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Parken im geschützten/beschränkten „E-Auto-Bereich“, oder: Zusatzschild und Verhältnismäßigkeit

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Im „Kessel Buntes“ „köcheln“ dann heute zwei OVG-Entscheidungen, also Verkehrsverwaltungsrecht.

Ich starte mit dem OVG Münster, Beschl. v. 13.04.2023 – 5 A 3180/21. Der äußert sich zur Rechtmäßigkeit einer Abschleppmaßnahme wegen Verstoßes gegen die Parkerlaubnis nur für elektrisch betriebene Fahrzeuge mit Parkschein. Das VG hatte den Kläger zur Zahlung der Abschleppkosten verurteilt und das damit begründet, dass die Einleitung der Abschleppmaßnahme zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich gewesen. Der Kläger habe beim Abstellen seines Fahrzeug in einer Parkbucht gegen die Verkehrsvorschrift gemäß § 42 Abs. 2 StVO i. V. m. Anlage 3 zur StVO lfd. Nr. 7 Spalte 3 Nr. 3 a) verstoßen. Das Parkschild habe zwar grundsätzlich zum Parken von Fahrzeugen berechtigt. Die Parkerlaubnis sei aber zugunsten von Elektrofahrzeugen beschränkt worden; das kraftstoffbetriebene Fahrzeug des Klägers habe dort nicht abgestellt werden dürfen. Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der sich aus der Beschilderung ergebenden Verkehrsregelung; die Beschilderung sei insbesondere hinreichend bestimmt. Sie sei unmissverständlich dahingehend zu lesen gewesen, dass das Parken nur für Elektrofahrzeuge während der Ladezeit und nur mit Parkschein erlaubt gewesen sei. Das unter dem Zusatzzeichen nach § 39 Abs. 3 StVO (Pkw mit Elektrokabel) angebrachte weitere Zusatzzeichen „Mit Parkschein“ habe sich auf das Verkehrszeichen unmittelbar darüber bezogen. Die Anordnung der Abschleppmaßnahme sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt.

Dagegen die Berufung, die das OVG nicht zugelassen hat. Hier dann nur die Leitsätze des OVG zu der umfangreich begründeten Entscheidung:

    1. Zur Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Parkerlaubnis zugunsten von Elektrofahrzeugen während der Ladezeit und nur mit Parkschein.
    2. Ein Zusatzschild bezieht sich jeweils auf das unmittelbar über ihm befindliche Verkehrszeichen, das seinerseits ebenfalls ein Zusatzzeichen sein kann.
    3. Zur Unwirksamkeit einer Regelung wegen mangelnder Bestimmtheit (vgl. § 37  VwVfG NW). Hier kommt der Regelung für jedermann erkennbar der oben geschilderte Regelungsgehalt zu.
    4. Eine Maßnahme verstößt nicht schon dann gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn zum Zeitpunkt der Maßnahme weitere Plätze des betroffenen Funktionsbereichs frei waren. Dies liefe auf die nicht tragbare Forderung hinaus, entweder nicht berechtigten Verkehrsteilnehmern eine Einschätzungsbefugnis darüber zuzugestehen, ob voraussichtlich in der überschaubaren Zeit sämtliche Plätze des betroffenen Funktionsbereichs belegt sein werden oder nicht, oder den Bediensteten der Verkehrsordnungsbehörden eine Pflicht aufzuerlegen, den Bedarf an freizuhaltenden Plätzen fortlaufend zu überprüfen und hiervon ein Einschreiten abhängig zu machen.

OWi II: Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung?, oder: War das Streckenverbot entfallen?

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Bei der zweiten OWi-Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Brandenburg, Beschl v. 17.11.2022 – 2 OLG 53 Ss-OWi 388/22. 

