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MPU-Anordnung für Neuerteilung der Fahrerlaubnis, oder: Verwertungsverbot nach dem StVG?

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In der zweiten Entscheidung des Tages, dem BayVGH, Urt. v. 18.01.2023 – 11 B 22.1153 – geht es um die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sowie um einen – behaupteten – Verstoß gegen das ordnungswidrigkeitsrechtliche Verwertungsverbot.

Folgender Sachverhalt:

„Der Kläger begehrt die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringung eines Fahreignungsgutachtens.

Der Kläger war nach Aktenlage zuletzt Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, L, M und S.

Am 22. Oktober 2009 verhängte das Amtsgericht München ein Bußgeld gegen den Kläger wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG, nachdem er am 3. Dezember 2008 unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte. Nach dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München vom 20. Februar 2009, das in jenem Verfahren eingeholt wurde, waren in der zeitnah nach der Tat entnommenen Blutprobe 22 ng/ml THC und 170 ng/ml THC-Carbonsäure festgestellt worden. Diese Entscheidung des Amtsgerichts wurde zunächst in das Verkehrszentralregister eingetragen, ist aber mittlerweile gelöscht und aus dem Fahreignungsregister nicht ersichtlich.

Im Januar 2010 leitete die Beklagte ein Verfahren zur Überprüfung der Fahreignung ein. Dabei ging sie mit Blick auf die festgestellte THC-Carbonsäure davon aus, dass der Kläger regelmäßiger Cannabiskonsument sei. Da dieser geltend machte, keine Drogen (mehr) zu konsumieren, gab die Beklagte ihm zunächst auf, im Rahmen eines Drogenkontrollprogramms einen Abstinenzzeitraum von einem Jahr nachzuweisen. Nachdem der Kläger entsprechende Bescheinigungen eingereicht hatte, forderte die Beklagte ihn unter Bezugnahme auf den Vorfall am 3. Dezember 2008 mit Schreiben vom 4. März 2011 auf, ein Gutachten über seine Fahreignung vorzulegen.

Nachdem der Kläger kein Gutachten vorlegte, entzog die Beklagte ihm mit Bescheid vom 1. August 2011, der mit Ablauf des 5. September 2011 bestandskräftig wurde, die Fahrerlaubnis. Die in der Blutprobe vom 3. Dezember 2008 festgestellte Konzentration an THC-Carbonsäure von 170 ng/ml belege, dass der Kläger zu jenem Zeitpunkt regelmäßig Cannabis eingenommen habe. Die Fahreignung könne daher nur dann wieder als gegeben angesehen werden, wenn der Kläger eine einjährige Abstinenz nachweise, die auf einem tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandel beruhe. Eine einjährige Abstinenz habe der Kläger belegt, die psychologische Untersuchung zum Nachweis eines tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandels jedoch verweigert. Daher sei nach § 11 Abs. 8 FeV auf mangelnde Fahreignung zu schließen. Diese Entscheidung ist nach wie vor im Fahreignungsregister gespeichert.

Am 19. August 2019 beantragte der Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A1 und A (jeweils versehen mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04), B, BE, C1 und C1E. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2019 forderte die Beklagte ihn gestützt auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV und unter Verweis auf die Entziehung vom 1. August 2011 sowie den regelmäßigen Cannabiskonsum auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, das ein Drogenkontrollprogramm über ein Jahr Abstinenz beinhalte. Nachdem der Kläger keine Bestätigung über die Anmeldung zu dem Drogenkontrollprogramm vorlegte und erklären ließ, er werde sich keiner Begutachtung unterziehen, lehnte die Beklagte den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 17. Januar 2020 ab. Aufgrund der mangelnden Mitwirkung sei von Nichteignung auszugehen.

