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VorRiBGH Fischer schreibt „beleidigend, diskriminierend, verleumdend, nötigend, betrügend und übervorteilend“, oder: Ein ganz Schlimmer :-)

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In einem beim BGH anhängigen Beschwerdeverfahren ist der BGH, Beschl. v. 18.01.2017 – 2 ARs 278/16 u. 2 AR 168/16 ergangen. Die Beschwerde richtete sich gegen einen Beschluss des OLG Brandenburg, die der BGH bereits durch Beschluss vom 14.12.2016 verworfen hatte. Zu dem Zeitpunkt befand sich aber ein am 07.12.2016 bei der Posteingangsstelle des BGH eingegangenes Schreiben des Beschwerdeführers vom 21.11.2016, mit dem er den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Fischer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, noch im Postumlauf und lag dem Senat bei seiner Entscheidung daher nicht vor.

Der BGH hat, da dieser Antrag noch nicht Gegenstand der Beratung war, den Beschluss vom 14.12.2016 in entsprechender Anwendung von § 33a StPO aufgehoben. Und er hat dann zunächst den Befangenheitsantrag beschieden:

„Der Befangenheitsantrag war gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig zu verwerfen. Zur Begründung der Ablehnung hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgetragen, das Schreiben des Vorsitzenden vom 21. November 2016, mit dem der Antrag des Antragstellers vom 20. September 2016 auf Gewährung von Akteneinsicht abgelehnt worden war, „sei beleidigend, diskriminierend, verleumdend, nötigend, betrügend und übervorteilend“ und verletze „das Anstandsgefühl und den Höflichkeitssinn“. Durch die Versagung der Akteneinsicht werde außerdem sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Diese Antragsbegründung ist völlig ungeeignet, die Befangenheit des abgelehnten Richters zu belegen und steht daher einem Antrag gleich, in dem kein Grund zur Ablehnung angegeben wurde.“

Und dann ist die Beschwerde gegen den Beschluss des OLG Brandenburg erneut – als unzulässig – verworfen worden.

So hat dann alles seine Richtigkeit. Mich würde ja nun nur noch interessieren, was der Vorsitzende dem Beschwerdeführer geschrieben hat. Muss ja was ganz Schlimmes gewesen sein, wenn es „beleidigend, diskriminierend, verleumdend, nötigend, betrügend und übervorteilend“ ist/sein soll und „das Anstandsgefühl und den Höflichkeitssinn“ verletzt. Wahrscheinlich hatte der Vorsitzende nur geschrieben, dass es kein Akteneinsicht für den (ehemaligen) Angeklagten (?) gibt.

Entbindungsantrag, oder: Will der Amtsrichter die Sache schnell/einfach los werden?

© Corgarashu – Fotolia.com

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Und als dritte OLG-Entscheidung dann der KG, Beschl. v. 03.01.2017 – 3 Ws (B) 692/16 – 162 Ss 186/16. Er stammt aus dem reichlich gefüllten Fundus der sog. „Entbindungsentscheidungen“ – §§ 73, 74 OWiG.  Ergangen ist er in einem Bußgeldverfahren. Der Betroffene hatte Entbindung von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung beantragt, das AG hatte den Antrag abgelehnt. Als der Betroffene dann in der Hauptverhandlung nicht erschienen ist, hat das AG seinen Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Das KG sagt – kurz und knapp, aber zutreffend: So nicht. Denn:

„Die Rüge ist auch begründet. Der Betroffene war nach § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Anwesenheitspflicht zu entbinden. Denn der Betroffene hatte erklärt, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht äußern werde, und seine Anwesenheit war zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich. Die Entscheidung über den Entbindungsantrag steht nicht im Ermessen des Gerichts; dieses ist vielmehr verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (Senat in std. Rspr., vgl. u. a. VRS 111, 146 und Beschlüsse vom 8. Juni 2011 — 3 Ws (B) 283/11 — und 5. Juni 2014 — 3 Ws (B) 288/14 —). Die pauschale Begründung des Amtsgerichts, der Betroffene solle mit dem Tatvorwurf konfrontiert werden, lässt nicht erkennen, welche Erkenntnisse durch die Anwesenheit eines schweigenden Betroffenen hätten gewonnen werden können.

