschl. v. 20.03.2020 – 2 Ws 364/20 – ist zwar schon etwas älter – er stammt vom Anfang des Lockdown. Aber: Die entschiedenen Fragen können ja, wenn es eine zweite Welle geben sollte, – hoffenlich nicht – noch einmal an Bedeutung gewinnen.

Ergangen ist der Beschluss in einem Schwurgerichtsverfahren. Gegen den Angeklagten fand die Hauptverhandlung seit dem 12.11.2019 statt. 16 Verhandlungstermine waren bereits durchgeführt. Als weitere Termine für die Hauptverhandlung waren Montag, der 23.03.2020 und Dienstag, der 31.03.2020 bestimmt. Der Angeklagte und sein Verteidiger hatten wegen der Gefahr, sich mit Coronaviren anzustecken, beantragt, diese Termine aufzuheben und die Hauptverhandlung auszusetzen.Das ist abegelehtn worden. Dagegen die Beschwerde.

Das OLG hat die als unzulässig angesehen:

„Die Beschwerden gegen die richterliche Verfügung vom 18.03.2020 sind unzulässig, da nicht statthaft. Denn nach § 305 S. 1 StPO sind die Ablehnung der Aufhebung von Verhandlungsterminen und der Aussetzung eines Verfahrens grundsätzlich nicht anfechtbar, da solche Entscheidungen der Urteilsfällung vorausgehen und deshalb nur zusammen mit dem Urteil mit dem dagegen statthaften Rechtsmittel, hier der Revision, angefochten werden können (KK-StPO/Gmel, 8. Auflage 2019, StPO § 228 Rn. 14; KK – StPO/Zabeck, 8. Auflage 2019, StPO § 305 Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 22.11.2001 – 2 BvQ 46/01, NStZ-RR 2002, 113; OLG Düsseldorf, NJW 1997, 2533; OLG Hamm, NJW 1978, 283).

Lediglich in Ausnahmefällen kann eine Beschwerde statthaft sein, etwa wenn die Terminaufhebung und Verfahrensaussetzung vom Gericht ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig abgelehnt wurde (OLG Celle, NStZ 2012, 176 für die Ablehnung eines Antrags auf Terminverlegung; vgl. auch OLG München, NStZ 1994, 451).

Solches lässt sich hier jedoch nicht feststellen.

Zum einen ist trotz der erheblichen, nicht im Bereich der Justiz liegenden Einschränkungen aufgrund der Anordnungen der Bayerischen Staatsregierung der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt. Denn nicht nur die Vertreter der Presse haben Zutritt zu der Verhandlung, sondern auch sonstige Personen, z.B. Angehörige, sofern sie sich im Rahmen der verhängten Ausgangsbeschränkungen halten. Eine absolute Ausgangssperre hat die Bayerische Staatsregierung nicht angeordnet. Deshalb werden stichprobenartige körperliche Untersuchungen von Zuhörern vorgenommen, um Verdachtsfälle auf Infizierung mit dem Coronavirus von vorneherein herauszufiltern und erst gar nicht in den Sitzungssaal zu lassen. Auch dürfen nicht alle vorhandenen Sitzplätze belegt werden, vielmehr müssen größere Abstände zwischen den einzelnen Zuhörern sein. Diese Sicherheitsvorkehrungen wären im Falle einer Ausgangssperre überflüssig. Dann könnte nämlich allen potentiellen Zuhörern mit Ausnahme der Vertreter der Presse der Zutritt zum Sitzungssaal ohne Prüfung auf eine Infizierung mit dem Coronavirus unter Berufung auf die staatlich angeordnete Ausgangssperre verweigert werden.

Zum anderen wurden in der angefochtenen Verfügung das Gesundheitsrisiko für die Verfahrensbeteiligten, mithin auch für den Angeklagten pp. im Falle der Durchführung der Hauptverhandlung einerseits und das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung des Strafprozesses andrerseits, damit dem staatlichen Strafanspruch Geltung verschafft werde, sorgfältig abgewogen. Auf die Verfügung vom 18.03.2020 wird Bezug genommen. Das Gericht hat nicht nur Sicherheitsvorkehrungen gegen eine mögliche Ansteckungsgefahr getroffen, sondern auch die Dauer des Verhandlungstermins erheblich verkürzt, um das Ansteckungsrisiko zu mindern. Zudem werden für alle Besucher des Strafjustizzentrums Kontrollen in Form von Selbstauskünften durchgeführt, um einer Verbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken.