Mit Urteil vom 24. Februar 2021 hat das Verwaltungsgericht München den Bescheid vom 17. Januar 2020 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig. Die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 1. August 2011 sei zwar noch im Fahreignungsregister eingetragen und könne dem Kläger als solche auch noch vorgehalten werden, etwa zur Feststellung eines Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Die Beklagte meine jedoch offensichtlich, sie könne dem Kläger auch die Tat vom 3. Dezember 2008 und die dabei festgestellten Blutwerte, die auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum schließen ließen, vorhalten und zum Anlass für eine Begutachtungsanordnung nehmen. Dies stelle eine Umgehung des Verwertungsverbots aus § 29 Abs. 7 StVG dar. Die Eintragung über die Ordnungswidrigkeit sei nach den seinerzeit geltenden Vorschriften nach fünf Jahren zu tilgen gewesen, was hier auch geschehen sei. Eine Regelung des Inhalts, dass der gesamte Sachverhalt einschließlich der geahndeten Tat, wie er Grundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis gewesen sei, dem Betroffenen so lange vorgehalten werden dürfe, wie die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst verwertbar sei, kenne das Gesetz nicht. Deswegen sei der Schluss aus der Nichtvorlage des angeordneten Gutachtens auf mangelnde Fahreignung unzulässig. Die Beklagte zur Erteilung der Fahrerlaubnis zu verpflichten sei dem Gericht gleichwohl nicht möglich, da sich den Akten nicht entnehmen lasse, ob der Behörde hinreichend aktuelle Unterlagen wie etwa eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs vorlägen.

Dagegen richtet sich die vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassene Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt diese aus, § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV – und damit auch ihre darauf gestützte Beibringungsanordnung – knüpfe an die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Betäubungsmittelkonsums an, nicht an die der Entziehung zu Grunde liegenden Taten. Die Fahrerlaubnisentziehung sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung auch verwertbar gewesen. Wann die vom Kläger begangene Ordnungswidrigkeit zu tilgen gewesen sei, spiele für die Rechtmäßigkeit der Begutachtungsanordnung hingegen keine Rolle. Die lange Tilgungsfrist der Eintragung über die Fahrerlaubnisentziehung sowie der nach § 29 Abs. 5 StVG herausgeschobene Tilgungsbeginn ergäben zudem nur Sinn, wenn die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt sei, unmittelbar aus der eingetragenen Entziehung – unabhängig von der Verwertbarkeit zu Grunde liegender Taten – Eignungszweifel herzuleiten und insoweit eine Begutachtung anzuordnen. Hinzu komme, dass die Fahrerlaubnisentziehung dem Kläger unzweifelhaft weiter vorgehalten werden könnte, wenn sie durch das Strafgericht erfolgt wäre, da eine strafgerichtliche Entziehung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 StVG insgesamt 15 Jahre ab Rechtskraft verwertbar wäre. Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde im Gegensatz dazu nur so lange verwertbar sein solle, bis die Anlasstat getilgt sei, die Grundlage der Begutachtungsanordnung gewesen sei, deren Verweigerung dann zur Fahrerlaubnisentziehung geführt habe. Eine derart unterschiedliche Relevanz der strafgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entziehung im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV sei nicht zu rechtfertigen. Schließlich hätte die Auffassung des Verwaltungsgerichts in der Praxis aufgrund der üblichen Laufzeiten von Ausgangs- und Widerspruchsverfahren zur Folge, dass Betroffene regelmäßig unmittelbar oder zeitnah nach der Entziehung der Fahrerlaubnis die Neuerteilung beantragen könnten, ohne sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung unterziehen zu müssen. Bestätigt werde diese Rechtsauffassung durch die seit dem 28. Juli 2021 geltende gesetzliche Klarstellung in § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG.“

Und: Die Berufung hatte Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der recht umfangreich begründeten Entscheidung:

    1. Der nach § 11 Abs 8 FeV erlaubte Schluss auf die Nichteignung, der zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hat, bedeutet zugleich, dass in einem Neuerteilungsverfahren ein medizinisch-psychologisches Gutachten angefordert werden darf.
    2. Der Rückgriff auf eine bestandskräftige Entziehungsentscheidung stellt auch dann keinen mittelbaren Verstoß gegen das Verwertungsverbot des § 29 Abs 7 Satz 1 StVG a.F. dar, wenn der im Fahreignungsregister gespeicherten Entziehung teilweise derselbe Sachverhalt zu Grunde lag, wie einer nicht mehr gespeicherten Ordnungswidrigkeit wegen der Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis.

Rest dann bitte im verlinkten Volltext selbst lesen.

Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG, oder: Bindungswirkung

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So am heutigen ersten Samstag im April – also Vorsicht es kann also zu Scherzen kommen 🙂 – stelle ich hier zwei verkehrsverwaltungsrechtliche Entscheidungen vor.

Ich beginne mit dem VG Hamburg, Beschl. v. 09.03.2023 – 5 E 970/23 – zur Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 Var. 3 StV. Ergangen ist der Beschluss im vorläufigen Rechtsschutzverfahren.

