Wiedereinsetzung: Ausreichende Antragsbegründung?, oder: Rechtsanwalt ohne Kanzleischlüssel

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Heute mache ich dann mal einen „Rechtsmittelfristentag“, oder: Heute gibt es nur Entscheidungen zur Wiedereinsetzung und zum beA. Alle Entscheidungen kommen von ganz oben, also vom BGH. Und: Sie kommen aus dem Zivilrecht und aus dem Strafrecht.

Ich beginne mit den Wiedereinsetzungsentscheidung, und zwar:

1. Zur Erfüllung der Darlegungserfordernissen des § 45 Abs. 1 StPO muss der Antragsteller einen Sachverhalt vortragen, aus dem sich fehlendes eigenes Verschulden an der fristgerechten Revisionseinlegung ergibt. Es genügt nicht, lediglich geltend zu machen, seinen Verteidiger mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragt zu haben, was dieser indes nicht getan habe. Eigenes Verschulden des Antragstellers wäre in dieser Konstellation nur zu verneinen, wenn der Verteidiger ihm daraufhin die Revisionseinlegung zugesagt hätte. Dazu muss vorgetragen werden.

2. Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Wiedereinsetzungsantrag ist zudem, dass  mitgeteilt wird, wann der Antragsteller von der Fristversäumung erfahren hat.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss unter konkreter Behauptung von Tatsachen so vollständig begründet und glaubhaft gemacht werden, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers entnommen werden kann. Daran fehlt es hier. wenn der Vortrag widersprüchlich ist, weil einerseits ausgeführt wird, der Angeklagte habe seinen früheren Verteidiger mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragt, es aber andererseits heißt, er habe aufgrund der Revisionseinlegung seines Verteidigers bloß darauf vertraut, dass dieser das Rechtsmittel rechtzeitig begründen werde.

Ist ein Rechtsanwalt nicht in der Lage, die Büroräume seiner Kanzlei zu betreten, weil er den Büroschlüssel im Büro vergessen hat, bedarf eine ein Verschulden des Rechtsanwalts an einer Fristversäumnis ausschließende Darlegung Ausführungen dazu, dass und aus welchen Gründen keine der naheliegenden Möglichkeiten, innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Frist einen Zugang zu den Büroräumen zu ermöglichen oder einen anderen Rechtsanwalt mit der Vornahme der fristwahrenden Handlung zu beauftragen, einen Erfolg gehabt hätte.

Ich habe da mal eine Frage: Erstreckung erforderlich?

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Für das heutige Rätsel habe ich mal wieder ein wenig im Rechtspflegerforum gestöbert, da mein „Rätsel-Ordner“ leider leer ist. Dabei bin ich auf folgende Frage gestoßen:

„…………,

ich bearbeite seit kurzem Strafsachen und deren Kosten. Und habe einen KFA bei dem ich mir nicht sicher bin, folgender Sachverhalt:

5 Ermittlungsverfahren mit 5 Anklagen. Nach Anklageerhebung werden Verfahren 1-5 zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden und Verfahren 1 führt. In Verfahren 1 erfolgt die Beiordnung der RAin.

KFA lautet für alle 5 Verfahren Grundgebühr sowie Verfahrensgebühr I. Rechtszug nebst Auslagenpauschale und USt und für Verfahren 1 zusätzlich Terminsgebühr nebst Fahrtkosten und Abwesenheitspauschale. Tätig geworden ist die RAin vor Verbindung und Beiordnung in allen 5 Verfahren.

Ich habe ein Problem mit dem § 48 Abs. 6 RVG. Brauche ich eine Erstreckung nach S. 3 oder bedarf es dieser in diesem konkreten Fall nicht? Habe ja keine Verbindung zu einem Verfahren, wo die RAin schon bestellt ist, dürfte S. 3 nicht einschlägig sein.

Vielen Dank schon mal für eure Antworten.“

Sollte nicht so schwer sein 🙂 .

Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV und Gegenstandswert II, oder: Eingezogene Marihuanapflanzen und KCanG

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Es war zu erwarten, dass die Legalisierung von Cannabis und das Inkrafttreten des KCanG auch im Gebührenrecht Fragen aufwerfen würde. Dazu hat dann jetzt der BGH im BGH, Beschl. v. 25.07.2024 – 3 StR 201/23 zum Gegenstandswert von Marihuanapflanzen Stellung genommen.

Das LG hatte den Angeklagten am 20.12.2022 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass er beim Betrieb einer professionell ausgestatteten Marihuana-Indoor-Plantage als Helfer tätig war. Zudem ordnete das LG gegen den Angeklagten die Einziehung einer Pistole, der sichergestellten Marihuanapflanzen und einer großen Zahl im Einzelnen bezeichneter Ausrüstungsgegenstände der Plantage an. Auf die Revision des Angeklagten hat der BGH mit Beschluss vom 30.11.2023 (3 StR 201/23)  gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von der Einziehung sämtlicher Einziehungsobjekte abgesehen und den entsprechenden Urteilsausspruch entfallen lassen. Die weitergehende Revision hat er gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Der ausschließlich in der Revisionsinstanz tätig gewordene Pflichtverteidiger des Angeklagten hat nunmehr beantragt, gemäß § 33 Abs. 1 RVG in Verbindung mit Nr. 4142 VV RVG den Gegenstandswert seiner Verteidigertätigkeit im Revisionsrechtszug festzusetzen, soweit diese sich auf die Einziehungsentscheidung des LG bezogen hat. Der BGH hat den Gegenstandswert auf 65.000 EUR festgesetzt:

„2. Der Gegenstandswert für die auf die Einziehung bezogene Tätigkeit des Pflichtverteidigers in der Revisionsinstanz ist gemäß § 33 Abs. 1, § 49 RVG in Verbindung mit Nr. 4142 VV RVG auf 65.000 € festzusetzen.

Insofern gilt:

a) Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. September 2022 – 5 StR 169/21, juris Rn. 2; vom 18. August 2021 – 1 StR 363/18, juris Rn. 3).

b) Die eingezogenen Marihuanapflanzen haben keinen anzusetzenden Wert, weil der Umgang mit ihnen zur Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf verboten war und ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2022 – 5 StR 169/21, juris Rn. 3; Toussaint/Felix, Kostenrecht, 54. Aufl., RVG VV 4142 Rn. 15; BeckOK RVG/Knaudt, 64. Ed., RVG VV 4142 Rn. 14; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., RVG VV 4141 Rn. 19); dies gilt auch unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes (vgl. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 KCanG). Hinsichtlich der übrigen mit dem erstinstanzlichen Urteil eingezogenen Gegenstände ist, unabhängig davon, ob sie im Eigentum des Angeklagten standen, der objektive Verkehrswert zum Zeitpunkt der Entscheidung in der betreffenden Instanz anzusetzen (vgl. Toussaint/Felix, Kostenrecht, 54. Aufl., RVG VV 4142 Rn. 13; BeckOK RVG/Knaudt, 64. Ed., RVG VV 4142 Rn. 11; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., RVG VV 4141 Rn. 18). Dieser beläuft sich unter Berücksichtigung der Neupreise, zu denen sie ausweislich einer Internetrecherche im Handel erworben werden können, und ihres Zustandes bei der polizeilichen Sicherstellung, der aus bei den Akten befindlichen Lichtbildern ersichtlich ist, nach der hier gebotenen überschlägigen Betrachtung auf den vorgenannten Betrag, jedenfalls aber auf über 50.000 € und nicht mehr als 65.000 €. Eine exaktere Verkehrswertbestimmung ist im Hinblick auf die Wertgrenze des § 49 RVG für die Höchstgebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht veranlasst. Unerheblich ist, dass sich die Einziehungsentscheidung auch gegen einen Mitangeklagten richtete; dies ändert nichts daran, dass der volle Verkehrswert der Einziehungsgegenstände anzusetzen ist (vgl. Toussaint/Felix, Kostenrecht, 54. Aufl., RVG VV 4142 Rn. 14; BeckOK RVG/Knaudt, 64. Ed., RVG VV 4142 Rn. 21).“

Anzumerken ist: Auf den ersten Blick ist man erfreut, dass es so schnell nach Inkrafttreten des CanG und des KCanG am 1.4.2024 auch schon eine gebührenrechtliche Entscheidung zum CanG/KCanG gibt und dann auch noch vom BGH. Nach dem zweiten Blick ist die Freude dann etwas getrübt, weil man sich fragt, ob der BGH überhaupt eine Aussage treffen musste, die er getroffen hat. Im Einzelnen.

