Schlagwort-Archive: Ablehnung

Ablehnter Führerschein – Löschung von Punkten?

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Im Verwaltungsverfahren streiten Beteiligten um die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Kosten für eine auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG gestützte Verwarnung des Klägers. Nach dieser Regelung hat die Fahrerlaubnisbehörde den Inhaber einer Fahrerlaubnis zu verwarnen, wenn sich acht, aber nicht mehr als 13 Punkte im Verkehrszentralregister ergeben. Die Behörde war der Auffassung, der Kläger habe wegen strafgerichtlicher Verurteilungen in den Jahren 2001 und 2002 einen Stand von zwölf Punkten erreicht. Demgegenüber meinte der Kläger, diese Punkte seien nicht zu berücksichtigen, da im Jahr 2004 ein von ihm gestellter Antrag auf Fahrerlaubniserteilung abgelehnt worden sei. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG, wonach dann, wenn die Fahrerlaubnis entzogen oder eine Sperre nach § 69a StGB angeordnet worden ist, die Punkte für die vor dieser Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht werden, sei zumindest entsprechend anzuwenden.

Das Verfahren ist vis zum BVerwG gegangen Das hat die Revision des Klägers, der in allen Vorinstanzen unterlegen war, zurückgewiesen. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach dem urt. des Bverw. v. 27.09.2012 – 3 C 33.11 – weder unmittelbar noch entsprechend auf den Fall der Ablehnung einer beantragten Fahrerlaubnis anwendbar. Eine unmittelbare Anwendung der Regelung scheitere bereits daran, dass dieser Fall in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG nicht genannt wird. Darin sei keine planwidrige Regelungslücke, sondern – wie sich u.a. aus der Gesetzesbegründung ergibt – eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu sehen, so dass auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift ausscheidet. Abgesehen davon bestehe keine vergleichbare Interessenlage. In den Fällen der Fahrerlaubnisentziehung und der Erteilungssperre nach § 69a StGB sei die Punktelöschung das Korrelat für die mit diesen Maßnahmen erfolgte Sanktion; eine solche Verknüpfung fehle bei der Nichterteilung einer Fahrerlaubnis. Außerdem würde eine erweiternde Auslegung Manipulationsmöglichkeiten eröffnen.

Quelle: PM 95/12 des BVerwG v. Urteil des BGH vom 27.09.2012

Wo ist der Unterschied zwischen Rotlichtverstoß und Handyverstoß?

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Dann will ich zu der zu erwartenden Entscheidung des OLG Düsseldorf betreffend §§ 73, 74 OWiG gleich ein weitere Entscheidung zu der Problematik hinterher schicken. nämlich den OLG Düsseldorf, Beschl. v.22.08.2012 – IV 1 RBs 121/12. Wenn die Amtsrichterin die Ablehnung des Entbindungsantrages in dem Verfahren gegen Sidney Sam ebenso begründet hat wie der Amtsrichter in dem dem OLG Düsseldorf zugrunde liegenden Verfahren, hätte die  gute Aussicht auf Erfolg. Wird aber wohl nicht der Fall sein

Allerdings: Die vom AG in dem hier vorgestellten Fall gewählte Begründung trifft man immer wieder an, obwohl sie immer wieder auch von OLG als unzulässig/Rechtsfehlerhaft beanstandet wird. Allein die theoretische Möglichkeit, der Betroffene werde seinen Entschluss zum Schweigen in der Hauptverhandlung überdenken, reicht eben nicht aus, ihm die Befreiung von seiner Verpflichtung zum Erscheinen zu verweigern. So auch das OLG Düsseldorf.

Interessant ist, dass das OLG sich von seinem Beschl. v. 14. 12.2011 (IV-1 RBs 144/11 (vgl. dazu hier) abgrenzt. Frage zu Recht?