Aus den genannten Gründen wären die Beschwerden, selbst wenn sie als statthaft und damit als zulässig erachtet würden, jedenfalls unbegründet.

Ob zusätzlich noch weitere Maßnahmen, wie etwa im Schriftsatz des Verteidigers vom 20.03.2020 beantragt, erforderlich sind, um die Gefahr einer Ansteckung möglichst gering zu halten, muss die 2. Strafkammer in eigener Zuständigkeit entscheiden.“

Wie gesagt: Die Problematik hat sich inzwischen „entschärft“, u.a. auch durch den § 10 EGStPO.

Filmberichterstattung im/vom Strafverfahren, oder: Pressefreiheit

Und als dritte Entscheidung dann endlich der OLG Hamm, Bschl. v. 21.12.2017 – 5 Ws 578/17 u. 5 Ws 579/17 -, endlich, weil der Beschluss schon etwas älter ist. Er behandelt die in der Praxis immer wieder auftauchende Problematik der Anfechtbarkeit einer sitzungspolizeilichen Anordnung nach § 176 GVG. Ergangen ist der Beschluss in einem beim LG Essen anhängigen Wirtschaftsstrafverfahren um angeblich „gepantschte“ Onkologie-Medikamente. Es geht um die Bildberichterstattung und Filmaufnahmen, die eingeschränkt worden waren. Dazu das OLG in den Leitsätzen des Beschlusses:

1. Die sitzungspolizeiliche Anordnung eines Kammervorsitzenden gemäß § 176 GVG ist mit der Beschwerde gemäß § 304 StPO anfechtbar, wenn durch die Anordnung Rechtspositionen eines Betroffenen über die Hauptverhandlung hinaus dauerhaft berührt und beeinträchtigt werden.

2. In der Sache überprüft das Beschwerdegericht eine gemäß § 176 GVG angeordnete Maßnahme nur darauf, ob die Anordnung einen zulässigen Zweck verfolgt, verhältnismäßig ist und der Vorsitzende sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Stellt die Anordnung einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit dar, muss der Vorsitzende die für seine Entscheidung maßgeblichen Gründe offenlegen und dadurch für die Betroffenen erkennen lassen, dass er die betroffenen Rechtsgüter und gegenläufigen Interessen der Beteiligten – einerseits die Pressefreiheit und andererseits der Schutz der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten, die Gewährleistung der ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung – in die Abwägung eingestellt hat.

3. Eine notwendige Begründung kann in der Nichtabhilfeentscheidung nachgeholt werden.

4. In dem zu beurteilenden Fall hat der Kammervorsitzende zulässigerweise angeordnet, dass – bei fehlendem Einverständnis der Verfahrensbeteiligten – Foto- und Filmaufnahmen in den Verhandlungspausen und nach der Hauptverhandlung (nur) im Foyer vor dem Sitzungssaal gestattet sind und dass der Angeklagte und die Nebenkläger bei der Veröffentlichung der Aufnahmen unkenntlich zu machen sind.

Strafvollzug, oder: „Haftkontostatus aktiv“ anfechtbar?

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Und als letzte Vollzugsentscheidung dann noch eine vom KG, nämlich der KG, Beschl. v. 25.09.2017 – 2 Ws 145/17 Vollz. Es geht um die Anfechtbarkeit des „Haftkontostatus“. Auf dem Haftkonto des Antragstellers ist für eine Pfändung der Kosteneinziehungsstelle der Justiz in Höhe von 2.590,58 € der Status „aktiv“ vermerkt. Von seinem „Überbrückungsgeld“ in Höhe von 1.123 € hat er 484 € angespart. Über „Eigengeld“ verfügt er nicht. Die  Vollzugsbehörde hat gegenüber dem Antragsteller mündlich die Löschung des Status „aktiv“ für diese Pfändung abgelehnt. Dagegen beantragt er die gerichtliche Entscheidung. Die StVG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hatte auch beim KG keinen Erfolg. Denn:

„Es fehlt bereits an einem zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der zugrundeliegende Antrag war unzulässig, weil er keine „Maßnahme“ im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG zum Gegenstand hatte.