Zutreffend sind die Ausführungen des BGH in Zusammenhang mit dem Gegenstandswert der „sonstigen Gegenstände“, die das LG eingezogen hatte. Insoweit kommt es auf den objektiven Verkehrswert an. Der Wert musste wegen der Beschränkung der (gesetzlichen) Gebühr für den Pflichtverteidiger in § 49 RVG auch nicht konkreter bestimmt werden. Man kann davon ausgehen, dass die Bemessung durch den BGH „passt“.

Aber: Was ist mit den Marihuanapflanzen? Auch insoweit hat der BGH m.E. (zunächst) Recht, wenn er einen Gegenstandswert verneint. Denn die Pflanzen war zu Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Das war zum Zeitpunkt der Entscheidung des LG und auch des BGH über die Revision illegal, so dass damit ein Gegenstandswert für die (potenziellen) „Betäubungsmittel“ nicht anzusetzen war (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2022 – 5 StR 169/21, AGS 2022, 460,  Burhoff AGS 2024, 193).

Schwer tue ich mich mit dem Satz des BGH: „Dies gilt auch unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes (vgl. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 KCanG).“ Dieses Satz ist, wenn nicht falsch, so aber zumindest doch überflüssig. Zutreffend ist es zwar, wenn der BGH davon ausgeht, dass die Anpflanzung von Marihuanapflanzen zur Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf als weiterhin verboten ansieht (vgl. § 2 Abs. 1 KCanG); die Ausnahme des § 3 Abs. 2 KCanG greift beim Anbau zum Weiterverkauf nicht. Aber: Auf diese Frage und die Geltung kam es hier m.E. gar nicht an. Denn stellt man für die Gegenstandswertbestimmung auf den Zeitpunkt der Revisionsentscheidung ab, was der BGH bei den „sonstigen Gegenständen“ selbst tut, kann das KCanG keine Rolle spiele, Denn die Revisionsentscheidung des BGH datiert aus Dezember 2023, also lange vor Inkrafttreten des KCanG am 1.4.2024. Oder will der BGH insoweit ggf. eine Ausnahme machen – Stichwort: günstiges Gesetz – machen. Dann hätte er das aber auch sagen müssen und nicht nur einfach apodiktisch auch auf das KCanG verweisen.

Die Auswirkungen der Neuregelungen im CanG/KCanG auf das Gebührenrecht, vor allem in Zusammenhang mit der Nr. 4142 VV RVG, werden uns demnächst wahrscheinlich häufiger beschäftigen. Denn mit der Legalisierung durch das CanG hat Cannabis zumindest teilweise einen messbaren Wert erhalten. Interessant werden diese Frage allerdings erst, wenn Tätigkeiten im Hinblick auf den „legalen Teil“ erbracht worden sind, also z.B. beraten worden ist, ob und was und wieviel eingezogen werden kann. Da wird man dann die Frage des Gegenstandswertes diskutieren müssen. Dabei darf man dann allerdings auch nicht übersehen, dass für die Entstehung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG der erforderliche Mindestwert von 30,00 EUR überschritten sein muss.

Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV und Gegenstandswert I, oder: Gegenstandswert einer Arrestforderung

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Am „Gebührenfreitag“ heute dann zwei Entscheidungen zum Gegenstandswert bei der Nr. 4142 VV RVG, der „Einziehungsgebühr“. Bei der Gebühr handelt es sich ja um eine reine Wertgebühr. Daher sind im Hinblick auf die Höhe der Gebühr die mit dem für die Berechnung der Gebühr maßgeblichen Gegenstandswert zusammenhängenden Fragen von erheblicher praktischer Bedeutung.