Im vorliegenden Fall wurde dem Betroffenen in Rotlichtverstoß zur Last gelegt. Den hatte der Betroffene gegenüber den Polizeibeamten am Vorfallsort bestritten. Das AG hatte seinen Entbindungsantrag (§ 73 OWiG) mit der Begründung abgelehnt, das Erinnerungsvermögen der Zeugen sei größer, wenn sie den Betroffenen zu Gesicht bekämen. Das OLG hat das als Begründung nicht gelten lassen. Das werde nicht durch einzelfallbezogene konkrete Tatsachen gestützt. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Erinnerung der polizeilichen Zeugen an den Vorfall notwendig an den optischen Eindruck von dem Betroffenen geknüpft sei.

In dem Zusammenhang verweist das OLG eben auf seinen Beschl. v. 14. 12. 2011 (IV-1 RBs 144/11). In dem hatte das OLG in einem Verfahren wegen des Vorwurfs der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefon die Ablehnung des Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der vier Monate nach der Tat stattfindenden Hauptverhandlung nicht beanstandet. Das hatte es damit begründet, dass der Polizeibeamter den Tatvorwurf bezeugen solle, und somit die Feststellung, ob der Betroffene verbotswidrig mobiltelefoniert habe, maßgeblich davon abhänge, ob sich der Zeuge konkret daran erinnere, dass er gesehen habe, dass der Betroffene ein Mobiltelefon bedient habe. Dazu müsse er den Betroffenen unmittelbar identifizieren. Bereits dieser Umstand rechtfertigte damals für das OLG die Annahme, die Anwesenheit des Betroffenen sei erforderlich.

Mir erschließt sich der Unterschied zum Rotlichtverstoß nicht.

Wann ist eine Entscheidung in der Welt/erlassen?

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Die Antwort auf die Frage, wann eine Entscheidung erlassen ist, ist von Bedeutung für die Frage, ob noch eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zulässig ist oder nicht. Die Antwort gibt jetzt noch einmal der BGH, Beschl. v. 14.08.2012 – 2 StR 629/11, und zwar wie folgt:

„Zwar kann ein Ablehnungsgesuch dann, wenn das Gericht im Beschlusswege entscheidet, nur solange statthaft angebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (BGH NStZ 1993, 600; 2008, 55). Eine Entscheidung ist aber erst ergangen, wenn sie für das Gericht, das sie gefasst hat – außer in den gesetzlich vorgesehenen Fällen – unabände-lich ist. Bei einem Beschluss, der außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht und nicht verkündet wird, ist dies in der Regel dann der Fall, wenn ihn die Geschäftsstelle an eine Behörde oder Person außerhalb des Gerichts hinausgegeben hat und eine Abänderung tatsächlich unmöglich ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., vor § 33 Rn. 9 mwN; KK-Maul, StPO, 6. Aufl., § 33 Rn. 4). Hiervon auszunehmen sind indes die Beschlüsse, die nach rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels unmittelbar die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung herbeiführen. Diese sind bereits dann erlassen, wenn sie mit den Unterschriften der Richter versehen in den Geschäftsgang gegeben werden. Hierzu gehören auch die Beschlüsse des Revisionsgerichts gemäß § 349 Abs. 2 StPO (vgl. BGH NStZ 1994, 96). Gleiches gilt für Revisionsentscheidun-gen, die gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO ergehen und die Rechtskraft des angefochtenen Urteils nur teilweise unmittelbar herbeiführen, da eine „geteilte“ Beurteilung der Frage, ob über das Rechtsmittel bereits entschieden ist, nicht in Betracht kommt (BGH NStZ 2011, 713). Da vorliegend die Revisionsentscheidung nach Beratung und Beschlussfassung am 16. Februar 2012 erst am 29. Februar 2012 mit den Unterschriften aller Richter versehen auf der Geschäftsstelle eingegangen und sie mithin erst unmittelbar zuvor vollständig unterschrieben in den Geschäftsgang gegeben worden ist, war das Ablehnungsgesuch vom 22. Februar 2012 noch rechtzeitig angebracht.“

 