Das AG hatte die Antragstellerin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 2 StGB) zu einer Gelstrafe von 20 Tagessätzen und ein Fahrverbot für die Dauer von sechs Monaten verhängt. In den Urteilsgründen hat das AG u.a. ausgeführt:

„Gegen die Angeklagte ist ein Fahrverbot in Höhe von 6 Monaten verhängt worden. Aufgrund ihr reuiges Verhalten und des Umstandes, dass sie seit einiger Zeit auf ihre Fahrerlaubnis verzichtet hat, war nämlich die Verhängung einer Sperre nach §§ 69, 69a StGB nicht mehr verhältnismäßig.

Das Fahrverbot ist allerdings nach § 51 Abs. 5 StGB wegen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis abgegolten.“

Die Antragsgegnerin hat dann mit Bescheid vom 20.02.2023 der Antragstellerin ihre Fahrerlaubnis und die sofortige Vollziehung des Bescheids angeordnet. Dagegen der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der Erfolg hatte:

„Rechtsgrundlage der Entziehung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StVG und § 46 Abs. 1 FeV. Danach ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist, wobei es nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann an der Kraftfahreignung fehlt, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen.

Nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dürfte die Antragsgegnerin eine mangelnde Fahreignung der Antragstellerin unter Missachtung der Bindungswirkung von § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG angenommen haben.

Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie nach § 3 Abs. 4 Satz 1 Var. 3 StVG zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Mit dieser Vorschrift soll die sowohl dem Strafrichter (durch § 69 StGB) als auch der Verwaltungsbehörde (durch § 3 Abs. 1 StVG) eingeräumte Befugnis, bei fehlender Kraftfahreignung die Fahrerlaubnis zu entziehen, so aufeinander abgestimmt werden, dass erstens überflüssige und aufwendige Doppelprüfungen unterbleiben und dass zweitens die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschaltet wird. Der Vorrang der strafrichterlichen vor der behördlichen Entscheidung findet seine innere Rechtfertigung darin, dass auch die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter als Maßregel der Besserung und Sicherung keine Nebenstrafe, sondern eine in die Zukunft gerichtete, aufgrund der Sachlage zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidung über die Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr ist. Insofern deckt sich die dem Strafrichter übertragene Befugnis mit der Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde. Während die Behörde allerdings die Kraftfahreignung aufgrund einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers zu beurteilen hat, darf der Strafrichter nur eine Würdigung der Persönlichkeit vornehmen, soweit sie in der jeweiligen Straftat zum Ausdruck gekommen ist. Deshalb ist die Verwaltungsbehörde an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung auch nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und wenn die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als der Strafrichter auszugehen hat. Um den Eintritt einer Bindung überprüfen zu können, verpflichtet die Vorschrift des § 267 Abs. 6 StPO den Strafrichter zu einer besonderen Begründung, wenn er entweder entgegen einem in der Verhandlung gestellten Antrag oder aber in solchen Fällen von einer Entziehung der Fahrerlaubnis absieht, in denen diese Maß-regel nach der Art der Straftat in Betracht gekommen wäre (grundlegend mit zahlreichen weiteren Nachweisen BVerwG, Urt. v. 15.7.1988, 7 C 46/87, BVerwGE 80, 43, juris Rn. 11).

Nach diesen Maßstäben dürfte die Antragsgegnerin an die Feststellung des Amtsgerichts Hamburg-Harburg gebunden sein, dass die Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist.

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg dürfte die Fahreignung der Antragstellerin zu prüfen gehabt haben. Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt, so entzieht ihm das Gericht gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn die rechtswidrige Tat ein Ver-gehen der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) ist. Entgegen der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB kann von der Entziehung der Fahrerlaubnis nur dann abgesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die den seiner allgemeinen Natur nach schweren und gefährlichen Verstoß in einem anderen Licht erscheinen lassen als den Regelfall, oder die nach der Tat die Eignung günstig beeinflusst haben (v. Heintschel-Heinegg/Huber, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2020, § 69 Rn. 75). Nachdem das Amtsgericht Hamburg-Harburg die Antragstellerin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt hat, war das Regelbeispiel des § 316 Abs. 2 Nr. 3 StGB verwirklicht, so dass das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis das Vorliegen besonderer Umstände erforderte.