Der Entbindungsantrag konnte auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung durch den zur Vertretung bevollmächtigten Verteidiger angebracht werden. Dies ist nach überwiegender Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung, welcher der Senat folgt, zulässig (vgl. Senat VRR 2014, 155 [Volltext bei juris]; ausführlich OLG Celle VRS 116, 451 mwN; OLG Zweibrücken zfs 2011, 708 mwN).“

Als ich es gelesen habe, habe ich nur gedacht: Das ist doch alles nichts Neues. Dass „die pauschale Begründung….., der Betroffene solle mit dem Tatvorwurf konfrontiert werden“ nicht reicht, um einen Entbindungsantrag abzulehnen, ist „ausgepaukt“, zumal nun auch wirklich nicht erkennbar ist, „welche Erkenntnisse durch die Anwesenheit eines schweigenden Betroffenen hätten gewonnen werden können.“ Warum brauche ich dafür ein OLG? Und warum setzen die Amtsrichter die Rechtsprechung der Obergerichte zur „Entbindungsproblematik“, die dioe OLG quasi gebetsmühlenartig wiederholen, nicht einfach um, auch wenn sie ihnen ggf. nicht gefällt. Man hat den Eindruck, dass es heißt: Erst mal verwerfen, dann muss der Verteidiger ja die Verfahrensrüge erheben und das schafft er ggf. nicht und man ist die Sache einfach und schnell los…….

„Zu früh geschossen“, oder: Besorgnis der Befangenheit

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Auch heute gilt: Teilweise ist Feiertag, aber: Teilweise wird auch an Allerheiligen gearbeitet. Daher heute hier: Normaler Betrieb, den ich eröffne mit dem in einem Ablehnungsverfahren ergangenen AG Dresden, Beschl. v. 26.09.2016 – 231 Ls 422 Js 17360/15, den mir der Kollege A. Boine aus Dresden geschickt hat.

Gerügt worden war im Ablehnungsverfahren beim AG von ihm eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Amtsrichter hat die von ihm selbst gesetzte Stellungnahmefrist im Zwischenverfahren unterschritten und eröffnet, eben „zu früh geschossen“. Und dann hatte er im Ablehungsverfahren im rahmen seiner dienstlichen Äußerung einfach auf die Akten verwiesen. Das hat dann das Faß zum Überlaufen gebracht:

„Allerdings ist die Verletzung des rechtlichen Gehörs im Zwischenverfahren nicht ohne weiteres ein Grund, Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu begründen. Aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten ist dafür vielmehr darauf abzustellen, aus welchem Grund das rechtliche Gehör verweigert worden ist. Das kann zum einen z.B. unter bewusster Missachtung der prozessualen Rechte des Angeklagten durch den abgelehnten Richter geschehen sein, andererseits aber auch möglicherweise auf Grund eines Versehens oder eines Irrtums über den Ablauf der Erklärungsfrist. Letztere Umstände ließen auch dann keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters aufkommen, wenn das Versehen oder der Irrtum unschwer zu vermeiden gewesen wäre. Anderes gilt allerdings dann, wenn der abgelehnte Richter bewusst und willkürlich vor Ablauf der ausdrücklich bestimmten Erklärungsfrist und der damit einhergehenden gerichtlichen Zusicherung, dass vor Ablauf dieser Frist keine Entscheidung getroffen werde, das Hauptverfahren bereits eine Woche vor Ablauf der Erklärungsfrist eröffnet hätte.

Mit der nach § 26 Abs. 3 StPO zwingend vorgeschriebenen dienstlichen Stellungnahme, die sich auf den Ablehnungsgrund zu beziehen hat, kann der abgelehnte Richter ein zu beanstandendes Verhalten durch Klarstellung beseitigen.

Eine solche Klarstellung ist vorliegend mit der dienstlichen Erklärung des abgelehnten Richters, mit der er lediglich auf den Akteninhalt Bezug nimmt, nicht erfolgt.

Aus dem Akteninhalt ergibt sich nämlich gerade nicht, ob der abgelehnte Richter bei der Eröffnung des Hauptverfahrens bewusst und willkürlich die richterlich bestimmte Erklärungsfrist „verkürzt“ hat oder ob er einem Irrtum über dem Fristablauf unterlag oder ob er sich bei der „vorzeitigen“ Entscheidung von anderen nachvollziehbaren Gründen, die ein rein willkürliches Hinwegsetzen über Rechte des Angeklagten entfallen ließen, hat leiten lassen.