Er behandelt bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung die Frage des Vorsatzes in Zusammenhang mit einem sog. Zusatzschild. Alles Weitere ergibt sich aus dem Beschluss, und zwar:

„Das Amtsgericht Cottbus verhängte gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 35 km/h eine Geldbuße von 240 EUR.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 17. Juli 2021 mit einem Pkw außerorts die Bundesautobahn 15 in Fahrtrichtung Osten/Grenze und überschritt in Höhe Kilometer 40,2 die zuvor in Trichterform und durch beidseitige Beschilderung mit Zusatzzeichen 112 („unebene Fahrbahn“) angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 35 km/h. Er beschleunigte vor der Messstelle bewusst von 100 km/h auf 135 km/h, weil er keine Fahrbahnschäden mehr feststellen konnte, auch andere Verkehrsteilnehmer wieder beschleunigten und er davon ausging, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht mehr galt. Tatsächlich bestand die Gefahr von Fahrbahnaufwölbungen noch fort. Das Amtsgericht hat das Verhalten des Betroffenen als vorsätzlich gewertet. „Seine völlig eigenmächtige Auslegung“ könne „nicht als Irrtum zu seinen Gunsten gewertet werden.“

Der Betroffene hat durch seinen Verteidiger zur Fortbildung des Rechts die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil beantragt, die Verletzung materiellen Rechts gerügt und beanstandet, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft eine vorsätzliche Tatbegehung zu Grunde gelegt habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Die entscheidungserhebliche Frage, inwieweit eine Fehlvorstellung über das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung eine vorsätzliche Tatbegehung begründet, hat grundsätzliche Bedeutung, weil in gleich gelagerten Fällen mit vergleichbaren Entscheidungen des Amtsgerichts zu rechnen ist (vgl. hierzu Göhler/Seitz/Bauer, OWiG 18. Aufl. § 80 Rn. 4, 5). Die Sache wird insoweit dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80a Abs. 3 OWiG)

2. Die zugelassene Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge insoweit Erfolg, als eine Überprüfung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der subjektiven Tatseite einer Nachprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht standhält.

Das Amtsgericht ist rechtsfehlerhaft von einem vorsätzlichen Verhalten des Betroffenen ausgegangen. Der Betroffene hat nach den getroffenen Feststellungen die Beschilderung zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h zwar wahrgenommen und sich sodann auch bewusst — in der irrigen Annahme, diese gelte nicht fort — zur Beschleunigung auf 135 km/h entschlossen. Er hat sich insoweit jedoch nicht über die geltende Geschwindigkeitsregelung an sich geirrt, was einen — vermeidbaren — Verbotsirrtum zur Folge hätte (§ 11 Abs. 2 OWiG) und der Annahme von Vorsatz nicht entgegenstünde. Sein Irrtum betraf vielmehr äußere Umstände, die zum Tatbestand gehören und die er falsch beurteilt hat, so dass ein Vorsatz entfällt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG).

Ein Streckenverbot, das wie hier zusammen mit einem Gefahrenzeichen angeordnet ist, entfällt auch ohne Aufhebungszeichen (Zeichen 282) dann, wenn sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergibt, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht (Erläuterung Nr. 55 Satz 2 der Anlage 2 zu § 41 StVO; vgl. OLG Celle, Beschl. v. 8. November 2018 — 3 Ss [OWi] 190/18, zit. nach Juris). Über diesen Regelungsgehalt der geltenden Norm und deren rechtliche Bedeutung hat der Betroffene sich nach den Urteilsgründen nicht geirrt. Sein Irrtum bezieht sich vielmehr auf den äußeren, die Örtlichkeit betreffenden Umstand, dass die Gefahrenstelle hier entgegen seiner Annahme nicht zweifelsfrei geendet hatte, sondern die Gefahr weiterhin bestand und die streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung deshalb noch fort galt. Dem liegt eine fahrlässige Fehleinschätzung der Örtlichkeit und damit eines Umstandes zugrunde, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Bei dieser Sachlage ist für die Annahme vorsätzlichen Verhaltens kein Raum (§ 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Der Betroffene handelte vielmehr fahrlässig (§ 11 Abs. 1 Satz 2 OWiG).

