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Für das zweite „Durchsuchungsposting“ geht es von ganz oben, also vom BGH, nach ganz unten, also zum AG, und zum AG Hamburg. Das hat im AG Hamburg, Beschl. v. 30.03.2023 – 162 Gs 2237/21 – zur Rechtswidrigkeit einer andauernden Durchsuchung Stellung genommen. Stichwort: Durchsicht von Papieren ua.
In einem Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche ist mit Beschluss vom 22.10.2021 die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume der Beschuldigten angeordnet worden. Die Vollstreckung dieses Beschlusses erfolgte am 01.11.2021. Im Rahmen der Durchsuchung wurden bei der Beschuldigten vier elektronischen Gegenstände aufgefunden und in Fortsetzung der Durchsüchung zum Zwecke der Durchsicht der in ihnen verbauten Datenträger nach § 110 StPO auf die Dienststelle der Einsatzkräfte mitgenommen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 04.02.2022 ist die Rechtmäßigkeit der am 01.11.2021 erfolgten Mitnahme zur Durchsicht von zwei der vorgenannten Datenträger zwischenzeitlich gemäß § 110 Abs. 4 StPO i. V. m. § 98 Abs. 2 StPO bestätigt worden.
Mit Verfügung vom 27.06.2022 hat die Staatsanwaltschaft.Hamburg das für die Sachbehandlung zuständige LKA 66 gebeten, die Ermittlungen in der vorliegenden Sache abzuschließen, insbesondere eine Auswertung der Inhalte der sichergestellten Datenträger vorzunehmen. Nach dem Inhalt des Vermerks des LKA 66 vom 14.09.2022 waren die Datenträger bereits zuvor am 18.05.2022 an das mit der (technischen) Auswertung befasste LKA 542 – Forensische LuK – weitergeleitet worden. Nach dem weiteren Inhalt dieses Vermerks soll seitens des stellvertretenden Sachgebietsleiters des LKA 542 die Ansage erfolgt sein, dass mit der „Bearbeitung der Laptops voraussichtlich im Juli 2023 und mit der Bearbeitung der Mobiltelefone voraussichtlich im Juli 2024 begonnen“ werde. Der Vermerk des LKA 66 endet daher mit der Feststellung, dass die Ermittlungen in der vorliegenden Sache in Form der Auswertung der Daten auf den elektronischen Datenträgern „frühestens“ im Juli/August 2023 fortgesetzt werden können. Mit Verfügung vom 26.09.2022 hat die Staatsanwaltschaft die Verteidigung über die vom LKA 66 getroffenen Feststellungen in Kenntnis gesetzt und darauf verwiesen, dass eine „Beschleunigung“ von dort aus „leider nicht veranlasst werden“ könne. Letzteres könne allerdings dadurch geschehen, wenn die Beschuldigte bereit sei, die entsprechenden Passwörter der Geräte zu benennen. Bereits mit einer vorangegangenen Email hatte die Verteidigung eine entsprechende Preisgabe abgelehnt, dafür mit einem an das Amtsgericht gerichteten Schriftsatz vom 20.02.2023 beantragt, nunmehr im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung die Herausgabe der im Tenor dieser Entscheidung bezeichneten Geräte zu beschließen.
Das AG sieht das als rechtswidrig an.
„Auch wenn in dem Antrag der Verteidigung auf gerichtliche Entscheidung eine konkrete Rechtsgrundlage für das dort als solches formulierte Herausgabeersuchen nicht genannt ist, versteht das Gericht den rechtlichen Kern des dortigen Begehrens dahingehend, dass die Beklagte die gerichtliche Feststellung begehrt, dass aufgrund des bisherigen Zeitablaufs bzw. der bis zum -Abschluss der ausstehenden Auswertungsarbeiten noch zu erwartenden Zeit ein weiterer Einbehalt der streitbefangenen elektronischen Geräte durch die Ermittlungsbehörden nicht länger verhältnismäßig wäre. Da nach allgemeiner Auffassung eine Mitnahme von Unterlagen und/oder Datenträgern im Sinne des § 110 StPO in Fortsetzung einer laufenden Durchsuchung erfolgt, die zum Nachteil der Beschuldigten pp. angeordnete Durchsuchung mithin auch aktuell noch andauert, legt das Gericht das rechtliche Begehren der Verteidigung dahingehend aus, dass in. entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 2 StPO die Art und Weise der Durchsuchung, insbesondere der zeitliche Umfang der Durchsichtsmaßnahme gerügt wird.