Dazu dann betreffend einen Arrest das LG Nürnberg-Fürth im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 20.06.2024 – 18 KLs 104 Js 10095/22 – mit folgendem Sachverhalt: Am 29.9.2022 wurde der Angeklagten Rechtsanwalt R 1 als notwendiger Verteidiger beigeordnet. Mit Beschluss des AG vom 27.o9.2022, erweitert durch Beschluss des AG vom 09.11.2022 wurde ein Vermögensarrest in Höhe von 4.482.718,62 EUR in das Vermögen u. a. der Angeklagten angeordnet. Mit Schriftsatz ihres Verteidigers Rechtsanwalt R 1 vom 24.01.2023 legte die Angeklagte Beschwerde gegen Beschluss vom 09.11.2022 ein. Diese ist am 06.02.2023 verworfen worden).

Am 21.03.2023 wurde Anklage gegen die Angeklagte erhoben. Das Hauptverfahren wurde am 24.05.2023 eröffnet und Termine zur Hauptverhandlung bestimmt. Mit Beschluss vom 12.06.2023 wurde der Angeklagten Rechtsanwältin R 2 als weitere Verteidigerin beigeordnet. Diese stellte am 01.09.2023 für die Angeklagte einen Antrag auf Aufhebung der Arrestbeschlüsse vom 27.9.2022 und 9.11.2022.

Die Strafkammer hat am 09.10.2023 die Arrestbeschlüsse hinsichtlich der Angeklagten aufgehoben. Am 13.12.2023 wurde die Angeklagte rechtskräftig freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.

Rechtsanwalt R 1 hat am 25.12.2023 einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt und darin ausgeführt, dass für die Berechnung der Gebühr Nr. 4142 VV RVG (Beschwerde gegen den dinglichen Arrest) der Gegenstandswert in Höhe von 4.482.718,62 EUR gem. Beschluss des LG vom 09.10.2023 berücksichtigt worden sei, ggf. werde gem. § 33 RVG Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt. Es sei sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren – er habe gegen die negative Beschwerdeentscheidung die hier nach § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO ausnahmsweise zulässige „weitere“ Beschwerde eingelegt worden, von ihm Rechtsmittel gegen den dinglichen Arrest angestrengt worden, weshalb die Gebühr in beiden Verfahrensabschnitten angefallen sei. Insgesamt wurden u.a. zwei zusätzliche Gebühr Nr. 4142 VV RVG nach einem Gegenstandswert in Höhe von 4.482.718,62 EUR, also jeweils 16.574,00 EUR geltend gemacht. Später ist dann der Antrag auf nur noch eine Verfahrensgebühr reduziert worden

Das LG hat den Gegenstandswert auf 863.385,22 EUR festgesetzt.

Ich erspare mir die Gründe des LG, sondern stelle nur die Leitsätze ein. Dies lauten:

    1. Bei der Schätzung des Gegenstandswertes für die Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG bei Einziehung und verwandten Maßnahmen ist das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr der Arrestforderung maßgebend und die konkrete wirtschaftliche Situation ist in den Blick zu nehmen.
    2. Für die Wertberechnung gemäß § 2 Abs. 1 RVG geht das maßgebliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr des Arrests nicht weiter, als Vermögenswerte vorhanden sind, auf die im Wege der Arrestvollziehung zugegriffen werden kann. Ein den Gesamtbetrag der tatsächlich erfolgten – werthaltigen – Pfändungen übersteigender Arrestbetrag hat bei der Bestimmung des Gegenstandswerts unberücksichtigt zu bleiben.
    3. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Anordnung des Vermögensarrests ist ein Abschlag von zwei Dritteln vorzunehmen.