Die aufgrund der Sachrüge veranlasste Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat ansonsten materiell-rechtliche Fehler zum Nachteil der Betroffenen nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat selbst abschließend entscheiden (§ 79 Abs. 6 OWiG) und den Schuldspruch ändern sowie den Rechtsfolgenausspruch entsprechend dem hier geltenden Regelsatz für fahrlässiges Verhalten festsetzen (Anhang Nr. 11.3.6 BKatV a.F.).“

Geschwindigkeitsbeschränkung an einer Schule – wann gilt sie?

© Joerg Krumm - Fotolia.com

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Wir finden seit einiger Zeit vermehrt Entscheidungen, die sich mit der Gültigkeit/Geltung von „Zusatzschildern“, wie z.B. „Mo. – Sa. 7 – 18 h“ an Feiertagen, die auf einen „Wochentag“ fallen, befassen. So u.a der der OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.05.2013 – (2 Z) 53 Ss-OWi 103/13 (50/13), vgl. dazu: Beschränkte Beschränkung oder, das VG Düsseldorf, Urt. v. 11.03.2014 – 14 K 7129/13, vgl. dazu: Auch ein “Feiertag” ist ein “Wochentag” – und ein “Spezialparkverbot” gilt). Nun gibt es noch eine AG Entscheidung, die sich mit den Fragen auseinandersetzt und sie anders löst als das OLG Brandenburg, allerdings auf einem etwas anderen Sachverhalt. Beim OLG-Brandenburg war nämlich noch das Zusatzschild „Kinder“ angebracht, beim AG Wuppertal war es das Zusatzschild „Schule“. Daraus leitet das AG ab, dass die in seinem Fall angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung nicht an einem Feiertag gilt. Das AG Wuppertal, Urt. v. 28.01.2014 – 12 OWi-723 Js 1323/13-224/13 – begründet das wie folgt:

Maßgeblich war hier, dass an der konkreten Örtlichkeit keine uneingeschränkte Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h angeordnet wird, sondern diese steht in Kombination mit den verwendeten Zusatzschildern. Zwar spricht der Zusatz „Mo. – Sa., 7 – 18 h“ zunächst dafür, dass eine Beschränkung allein auf Werktage erfolgen sollte, und damit die Geschwindigkeitsbeschränkung auch dann gelten sollte, wenn ein gesetzlicher Feiertag auf einen Tag von Montag bis Samstag fällt. Doch stehen die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung sowie auch das Zusatzschild „Mo. – Sa. 7 – 18 h“ in unmittelbarem Kontext mit dem weiteren Zusatzschild „Schule“. Die Geschwindigkeitsbeschränkungs-anordnung sowie das Zusatzschild „Mo. – Sa. 7 – 18 h“ kann aufgrund der Beschilderung nicht isoliert von dem weiteren Zusatzschild „Schule“ betrachtet werden, sondern die Beschilderung ist in ihrer Gesamtschau zu würdigen. Legt man hier die entsprechende Gesamtschau an, so ist offenkundig, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung an der Örtlichkeit von montags bis samstags den Zweck haben soll, den ungehinderten Schulbesuch zu ermöglichen und die – vornehmlich – Kinder besonders schützen soll. Hier besteht eine so enge, für jeden Verkehrsteilnehmer deutlich erkennbare Verknüpfung zwischen der Geschwindigkeitsbeschränkungsanordnung und dem Zusatzzeichen „Schule“, dass ersichtlich wird, dass die Anordnung an dieser Örtlichkeit hinfällig wäre, wenn sie nicht gerade dem ungehinderten Zu- und Abgang von der Schule dienen sollte. Da an Sonntagen keine Schule stattfindet, sind daher auch konsequent die Sonntage von der Geschwindigkeitsbeschränkung ausgenommen.

Gleiches muss dann aber auch für gesetzliche Feiertage gelten, wenn diese auf einen der Werktage fallen. Denn an diesen findet ebenfalls kein Schulbesuch statt, so dass es des besonderen Schutzes, der mit der örtlichen Schilderkombination offenkundig hergestellt werden soll, nicht bedarf. An gesetzlichen Feiertagen wie Christi Himmelfahrt sind die Schulen vollständig geschlossen und finden noch nicht einmal Projekttage oder Ähnliches statt.