Die strafgerichtliche Beurteilung der Fahreignung dürfte sich dabei zweifelsfrei aus den schriftlichen Urteilsgründen ergeben. Das Vorliegen einer Eignungsbeurteilung und damit der Eintritt der Bindungswirkung muss dabei nicht auf der Grundlage einer einzigen Formulierung, sondern nach dem Gesamtzusammenhang der Gründe des Strafurteils festgestellt werden (BVerwG, Beschl. v. 20.12.1988, 7 B 199/88, juris Rn. 6). Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg differenziert auf S. 3 schon mit Blick auf die zitierten Vorschriften ausdrücklich zwischen der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB und der Verhängung einer Sperrfrist § 69a StGB. Auch wenn in dem Urteil untechnisch davon gesprochen wird, dass die „Verhängung einer Sperre“ nach §§ 69, 69a StGB nicht mehr verhältnismäßig sei, so wird doch hinreichend deutlich, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB und nicht die Verhängung einer Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a StGB Prüfungsgegenstand war. Denn die Verhängung einer Sperre setzt nach § 69a Abs. 1 Satz 1 StGB die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 69 StGB überhaupt erst voraus. Auch dürfte der angewendete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in den Tatbestand-voraussetzungen des § 69 Abs. 1 StGB zum Ausdruck kommen und damit die Fahreignung selbst Prüfungsgegenstand gewesen sein. In diesem Zusammenhang dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass es sich um ein nach § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO abgekürztes Urteil handelt, bei dem nach dessen Halbsatz 2 sogar bei Entziehung der Fahrerlaubnis auf den Anklagesatz oder die Anklage verwiesen werden dürfte. Schließlich begnügen sich die Urteilsgründe auch nicht mit dem („schlichten“) Hinweis auf einen bloßen Zeitablauf zur Begründung der Feststellung der Fahreignung, ohne überhaupt auf die möglichen Auswirkungen der Straftat auf die Kraftfahreignung und auf die Persönlichkeit der Antragstellerin einzugehen (zu diesem Maßstab BVerwG, Beschl. v. 20.12.1988, a.a.O., Rn. 5). Ausweislich der Gründe auf S.3 der Urteilsausfertigung hat das Amtsgericht Hamburg-Harburg die Fahreignung auch mit dem reuigen Verhalten der Antragstellerin innerhalb des strafgerichtlichen Verfahrens und damit ihre Persönlichkeit begründet. Darin dürfte zugleich ein impliziter Verweis auf die Erwägungen des Gerichts im Rahmen der Strafzumessung zu erblicken sein.

Schließlich liegt der Beurteilung der Fahreignung der Antragstellerin in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Februar 2023 der identische Sachverhalt wie dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 6. Juli 2021, namentlich das Führen eines Kraftfahrzeuges am 2. September 2020 unter dem Einfluss von Amphetaminen, zugrunde.“

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum, oder: Einwand „unbewusste Drogenaufnahme“

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In der zweiten Entscheidung, dem OVG Sachsen,-Anhalt Beschl. v. 26.10.2022 – 3 M 88/22 -geht es mal wieder um die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde. Gestützt worden ist die Entziehung auf die Nichteignung des Betroffenen wegen der Einnahme eines Betäubungsmittels. Der Betroffene wendet ein: Unbewusste Drogenaufnahme. Ohne Erfolg:

„Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt dabei grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich darauf beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Dezember 2021 – 11 CS 21.1896 – juris Rn. 11; OVG Saarl, Beschluss vom 2. September 2021 – 1 B 196/21 – juris Rn. 47; OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2016 – 16 B 166/16 – juris Rn. 11; OVG Brem, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 1 LA 261/15 – juris Rn. 6; OVG MV, Beschluss vom 4. Oktober 2011 – 1 M 19/11 juris Rn. 8). Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu welchem Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt (OVG Bremen, a.a.O.).

Unter diesen Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass er unbewusst Metamphetamin zu sich genommen haben könnte. Nach seiner Schilderung kommt für eine (unbewusste) Einnahme von Betäubungsmitteln nur die Zeit seines Aufenthalts bei einem Schausteller in Betracht, den er gemeinsam mit zwei Aushilfsmitarbeitern beim Aufbau eines Karussells unterstützt hat. In dieser Zeit hat der Antragsteller nach seinen Angaben eine von einem Lieferdienst bestellte Thunfischpizza gegessen und eine Cola getrunken. Sein Getränk und die Getränke der anderen Anwesenden hätten, so der Antragsteller, auf einem Tisch zusammengestanden. Er habe sein Getränk nicht über den ganzen Tag beobachtet.