Dem so verstandenen Antragsbegehren der Beschuldigten war in der tenorierten Form stattzugeben. Wie von der Verteidigung zu Recht darauf hingewiesen, erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass sich die Ermittlungsbehörden im Falle einer Mitnahme zur Durchsicht nach § 110 StPO zügig an die Durchsicht der vorgefundenen Unterlagen/Daten mit dem Ziel machen, in angemessener Zeit selektiv zu erarbeiteten, ob und ggf. welche der zur Durchsicht mitgenommenen Unterlagen/Daten dem Gericht für eine machfolgende Beschlagnahmeanordnung vorzulegen sind. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang zu konzedieren, dass entsprechende normative Vorgaben, in welcher Zeit eine entsprechende Durchsicht zu erfolgen hat, nicht vorhanden sind, so dass eine entsprechende Bewertung unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Einzelfalles vorzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund hat das Gericht festzuhalten, dass die vorläufige Sicherstellung der zu sichtenden Datenträger bei der Beschuldigten bereits am 01.11.2021 erfolgt ist und damit fast siebzehn Monate zurückliegt. Seit dieser Zeit befinden sich die durchzusehenden Geräte im Gewahrsam der Ermittlungsbehörden und stehen seitdem grundsätzlich für entsprechende Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung: Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass insoweit auch der – allerdings von dritter Seite im Anschluss an die Durchsuchung gestellte – Antrag nach § 110 Abs. 4 StPO i. V. m. § 98 Abs. 2 StPO nichts an der Richtigkeit der Aussage ändert, da einem solchen Antrag grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung beizumessen ist. Tatsächlich standen daher der Durchsicht der Datenträger der sichergestellten Geräte seit deren Mitnahme keine rechtlichen Erwägungen entgegen.
In diesem Zusammenhang erachtet es das Gericht bereits als bedenklich, dass die auszuwertenden Geräte nach dem Vermerk des LKA 66 erst am 1.8.05.2022, also mehr als ein halbes Jahr nach deren Sicherstellung, an das für die technische Auswertung zuständige LKA 542 weitergeleitet worden sind. Für das Gericht nicht nachvollziehbar und daher rechtlich inakzeptabel ist allerdings die prognostische Einschätzung des stellvertretenden Sachgebietsleiters des LKA 542, wonach mit der Auswertung der Laptops erst im Juli 2023 und mit der Auswertung der Handys voraussichtlich erst im August 2024 begonnen werden könne. Vor dem Hintergrund einer solchen Aussage, die bislang in keiner Form von den Ermittlungsbehörden oder der Staatsanwaltschaft relativiert worden ist, muss das Gericht davon ausgehen., dass die erforderliche, zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal begonnene Durchsicht noch weitere Auswertungszeiträume von deutlich über einem (weiteren) Jahr in Anspruch nehmen wird. Dabei gilt es festzuhalten, dass die absehbare Auswertungsdauer nicht etwa einer besonderen Schwierigkeit der konkreten Einzelfallsituation geschuldet ist, sondern ersichtlich darauf beruht, dass seitens der Polizei entsprechend ausreichende personelle und/oder technische Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen. Wie vom Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach betont, ist es aber unzulässig, dem Grunde nach rechtmäßige Einschränkungen der Grundrechte dadurch zu intensivieren, dass aufgrund fehlender Ressourcen die gebotene Beendigung des Eingriffs bzw. der Eingriffsintensität nicht zeitgerecht erfolgen kann. Dabei spielt es bei der rechtlichen Beurteilung der Sache nach keine Rolle, dass die Beschuldigte Iden Auswertungszeitraum in der Tat verkürzen könnte, wenn sie bereit wäre, den Ermittlungsbehörden mittels Eröffnung der Passwörter Zugang zu ihren Speichermedien zu verschaffen, da eine derartige Mitwirkungsverpflichtung im deutschen Strafprozessrecht nicht besteht und daher auch nicht auf die vorbezeichnete Art und Weise erzwungen werden kann.
Aufgrund der – unwidersprochenen – Ankündigung des stellvertretenden Sachgebietsleiters des LKA 542, dass mit einem Abschluss der Durchsichtsmaßnahmen nicht vor Mitte 2024 zu rechnen ist, war das Spannungsverhältnis zwischen einer sachgerechten Strafverfolgung auf der einen und dem Grundrechtsschutz der Betroffenen auf der anderen Seite dahingehend aufzulösen, dass dem Antrag der Verteidigung auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der so gekennzeichneten Art und Weise der (fortgesetzten) Durchsuchung zu entsprechen ist.“
M.E. zutreffend. Und: Sehr schön der Hinweis auf die nicht bestehenden Mitwirkungspflichten…..