Insoweit ist der Fall daher vorliegend auch anders gelagert als bei der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28.05.2013 (Az.: [2 Z] 53 Ss-OWi 103/13 [50/13]). Denn in dem Fall, den das Oberlandesgericht zu bewerten hatte, war neben der durch Zeichen 274 angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung und dem Zusatzzeichen „Mo. – Fr. 6 – 18 h“ ein weiteres Zusatzzeichen „Kinder“ angebracht. Liegt eine solche Konstellation vor, so ist – anders als hier – nicht offenkundig erkennbar, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung einem ungehinderten Besuch einer Einrichtung dienen soll, die nur zu bestimmten Zeiten bzw. nur an bestimmten Tagen geöffnet hat; vielmehr ist auch an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen mit spielenden Kindern zu rechnen, so dass der Schutzzweck der Geschwindigkeitsregelung nicht gleichermaßen offenkundig und abgrenzbar ist wie im hier vorliegenden Fall.“

Kann man so sehen. Ich vermute mal, das OLG Brandenburg hätte es anders gesehen.

Beschränkte Beschränkung

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Beschränkte Beschränkung? Was ist das? Nun, eine „beschränkte Beschränkung“ hat im OLG Hamm, Beschl. v. 07.03.2001 – 2 Ss OWi 127/01 eine Rolle gespielt. Da ging es um die Frage, ob das an einer Geschwindigkeitsbeschränkung angebrachte Zusatzschild „werktags…“ auch an einem Samstag gilt oder ob der Samstag, weil arbeitfrei“ kein Werktag (mehr) ist. Das OLG Hamm hat damals entschieden, dass auch der Samstag noch ein Werktag ist. An die Problematik hat mich der OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.05.2013 – (2 Z) 53 Ss-OWi 103/13 (50/13) – erinnert. Da ging es nämlich um eine ähnliche Frage. Nämlich darum, ob das Zusatzschild an einer Geschwindigkeitsbeschränkung „montags – freitags“ auch an einem Donnerstag gilt, der ein Feiertag (Christe-Himmelfahrt“ ist. Das OLG hat – m.E. zutreffend – „Ja“ gesagt:

2. Das Amtsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die mit dem Verkehrszeichen 274 in Verbindung mit dem Zusatzzeichen „Mo – Fr, 6 – 18.00 h“ angeordnete Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h auch zur Tatzeit galt und zu beachten war.

Tattag war zwar Christi Himmelfahrt und damit ein gesetzlicher Feiertag. Maßgeblich ist indes allein, dass durch das Zusatzschild die Geltung der Geschwindigkeitsbegrenzung ohne Ausnahme auf alle Montage bis Freitage der Woche bestimmt war, wozu auch der auf den Donnerstag fallende Himmelfahrtstag gehört.

Da die für Montag bis Freitag getroffene Anordnung eine Sonderregelung für auf diese Wochentage fallende gesetzliche Feiertage nicht enthält, gilt der Normbefehl umfassend. Entgegen der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung (Janker NZV 2004, 120, 121; Hentschel/König/Dauer, StVG 42. Aufl. § 39 Rdnr. 31a) lassen Erwägungen zum Schutzzweck der Anordnung – jedenfalls bei Geschwindigkeitsbeschränkungen – eine einschränkende, fallbezogene Auslegung nicht zu. Die Gegebenheiten des fließenden Verkehrs und die für die Verkehrsteilnehmer damit verbundenen Sorgfaltsanforderungen ermöglichen bei der Erfassung von Verkehrsregelungen nicht die Berücksichtigung regelungsspezifischer Besonderheiten, die in den durch Verkehrszeichen geregelten Anordnungen nicht unmittelbar und unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Insbesondere darf es im Interesse der Verkehrssicherheit nicht dem einzelnen Verkehrsteilnehmer überlassen bleiben, nach einer differenzierten Betrachtung selbst zu beurteilen, ob die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund der örtlichen Besonderheiten auch für gesetzliche Feiertage gewollt und geboten ist oder nicht. Da der Straßenverkehr einfache und klare Regeln erfordert, müssen Unbequemlichkeiten, die sich aus einem der Regel entsprechenden Verhalten ergeben und wie hier auch zumutbar sind, im Interesse der Verkehrssicherheit in Kauf genommen werden (vgl. BGH NJW 1970, 2033; BGHSt 22, 137, 140f.). Ob dies für den Bereich des ruhenden Verkehrs anders zu beurteilen ist (vgl. hierzu Janker, aaO.), kann offen bleiben.

