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Wiedereinsetzung III: Selbst Versäumung verschuldet, oder: Wenn man sich um eigene Dinge nicht kümmert

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Die dritte Entscheidung, der AG Eilenburg, Beschl. v. 07.11.2024 – 8 OWi 614/24 – kommt dann aus einem Bußgeldverfahren. In dem war ein Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung dem Betroffenen am 11.04.2024 unter einer Anschrift in Leipzig zugestellt worden, die er zuvor gegenüber der Verwaltungsbehörde auf die Anhörung hin als seine (neue) Wohnanschrift angegeben hatte. Die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße wurde am 12.04.2024 vom Konto des Betroffenen unter Angabe des behördlichen Aktenzeichens auf das Konto der Verwaltungsbehörde gezahlt.

Am 08.08.2024 zeigte sich für den Betroffenen sein Verteidiger bei der Verwaltungsbehörde an, legte gegen den Bußgeldbescheid vom 05.04.2024 unter Beantragung von Akteneinsicht Einspruch ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung seines Antrags auf Wiedereinsetzung schildert der Betroffene seine persönliche Situation und führt aus, dass er von dem Bußgeldbescheid bis heute keine Kenntnis habe. Der Umstand, dass dieser in Rechtskraft erwachsen sein soll, sei ihm erst am 05.08.2024 bekannt geworden, nachdem er den Brief der Führerscheinbehörde mit der Anhörung zum Fahrerlaubnisentzug zur Kenntnis genommen und mit dieser Rücksprache gehalten habe. An diesem Tage habe er auch erstmalig nach entsprechender Erkundigung bei seiner Ehefrau erfahren, dass sie den Bußgeldbescheid offensichtlich aus der Post genommen und das Bußgeld und auch die Verwaltungsgebühr ohne sein Wissen bezahlt habe. Eine Nachschau auf dem gemeinsamen Konto habe dies bestätigt. Der Bußgeldbescheid liege ihm bis heute nicht vor, lediglich anhand der Aktenzeichen habe er dies halbwegs rekonstruieren können.

Die Verwaltungsbehörde hat den Einspruch als unzulässig verworfen. Der Wiedereinsetzungsantrag hatte keinen Erfolg:

„b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 52 OWiG i. V. m. §§ 44, 45 StPO ist nicht zu gewähren. Der Betroffene hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden daran gehindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO sind dabei mit der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag alle Tatsachen zur Begründung des Antrages zu benennen und glaubhaft zu machen. Verschulden i. S. des § 44 Satz 1 StPO ist anzunehmen, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl. nur OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.10.1990 – 10 M 24/90 -, NJW 1991, 1196 zum gleichlautenden § 60 Abs. 1 VwGO).

Inwieweit ein Verfahrensbeteiligter einem Dritten die Besorgung prozessualer Angelegenheiten vertrauensvoll überlassen kann und in welchem Umfang er den Beauftragten kontrollieren muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es trifft ihn bei Versäumnissen und Fehlern des Beauftragten dann kein Verschulden, wenn er bei dessen Auswahl und Überwachung die Sorgfalt aufgewandt hat, die verständiger Weise von ihm erwartet und ihm zugemutet werden kann. Steht der Beauftragte zum Auftraggeber in einem engen und dauerhaften Verhältnis, das ein gegenseitig erprobtes Vertrauen begründet – wie das der Ehe – und fehlen Anhaltspunkte, aus denen sich ausnahmsweise eine Unzuverlässigkeit des Ehegatten bei der Wahrnehmung wichtiger Angelegenheiten ergeben, so ist der Auswahlsorgfalt in aller Regel genügt und es reduziert sich auch die Überwachungssorgfalt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 16.08.1991 – 1 Ws 222/91 -, BeckRS 1991, 652; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 17.10.2000 – 3 Ws 1049/00 -, NStZ-RR 2001, 85).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist der Betroffene in Ansehung seines Vortrags, den er durch die vorliegende eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau ausreichend glaubhaft gemacht hat, der ihm noch obliegenden Überwachungssorgfalt in vorwerfbarer Weise nicht zureichend nachgekommen. Zunächst ist dahingehend zu befinden, dass der Betroffene unter Zugrundelegung seines Vortrags seine Ehefrau nicht nur mit der Besorgung eines konkreten Rechtsgeschäfts beauftragt, sondern er ihr offensichtlich die Besorgung jeglicher rechtsgeschäftlicher Angelegenheiten ihn betreffend anvertraut hat. Dies verlangt nach Auffassung des Gerichts jedenfalls ein gewisses Maß an wiederkehrender Kontrolle der „beauftragten“ Person, da die Fehleranfälligkeit bei einer „globalen“ Aufgabenübertragung gegenüber einer einzelfallbezogenen Geschäftsbesorgung steigt, auch wenn sich die beauftragte Person in der Vergangenheit als zuverlässig erwiesen hat. Ein blindes Vertrauen in die Aufgabenwahrnehmung für sämtliche Teilbereiche des einen Betroffenen betreffenden Schriftsatzverkehrs mit Dritten erscheint auch vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG nicht schützenswert, käme dadurch doch zum Ausdruck, dass ein Betroffener der Wahrnehmung seiner Rechte mit vermeidbarer Gleichgültigkeit gegenüber steht.