Eine „Maßnahme“ im Sinne von § 109 StVollzG ist eine Regelung mit Rechtswirkung. Es muss sich deshalb um den Akt einer Vollzugsbehörde handeln, der in das Rechtsverhältnis zwischen dem Gefangenen und dem Staat gestaltend eingreifen soll, also um eine Regelung einer einzelnen Angelegenheit, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und diesbezüglich Verbindlichkeit beansprucht (vgl. z.B. Bachmann in LNNV, Strafvollzugsgesetze 12. Aufl., Abschn. P Rdn. 28, 29; Arloth/Krä, StVollzG 4. Aufl., § 109 Rdn. 6, 7, jeweils mit weit. Nachweisen).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs fehlt der als „aktiv“ geführten Pfändung der Kosteneinziehungsstelle, wie sie in der Auskunft der Vollzugsbehörde vom 12. Mai 2016 zum Ausdruck kommt, jedwede rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Antragsteller. Dieser Status gibt lediglich im Rahmen der Führung des Haftkontos vollzugsintern (zutreffend) wieder, dass eine Pfändung existiert und diese – sei es in Form von Ratenzahlung – bedient wird. Eine Außenwirkung auf den Antragsteller entwickelt dieser Status nicht. Jedenfalls ist der Antragsteller durch ihn nicht beschwert. Denn er verfügt mangels Bildung des Überbrückungsgeldes/Eingliederungsgeldes nicht über Eigengeld. Entgegen seines Vorbringens stellt dieser Status auch keinen erkennbaren Hinderungsgrund für Geldüberweisungen seiner Familie dar, die bis zur Bildung des Überbrückungsgeldes/Eingliederungsgeldes unpfändbar wären (für das Eingliederungsgeld: § 68 Abs. 2 Satz 2 StVollzG Bln in Verb. mit § 851 ZPO; für das Überbrückungsgeld: § 51 Abs. 4 Satz 1 StVollzG).“

Beförderungserschleichung, oder: Dreimal „Schwarzfahren“ führt zum Strafbefehl

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Nicht nur Saubermachen beim 2. Strafsenat des BGH, sondern auch in meinem Blogordner, in dem einige Entscheidungen hängen, die schon länger auf eine Veröffentlichung warten. Die ist – weil mir andere Entscheidungen wichtiger erschienen – dann immer wieder verschoben worden. So ist es auch dem KG, Beschl. v. 09.03.2016 – 1 VAs 4/16 -, den ich allerdings auch erst später übersandt bekommen habe.

Die Entscheidung „spielt“ auf einem „Nebenkriegsschauplatz“ der Verfolgung von Delikten der Beförderungserschleichung (§ 265a StGB). Die Amtsanwaltschaft Berlin hat dem Antragsteller – wir befinden uns im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG – drei am 16.12.2014, 10.06.2015 und 01.08.2015 begangene Vergehen des Erschleichens von Leistungen zum Nachteil der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zur Last gelegt. In ihrem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls hat sie das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht (§ 265a Abs. 3 i.V.m § 248a StGB). Das AG Tiergarten hat den Strafbefehl antragsgemäß erlassen, der Antragsteller hat hiergegen Einspruch eingelegt. Termin zur Hauptverhandlung war auf den 05.04.2016 anberaumt. Mit seinem auf §§ 23 ff. EGGVG gestützten Antrag hat der Antragsteller geltend gemacht, die Entscheidung der Amtsanwaltschaft, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe, aufzuheben.

„Das KG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen:

Nach ganz herrschender Auffassung kann das Gericht im Strafverfahren die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses durch die Staats- bzw. Amtsanwaltschaft nicht nachprüfen (vgl. nur BGHSt 16, 225; BVerfGE 51, 176 [offenlassend für den Fall, dass sich die Annahme des besonderen öffentlichen Interesses angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls als objektiv willkürlich erweist]; Fischer, StGB 63. Aufl., § 230 Rdn. 3 m.w.N.).

