OWi III: „Richtige“ Begründung des Zulassungsantrags, oder: Verweigerte Akteneinsicht und Befundprüfung

Und dann zum Tagesschluss noch etwas aus dem Rechtsbeschwerdeverfahren. Das OLG Köln nimmt nämlich Stellung – oder auch nicht – zu den Anforderungen an eine Rüge, mit der eine unterbliebene Befundprüfung geltend gemacht werden soll.

Gegen den Betroffenen ist durch das AG wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 150,00 EUR verhängt worden. Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit welchem der Betroffene eine Versagung des rechtlichen Gehörs rügt.

Das OLG Köln hat im OLG Köln, Beschl. v. 06.02.2024 – 1 ORBs 399/23 – den Zulassungsantrag  als unzulässig zu verworfen, weil er insgesamt den Anforderungen an seine Begründung nicht genügt hat:

1. Eine Rüge der Verletzung des materiellen Rechts (Sachrüge) ist nicht erhoben worden.

Diese setzt voraus, dass die Rechtsbeschwerde zweifelsfrei erkennbar auf die Verletzung sachlichen Rechts bei der Anwendung auf den festgestellten Sachverhalt gestützt wird (BGH NStZ 1991, 597; OLG Hamm DAR 2000, 83 = VRS 98, 146 [147]; OLG Hamm DAR 1999, 276 = VRS 97, 49; SenE v. 27.09.2000 – Ss 403/00 Z -; SenE v. 10.07.2001 – Ss 276/01 Z – m. w. Nachw; SenE v. 14.01.2013 – III-1 RBs 26/13.). Das ist vorliegend nicht geschehen. Die Ausführungen in der Begründungsschrift befassen sich vielmehr allein mit verfahrensrechtlichen Vorgängen.

2. Soweit mit der Rechtsbeschwerde moniert wird, dem Betroffenen sei „die Einsicht in die Rohmessdaten“ verweigert worden, ist – wie sich insbesondere aus der auch von dem Betroffenen angezogenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (jüngst BVerfG NJW 2023, 2932) ergibt – nicht das Verfassungsgebot aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern vielmehr der aus Artt. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG abgeleitete Grundsatz des fairen Verfahrens inmitten. § 80 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG ist aber einer Erweiterung auf andere Verfassungsverstöße (namentlich den Grundsatz des fairen Verfahrens) nicht zugänglich (SenE v. 09.11.2021 – III-1 RBs 297/21; SenE v. 26.11.2021 – III-1 RBs 313/21; SenE v. 16.02.2022 – III-1 RBs 48/22; SenE v. 27.12.2022 – III-1 RBs 409/22; SenE v. 27.07.2023 – III-1 ORbs 249/23; KK-OWiG-Hadamitzky, 5. Auflage 2018, § 80 Rz. 40; Sandherr NZV 2023, 433). Diese Rüge ist im Zulassungsverfahren unstatthaft.

3. Soweit die Rechtsbeschwerde darüber hinaus rügt, der Antrag des Betroffenen auf Durchführung einer Befundprüfung sei durch das Gericht übergangen worden und auch im Urteil finde sich keine Begründung, warum ihm auch dieser Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Messergebnisses verweigert worden sei, ist hiermit eine Gehörsverletzung jedenfalls nicht schlüssig dargetan:

Gemäß § 39 Abs. 1 MessEG kann derjenige, der ein berechtigtes Interesse an der Messrichtigkeit hat, bei der Behörde nach § 40 Abs. 1 MessEG beantragen festzustellen, ob ein Messgerät die wesentlichen Anforderungen der Messrichtigkeit und Messbeständigkeit nach § 6 Abs. 2 MessEG erfüllt (vgl. hierzu Märtens/Wynands NZV 2019, 338 [340]). Ein berechtigtes Interesse an der Messrichtigkeit in diesem Sinne hat regelmäßig derjenige, den die Messung betrifft, hier also der Betroffene des behördlichen und gerichtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahrens. (vgl. Hollinger/Schade-Schade, MessEG/MessEV, § 39 Rz. 2). Der Antrag ist an die Behörde zu richten, die nach § 40 MessEG für die Eichung selbst zuständig wäre.