Dieser Vortrag ist nicht hinreichend plausibel, um von einer unbewussten Einnahme von Betäubungsmitteln ausgehen zu können. Die Beschreibung des Antragstellers gibt keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass ihm jemand in der Situation eines gemeinsamen Arbeitstages gezielt Metamphetamine „unterschieben“ wollte. Für keinen der Anwesenden wäre es von Nutzen gewesen, dem Antragsteller heimlich Drogen beizubringen. Für die dem Antragsteller unbekannten Aushilfsarbeiter bestand ersichtlich keinerlei Motiv, auf eigene Kosten erworbene Betäubungsmittel dem nichtsahnenden Antragsteller zu überlassen. Der Schausteller dürfte für ein Unterschieben von Drogen schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil er mit dem Antragsteller offensichtlich freundschaftlich verbunden war. Er würde auch damit gerechnet haben, dass der Antragsteller auf eine unbewusste Einnahme von Metamphetaminen beunruhigt über die unerklärlichen körperlichen Veränderungen und nicht mit einer Leistungssteigerung aufgrund der aufputschenden Wirkung reagieren würde. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass der Antragsteller versehentlich aus einem Glas getrunken hat, in dem sich ein mit Drogen vermischtes Getränk befunden hat. Ginge man davon aus, dass einer der anwesenden Männer selbst Metamphetamine zu sich nehmen wollte und diese in sein eigenes Getränk gegeben hat, würde eine unbewusste Drogenaufnahme des Antragstellers voraussetzen, dass er seine Cola mit dem drogenhaltigen Getränk dieses Mannes verwechselt hat. Wie es hierzu gekommen sein könnte, hat der Antragsteller jedoch nicht näher beschrieben. Eine Verwechslung käme von vornherein nur in Betracht, wenn mindestens einer der Anwesenden das gleiche Getränk (Cola) aus einem gleichen Behälter (z.B. Glas, Flasche, Dose) getrunken hätte. Der Antragsteller hat jedoch nicht einmal beschrieben, welche Getränkebehälter mit welchen Getränken auf dem Tisch gestanden haben. Die Angaben hierzu sind vage („Flaschen und/oder Gläser“). Es ist auch wenig plausibel, dass mindestens einer der Anwesenden ebenfalls eine Cola aus einem gleichen Trinkgefäß getrunken hat, da der Antragsteller nach seiner Schilderung sein Getränk selbst mitgebracht hatte, die Getränke also nicht von dem Schausteller gestellt wurden. Unabhängig davon, dass sich die Schilderung des Antragstellers schon aus diesen Gründen als unergiebig erweist, müsste hinzukommen, dass sich die beiden Trinkgefäße nebeneinander befunden haben und der Antragsteller deshalb das falsche Gefäß „erwischt“ hat. Das ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil derjenige, der Metamphetamine hat einnehmen wollen, ein Interesse daran gehabt haben wird, eine solche Verwechslung gerade auszuschließen, und die Anzahl der Trinkgefäße angesichts der geringen Zahl von vier Anwesenden überschaubar gewesen sein muss. Lückenhaft ist die Schilderung des Antragstellers auch im Hinblick auf die an dem fraglichen Tag anwesenden Personen. Angesichts einer gemeinsamen Arbeit über einen Zeitraum von über zwölf Stunden wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller genauere Angaben über die beiden Aushilfsarbeiter hätte machen können, von denen die Betäubungsmittel nach seiner Schilderung stammen mussten. Der Antragsteller hat keine Namen genannt und auch sonst keine Angaben gemacht, die auf die Identität dieser Männer schließen lassen könnten. Es fehlen auch Erläuterungen, warum der Antragsteller von dem mit ihm befreundeten Schausteller die Namen der Aushilfsmitarbeiter nicht erfahren konnte. Auch der Schausteller dürfte ein Interesse daran haben, Drogenkonsum seiner Mitarbeiter während der Arbeitszeit auszuschließen. Insgesamt ergeben sich aus der lückenhaften und vagen Schilderung des Antragstellers keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller am fraglichen Tag unbewusst Metamphetamine zu sich genommen haben könnte…..“

Fotografieren von Falschparkern durch Privatpersonen, oder: Verstoß gegen DSGVO?

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Und dann zum Wochenausklang zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen.