Auch im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG ist die Überprüfung einer solchen Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich nicht möglich. Der Rechtsweg nach diesen Vorschriften ist nicht eröffnet. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur auf die Beseitigung, die Vornahme oder die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Justizverwaltungsaktes im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG gerichtet werden. Maßnahmen der Staats- bzw. Amtsanwaltschaft, die sich – wie hier die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses nach § 265a Abs. 3 i.V.m § 248a StGB – auf die Einleitung, Durchführung, Gestaltung oder Beendigung eines Strafverfahrens beziehen, stellen keine den Einzelfall regelnde Verwaltungsakte, sondern Prozesshandlungen dar, die der richterlichen Kontrolle nur nach Maßgabe der abschließenden Regelungen der Strafprozessordnung unterliegen und damit einer Überprüfung nach den §§ 23 ff. EGGVG grundsätzlich entzogen sind. Dies entspricht – verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG NStZ 1984, 228; NJW 1984, 1451; NJW 1985, 1019) – der ganz herrschenden Meinung (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 11. März 2014 – III-1 VAs 13/14, 1 VAs 13/14 – bei juris; ständige Rechtsprechung des Kammergerichts, vgl. Beschluss vom 12. Februar 2013 – 4 VAs 3/13 – bei juris und Senat StraFo 2010, 428; näher dazu Böttcher in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 23 EGGVG Rdn. 52 ff., 106 ff. m.w.N.).

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass es mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG dazu neigt, eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unanfechtbarkeit staatsanwaltschaftlicher Prozesshandlungen zu bejahen, wenn der Antragsteller schlüssig darlegt, dass diese als schlechthin unvertretbar und damit objektiv willkürlich zu qualifizieren sind (vgl. BVerfG NStZ 2004, 447; NJW 1984, 1451; NStZ 1984, 228). Davon kann hier jedoch keine Rede sein.

Die vom Antragsteller geschilderte Praxis der Amtsanwaltschaft, das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen, ist offensichtlich nicht objektiv willkürlich, sondern im Gegenteil sachgerecht.

a) Erhält die Amtsanwaltschaft durch einen Strafantrag des Verkehrsunternehmens Kenntnis von dem Verdacht, dass ein Beschuldigter in einem überschaubaren Zeitraum dreimal die Beförderung durch ein Verkehrsmittel erschlichen hat, liegt es auf der Hand, dass ihn die mit der Feststellung der ersten beiden Schwarzfahrten einhergehenden Warnungen nicht beeindruckt haben und es nunmehr der vom Gesetzgeber in § 265a StGB vorgesehenen Sanktionen bedarf. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Amtsanwaltschaft in solchen Fällen – naheliegend – von hartnäckigen Verstößen gegen Rechtsvorschriften ausgeht und grundsätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Die vom Antragsteller vermisste Prüfung des Einzelfalls geschieht dann im gerichtlichen Verfahren bei der Überprüfung des Tatverdachts und der Entscheidung, welche Rechtsfolge angemessen ist.

b) Das Vorbringen des Antragstellers, die Amtsanwaltschaft dürfe das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht bejahen, weil dieses durch die (zivilrechtliche) Einforderung eines erhöhten Beförderungsentgelts nicht mehr bestehe, liegt ebenfalls neben der Sache. Der Antragsteller übersieht, dass der Gesetzgeber den Straftatbestand der Beförderungserschleichung – anders z.B. als den Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 2 StGB) – nicht als absolutes, sondern als relatives Antragsdelikt gestaltet und damit die Strafverfolgung auch beim Fehlen eines form- und fristgerecht gestellten Strafantrag des geschädigten Verkehrsunternehmens ermöglicht hat. Dies geschah in Kenntnis des Umstands, dass das sog. Schwarzfahren regelmäßig auch zivilrechtlich durch die Erhebung eines erhöhten Beförderungsentgelts sanktioniert wird. Der Gesetzgeber ist mithin davon ausgegangen, dass allein die zivilrechtliche Sanktion nicht geeignet ist, ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung des rechtswidrigen Verhaltens (auch) nach dem Strafrecht entfallen zu lassen.“

M.E. zutreffend.

Darf ich einen „Schreiber“ mit in die Hauptverhandlung nehmen?