Die Befundprüfung, bei der gem. § 39 Abs. 2 MessEV die Verwendungssituation des Messgeräts zu berücksichtigen ist, vermag Klarheit darüber zu verschaffen, ob das jeweilige Messgerät den Anforderungen der Eichung und der Konformitätsprüfung genügt. Wenngleich der konkrete in Rede stehende Messvorgang damit nicht nachvollzogen werden kann, rechtfertigt ein Ergebnis, welches – ausgehend von der erfolgten Eichung und ggf. unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher in einer sog. „Lebensakte“ dokumentierter Eingriffe – keine Beanstandungen zu Tage fördert, den Schluss, dass bei dem Messgerät auch in der Vergangenheit keine Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind (vgl. SenE v. 27.09.2019 – III-1 RBs 339/19 = DAR 2019, 695 = BeckRS 2019, 23786; a. A. aber VerfGH Saarland NJW 2019, 2456 [2459 Tz. 63]). Bei Zweifeln an der Messrichtigkeit ist die Befundprüfung daher der Weg der Wahl.

Welche Anforderungen an eine Rüge zu stellen sind, mit der eine unterbliebene Befundprüfung geltend gemacht werden soll, ist – soweit ersichtlich – bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht thematisiert worden. Ohne dies für den Streitfall entscheiden zu müssen neigt der Senat der Auffassung zu, dass insoweit (unter Berücksichtigung des Umstands, dass Beteiligte der Befundprüfung Betroffener und Eichbehörde sind) ähnliche Voraussetzungen Geltung beanspruchen, wie sie für die Beiziehung nicht bei der Akte befindlicher, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandener Unterlagen entwickelt worden sind: Danach dürfte der Betroffene gehalten sein, die Befundprüfung bereits in einem Stadium anzustoßen, in dem das Verfahren noch bei der Verwaltungsbehörde geführt wird (s. – allerdings im Kontext mit der Verfahrensfairness – zu den nicht bei der Akte befindlichen Unterlagen BVerfG NJW 2021, 455 Tz. 60 aE; BGH NStZ 2023, 619). Darüber hinaus dürfte es aber jedenfalls geboten sein, dass der Betroffene sein Begehren in der Hauptverhandlung weiterverfolgt und ggf. deren Aussetzung zur Durchführung der Befundprüfung durch ihn beantragt (BGH a.a.O., allgemein LR-StPO-Becker, 27. Auflage 2019, § 288 Rz. 11).

Diese Fragen bedürfen hier aber deswegen keiner Vertiefung, weil – wie dargelegt – das Gericht weder Antragsteller der Befundprüfung, noch (tauglicher) Adressat eines solchen Antrags ist und der Betroffene zur Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Befundprüfung nichts vorträgt.

Da sonach weder eine Sachrüge noch eine statthafte bzw. zulässige Verfahrensrüge erhoben worden sind, war der Zulassungsantrag als unzulässig zu verwerfen.“

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OWi II: Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: Fahrverbot beim „viel beschossenen“ Hasen?

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Die zweite Entscheidung kommt dann auch vom AG Landstuhl. Im AG Landstuhl, Urt. v. 09.02.2024 – 3 OWi 4211 Js 11910/23 – geht es um die Rechtsfolgen bei einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung.

Das AG hat den Betroffenen wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 1.160 EUR verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Dre Betroffene war auf einer BAB anstelle der zulässigen 80 km/h mit 133 km/h gefahren. Der Betroffene ist verkehrsrechtlich bislang auch schon einige Male in Erscheinung getreten, und zwar gibt es eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis am 21.12.2013, die Verurteilung nach § 316 StGB am 09.01.2014 zu einer Geldstrafe mit einer Maßregel nach §§ 69, 69a StGB, einen Abstandsverstoß am 22.2.2022 und einen Geräteverstoß.