So liegt der Fall jedoch hier. Dem Betroffenen hätte es sich, nachdem er auf den Anhörungsbogen hin am 02.04.2024 gegenüber der Verwaltungsbehörde erklärt hat, dass er der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen sei und der Verkehrsverstoß auch im übrigen zugegeben werde, aufdrängen müssen, dass bald ein Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde gegenüber ihm ergehen würde. Gerade angesichts dessen, dass am […]2024 das zweite gemeinsame Kind zur Welt gekommen und zudem während dieser Zeit viel Verwaltungsaufwand auch wegen eines Rechtsstreits mit dem Bauträger angefallen sein soll, wäre vom Betroffenen, um einer Überforderungssituation seiner Ehefrau vorzubeugen, zu erwarten gewesen, hier entweder unterstützend tätig zu werden oder sich zumindest bei seiner Ehefrau regelmäßig nach einem etwaigen Fortgang des ihm bekannten Bußgeldverfahrens zu erkundigen. Unter Zugrundelegung des Vortrags des Betroffenen, bei seiner Ehefrau erst am 05.08.2024 nachgefragt zu haben, ist dies jedoch über einen Zeitraum von ca. 4 Monaten seit Bekanntwerden des (von ihm eingeräumten) Tatvorwurfs nicht geschehen. Auch nachdem ihm das Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde vom 30.04.2024 und der darin ausgesprochenen Verwarnung bei einem Punktestand von 6 Punkten zur Kenntnis gelangte, sah er augenscheinlich weiterhin keinen Anlass, sich nach dem Fortgang des ihm bekannten Bußgeldverfahrens zu erkundigen. Der Vortrag des Betroffenen verhält sich zudem nicht dazu, weshalb er über einen Zeitraum von ca. 16 Wochen seit der Überweisung vom 12.04.2024 nicht in der Lage war, von dieser Buchung Kenntnis zu erhalten. Sollte der Betroffene über diesen Zeitraum die Bewegungen auf seinem Konto nicht kontrolliert haben, kommt auch darin zum Ausdruck wie er seine eigenen Interessen vernachlässigt und seine Rechte in vermeidbarer Weise nicht wahrgenommen hat (in dieser Richtung auch OLG Dresden, Beschl. v. 24.11.2004 – 2 Ws 662/04 -, NStZ 2005, 398).

Nach alledem ist festzustellen, dass der offenbar völlige Mangel eigener Bemühungen, sich um seine Sache zu kümmern, ein eigenes Verschulden an der Versäumung der Einspruchsfrist begründet.“

KCanG I: Peinlicher Lapsus (?) beim BGH zum KCanG, oder: Neufestsetzung JGG-Weisungen/Jugendstrafe

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Und dann heute zum Beginn der 18. KW. wie immer besondere Kategorien, und zwar etwas zum KCanG.

Vorab ein kleiner (?) Nachtrag.: Ich hatte am vergangenen Montag über den BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 1 StR 106/24 berichtet (KCanG III: „Nicht geringe Menge“ bleibt bei 7,5 g, oder: Auch beim BGH: Neuer Wein in alten Schläuchen).  In dem macht der BGH ja erste Ausführungen zur „nicht geringen Menge“ bei BtM nach Inkrafttreten des KCanG.