Ich beginne mit dem VG Ansbach, Urt. v. 02.11.2022 – AN 14 K 22.00468, das zu der Frage Stellung nimmt, ob das Fotografieren von Falschparkern und die Übermittlung der Fotos an die Ordnungsbehörden durch Privatpersonen datenschutzwidrig ist. Es geht um einen „Sheriff“, der bei seinen Touren mit dem Fahrrad mehrfach Fahrzeuge fotografiert hat, an denen er vorbeifuhr und die verbotswidrig geparkt waren. Die Lichtbilder leitete er anschließend verbunden mit Ordnungswidrigkeitenanzeigen per E-Mail an die zuständige Polizeidienststelle weiter. Die schaltet das Kriminalfachdezernat mit der Bitte um Prüfung eines Verstoßes gegen die DSGVO ein. Gegen den Kläger wird dann zwar kein Bußgeldverfahrens eingeleitet, er wird aber wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO verwarnt.

Dagegen dann die Klage, die beim VG Ansbach Erfolg hatte. Das sagt: Die Verwarnung ist rechtswidrig. Der Kläger hatte ein berechtigtes Interesse. Aus der umfangreichen Begründung:

„… Die Abwägung der berechtigten Interessen des Klägers und der entgegenstehenden Interessen der Fahrzeughalter als betroffene Personen führt nicht zu einem Überwiegen der Interessen der Fahrzeughalter. Vielmehr wiegen die Interessen des Klägers schwerer, wohingegen die Interessen der betroffenen Personen von vergleichsweise geringem Gewicht sind.

In Bezug auf das Recht der betroffenen Personen auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten nach Art. 8 Abs. 1 GRCh bzw. Art. 16 Abs. 1 AEUV hat der Verordnungsgeber durch die Schaffung der verschiedenen Rechtsgrundlagen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b bis f DS-GVO die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten als Einschränkung dieses Rechts normiert. Daher ist ein Eingriff in dieses Recht gerechtfertigt, wenn eine der Bedingungen des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO gegeben ist.

Im Sinne des Erwägungsgrundes 47 Satz 4 der DS-GVO können die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall, da die betroffenen Personen damit rechnen müssen und können, dass ihre Daten zum Zwecke der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit verarbeitet werden.

Es besteht gerade kein Anspruch auf Anonymität im Straßenverkehr, vielmehr muss das Kennzeichen eines Fahrzeugs stets gut lesbar (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 StVO) und mithin öffentlich zugänglich sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 – juris Rn. 24). Ein Fahrzeughalter muss damit rechnen, dass ein mit seinem Fahrzeug begangener Parkverstoß dokumentiert und zur Anzeige gebracht wird. Dass eine solche Anzeige nicht nur durch die Verfolgungsbehörden, sondern auch durch Privatpersonen erfolgen kann, ergibt sich aus § 46 OWiG i.V.m. § 158 Abs. 1 StPO. Sofern die Dokumentation des verbotswidrig parkenden Fahrzeugs nicht zu einer Verarbeitung zusätzlicher personenbezogener Daten von Unbeteiligten führt, ist ein Unterschied zwischen einer schriftlichen Anzeige und der Übermittlung der personenbezogenen Daten des Fahrzeughalters durch die Übersendung eines Lichtbildes nicht erkennbar.

Außerdem ist vorliegend der Eingriff in das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten durch die Übermittlung der Lichtbilder, auf denen das Kfz-Kennzeichen und die Situation des Parkverstoßes zu erkennen sind, als denkbar geringfügig anzusehen. Kfz-Kennzeichen haben nur einen geringen Informationsgehalt, gerade da es einer datenverarbeitenden Privatperson, wie dem Kläger, erst nach einer Abfrage des Fahrzeugregisters möglich wäre, die Identität des Fahrzeughalters zu bestimmen (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 – juris Rn. 23, 25).

Zuletzt muss das Interesse der betroffenen Personen daran, nicht aufgrund der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, ebenfalls zurückstehen, da dem ein rechtswidriges Verhalten zugrunde liegt und es sich somit um ein nicht schutzwürdiges Interesse handelt.

Insgesamt sind die der Datenverarbeitung entgegenstehenden Interessen der Fahrzeughalter daher als von geringem Gewicht einzustufen. Demgegenüber ist den berechtigten Interessen des Klägers an der Verarbeitung der personenbezogenen Daten ein höheres Gewicht beizumessen.