Das AG begründet seine Rechtsfolgenentscheidung wie folgt:

„Durch den genannten Verstoß hat der Betroffene zunächst eine Geldbuße zu tragen. Diese ergibt sich zunächst als Regelsatz in Höhe von 480 EUR gemäß Ziffer 11.3.8 des Anhangs zur BKatV, die für das Gericht in Regelfällen einen Orientierungsrahmen bildet (BeckOK StVR/Krenberger, § 1 BKatV, Rn. 1). Von diesem kann das Gericht bei Vorliegen von Besonderheiten nach oben oder unten abweichen. Vorliegend bestehen keine Umstände, die ein Abweichen vom Regelsatz nach unten bedingen würden. Angesichts der vorsätzlichen Begehensweise ist die Regelgeldbuße auf 960 EUR zu verdoppeln, § 3 Abs. 4a BKatV.

Zudem sind hier Umstände gegeben, die eine Erhöhung der Geldbuße nach sich ziehen, § 17 Abs. 3 OWiG. Der Betroffene ist, wie unter I. festgestellt, bereits verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Der zeitliche und auch inhaltliche Zusammenhang der geahndeten Verstöße mit der jetzigen Handlung gebietet eine moderate Erhöhung der Regelgeldbuße um 100 EUR (Abstand) sowie 100 EUR (Geräteverstoß) auf 1160 EUR.

Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen haben ergeben, dass der Betroffene die ausgeurteilte Geldbuße wirtschaftlich verkraftet.

Des Weiteren ist vorliegend auch ein Regelfahrverbot anzuordnen, § 4 Abs. 1 BKatV. Durch die oben festgestellte Handlung hat der Betroffene eine objektiv so gefährliche und subjektiv so vorwerfbare Verhaltensweise im Straßenverkehr an den Tag gelegt, dass im Sinne des § 25 StVG ein Fahrverbot anzuordnen ist. Es bestand vorliegend kein Grund, wegen abweichender Umstände vom Regelfall das Fahrverbot zu erhöhen. Vorliegend bestand kein Grund, vom Wegfall des Fahrverbots ausgehen zu müssen. Soweit der Betroffene vorgetragen hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren und für die Berufstätigkeit auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Insbesondere trifft die Anordnung des Fahrverbots den Betroffenen nicht mit einer unzumutbaren Härte. Gewöhnliche Belastungen, die ein Verzicht auf den PKW für die Dauer des Fahrverbots mit sich bringt, sind hinzunehmen. Die Konsequenz der Anordnung des Fahrverbots ist selbstverschuldet (OLG Celle Beschl. v. 26.1.2015 – 321 SsBs 176, 177/14, BeckRS 2015, 16403). Die Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsteilnehmern, die ein Regelfahrverbot verwirkt haben, muss gewährleistet sein (BVerfG NZV 1996, 284), sodass nur unzumutbare Härten aus rechtlicher Sicht relevant sein können, nicht das persönliche Befinden des Betroffenen (BeckOK StVR/Krenberger, § 25 StVG, Rn. 90). Solche sind hier nicht gegeben. Zwar kann der Verlust des Arbeitsplatzes eine unzumutbare Härte darstellen. Ausweichmöglichkeiten im Betrieb sind, so der Zeuge pp., nicht gegeben und auch eine unbezahlte Urlaubnahme kann angesichts der Spezialisierung des Betroffenen vom Unternehmen nicht aufgefangen werden. Der Betroffene befindet sich noch in der Probezeit und kann deshalb unter erleichterten Bedingungen gekündigt werden. Jedoch ist hier zu beachten: Zum einen stammt der Bußgeldbescheid vom 16.8.2023, sodass der Betroffene das Fahrverbot noch vor Antritt der Arbeitsstelle bei der Firma pp. sozialkonform hätte ableisten können, wozu er auch verpflichtet gewesen wäre (OLG Hamm NZV 2005, 495; AG Landstuhl DAR 2015, 415). Er hätte, wenn es ihm nur um die Geldbußenhöhe und den Schuldvorwurf gegangen wäre, den Einspruch auf die Höhe der Geldbuße bei gleichzeitiger Akzeptanz des Fahrverbots beschränken können (AG Dortmund NZV 2022, 540), um den neuen Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Und schließlich kann der Grundsatz der Unverhältnismäßigkeit nicht für den Betroffenen streiten, der in Kenntnis der Notwendigkeit der Fahrerlaubnis und des Führerscheins für seine Berufstätigkeit durch verkehrswidriges Verhalten seine Berufstätigkeit gefährdet: Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Fahrverbot durch mangelnde Verkehrsdisziplin riskiert, kann nicht geltend machen, auf den Führerschein angewiesen zu sein (KG SVR 2015, 427). Könnte sich ein Betroffener bei vorhandenen Vorahndungen immer wieder aufs Neue auf eine drohende Existenzgefährdung berufen, wären die für ihn unzumutbaren Folgen eines Fahrverbots ein Freibrief für wiederholtes Fehlverhalten (OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2010, 26343; OLG Karlsruhe NZV 2004, 316). Hinzu kommt hier der Vorsatz des Vorwurfs bei erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung im Baustellenbereich (AG Zeitz BeckRS 2015, 18698). Schließlich müsste der Arbeitsplatzverlust auch zu einer existenzvernichtenden Härte führen (OLG Karlsruhe NZV 2006, 326). Dies ist nicht erkennbar. Denn der Betroffene ist als Bauleiter mit Asbestberechtigung hoch spezialisiert und dementsprechend begehrt auf dem Arbeitsmarkt, so der Zeuge pp. Wenn er also eine vorübergehende Zeit, in der er auch Anspruch auf staatliche Leistungen hat, nicht im Abhängigkeitsverhältnis beschäftigt ist, vernichtet dies nicht seine bürgerliche Existenz.“