Auch aus Sicht eines besonnenen und verständigen Angeklagten ist deshalb zu besorgen, dass ersteres der Fall ist und sich der abgelehnte Richter bewusst über seine prozessualen Rechte hinweggesetzt hat und er diesen keine Bedeutung beimisst. Misstrauen in die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters ihm gegenüber ist damit gegeben.

Dass der abgelehnte Richter mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht befangen ist, was auch die Nichteröffnung hinsichtlich des Anklagepunktes 3 der Anklage vom 10.08.2016 vermuten lässt, ist dabei ohne Belang.“

Eben: Besorgnis der Befangenheit.

Nicht so hurtig mit der Ablehnung von Beweisanträgen, oder: Versagung des rechtlichen Gehörs

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Nach dem „schönen“ OLG Jena, Beschl. v. 01.03.2016 – 2 OLG 101 Ss Rs 131/15 zur Beiziehung von Unterlagen betreffend ein Messgerät (vgl. dazu Akteneinsicht a la OLG Jena, oder: Burhoff und sein „Teufelskreis“) weise ich auf zwei Entscheidungen des OLG Hamm hin, und zwar einmal den OLG Hamm, Beschl. v. 13.01.2016 – 2 RBs 181/15  und dann den OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2015 – 3 RBs 352/15). Beide Beschlüsse behandeln die Frage der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) durch Ablehnung eines Beweisantrages.

Dazu muss man einfach wissen und in seine Überlegung einstellen, dass nicht jede (falsche) Ablehnung eines Beweisantrages im Bußgeldverfahren zur Zulassung der Rechtsbeschwerde über § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs führt. Das ist (nur) dann der Fall, „wenn die Zurückweisung eines Beweisantrages des Betroffenen rechtsfehlerhaft erfolgt ist und dazu geführt hat, dass ein verfahrensrelevanter Beweisantrag und das diesem zugrunde liegende Vorbringen des Betroffenen unberücksichtigt geblieben ist.“ Darauf weist das OLG in beiden Beschlüssen hin und sieht in beiden Beschlüssen das rechtliche Gehör verletzt. Nehmen wir die Begründung aus 2 RBs 181/15:

„Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen eines Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen und in seine Überlegungen einzubeziehen (zu vgl. KK-Senge, OWiG, 4. Aufl., § 80, Rn. 41). Die wesentlichen der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen dabei in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht das tatsächliche Vorbringen eines Betroffenen entweder nicht zur-Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (zu vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17.07.1998 Ss 351/98 – zitiert nach juris; OLG Köln, Urteil vom 12.04.2002 Ss 141/02 -zitiert nach juris).

Das Amtsgericht hat den von dem Betroffenen im Hauptverhandlungstermin gestellten Beweisantrag auf Vernehmung und ggf. sachverständige Begutachtung des ebenfalls als Fahrer in Betracht kommenden Bruders (BI. 79 R, 201 d.A.) pauschal zusammen mit weiteren Beweisanträgen gern. § 77 Abs. 2 S. 1 OWiG zurückgewiesen (BI. 89, 172 (i.A.) und sich dabei auf die gern. § 77 Abs. 3 OWiG zulässige Kurzbegründung beschränkt. In der Urteilsbegründung geht das Amtsgericht auf den gestellten Beweisantrag und die Gründe für dessen Ablehnung mit keinem Wort ein (BI. 182 d.A.), Vielmehr ist in den Urteilsgründen ausgeführt, dass Umstände, die gegen die Fahreridentität des Betroffenen sprechen würden, dem Gericht nicht bekannt geworden seien (BI. 182 d.A.). Zur Identifizierung des Betroffenen stützt sich das Amtsgericht dabei im Wesentlichen auf ein anthropologisches Sachverständigengutachten des Sachverständige pp., erwähnt aber nicht, dass das Gutachten unter dem Vorbehalt erstattet worden ist, dass kein naher Blutsverwandter als alternativer Fahrer in Frage kommt (BI. 82 d.A.), obwohl dem Gutachter Lichtbilder des Bruders des Betroffenen bei der Gutachtenerstattung vorgelegen haben. Der Gutachter sah sich damit offenbar nicht in der Lage, den‘ Bruder des Betroffenen ohne dessen persönliche Inaugenscheinnahme als möglichen Fahrer auszuschließen. Bei dieser Sachlage hätte es sich für das Amtsgericht Schwelm aufdrängen müssen, den Bruder des Betroffenen als Zeugen zu laden. Die pauschale Ablehnung des Beweisantrages und die Tatsache, dass der entsprechende Vortrag des Betroffenen in den Urteilsgründen keinen Niederschlag gefunden hat, lassen den Schluss zu, dass dieses – nachvollziehbare – Verteidigungsvorbringen des Betroffenen von dem erstinstanzlichen Gericht entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidungsfindung zumindest nicht in Erwägung gezogen worden ist. Dies verletzt den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör.“