Nach dem Beschluss ist Schluss – wie lange kann ich ablehnen

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Nichts wesentliche Neues bringt der KG, Beschl. v. 05.04.2012 – 4 Ws 31/12 -, aber dennoch ist er mir einen kurzen Hinweis auf die mögliche Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs wert. Dieses ist nämlich in den Fällen der Entscheidung des Gerichts im Beschlussweg unzulässig, wenn es nachträglich gestellt wird. An sich gibt es ja sonst in den Fällen keine zeitlichen Beschränkungen für ein Ablehnungsgesuch, anders als bei der Ablehnung in der Hauptverhandlung. Dazu das KG:

„Entscheidet das Gericht im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist. Eine nachträgliche Ablehnung eines Richters nach dessen Mitwirkung an einer Entscheidung sieht das Prozessrecht nicht vor.“

Davon gibt es – wie könnte es anders sein – natürlich eine Ausnahme: Ist ein Antrag nach § 33a StPO gestellt, kann die Ablehnung noch erklärt werden.

Immer wieder schön (falsch) – der zu Unrecht abgelehnte Entbindungsantrag im Bußgeldverfahren

Die Verwerfungsurteile nach den §§ 73, 74 Abs. 2 OWiG sind m.E. häufig ein recht erfolgversprechender Weg zu einer erfolgreichen Rechtsbeschwerde. Denn hier kommt es häufig zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Verwerfungsentscheidung und daraus resultierend zu Zeitgewinn für den Betroffenen, der im  straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren im Hinblick auf eine Fahrverbotsentscheidung für den Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann.

Die hohe Zahl von Aufhebungen wundert mich. Denn die Rechtslage ist klar: Wenn der Betroffene klar und unmissverständlich erklärt, dass er der Fahrer zum Vorfallszeitpunkt war und außerdem mitteilt, dass er mehr in der Hauptverhandlung nicht sagen wird, dann ist von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung keine weitere Aufklärung zu erwarten. Er muss dann von seiner Anwesenheitspflicht entbunden werden. Alle Spekulationen des Amtsrichters, was darüber hinaus sein könnte, sind dann überflüssig. Warum die Amtsrichter das teilweise nicht sehen und meinen, sie könnten den Betroffenen in der Hauptverhandlung zu weiteren Angaben veranlassen/überreden, ist mir unverständlich. Das Ergebnis liegt dann jedoch i.d.R. auf der Hand: Es wird nicht entbunden, der Betroffene erscheint aber nicht, es wird verworfen, und: Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Als Beispiel dient hier dazu der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.06.2012 – 2 (6) SsRs 279/12  AK 73/12:

Die Rüge ist auch begründet, denn das Amtsgericht hätte den Einspruch nicht durch Prozessurteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen dürfen, sondern hätte zur Sache verhandeln und das Vorbringen des Betroffenen berücksichtigen müssen. Den Antrag, den Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen zu entbinden, durfte das Amtsgericht nicht ablehnen. Gemäß § 73 Abs. 2 01MG befreit das Gericht den Betroffenen auf dessen Antrag, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.

Der vertretungsbefugte Verteidiger des Betroffener hat für diesen die Erklärung abgegeben, der Betroffene sei der Fahrzeugführer gewesen, und hat mitgeteilt, der Betroffene werde weiter nichts sagen. Damit war unmissverständlich klargestellt, dass von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin keinerlei weitergehende Aufklärung zu erwarten war, so dass die Spekulationen des Amtsgerichts, der Betroffene werde in der Hauptverhandlung vielleicht doch Angaben machen, jeder Substanz entbehren und keineswegs ge- eignet sind, das Erscheinen des Betroffenen zu erzwingen bzw. ein Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG zu rechtfertigen. Da somit die Voraussetzungen für eine Entbindung des Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht vorgelegen haben, war die Zurückweisung des dahingehenden Antrags und auch die darauf basierende Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid gemäß § 74 Abs. 2 OWiG rechtsfehlerhaft.

 Für den Verteidiger ist die Rechtsbeschwerde allerdings nicht so ganz einfach. Denn die Begründungsanforderungen an die zu erhebende Verfahrensrüge sind hoch.