Ok, ein „viel beschossener Hase“. Aber dennoch erscheint mir die Entscheidung angesichts der für den Betroffenen sprechenden Umstände nicht angemessen, zumal die Trunkenheitsfahrt 10 Jahre zurück liegt. Dass und warum ein Betroffener verpflichtet sein soll, ein Fahrverbot ggf. noch vor Antritt der Arbeitsstelle bei seiner Firma „sozialkonform“ – was immer das auch ist – abzuleisten, erschießt sich mir (auch) nicht. Denn dabei wird m.E. übersehen, dass der Betroffene ggf. noch nicht rechtskräftig verurteilt ist.

OWi I: Tatü, tata, die Polizei ist mit Blaulicht da, oder: Sofort freie Bahn für Einsatzfahrzeuge

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Ich stelle heute dann drei Owi-Entscheidungen vor, und zwar zweimal AG, einmal AG.

Der Start findet hier statt mit dem AG Landstuhl, Urt. v. 02.02.2024 – 3 OWi 4211 Js 9376/23. Es geht um einen Verstoß gegen § 38 Abs. 1 S. 2 StVO – nämlich Missachtung des Gebots, einem Einsatzfahrzeug (der Polizei usw.) sofort freie Bahn zu schaffen. Dabei geht es um die Frage: Vorsatz oder Fahrlässigkeit.

Folgende Feststellungen des AG: Der Betroffene war am 12.02.2023 als Führer eines PKW auf der BAB 6, Fahrtrichtung Saarbrücken unterwegs. Dort fuhr er auf Höhe des km 634 auf der linken von zwei vorhandenen Fahrspuren. Hinter ihm näherte sich mit aktivierten optischen und akustischen Signalen ein Einsatzfahrzeug der Polizei. Der Betroffene verließ jedoch die linke Spur nicht, sodass das Einsatzfahrzeug, das vom Zeugen PHK pp. gesteuert wurde, eine Weile lang hinter dem Fahrzeug des Betroffenen herfahren musste, dies mit der vor Ort geltenden Geschwindigkeit, erst mit Tempo 100, dann 80 km/h vor der stationären Messtelle bei km 632,280. Selbst auf das zusätzliche Betätigen der Lichthupe und der akustischen Hupe hat der Betroffene die linke Spur nicht freigegeben. Erst nach einiger Zeit bemerkte der Betroffene das hinter ihm fahrende Einsatzfahrzeug und wich alsdann direkt auf die rechte Spur aus, sodass das Einsatzfahrzeug passieren konnte.