© Corgarashu – Fotolia.com

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Darf der Zuhörer einen „Schreiber“ mit in die Hauptverhandlung nehmen, um sich dort Notizen machen zu können? Um die Frage war es im sog. „Gröning“-Verfahren beim LG Lüneburg gegangen und die Frage hat nun auch das OLG Celle beschäftigt.In dem Verfahren hatte der Vorsitzender der Schwurgerichtskammer eine sog. Medienverfügung erlassen. Danach galt im gesamten LG-Gebäude ein absolutes Verbot von Waffen und gefährlichen Werkzeugen. Zeugen hatten sich vor dem Zugang zur Hauptverhandlung einer körperlichen Durchsuchung auf Waffen (auch gefährliche Chemikalien, Messer u.a.), gefährliche Werkzeuge (auch Feuerzeuge und Streichhölzer), zu Film- und Tonaufnahmen geeigneter Gegenstände, insbesondere Mobiltelefonen, Smartphones und Tabletcomputer, sowie Wurfgegenstände (z.B. Flaschen, Dosen, Obst, Eier (…) zu unterziehen. Das Gleiche galt für Flugblätter, Transparente, Trillerpfeifen, Glocken und ähnliche zur Verursachung von Lärm geeignete Gegenstände sowie Kugelschreiber und Füllfederhalter. Die Beschwerdeführerin hatte am ersten Tag ihrer Teilnahme an der Hauptverhandlung u.a.  ein Schreibheft und einen „Schreiber“ mit in den Sitzungssaal nehmen wollen. Die Mitnahme dieser Gegenstände wurde ihr im Rahmen der Einlasskontrolle von den Beamten unter Berufung auf die sitzungspolizeiliche Anordnung verwehrt. In der Folgezeit versuchte die Beschwerdeführerin erfolglos, eine Genehmigung zur Mitnahme von Schreibutensilien für die Teilnahme an der Hauptverhandlung zu erhalten.

Sie hat dann beim OLG Celle Beschwerde eingelegt, die das OLG als unzulässig angesehen hat. Insoweit hat sich das OLG der wohl h.M. in der Rechtsprechung angeschlossen, wonach eine sitzungspolizeiliche Maßnahme dann nicht mit der Beschwerde anfechtbar ist wenn ihr eine über die Dauer der Hauptverhandlung hinausgehende Wirkung nicht zukommt und insbesondere Grundrechte oder andere Rechtspositionen nicht dauerhaft berührt oder beeinträchtigt werden.

Das OLG hat im OLG Celle, Beschl. v. 08.06.2015 – 2 Ws 92/15 – aber auch zur Begründetheit Stellung genommen.:

„Die Versagung der Mitnahme von spitzen Schreibgeräten durch die Zuschauer verfolgt einen zulässigen Zweck. Sie dient dazu, eine Gefährdung der Verfahrensbeteiligten auszuschließen und damit einen störungsfreien Ablauf der Hauptverhandlung zu gewährleisten. Die angeordnete Maßnahme ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des zugrundeliegendes Strafverfahrens, die sich sowohl aus dem erhobenen strafrechtlichen Vorwurf, als auch aus dem Alter und der Konstitution der Verfahrensbeteiligten (konkret der Angeklagten und Nebenkläger/innen) ergeben, verhältnismäßig. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass die Beschwerdeführerin ein nachvollziehbares und berechtigtes (Informations-)Interesse daran hat, sich in der Hauptverhandlung Notizen machen zu können. Allerdings erfährt dieses – auch auf dem Grundsatz der Öffentlichkeit beruhende – subjektive Recht seine Einschränkung durch § 176 GVG. Vorliegend überwiegt im Rahmen der Abwägung die Gewährleistung eines störungsfreien äußeren Sitzungsablaufs und diesem innewohnend der Schutz der Prozessbeteiligten, insbesondere des hochbetagten Angeklagten, vor Wurfattacken das Recht der Beschwerdeführerin. Das hohe Alter der Beteiligten und der erheblich beeinträchtigte Gesundheitszustand des Angeklagten gebieten es, bereits die Möglichkeit einer Störung der Sitzung durch das Werfen von kleineren und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ungefährlichen Gegenständen wie Kugelschreibern, Füllfederhaltern oder anderen spitzen Schreibgeräten zu verhindern. Das Recht der Beschwerdeführerin findet in der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Sitzungsablaufs seine Grenzen.

Darüber hinaus sind die Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin durch die angefochtene Maßnahme – wie unter 1. ausgeführt – zeitlich eng begrenzt. Der Senat hält es für zumutbar und für die Befriedigung des Informationsinteresses ausreichend, dass sich die Beschwerdeführerin unmittelbar nach dem Ende der jeweiligen Sitzung oder nach Beginn einer Sitzungspause Notizen macht.“

Na ja, da muss man schon ein gutes Gedächtnis haben, wenn man sich alle die Notizen machen will, die erforderlich erscheinen.