So weit, aber nicht so gut. Denn, wer jetzt den Link in dem Beitrag anklickt, erhätl als Meldung: „Das gewünschte Dokument steht nicht zur Verfügung. Eventuell ist es nicht mehr oder noch nicht freigegeben.“ Nun, richtig ist wohl, dass der BGG das Dokument „nicht mehr …. freigegeben“ hat. Denn er hat es geändert, und zwar an entscheidenden Stellen (vgl. dazu hier bei de legisbus und auch bei LTO). 

Wer die Entscheidung jetzt sucht, findet den BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 1 StR 106/24  zwar auch noch auf der Homepage des BGH, allerdings mit dem Hinweis: „Ursprünglich war versehentlich eine nicht beschlossene Fassung eingestellt; 
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 93/24 vom 22.4.2024„. Wer meint, in der PM eine Erklärung des BGH zu finden, ist enttäuscht. M.E. mehr als peinlich für den 1. Strafsenat und ohne weitere Worte.

Dies vorausgeschickt, dann jetzt der AG Eilenburg, Beschl. v. 18.04.2024 – 8 VRJs 144/23 jugzur Neufestsetzung drogenbezogener Weisungen nach Inkrafttreten des CanG bei tatmehrheitlichen Verurteilungen und Anwendung von Jugendstrafrecht. Die heranwachsende Verurteilte iwar im JGG-Verfahren u,a, angewiesen worden, sich in eine stationäre Entgiftungsbehandlung  zu begeben und von dort aus eine Langzeittherapie zu beantragen. Die Verurteilte hatte die drogenbezogene Weisung bislang nicht umgesetzt, was mit auch in einem Anhörungstermin thematisiert worden war. Das AG hat nach Inkrafttreten des KCanG von einer Neufestsetzung der ausgesprochenen Ahndung abgesehen:

„2. Unter Zugrundelegung der nunmehr einschlägigen Regelungen, wäre der rechtskräftig abgeurteilte Sachverhalt vom 24.11.2022 straflos geblieben. Obgleich sich das Verfahren noch in der Vollstreckung befindet, ist von einer Neufestsetzung der ausgesprochenen Ahndung abzusehen. Unter Beachtung des erzieherischen Gedankens im Jugendstrafrecht und der Einheitlichkeit der Rechtsfolgenentscheidung ist im vorliegenden Fall maßgebend, dass der zum Zeitpunkt der Tatbegehung unerlaubte Besitz des Betäubungsmittels Cannabis am 24.11.2022 nur einen nicht ins Gewicht fallenden Beitrag der erkannten Rechtsfolge ausmacht und die Verurteilte Mischkonsumentin auch härterer Drogen (Methamphetamin, GHB, etc.) war und ist. Nicht zuletzt ist dies, nachdem die Verurteilte bereits die angewiesene stationäre Entgiftungsbehandlung nicht angetreten hat, im Rahmen der Anhörung deutlich geworden.“

Und als zweite KCanG-Entscheidung ein weiterer AG-Beschluss, nämlich der AG Heinsberg, Beschl. v. 26.04.2024 – 42 VRJs 79/23 – zur Ermäßigung einer Einheitsjugendstrafe nach dem Inkrafttreten des KCanG. Das AG hat in ihm von einer Ermäßigung einer Einheitsjugendstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten abgesehen:

„Eine Ermäßigung der Einheitsjugendstrafe kommt nicht in Betracht. Der Verurteilte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 23.03.2023, Az. 647 Ls 486/22 wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in insgesamt 13 Fällen schuldig gesprochen, wobei es in 3 Fällen beim Versuch blieb. Einbezogen wurde das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 11.07.2022, Az: 647 Ds 101/22. Dort wurde der Verurteilte wegen versuchten und vollendeten Diebstahls in einem besonders schweren Fall und illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln in 3 Fällen schuldig gesprochen. In zwei Fällen ging es um den Besitz von Amphetamin, davon in einem Fall im Rahmen einer natürlichen Handlungseinheit mit einem Joint und damit keiner Tateinheit i.S.d. Art. 313 Abs. 3 EGStGB. Beide Fälle bleiben nach dem CanG auch weiterhin strafbar. In einem weiteren Fall des illegalen Besitzes ging es um den Besitz von nur 0,06g netto Marihuana sowie einen Joint. Angesichts dieser lediglich geringen Mengen und des Tatunrechts der Vielzahl an übrigen Taten war keine relevante Auswirkung auf das Strafmaß gegeben.“

Interessant in dem Zusammenhang ist ein weiterer Beschluss des AG vom gleichen Tag. In dem hat das AG (s. AG Heinsberg, Beschl. v. 26.04.2024 – 42 VRJs 79/23) dem Verurteilten einen Pflichtverteidiger bestellt. Das hat das AG allerdings – leider – nicht näher begründet. Im Beschluss heißt es nur: „§ 140 Abs. 2 SIPO analog„.