Wie das LG gerechnet hat, bitte selbst nachlesen. Und wer es dann verstanden hat, bitte melden. Denn:

Die Ausführungen und die Berechnungen des LG lassen sich für mich nur schwer nachvollziehen. Das liegt u.a. auch daran, dass das LG umfangreichere allgemeine Ausführungen zu Wertgebühren und zur Nr. 4142 VV RVG macht, die m.E. überflüssig waren, weil es hier nur um die Festsetzung des Gegenstandswertes ging.

Zutreffend ist es, wenn das LG von einer Schätzung des zu sichernden Anspruchs gem. § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 RVG i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG; § 3 ZPO ausgeht und dabei maßgebend auf das wirtschaftliche Interesse der Angeklagten an der Abwehr der Arrestforderung abstellt, wobei die konkrete wirtschaftliche Situation in den Blick genommen werden muss. Das ist h.M., und zwar ebenso, dass bei einem Arrest nur von einem Gegenstandswert in Höhe von 1/3 des zu sichernden Hauptanspruchs ausgegangen wird.

Probleme habe ich dann aber mit der konkreten Berechnung des Gegenstandswertes durch das LG. Nachvollziehen kann ich noch die Dar-/Aufstellung von sieben Grundstücke mit den jeweils erfolgten Eintragungen einer Sicherungshypothek und den auf der Grundlage ermittelten Werten von insgesamt 2.549.000 EUR. Mir erschließt sich dann aber nicht, warum das LG die Kontostände der neun Konten, über die die Angeklagte verfügen konnte, mit ihrem Gesamtkontostand von 1.642.372,30 EUR, aufzählt, im Rahmen seiner Schätzung dann aber hinsichtlich des Bankguthabens der Angeklagten offenbar nur einen Betrag in Höhe von 41.155,67 EUR ansetzt. Das lässt sich anhand der Beschlussgründe – jedenfalls für mich – nicht nachvollziehen. In die endgültige Berechnung des LG ist dann auch nur der Betrag eingeflossen. Denn addiert man zu den 2.549.000 EUR die 41.155,67 EUR, ergibt sich eine Summe von 2.590.155,60 EUR. 1/3 davon ist dann der als Gegenstandswert festgesetzte Betrag von 863.385,22 EUR. Es wäre schön gewesen, wenn das LG seine Schätzung ein wenig mehr erläutert hätte. Dafür hätte man auf die o.a. überflüssigen Ausführungen verzichten können.

Handy III: Datenkontrolle des Mobiltelefons in der JVA, oder: Wer muss das bezahlen?

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Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung aus dem Strafvollzug, nämlich zu der Frage, ob der für die Kosten der Kontrolle bei ihm sichergestellter Mobiltelefone auf sicherheitsrelevante Daten und ggf. deren Löschung aufkommen muss.

Das KG hat die Frage im KG, Beschl. v. 27.06.2023 – 2 Ws 17/23 – also schon etwas älter – bejaht:

„2. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat es die Strafvollstreckungskammer auf der Grundlage ausreichender tatsächlicher Feststellungen zum Sachverhalt abgelehnt, die Anstaltsleitung der JVA Heidering zu verpflichten, die sichergestellten Mobiltelefone ohne vorherige Datenüberprüfung durch eine Fachfirma zur Habe des Beschwerdeführers zu nehmen.

Die Entscheidung der Vollzugsanstalt, die sichergestellten Mobiltelefone ohne vorherige vollständige Datenüberprüfung durch eine Fachfirma nicht zur Habe des Beschwerdeführers zu nehmen oder zu versenden, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Bln dürfen Gefangene Gegenstände nur mit Zustimmung der Anstalt in Gewahrsam haben, annehmen oder abgeben.