Dem Interesse des Klägers daran, anhand der Verarbeitung personenbezogener Daten eine Ordnungswidrigkeit anzuzeigen, wird schon deshalb einiges Gewicht zuzusprechen sein, weil sich dieses berechtigte Interesse explizit in einem Erwägungsgrund der DS-GVO (Erwägungsgrund 50 Satz 9 der DS-GVO) wiederfindet. Daneben kommt auch dem oben beschriebenen Interesse des Klägers an körperlicher Unversehrtheit und Sicherheit einiges Gewicht zu, da es sich einerseits um hochrangige Rechtsgüter handelt, andererseits aber bei den hier angezeigten Parkverstößen keine konkrete Gefährdung des Klägers gegeben war.

Die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt daher, dass die Interessen des Klägers als Verantwortlichem an der Datenverarbeitung in dem hier streitgegenständlichen Fall diejenigen der betroffenen Personen überwiegen, sodass die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO vorliegend gegeben waren.

Demnach war die Verarbeitung der personenbezogenen Daten durch den Kläger rechtmäßig im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. f DS-GVO.

Ob es im vorliegenden Fall pflichtgemäßer Ermessensausübung entsprochen hat, den Kläger wegen einer einstelligen Anzahl an Anzeigen – bei denen er im Übrigen u.a. durch Schwärzungen auch sorgfältig darauf geachtet hat, keine Daten unbeteiligter Dritter zu verarbeiten, – nicht im Sinne eines „Abschlusses ohne Maßnahme“ formlos auf die vermeintliche Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hinzuweisen, sondern unter Annahme einer „systematischen, individuell gezielten Verkehrsüberwachung“ eine Abhilfemaßnahme nach Art. 58 Abs. 2 DS-GVO in Form der streitgegenständlichen Verwarnung zu ergreifen, kann somit dahingestellt bleiben.“

Fahrtenbuch II: Mitwirkungspflichten des Halters, oder: Unbestimmte Dauer der Auflage

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Die zweite Entscheidung zum Fahrtenbuch kommt mit dem BayVGH, Beschl. v. 30.11.2022 – 11 CS 22.1813 – ebenfalls aus Bayern. Auch in dem Verfahren ist es um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Fahrtbuchauflage gegangen.

Auch hier weitgehend das Übliche, so dass ich mich auch im Wesentlichen auf die Leitsätze zu dem recht umfangreich begründeten Beschluss beschränken will. Die lauten:

    1. Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen soll, den zur Last gelegten Verkehrsverstoß als solchen bestreitet, muss er jedoch im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen lassen. Insbesondere dürfen Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion oder unsachgemäße Bedienung vorliegen.
    2. Unzureichende Mitwirkung des angehörten Fahrzeughalters hat insoweit Bedeutung für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a StVZO, als sie den Einwand abschneiden kann, die Feststellung des Fahrzeugführers wäre nach der Verkehrszuwiderhandlung möglich gewesen, wenn die Bußgeldbehörde weiter ermittelt hätte. Dies gilt insbesondere, wenn der betreffende Fahrzeughalter im Ordnungswidrigkeitsverfahren auf einen ihm übersandten Anhörungsbogen überhaupt nicht reagiert.
    3. Auch ein erst- oder einmaliger Verkehrsverstoß kann eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigen, wenn er von erheblichem Gewicht ist. Dabei kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, wie etwa die konkrete Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes, nicht an. Das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung ergibt sich vielmehr aus ihrer generellen Gefährlichkeit für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Hierbei kann die Behörde auf die Bewertungen abstellen, die in den einschlägigen Straf- und Bußgeldvorschriften mit der Ausgestaltung der Sanktionen sowie in § 40 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. Anlage 13 mit der Einordnung eines Delikts in das Fahreignungs-Bewertungssystem (Punktsystem) zum Ausdruck gebracht worden sind.
    4. Die Behörde ist nicht gehalten, die Maßnahme bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses zu befristen. Danach ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung zu tragen, dass die Anordnung – als Dauerverwaltungsakt – bei Wegfall der ihr zu Grunde liegenden Voraussetzungen sowie dann aufzuheben ist, wenn ihre Dauer mit Blick auf den mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht mehr angemessen ist.

Gnaz interessant ist, was der BayVGH zum Leitsatz 4. konkret ausführt:

„bb) Auch mit Blick auf die Dauer der Verpflichtung zur Führung des Fahrtenbuchs zeigt die Beschwerde keinen Ermessensfehler auf.