Pflichti II: Gemeinschaftliche Tat mit einem Elternteil, oder: Unfähigkeit der Selbstverteidigung

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Und dann habe ich hier im zweiten Posting des Tages den AG Eilenburg, Beschl. v. 19.10.2022 – 9 Ds 647 Js 1866/22 jug. Er hätte auch ganz gut heute Morgen zu den Beiordnungsgründen gepasst, aber ich will von dem Beschluss nicht nur den Leitsatz einstellen.

Folgender Sachverhalt: Mit der Anklageschrift wird den beiden Angeklagten, einem Vater und seinem minderjährigen Sohn, der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 18 Jahre und 2 Wochen alt sein wird, zur Last gelegt, gemeinschaftlich eine andere Person verletzt zu haben. Im Ermittlungsverfahren waren die beiden Beschuldigten, der Sohn in Anwesenheit seiner Mutter, getrennt voneinander vernommen worden. Die Bestellung eines Verteidigers erfolgte nicht, ein Antrag auf Entzug elterlicher Verfahrensrechte war seitens der Staatsanwaltschaft nicht gestellt worden. Nach Zustellung der Anklage haben sich Verteidiger für beide Angeklagte gemeldet. Die Verteidigerin des Jugendlichen beantragt nunmehr namens und im Auftrag ihres Mandanten, ihm als Pflichtverteidigerin beigeordnet zu werden, woraufhin sie das Wahlmandat niederlegen werde. Die Staatsanwaltschaft ist einer Beiordnung entgegengetreten, weil für die zur Begründung angeführten sonstigen schwerwiegenden Nachteile keinerlei Anhaltspunkte bestünden. Das AG hat die Wahlverteidigerin als Pflichtverteidigerin bestellt:

„Dem Angeklagten war seine Wahlverteidigerin beizuordnen, weil ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben ist. Denn der Angeklagte kann sich im Sinne des § 140 Abs.2 S. 1 letzte Alt. StPO nicht selbst verteidigen. Allerdings trifft die vorliegende Konstellation den Wortlaut des § 68 Abs.1 Nr. 1 JGG insofern nicht, als für einen Erwachsenen ein Verteidiger nicht zu bestellen wäre, wenn sich die Einschränkung der Verteidigungsfähigkeit eines Angeklagten gerade aus dessen Minderjährigkeit herrührt. Die Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass einem Beschuldigten nach § 68 Nr.1 JGG ein Verteidiger zu bestellen ist, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung nach allgemeinem Strafrecht gegeben ist (so im Ergebnis auch OLG Saarbrücken, Beschluss v. 3.5.2006, 1 Ws 87/06, OLG Brandenburg, Beschluss v. 28.11.2001, 1 Ss 46/01). Dem Sinn der Vorschrift nach ist einem jugendlichen Angeklagten ein Verteidiger dann zu bestellen, wenn er sich nicht ausreichend selbst verteidigen kann – wobei dabei zu berücksichtigen ist, ob und in welchem Grade die Erziehungsberechtigten in der Lage und fähig – und damit verpflichtet – sind, die ihrem Kind geschuldete Unterstützung zuteilwerden zu lassen (Vgl. zu diesem Aspekt Beschluss LG Koblenz v. 2.1.2019, 2 Qs 120/18).

Der Angeklagte kann sich nicht ausreichend selbst verteidigen.

Zur eigenen Verteidigungsfähigkeit gehört es insofern nicht nur, sich gegenüber der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls einem Nebenkläger verteidigen zu können, sondern auch, sich gegenüber seinen Mitangeklagten behaupten zu können (vgl. u.a. OLG Brandenburg, Beschluss v. 28.11.2001, 1 Ss 46/01). Dieser Aspekt des fairen Verfahrens gebietet die Bestellung eines Pflichtverteidigers zwar nicht immer schon dann, wenn einer der Mitangeklagten durch einen Verteidiger vertreten wird. Dies hätte nämlich zur Folge, dass in einer Konstellation mit mehreren Angeklagten der Fall der notwendigen Verteidigung allein durch ein geschicktes Prozessverhalten der Mitangeklagten herbeigeführt werden könnte. Indem nämlich nacheinander alle Wahlverteidiger ihr Mandat niederlegen und auf die damit jeweils eingetretene prozessuale Unterlegenheit des von ihnen vertretenen Mandanten gegenüber den Mitangeklagten verwiesen werden könnte.