§ 1 des Berliner Gesetzes zur Verhinderung des Mobilfunkverkehrs in Justizvollzugsanstalten (MFunkVG) bestimmt, dass Gefangenen der Besitz und Betrieb von Mobilfunkendgeräten auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalten untersagt ist, da andernfalls ein unkontrollierbarer Datenaustausch stattfinden könnte, der die Sicherheit der Anstalt gefährden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 18. April 2011 – 2 Ws 253/10 Vollz – mwN).

b) Durch den mehrfachen Besitz von in der Haftanstalt verbotenen Mobiltelefonen hat der Beschwerdeführer wiederholt gegen die ihm auferlegte Gewahrsamsbeschränkung verstoßen (vgl. OLG Nürnberg ZfStrVo 2002, 179). Dadurch hat er jeweils zugleich eine Gefahr für die Sicherheit in der Vollzugsanstalt geschaffen. Mithin liegt es auch in seiner Sphäre, diese Gefahr durch die Auslesung der Geräte zu beseitigen oder aber die entsprechenden Geräte oder SIM-Karten vernichten zu lassen.

c) Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Bln werden Gegenstände, die die Gefangenen nicht im Haftraum aufbewahren dürfen oder wollen, von der Anstalt aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist und Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, insbesondere auch hygienische Gründe, nicht dagegensprechen. Ferner hat ein Gefangener die Möglichkeit, nach § 53 Abs. 2 StVollzG Bln Gegenstände, die er nicht benötigt, abzusenden. Dieses Recht gilt allerdings nicht uneingeschränkt, da die Justizvollzugsanstalt die Versendung bzw. die Ausbringung aus Sicherheitsgründen verweigern darf (vgl. Senat aaO). Denn es muss sichergestellt werden, dass dadurch die Sicherheit der Anstalt nicht gefährdet wird. Dies wäre bei einer unkontrollierten Herausgabe von Mobiltelefonen aber wegen der bestehenden Speicherungsmöglichkeiten der Fall. Denn während seines Aufenthalts in der Vollzugsanstalt kann ein Gefangener Kenntnisse über deren Sicherheitssysteme, Schließeinrichtungen, Notruf- und Alarmsysteme sowie über die Ausstattung der Vollzugsbediensteten und interne Abläufe sammeln und mit seinem Mobiltelefon aufzeichnen und speichern. Derartige gespeicherte Daten sind von hoher Sicherheitsrelevanz und stellen nicht bloß eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt dar.

d) Demgemäß steht der Haftanstalt das Recht zu, zunächst zu kontrollieren, ob sicherheitsrelevante Daten in den Telefonen gespeichert sind. Da der Gefangene diese Gefahr selbst durch einen Verstoß gegen die ihm auferlegte Pflicht verursacht hat, muss er auch für die dadurch entstehenden Kosten aufkommen (vgl. Senat aaO). Er kann dabei selbst dann zur Begleichung der durch die Kontrolle entstehenden Kosten herangezogen werden, wenn bei der Kontrolle tatsächlich keine gespeicherten Daten auf seinen Mobiltelefonen und SIM-Karten festgestellt werden.

e) Aufzeichnungen, die Kenntnisse über Sicherheitsvorkehrungen der Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, können von der Vollzugsbehörde nach § 53 Abs. 4 StVollzG Bln vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden. Bei Mobilfunkgeräten erfolgt eine Vernichtung der sicherheitsrelevanten Daten durch vollständige Löschung der Datenspeicher.

Da der Gefangene die Gefahrenlage selbst geschaffen hat, darf die Vollzugsbehörde von ihm und auf seine Kosten – durch ein externes Unternehmen – den Nachweis verlangen, dass sich auf den Telefonen und SIM-Karten keine Aufzeichnungen im Sinne des § 53 Abs. 4 StVollzG Bln befinden. Der Gefangene hat die Möglichkeit, entweder alle Daten löschen oder die Telefone vernichten zu lassen, oder aber die gespeicherten Daten auslesen zu lassen und der Haftanstalt zur Kontrolle vorzulegen (vgl. Senat aaO).

f) Die zur bundesgesetzlichen Regelung getroffenen Entscheidungen sind insoweit auf die Aufbewahrung und Datenkontrolle bei Mobiltelefonen nach § 53 StVollzG Bln übertragbar. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweist sich die Weigerung der Vollzugsanstalt, die sichergestellten Mobiltelefone ohne vorherige vollständige Datenüberprüfung durch eine Fachfirma zu versenden oder zur Habe des Beschwerdeführers zu nehmen, vorliegend als rechtlich nicht zu beanstanden.“