Der Betroffene hat sich zur Sache wie folgt eingelassen: Er habe irgendwann eine Sirene gehört und habe gedacht, das komme aus dem Radio, dann habe er einen Schulterblick gemacht, das Fahrzeug gesehen und seinen Wagen nach rechts auf die andere Fahrspur gerissen. Er habe sich mit seiner Frau unterhalten und Radio gehört und den Einsatzwagen vorher nicht bemerkt.

Das AG ist von einem fahrlässigen Verstoß ausgegangen:

„Ein vorsätzliches Verhalten ist dem Betroffenen hier nicht anzulasten. Die verspätete Reaktion auf die Signale des Einsatzfahrzeugs waren auch ausweislich des Eindrucks des Zeugen pp. nicht willentlich, sondern die von der Sicht des Zeugen pp. erkennbare erste Reaktion erfolgte schlicht zu spät, war dann aber von einer sofortigen Wegfreigabe gefolgt. Der Betroffene hätte aber bei gehöriger Aufmerksamkeit das Einsatzfahrzeug aufgrund der genutzten Signale wahrnehmen müssen, sodass von fahrlässigem Verhalten auszugehen ist.

Jeder Verkehrsteilnehmer muss darauf achten, dass er nicht aufgrund zu lauter Geräusche, etwa durch Musik, oder durch nicht von Schnee oder Eis befreite Fenster die blauen Blinklichter oder das Einsatzhorn nicht rechtzeitig wahrnehmen kann (AG Villingen-Schwenningen BeckRS 2014, 14098; KG NZV 1998, 27). Auch eine zu langsame Reaktion auf ein unter allen Signalen fahrendes Einsatzfahrzeug ist pflichtwidrig, wenn wie hier die Aufmerksamkeit des auf der linken Spur fahrenden Betroffenen durch Gespräche und Radio aktiv und bewusst vermindert wird (OLG Naumburg BeckRS 2009, 09958). Fahrzeugführer müssen dafür sorgen, dass sie das Einsatzhorn jederzeit hören können (KG NZV 1992, 456). Dies hat der Betroffene hier missachtet.“

Kann man so sehen. Kann man m.E. aber auch einstellen. Und ein Regelfahrverbot muss man auch nicht unbedingt verhängen.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie werden „Löschungsanträge“ nach dem CanG abgerechnet?

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Am Freitag hatte ich die Frage(n):  Ich habe da mal eine Frage: Wie werden „Löschungsanträge“ nach dem CanG abgerechnet? „in den „Raum“ gestellt. Hierzu meine Antwort(en).

„Ich denke, dass ist keine Strafvollstreckung i.S. des Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG. Das entsprechende gerichtliche Verfahren dürfte ja wohl eins nach den §§ 23 ff. EGGVG sein. Und dann ist es Teil 3 VV RVG.“

Auf Nachfrage bei meinem Mitautor:

„Also: Herr Volpert und ich sind uns einig: Das ist keine Strafsache nach Teil 4 VV RVG, deshalb Geschäftsgebühr VV 2300 VV RVG für die Tätigkeit gegenüber dem Bundeszentralregister.“

Und zum Gegenstandswert:

„Haben sie schon mal im Streitwertkatalog geschaut? Nun, falls nicht: Vielleicht finden Sie da ja etwas Vergleichbares.