Um eine solche rechtsmissbräuchliche Konstellation handelt es sich aber dann nicht, wenn einer der Angeklagten von dem anderen finanziell und familiär abhängig ist. So hat der minderjährige Angeklagte, da er finanziell nicht selbständig ist, keine Möglichkeit, sich unabhängig vom Willen seiner Eltern einen Verteidiger zu suchen.

Vor allem aber steht der Verteidigungsfähigkeit eines minderjährigen, von der Akzeptanz und Anerkennung seiner Eltern in besonderer Weise abhängigen Jugendlichen entgegen, dass er sich in einem für ihn nicht auflösbaren Dilemma befinden kann, einem Dilemma, wie es in dieser familiären Grundkonstellation, aber in anderer prozessualer Konstellation durch das Zeugnisverweigerungsrecht entschärft werden kann (zur Bestellung eines Pflichtverteidigers trotz Wiedereinräumung der verfahrensrechtlichen Rechtsstellung eines Elternteils LG Essen, Beschluss v. 25.8.2011, 23 Qs 105/11). Diese Option stellt sich einem mitangeklagten Familienmitglied aber nicht. Das Dilemma, sich möglicherweise entweder einer ihm gegenüber erhobenen Schuldzuweisung, oder aber, im Gegenteil, gegen die Übernahme der Verantwortlichkeit durch ein ihn schützen wollendes Elternteil erwehren zu müssen, lässt sich gerade für einen Jugendlichen kaum adäquat lösen. In dieser Konstellation ist es unabdingbar, sich zumindest mit einer Vertrauensperson beraten und etwaige Problemlagen offenbaren und aussprechen zu können, um für sich selbst Klarheit gewinnen zu können, und um sich die Sicht eines Dritten anhören zu können.

Aus dieser Darstellung wird offenbar, dass diese Konstellation nicht einfach dadurch ein Ende findet, dass der Jugendliche volljährig wird. Dies würde nur die eng prozessrechtlich definierte Interessenskollisionskonstellation auflösen, die § 67 Abs.4 JGG im Auge hat, dass nämlich ein Erziehungsberechtigter seine Verfahrensrechte zulasten seines mitangeklagten Kindes ausübt. Um eine solche Missbrauchskonstellation geht es aber gar nicht, wo allein Fragen wie Loyalitätskonflikte oder emotionale Wahrnehmungsverzerrungen und ähnliches im Raum stehen, die eine adäquate Wahrnehmung eigener Interessen erschweren oder gar verunmöglichen.

Darüber hinaus ist bei Taten unter Beteiligung einer Autoritätsperson, insbesondere eines Elternteils, die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Jugendlichen in besonderer Weise zu prüfen (OLG Hamm, Beschluss vom 24.10.2005, 2 Ss 381/05). Das Erfordernis einer solchen Prüfung erschwert die Sachlage in besonderer Weise, deren Erforderlichkeiten gerade ein selbst betroffener Jugendlicher nicht übersehen kann (vgl. dazu am Rande LG Amberg, Beschluss v. 4.2.2021, 51 Qs 1/21; LG Aachen Beschluss v. 8.7.2020 – 62 Qs-111 Js 146/20-41/20, BeckRS 2020, 33074 und umfassend Spahn, Guido, StraFo 2004, 82ff.).“

OWi III: Leivtex XV3, oder: Wenn du deinen Einspruch beschränkst, sehe ich vom Fahrverbot ab

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Und dann noch die dritte Entscheidung, das AG Eilenburg, Urt. v. 30.09.2021 – 8 OWi 956 Js 12381/21 – zu den Rechtsfolgen bei Geschwindigkeitsverstößen, die mit dem Geschwindigkeitsüberwachungsgerät LEIVTEC XV3 festgestellt wurden. Das AG hat von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot abgesehen, u.a. weil der Betroffene seinen Einspruch beschränkt hatte:

„Ausweislich des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten ist für eine solche Tat bei fahrlässigem Verhalten und für einen Ersttäter der Ausspruch einer Geldbuße von 200,00 Euro (11.3.7 BKat) nebst Verhängung eines Regelfahrverbotes für die Dauer von einem Monat auf der Grundlage von § 25 Abs. 1 StVG, § 4 Abs. 1 BKatV vorgesehen. Das Gericht hat von dieser Regelfahrverbotsanordnung gemäß § 4 Abs. 4 BKatV i. V. m. § 17 Abs. 3 OWiG unter angemessener Erhöhung der hier grundsätzlich als tat- und schuldangemessen erachteten Regelgeldbuße von 200,00 Euro auf eine Geldbuße in Höhe von 400,00 Euro bei Beachtung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen abgesehen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Im Ausgangspunkt verkennt das Gericht nicht, dass soweit – wie hier – die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BKatV vorliegen, unter denen ein Fahrverbot als regelmäßige Denkzettel- und Erziehungsmaßnahme angeordnet werden soll, grundsätzlich von einer groben Pflichtverletzung des betroffenen Kraftfahrers im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG auszugehen ist. Die Gerichte haben diese Vorbewertung des Verordnungsgebers zu beachten. Diese Bindung der Sanktionspraxis dient der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen. Der Tatrichter ist in diesen Fällen gehalten, ein Fahrverbot anzuordnen. Ein Absehen von der Anordnung eines Fahrverbots wegen Wegfalls des Erfolgs- oder Handlungsunwerts kommt nur dann in Betracht, wenn entweder besondere Ausnahmeumstände in der Tat (z. B. atypischer Rotlichtverstoß wegen Ausschlusses einer Gefahrenlage) oder in der Persönlichkeit des Betroffenen (z. B. Augenblicksversagen beim Rotlichtverstoß) offensichtlich gegeben sind und deshalb erkennbar nicht der von § 4 BKatV erfasste Normalfall vorliegt (vgl. nur KG Berlin, Beschl. v. 02.08.2018 – 3 Ws [B] 202/18 -, juris).

Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung ergänzend anerkannt (vgl. nur OLG Dresden, Beschl. v. 11.03.2019 – OLG 23 Ss 80/19 [B] -, juris), dass das Fahrverbot nach § 25 StVG nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion hat. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt. Von ihm soll eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen und ihn anhalten, sich künftig verkehrsordnungsgemäß zu verhalten. Das Fahrverbot kann deshalb u. a. seinen Sinn verlieren, wenn die zu ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände auch außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass allein die erhöhte Geldbuße ausreichen wird, den Betroffenen zu veranlassen, sein Verkehrsverhalten in Zukunft zu verändern und Geschwindigkeitsbeschränkungen genauer zu beachten. Der festgestellte Geschwindigkeitsverstoß liegt über ein Jahr und vier Monate zurück und der Betroffene ist weder zuvor noch danach straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Als vordringlicher Grund zum Absehen vom Regelfahrverbot wirkt sich hier zugunsten des Betroffenen aus, dass er seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt hat, dem nach Auffassung des Gerichts nicht nur Geständnisfiktion und Schuldeinsicht zukommt (vgl. nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.01.2006 – 1 Ss 5/06 -, BeckRS 2006, 1865 zur Rechtsfolgenbeschränkung im Strafbefehlsverfahren).

Vielmehr schließen sich im vorliegenden Fall an eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen durchgreifende verfahrensökonomische Erwägungen an. Denn ein Tatnachweis wäre anderenfalls allenfalls durch die Einholung eines kosten- und zeitintensiven Sachverständigengutachtens zu führen gewesen, da bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem hier zum Einsatz gekommenen Messgerät LEIVTEC XV3 nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden kann.