Erfolg hat die zu erhebende Verfahrensrüge aber nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPOOWiG beachtet worden sind. Also: Darauf achten….

„Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA…“. oder: Das unfassbare Facebook-Profil eines StK-Vorsitzenden

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Es gibt Dinge, von denen ich immer gehofft habe, dass es sie nicht gibt. Dann wird man aber vom Gegenteil überzeugt, meist schmerzlich. So ist es mit dem BGH, Beschl. v. 12.01.2016 – 3 StR 482/15, den mir gestern einer der Verteidiger, der die beiden Angeklagten gegen den Vorwurf des erpresserischen Menschenraubes bei einer Strafkammer der LG Rostock verteidigt hat, zugesandt hat. „Schmerzlich“ ist allerdings nicht der – zutreffende – BGH, Beschl., sondern der ihm zugrunde liegende Sachverhalt.

Und zum Sachverhalt – es geht um Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der großen Strafkammer (§§ 24 ff. StGBStPO) – stellt der BGH fest:

„Der Verteidiger des Angeklagten Y. nahm am Abend des 22. Januar 2015 erstmals von dem Facebook-Account des Vorsitzenden der Strafkammer Kenntnis. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit der Aufschrift: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ bedruckt ist. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich befand sich ein Eintrag des Vorsitzenden, der wie folgt lautete: „Das ist mein ‚Wenn du raus kommst, bin ich in Rente‘-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: „.,.sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, „geliked“ wurde. Zu Beginn des nächsten Hauptverhandlungstages lehnte der Angeklagte daraufhin den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite und weiterer Umstände wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Angeklagte E schloss sich diesem Gesuch an. In der Folgezeit äußerte sich der Vorsitzende dienstlich zu dem den Facebook-Account betreffenden Inhalt des Ablehnungsgesuches wie folgt: „Zum weiteren Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinen privaten Lebensverhältnissen äußern.“ Am 28. Januar 2015 wies die Strafkammer die Ablehnungsgesuche der Angeklagten als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Internetauftritt des Vorsitzenden betreffe ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich und sei offensichtlich humoristisch geprägt.“

Für mich einfach: Unfassbar. Oder? Ich muss ehrlich sagen: Mir fehlen die Worte. Dem BGH allerdings nicht, denn der hat das getan, woran m.E. kein Weg vorbei führte. Er hat das Ablehnungsgesuch als begründet angesehen und das Urteil des LG – ohne viel Worte – wegen eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 3 StPO aufgehoben:

„Die Ablehnung eines Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/13, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 23; Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 275/09, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 21).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt.“‚ Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvorgenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren.“

Die Sache bedarf m.E. keiner weiteren Kommentierung. Aber zwei Anmerkungen will ich dann doch machen:

  1. Der BGH hat von der ihm in § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an ein anderes LG, nämlich das LG Stralsund, zurückzuverweisen. Von der Möglichkeit macht er so häufig keinen Gebrauch. Dass er es hier tut, zeigt m.E., was er vom LG Rostock hält.
  2. Es handelte sich um die zweite Aufhebung einer Entscheidung des LG Rostock in diesem Verfahren. Das führt dazu, dass der BGH auf die Frage der Berücksichtigung des langen Zeitablaufs bei einer künftigen Strafzumessung hinweist. Wenn man diese Sache sieht, frage ich mich übrigens, warum Richter beklagen, dass Verfahren so lange dauern. Wie war das noch mit den Steinen und dem Glashaus….?