Geschwindigkeitsmessung, Richtlinien, Gefahrenstelle und „fehlendes Zusatzschild“

Derzeit sind – aus welchen Gründen auch immer – die mit der Beachtung der Richtlinien für die Geschwindigkeitsmessung zusammenhängenden Fragen im Gespräch. Nachdem gerade erst das OLG Stuttgart seine Rechtsprechung in dem Bereich (teilweise) nach einer Änderung der Richtlinien in Baden-Württemberg geändert hat (vgl. hier OLG Stuttgart), kommt jetzt eine Entscheidung aus Niedersachsen.

Das OLG Celle befasst sich in OLG Celle, Beschl. v. v. 25. 7. 2011 – 311 SsRs 114/11 auch mit der Richtlinienproblematik, und zwar mit einer vom Verteidiger aufgeworfenen Fragestellung, die m.E. bislang noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung gewesen ist.

Der Betroffene hatte gegen die Messung eingewendet, an der Stelle, an der gemessen worden sei, nämlich nur 80m nach dem geschwindigkeitsbegrenzenden Schild, habe nicht gemessen werden dürfen, da es sich nicht um einen Ausnahmefall i.S. der Richtlinie gehandelt habe. Zudem hatte er moniert, dass bei der ihn betreffenden Messung die Geschwindigkeitsüberschreitung durch das Aufstellen weiterer Verkehrszeichen an einer vorgezogenen Position ? wie es bei einer späteren Messung erfolgt sei – hätte vermieden werden können.

Das OLG Celle setzt sich mit beiden Einwänden auseinander, und zwar wie folgt:

  1. Nach Nr. 4 Satz 3 der Anlage zur niedersächsischen Richtlinie sei eine Unterschreitung des Regelabstands wegen der unmittelbar hinter der Messanlage liegenden Gefahrstelle zulässig gewesen sei. Bei der Ausübung des Ermessens, welche Gründe ein Abweichen von der Regel rechtfertigen, ist nach Ansicht des OLG Celle den Straßenverkehrsbehörden ein weiter Spielraum einzuräumen. Ist, wie hier, eine Gefahrenstelle vorhanden, so obliegt es grds. der Verkehrsbehörde, anhand der Gegebenheiten vor Ort zu entscheiden, wo die Messstelle eingerichtet wird; diese Entscheidung ist von den Gerichten hinzunehmen, soweit nicht ausnahmsweise die Grenze zur Willkür überschritten wird. Anhaltspunkte für letzteres hat das OLG verneint.
  2. Willkür sieht das OLG insbesondere auch darin begründet, dass eine Unterschreitung des Mindestabstands durch das Aufstellen weiterer Verkehrszeichen an einer vorgezogenen Position, wie es bei einer weiteren Messung erfolgt sei, hätte vermieden werden können. Bestandteil der Richtlinie, auf deren Einhaltung der Betroffene nach Art. 3 GG Anspruch hat, sei eben auch die Ausnahmeregelung in Nr. 4 Satz 3 der Anlage; die Richtlinie enthalte hingegen an keiner Stelle eine Einschränkung dahingehend, dass die Ausnahme nicht gelte, wenn ein Verkehrszeichen auch in größerer Entfernung von einer Gefahrstelle hätte aufgestellt werden können, was im übrigen sehr oft der Fall sein dürfte. Eine nicht existierende Regelung kann indes keinen Anspruch auf Gleichbehandlung begründen.