Das Gericht schließt sich insoweit den Entscheidungen des Bayrischen Obersten Landgerichts (Beschl. v. 12.08.2021 – 202 ObOWi 880/21 -, juris) sowie der Oberlandesgerichte Stuttgart (Beschl. v. 10.06.2021 – 6 Rb 26 Ss 133/21 -, BeckRs 2021, 14050), Celle (Beschl. v. 18.06.2021 – 2 Ss [OWi] 69/21 -, juris), Oldenburg (Beschl. v. 19.07.2021 – 2 Ss [OWi] 170/21 und Beschl. v. 26.08.2021 – 2 Ss [OWi] 199/21 -, beide juris) und Hamm (Beschl. v. 16.09.2021 – III-1 Rbs 115/21 -, BeckRS 2021, 28656) an. Das Messgerät bietet nach den Erkenntnissen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (vgl. Abschlussstand im Zusammenhang mit unzulässigen Messwertabweichungen beim Geschwindigkeitsüberwachungsgerät LEIVTEC XV3 [Stand: 09.06.2021/Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin – DOI: 10.7795/520.20210609]) nicht mehr die Gewähr dafür, dass es bei Beachtung der Vorgaben für seine Bedienung zu hinreichend zuverlässigen Messergebnissen kommt. Vielmehr haben die Überprüfungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ergeben, dass es bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät zu unzulässigen Messwertabweichungen auch zu Ungunsten Betroffener u. a. wegen des Auftretens sog. Stufenprofil-Fehlmessungen (vgl. hierzu näher Kugele/Gut/Hähnle, VKU 2021 [Heft 3], 88 ff.) kommen kann und deshalb nicht länger von einem vereinheitlichten technischen Verfahren auszugehen ist, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Die hiervon abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein (Beschl. v. 17.08.2021 – II OLG 26/21 -, juris) überzeugt aus den im Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26.08.2021 genannten Gründen nicht.

Die genannten Feststellungen und Wertungen rechtfertigen nach Auffassung des Gerichts jedenfalls in ihrer Gesamtschau eine Ausnahme von der Anordnung des Regelfahrverbots. Das Gericht ist sich hierbei bewusst, dass hier nicht der „klassische“ Wegfall des Erfolgs- oder Handlungsunwerts aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls in Betracht kommt. Vielmehr liegt den vorstehenden Erwägungen die Annahme zugrunde, dass die überragende Mehrzahl an Geschwindigkeitsverstößen in der Praxis, für die der Verordnungsgeber die Regelfahrverbotsanordnung vorsehen hat, mittels Geschwindigkeitsmessgeräten festgestellt werden, auf die grundsätzlich die Vorgaben eines standardisierten Messverfahrens angewendet werden können. Soweit aber wie hier mit der LEIVTEC XV3 ein Geschwindigkeitsmessgerät ubiquitär in der Praxis zum Einsatz kommt, bei dem nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden kann, gerät die Ahndbarkeit der insgesamt hiermit festgestellten Verstöße an seine Grenzen und es bedarf aus Sicht des Gerichts im Interesse der Gleichbehandlung der sich Geschwindigkeitsüberschreitungsvorwürfen ausgesetzten Betroffenen einerseits und mit Blick auf die Ressourcen an technischen Sachverständigen sowie unter Beachtung verfahrensökonomischer Erwägungen andererseits einer folgenorientierten Abwägung. Vor diesem Hintergrund versteht sich die Rechtsprechungspraxis am hiesigen Gericht, Betroffene, die in derartigen Fällen mit ihrer Einspruchsbeschränkung auf die Rechtsfolgen Schuldeinsicht zeigen und hiermit das andernfalls erforderliche Sachverständigengutachten nicht zum Tragen lassen kommen, nicht mit der Regelfahrverbotsanordnung zu überziehen, sondern es als verkehrserzieherisch ausreichend zu erachten, die ohne Fahrverbot als tat- und schuldangemessen anzusehende Geldbuße angemessen zu erhöhen.

Angesichts dessen, dass der voreintragungsfreie Betroffene einerseits über zwei Kinder verfügt, denen er zum Unterhalt verpflichtet ist, und er anderseits in beruflicher Hinsicht angestellter Bereichsleiter im Anlagenbau für Heizung/Sanitär- und Haustechnik ist, der nach eigenen Angaben in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, ist es aus Sicht des Gerichts angezeigt, im Ausgangspunkt die für seine Verfehlung vorgesehene Regelgeldbuße anzusetzen und diese in Anwendung von § 4 Abs. 4 BKatV zu verdoppeln.“

Na ja, zumindest etwas 🙂   aber wegen des Fahrverbots falsch. Schöne Formulierung, dass der Betroffene über „zwei Kinder verfügt“.