(1) Das Landratsamt hat sich ersichtlich an obergerichtlicher Rechtsprechung orientiert, der zufolge die Behörde nicht gehalten ist, die Maßnahme bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses zu befristen. Danach ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung zu tragen, dass die Anordnung – als Dauerverwaltungsakt – bei Wegfall der ihr zu Grunde liegenden Voraussetzungen sowie dann aufzuheben ist, wenn ihre Dauer mit Blick auf den mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht mehr angemessen ist. Ihrer Pflicht, den Verwaltungsakt aus diesem Grunde unter Kontrolle zu halten, kann die Behörde demnach insbesondere dadurch genügen, dass sie in dem Bescheid in Aussicht stellt, die Notwenigkeit seiner Fortdauer nach einer bestimmten Zeit zu überprüfen (vgl. VGH BW, U.v. 3.5.1984 – 10 S 447/84VBlBW 1984, 318/319 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 27.7.1970 – VII B 19.70 – Buchholz 442.15 § 7 StVO Nr. 6; ebenso OVG Bremen, U.v. 9.12.1975 – I BA 52/74 – DAR 1976, 53/55). So ist das Landratsamt hier vorgegangen und hat der Sache von vornherein den Grundstein für eine Beschränkung der Maßnahme auf neun Monate gelegt.

(2) Wenn die Antragstellerin dagegen einwendet, es verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), ein Fahrtenbuch auf unbestimmte Zeit führen zu lassen, geht dies daher bereits von unzutreffenden Voraussetzungen aus.

(3) Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, weshalb es, wie sie darüber hinaus in den Raum stellt, mit der Datenschutzgrundverordnung unvereinbar sein sollte, dass die Antragstellerin für neun Monate ein Fahrtenbuch zu führen, dieses Polizeibeamten sowie Vertretern des Landratsamts auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen und mindestens sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es zu führen ist, aufzubewahren hat. Nach der Rechtsprechung des Senats ist – ungeachtet der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der DSGVO (zweifelnd VG Regensburg, U.v. 17.4.2019 – RN 3 K 19.267 – juris Rn. 24 ff.) – im Falle des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a StVZO eine Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen von Behörden und Gerichten, die insoweit Dritte im Sinn des Art. 4 Nr. 10 DSGVO sind, bei Abwägung mit den Interessen des Fahrzeugführers zulässig. Behörden und Gerichte haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten sowie Straftaten gehört (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2022 – 11 ZB 22.895 – ZfSch 2022, 595 = juris Rn. 18).

Anders als die Beschwerde meint, setzt die Verfolgungsverjährungsfrist, die unter Umständen nur drei Monate beträgt (§ 26 Abs. 3 Satz 1 StVG), insoweit keine beachtliche Grenze. Nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO, auf den das Vorbringen der Sache nach abzielt, sind personenbezogene Daten zwar zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind. Insoweit geht die Antragstellerin jedoch von einem zu engen Erhebungszweck aus. Wie der Antragsgegner zutreffend ausführt, zielt die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs auch darauf ab, ggf. eine Verfolgung von Verkehrsstraftaten zu ermöglichen (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.1964 – VII C 91.61BVerwGE 18, 107/108 f.). Insoweit gelten aber weitaus längere Verjährungsfristen (vgl. §§ 78 ff. StGB). Zudem kann die Fahrtenbuchauflage ihren Zweck, künftig die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten zu ermöglichen und dies zugleich den betroffenen Fahrern zur Verhinderung weiterer Zuwiderhandlungen im Vorfeld vor Augen zu führen (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2015 – 3 C 13.14BVerwGE 152, 180 Rn. 19), nur erfüllen, wenn die ordnungsgemäße Führung kontrolliert werden kann. Dies muss zur Sicherstellung eines rationellen Einsatzes der vorhandenen Mittel auch unabhängig vom Ablauf etwaiger Verjährungsfristen zum Ende der Maßnahme und in einem angemessenen Zeitraum danach möglich sein. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn § 31a Abs. 3 StVZO eine Pflicht zur Aufbewahrung des Fahrtenbuchs für sechs Monate nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, vorsieht. Damit bedarf auch keiner Erörterung, ob hier ein Ausnahmetatbestand gemäß Art. 17 Abs. 3 DSGVO vorliegen könnte.“