Ich meine, dass es da nichts gibt. Also bleibt nur der Auffangtatbestand. Und bevor die nächste Frage kommt: Nicht für jede Eintragung.“

Und wenn ich gleich hier nachgeschaut hätte, wäre es einfacher gewesen 🙂

Klima: Nochmals zur Nötigung in einem „Klimafall“, oder: Flachdach einer Halle – befriedetes Besitztum?

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Und als zweite Entscheidung der OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.02.2024 – 1 ORs 25 Ss 1/23. Er äußert sich noch einmal zu den sog. Klimaaktivistenfällen.

Die StA hatte der Angeklagten das Abhalten einer unangemeldeten Versammlung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch am 22. 02.2021 (Tatvorwurf 1), das Abhalten einer unangemeldeten Versammlung im März 2021 (Tatvorwurf 2) sowie Nötigung in Tateinheit mit der Teilnahme an einer Versammlung in einer Aufmachung zur Verhinderung der Feststellung ihrer Identität am 29.04.2021 (Tatvorwurf 3) zur Last gelegt. Wegen dieser Taten hat das AG die Angeklagte verurteilt. Die Berufung der Angeklagten führte vor dem LG zum Freispruch. Hiergegen richtet sich die Revision der StA. Sie greift – nach teilweiser Rücknahme der Revision sowie nach der Beschränkung des Verfahrens auf die Vorwürfe des Hausfriedensbruchs und der Nötigung – den Freispruch von den Tatvorwürfen 1 und 3 an. In dem Umfang hatte die Revision vollen Erfolg.

Das OLG ist von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„1. Zum ersten Tatvorwurf hat das Landgericht im Wesentlichen festgestellt:

Am 22. Februar 2021 fand ab 19 Uhr in der Mehrzweckhalle der Gemeinde pp. eine Gemeinderatssitzung zum Regionalplan Bodensee-Oberschwaben statt. Gegen 18.30 Uhr kletterten die Angeklagte und der gesondert verfolgte pp. mit Hilfe einer Leiter auf das nicht gesicherte Hallenflachdach und enthüllten dort ein ca. acht Quadratmeter großes Transparent mit der Aufschrift „Stoppt den Klimahöllenplan“, um die Teilnehmer der Gemeinderatssitzung auf ihrer Meinung nach mit den Projekten des Regionalplans einhergehenden Folgen für die Umwelt aufmerksam zu machen. Die Angeklagte und pp. verließen das Dach erst nach Beginn der Gemeinderatssitzung. Der Bürgermeister der Gemeinde stellte am 2. März 2021 Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs.

Den Freispruch von diesem Vorwurf hat das Landgericht damit begründet, dass es an einem Eindringen in ein befriedetes Besitztum fehle.

2. Zum Tatvorwurf 3 hat das Landgericht festgestellt:

Die Angeklagte schloss sich mit zehn Personen zusammen, um durch eine auf „einen gemeinsamen Tatplan zurückgehende gemeinschaftlich ausgeführte Aktion“ den Betrieb von zwei Kieswerken zu stören. In Umsetzung dieser Aktion, die wegen des beabsichtigten Überraschungseffekts vorher geheim gehalten wurde, wurden fünf aus je zwei Personen bestehende „Posten“ gebildet.

Vier dieser Posten besetzten die Zufahrten zum Kieswerk pp. GmbH & Co.KG in pp., indem sie – auf einer Fahrbahnseite 4-5m über dem Boden, auf der anderen Seite bodennah, dh schräg abfallend über die Straße – Seile spannten, an denen sie Hängematten befestigten. In jeder Hängematte lag eine Person; die andere Person postierte sich davor mit einem Hinweis auf die Hängematte bzw. einer „Warnung vor Weiterfahrt“. Ferner waren Hinweisschilder mit dem Schriftzug „da hängt ein Leben dran“ angebracht. Ein Kappen der Seile hätte zum Sturz der in den Matten liegenden Aktivisten aus lebensgefährdender Höhe geführt.