OWi II: Neues zu Leivtec XV 3, oder: Weiterhin nicht standardisiert, Auslagenerstattung, Wiederaufnahme

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Im Gespräch ist/war das Messverfahren Leivtec XV3. Darüber, insbesondere über die derzeit diskutierten Fragen der Verwertbarkeit, habe ich hier ja auch schon berichtet. Und auch zu dieser Problematik gibt es neuere Rechtsprechung, die ich in diesem Posting vorstelle. Und zwar:

Zunächst hier der OLG Oldenburg, Beschl. 19.07.2021 – 2 Ss (OWi) 170/21 –, über den der Kollege Gratz ja gestern auch schon berichtet hat. Er befasst sich mit der Verwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Leivtec XV 3 nach Abschluss der Untersuchungen durch die PTB. Das OLG meint: Auch danach ist das Messverfahren derzeit nicht als standardisiertes Messverfahren anzusehen. Das OLG ist – so habe ich den Eindrick – leicht „verschnupft“ über die zuständigen Behörden, denn:

„Der Senat hat erwogen, Messungen, bei denen diese kritischen Konstellationen vorgelegen haben, nicht mehr als standardisiert anzusehen, das Messverfahren im Übrigen aber schon.

Diese Überlegung hat der Senat allerdings verworfen:

Gemäß § 55 MessEG haben nämlich die zuständigen Behörden die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass Messgeräte nicht entsprechend den Anforderungen des Abschnittes 3 verwendet werden.

Der Senat hat deshalb mit Schreiben vom 18. Juni 2021 die zuständige Eichdirektion in Hessen zunächst mit der Bitte um Stellungnahme, ob und gegebenenfalls wie auf die Problematik reagiert werden solle, angeschrieben und – nachdem von dort mitgeteilt worden war, dass die Eichbehörden vom Hersteller und der PTB eine Anpassung der Messbedingungen und Auswerterichtlinien erwarten würden – mit Schreiben vom 23.06.2021 unter Hinweis auf § 55 MessEG zum Ausdruck gebracht, dass dringender Handlungsbedarf gesehen werde. Daraufhin hat die für die Marktüberwachung zuständige Eichdirektion mitgeteilt, nach ihrer Auffassung seien die „wesentlichen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 [MessEG] unter Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen“ zu bejahen, nur der „Stand der Technik“ habe sich geändert und sei bei der Durchführung von Messungen vom Verwender zu berücksichtigen. Es bestehe keine Möglichkeit, den Hersteller bzw. die PTB zur Anpassung der Auswerterichtlinien bzw. der Bedienungsanleitung zu zwingen.

Unter Berücksichtigung der im Gesetz verankerten Zuständigkeiten sieht der Senat es aber nicht als seine Aufgabe an, quasi anstelle der zum Tätigwerden berufenen Beteiligten (Hersteller, Behörden) die Bedienungsanleitung fortzuschreiben.“

Und zur Abrundung dann der AG Eilenburg, Beschl. v. 14.06.2021 – 8 OWi 308/21 – zur Frage der Auslagenerstattung nach Einstellung eines Leivtec XV 3-Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWi. Das AG meint:

Ein Betroffener, dem ein Geschwindigkeitsverstoß festgestellt mit dem Messgerät LEIVTEC XV3 zur Last gelegt wurde, hat auch im Rahmen einer behördlichen Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 1 OWiG seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.

Das ist m.E. falsch – zutreffend a.A. ja dann auch das AG Landstuhl (vgl. z.B. AG Landstuhl, Beschl. v. 17.03.2021 – 2 OWi 4211 Js 2050/21).  Wenn das AG Eilenburg seine Entscheidung letztlich damit begründet: „Dem Gericht sind aus anderen Verfahren diverse Gutachten namhafter Sachverständiger bekannt, die eine Berechnung der Mindestgeschwindigkeit in derartigen Fällen erlauben.„. übersieht es dabei, dass ein Messgerät eingesetzt worden ist, dass eine unverwertbare Messung geliefert hat. Warum soll der Betroffene dann die Kosten des Verfahrens tragen.

Und dann zum Schluss noch der AG Oldenburg, Beschl. v. 28.06.2021 – 29 OWi 775 Js 56106/21. Das hat im Hinblick auf die Rechtsprechung des OLG Oldenburg zu Leivtec XV 3 die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ausgeschlossen, „weshalb konkrete Tatsachen vorliegen, die eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit an der Wiederaufnahme des Verfahrens aufgrund des Wiederaufnahmeantrags des Betroffenen begründen und in dessen Folge auch eine geringere Bestrafung in Betracht käme.“