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Für eine Zahlungserleichterung muss man nicht in die Hauptverhandlung

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§ 411 Absatz 1 Satz 3 StPO sieht die Möglichkeit einer Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss vor, wenn der Einspruch auf die Höhe der Tagessätze beschränkt ist. Der Wortlaut bezieht sich allerdings nur auf die „Höhe der Tagessätze“. Das AG Kehl hat im AG Kehl, Beschl. v. 17.06.2015 – 3 Cs 208 Js 18057/14 – das jetzt erweiternd ausgelegt auf die Beschränkung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl auf die Gewährung einer Zahlungserleichterung. Mit m.E. überzeugender Begründung:

„Allerdings ist diese Vorschrift dahingehend auszulegen, dass das Beschlussverfahren auch dann Anwendung findet, wenn der Einspruch nur zum Zweck der Erreichung einer Zahlungserleichterung nach § 42 StGB oder einer Änderung einer solchen Zahlungserleichterung zu Gunsten des Angeklagten eingelegt wird. Denn mit dem Beschlussverfahren soll eine – gerade auch im Interesse des Angeklagten liegende – Verfahrensvereinfachung erzielt werden, wenn es lediglich um die Anpassung der Rechtsfolgen an die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten geht (vgl. Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, § 411, Rn. 9a). Wenn damit schon eine Anpassung der Höhe der Tagessätze ohne Hauptverhandlung ermöglicht wird, muss dies erst recht für die alleinige Entscheidung über die Gewährung einer Zahlungserleichterung nach § 42 StGB gelten. Dass Zahlungserleichterungen bei einem Beschluss nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO gewährt werden können, mit dem die Tagessatzhöhe bestimmt wird, ist allgemein anerkannt und gängige Praxis, zumal Zahlungserleichterungen zusammen mit der Verhängung der Geldstrafe durch Urteil oder Strafbefehl zu gewähren sind, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 42, Rn. 6). Es liefe deshalb der gesetzgeberischen Intention des § 411 Absatz1 Satz 3 StPO zuwider, würde man eine Hauptverhandlung nur für die Entscheidung über die Gewährung einer Zahlungserleichterung für erforderlich halten, selbst wenn die nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO notwendigen Zustimmungen zum Beschlussverfahren vorliegen.“

Hat natürlich gebührenrechtliche Konsequenzen. Denn, wenn man den § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO erweiternd auslegt, wird man das auch für die Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 4 VV RVG tun müssen.

Darf eine Richterin mit einem StA verheiratet sein?, oder: Verhandlung am heimatlichen Herd?

© Corgarashu – Fotolia.com

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Darf eine Richterin mit einem StA verheiratet sein?, Ja, natürlich, aber: Es kann die Besorgnis der Befangenheit bestehen, wenn es der „sachbearbeitende“ Staatsanwalt in einem bei der Richterin anhängigen Verfahren ist, und zwar auch im Bußgeldverfahren. So der AG Kehl, Beschl. v. 15.04.2014 – 5 OWi 304 Js 2546/14, der ja auch schon einige andere Blogs beschäftigt hat. Da heißt es:

Richterin am Amtsgericht … ist die Ehefrau des sachbearbeitenden Staatsanwalts. Unerheblich ist es dabei, dass es sich hier nicht um ein Strafverfahren sondern (lediglich) um einen Bußgeldverfahren handelt, in dem die Ermittlungen nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern von der Verwaltungsbehörde geführt wurden, die auch den Bußgeldbescheid erlassen hat. Denn nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und Vorlage der Akten an die Staatsanwaltschaft gehen die Aufgaben der Verfolgungsbehörde auf diese über (§ 40 Abs. 4 S. 1 OWiG). Ob sich der sachbearbeitende Staatsanwalt vor Übersendung der Akten gemäß § 40 Abs. 4 S. 2 OWiG an das Amtsgericht zur Entscheidung über den Einspruch mit der Sache eingehend auseinandergesetzt oder ein eigenes Interesse an der Ahndung der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit hat, kommt es nicht an, auch wenn sich aus der Übersendungsverfügung ergeben sollte, dass dieses Verfahren für den sachbearbeitenden Staatsanwalt eines von vielen und von untergeordneter Bedeutung ist, worauf seine Übersendungsverfügung hindeutet, in der er formularmäßig erklärt, einer Entscheidung durch Beschluss nicht zu widersprechen, beabsichtige, nicht an der Verhandlung teilzunehmen, auf Terminsnachricht verzichte und keinen Antrag auf eine schriftliche Begründung des Urteils stelle. Denn diesen Schluss kann allenfalls derjenige ziehen, der die Praxis der Bearbeitung von Bußgeldverfahren durch die Staatsanwaltschaft kennt. Das ist weder im Allgemeinen noch hier im Besonderen anzunehmen. Im Übrigen ist der sachbearbeitende Staatsanwalt nicht gehindert, jederzeit ein stärkeres Interesse an der Sache zu entwickeln und sich unmittelbar ins Verfahren einzuschalten.

Teilnahme am Kurs „Dekra Mobil“ – es gibt die „Fleppe“ wieder/Sperre entfällt

© sashpictures - Fotolia.com

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Aus dem Reservoir, der Entscheidungen, die sich mit einer nachträglichen Abkürzung oder gar Aufhebung einer Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis befassen, heute der Hinweis auf den AG Kehl, Beschl. v. 21.03.2014 -2 Cs 206 Js 15342/13. Kann man vielleicht ganz gut mit argumentieren. Das AG hat nach einer Verurteilung wegen einer fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) mit einer BAK von 1,21 Promille nach nur rund 5 (!!) Monaten die Sperre aufgehoben. Begründung u.a.: Der Verurteilte hatte erfolgreich an einem Aufbauseminar „Dekra mobil“ teilgenommen.

Das AG verweist darauf, dass nach dem StGB das Gericht die Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis vorzeitig aufheben kann, wenn sich Grund zu der Annahme ergibt, dass der Verurteilte nicht mehr ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, und die Sperre mindestens drei Monate bzw. im Fall des § 69 Abs. 3 StGB ein Jahr gedauert hat. Dazu bedürfe es aber keiner zweifelsfreien Feststellung, dass die Ungeeignetheit entfallen sei. Vielmehr genüge eine auf neue Tatsachen gestützte hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich der Verurteilte im Straßenverkehr nicht mehr als gefährlich erweisen werde. Dies könne der Fall sein, wenn der Verurteilte nachgewiesen habe, dass er erfolgreich an einem besonderen Aufbauseminar nach dem Modell „DEKRA-Mobil“ teilgenommen habe. Eine erfolgreiche Kursteilnahme sei aber nur ein Indiz für den Fortfall des Eignungsmangels, weshalb insbesondere bei einer hohen Blutalkoholkonzentration bei der Tat noch weitere Umstände hinzutreten müssen. Hier hat das AG auf die verhältnismäßig geringe BAK abgestellt und „die Fleppe wieder rausgerückt“.