Infolge der blockierten Zufahrten bildete sich an der Hauptzufahrt (besetzt vom gesondert verfolgten pp. und einem Unbekannten) ein Stau aus den Pkws der Kieswerkmitarbeiter und mindestens 20 Lkws. Der Fahrer des ersten Fahrzeugs fühlte sich psychisch an der Weiterfahrt gehindert; die Weiterfahrt wäre ihm zwar möglich gewesen, hätte aber wahrscheinlich das gespannte Seil gekappt und dadurch zum Absturz der Hängematte und der darin befindlichen Person geführt. Die von der Angeklagten besetzte Zufahrt versuchte nur ein Pkw zu passieren, der „letztlich“ am Fahrbahnrand unter der am gespannten Seil angebrachten Hängematte hindurch weiterfahren konnte. Der Betrieb der Kieswerke war über Stunden hinweg gestört. Die Angeklagte und die weiteren Aktivisten wurden von Polizeikräften mittels Drehleitern aus den Hängematten geholt. Die pp. GmbH & Co.KG macht zivilrechtlich Schadensersatz in Höhe von ca. 30.000 Euro geltend. Ein weiterer Posten blockierte die Zufahrt des mehrere Kilometer entfernten Kieswerks pp., wo sich aus Angst, das gespannte Seil zu kappen, ein Lkw-Fahrer an der Weiterfahrt gehindert sah.

Das Landgericht hat die Angeklagte auch von diesem Vorwurf freigesprochen. Eine Nötigung mit Gewalt hat es verneint, da an der Sperre der Angeklagten kein Fahrzeug an der Durchfahrt gehindert gewesen sei und die Angeklagte eine möglicherweise entstehende physische Blockade nicht in ihr Vorstellungsbild aufgenommen habe; sie habe angesichts ihrer Entfernung von 500 bzw. 700 Metern zu den anderen Sperren die dortigen Geschehnisse nicht sehen oder beeinflussen können. Die freie Gegenspur hätten die Fahrer nicht zum Ausscheren genutzt, da sie annahmen, am Eingang ebenso wie der dortige erste Lkw an der Weiterfahrt gehindert zu sein.“

Das OLG sieht das beides anders und hat aufgehoben. Es reichen, da doe Fragen ja inzwischen schon häufiger entschieden worden sind, die Leitsätze der Entscheidung. Sie lauten:

In pp.

  1. Eine Nötigung mit Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der durch das Blockieren einer Straße gegenüber den ersten Kraftfahrern ausgeübte Zwang sich unmittelbar in physische Hindernisse umsetzt, indem diese Personen und ihre Fahrzeuge bewusst als Werkzeug zur tatsächlichen Behinderung der Nachfolgenden benutzt werden. Anlass, von dieser verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung abzuweichen, besteht nicht.
  2. Entspricht das Blockieren mehrerer Straßen einem gemeinsam gefassten Tatplan, muss sich jeder in die Aktion eingebundene Mittäter die durch das Handeln seiner Tatgenossen plangemäß errichteten Straßensperren und dadurch hervorgerufene Folgen zurechnen lassen.
  3. Die Beurteilung der Verwerflichkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB erfordert eine an den Einzelfallumständen orientierte Abwägung. Im Hinblick auf den Wortlaut und den von § 240 StGB bezweckten Schutz der Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung kann die Grenze zur Verwerflichkeit ohne Weiteres auch ohne eine Gefährdung Dritter überschritten sein. Eine Rechtfertigung von Straßenblockaden aus Art. 8 Abs. 1 GG, nach § 34 StGB sowie unter dem Aspekt des sog. zivilen Ungehorsams ist ausgeschlossen.
  4. Das Flachdach einer Mehrzweckhalle, zu dem kein allgemeiner oder regulärer Zugang eröffnet ist und dessen Betreten ohne mitgebrachte Aufstiegshilfe unmöglich ist, stellt ein befriedetes Besitztum im Sinne des § 123 Abs. 1 StGB dar.