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Fahrerlaubnismaßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde, oder: Maßgeblicher Punktestand im FABS

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In der zweiten Entscheidung, dem VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. Beschl. v. 13.03.2023, 13 S 2370/22 – geht es um die Frage des maßgeblichen Punktestandses im FABS und dabei um die Frage der Kenntnis der Verwaltungsbehörde. Dazu der VGH:

„Unabhängig davon vermag die Beschwerdebegründung auch in der Sache eine Änderung der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem (§ 40 i. V. m. Anlage 13 der Fahrerlaubnisverordnung) ergeben. Die kraft Gesetzes (§ 4 Abs. 9 StVG) sofort vollziehbare Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem setzt voraus, dass der Fahrerlaubnisinhaber zuvor das Stufensystem des § 4 Abs. 5 StVG ordnungsgemäß durchlaufen hat (§ 4 Abs. 6 StVG), er also bei Erreichen von vier oder fünf Punkten ermahnt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG) und bei Erreichen von sechs oder sieben Punkten verwarnt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG) wurde.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller mehr als acht Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht hat und vor der Entziehung der Fahrerlaubnis ordnungsgemäß ermahnt und verwarnt wurde. Insbesondere ist es – anders als es das Beschwerdevorbringen meint – nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass die am 24.01., 15.02., 04.03. sowie am 19.11.2020 begangenen und mit insgesamt 5 Punkten belegten Verkehrszuwiderhandlungen nicht von der gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 StVG mit der Ermahnung zu gewährenden Punkteverringerung hätten erfasst werden müssen. Denn die Antragsgegnerin hatte zum Zeitpunkt der mit der Verwarnung vorzunehmenden Verringerung des Punktestands keine Kenntnis von diesen Punkten i. S. v. § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG gehabt.

Zwar hat der Antragsteller über seine damaligen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 23.11. und vom 11.12.2020 die Antragsgegnerin von entsprechenden rechtskräftigen Bußgeldbescheiden unterrichtet. Doch ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig anerkannt, dass die zuständige Behörde den für die Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG erforderlichen Kenntnisstand nur durch Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamts, nicht aber durch Mitteilungen des Fahrerlaubnisinhabers, seines bevollmächtigten Rechtsanwalts oder anderer Privatpersonen erhalten kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 20.07.2016 – 16 B 382/16 – juris Rn. 8 ff. und vom 25.11.2020 – 16 B 854/20 – juris Rn. 20 ff; OVG Sachsen, Beschluss vom 10.02.2017 – 3 B 215/16 -, juris Rn. 8; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.06.2019 – 3 M 85/19 – juris Rn. 13 ff.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 03.03.2020 – 12 ME 6/20 – juris Rn. 16 ff., 23; BayVGH, Beschluss vom 13.01.2022 – 11 CS 21.2794 – juris Rn. 13; ebenso Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., § 4 StVG Rn. 88b; Stieber in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 4 StVG Rn. 82; Koehl, NJW 2018, 1281 <1284>; anderer Ansicht Pießkalla, NZV 2017, 261 <263 ff.>, auf den der Antragsteller Bezug nimmt). Diese Rechtsprechung kann sich zudem auf die Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26.01.2017 – 3 C 21.15 – juris Rn. 25; Beschluss vom 22.02.2022 – 3 B 11.21 – juris Rn. 17) stützen, nach der im Fahreignungs-Bewertungssystem die Fahrerlaubnisbehörde auf der Grundlage der ihr gemäß § 4 Abs. 8 StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Eintragungen im Fahreignungsregister entscheidet und dieser Kenntnisstand maßgebend für die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG ist.

Das Vorbringen des Antragstellers vermag diese Rechtsprechung nicht in Frage zu stellen. Zwar ist in § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG nicht ausdrücklich geregelt, welche Informationsquellen die Fahrerlaubnisbehörde bei der Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG zu berücksichtigen hat. Für die Beschränkung auf Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamts sprechen aber – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – die Systematik des § 4 StVG und der Sinn und Zweck des Fahreignungs-Bewertungssystems. Nur das Kraftfahrt-Bundesamt kann zuverlässig über die Eintragungen im Fahreignungsregister unterrichten, das bei ihm geführt wird. Würden auch private Mitteilungen als Informationsquellen zugelassen, wäre dies mit der Gefahr von fehlerhaften Mitteilungen und demzufolge mit einem hohen Prüfaufwand der Fahrerlaubnisbehörde verbunden. Die mit der Zulassung von privaten Mitteilungen verbundene Möglichkeit, begangene Zuwiderhandlungen mit dem Ziel zu sammeln, diese der Fahrerlaubnisbehörde „auf einen Schlag“ zur Kenntnis zu geben und dadurch eine Punktereduzierung zu erreichen, wäre mit dem Zweck des Fahreignungs-Bewertungssystems, die von Mehrfach- und Intensivtätern ausgehenden Gefahren im Straßenverkehr zu vermeiden, nicht zu vereinbaren (vgl. zum Ganzen Dauer a. a. O.). Dies hat das Verwaltungsgericht unter Aufbereitung der genannten obergerichtlichen Rechtsprechung in dem angegriffenen Beschluss ausführlich und zutreffend dargelegt, so dass auf ihn zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO)…..“

Fahrerlaubnisentziehung I, oder: Änderung des Punktestandes nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

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Am „Kessel-Buntes-Tag“ heute dann zwei verkehrsverwaltungsrechtliche Entscheidungen.

Bei der ersten, die ich vorstelle, handelt es sich um das OVG Lüneburg, Urt. v. 10.08.2020 – 12 LB 64/20. Gestritten worden ist um eine Fahrerlaubnisentziehung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Bei der Ermittlung des für die Entziehung maßgeblichen Puntestandes ist eine OWi des Klägers berücksichtigt worden, bei der dem Kläger nachträglich gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden ist. Der Kläger war der Auffassung, dass die auf dieser „Eintragung“ beruhenden Punkte damit nachträglich weggefallen seien und nicht (mehr) berücksichtigt werden durften. Das OVG hat ihm Recht gegeben.

Hier der Leitsatz der recht umfangreichen Entscheidung, die ich im Übrigen dem Selbststudium überlasse:

Wurde bei der Ermittlung des Punktestandes, der einer Fahrerlaubnisentziehung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu Grunde lag, eine durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid geahndete Zuwiderhandlung berücksichtigt, so entfallen die Voraussetzungen für diese Berücksichtigung rückwirkend, wenn dem Fahrerlaubnisinhaber Wiedereinsetzung in die Frist für einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gewährt wird.

Bei der Gelegenheit:

Wie immer nach einiger „Laufzeit“ gibt es auch bei dem Buch Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr. 5. Aufl., das im November 2019 erschienen ist, sog. Mängelexemplare. Das sind Bücher, in denen alles drin steht :-), die aber optische Mängel haben, also z.B. keinen Schutzumschlag mehr bzw. ggf. eine eingenkickte Seite usw. Die Bücher stammen aus sog. Retouren, also Rücksendungen von Kunden, die es sich nach der Bestellung anders überlegt und das bestellte Buch dann zurückgeschickt haben. Die Bücher können nicht mehr als „1a-Ware“ verkauft werden, aber eben noch als Mängelexemplare. Und eine solche Mängelaktion läuft seit gestern beim ZAP-Verlag. Der Preis dieser Bücher: 78,90 EUR. Wer Interesse hat: Einfach hier die Bestellseite anklicken und bestellen 🙂 .

 

Geb ich dir, gibst du mir

so hatte offenbar der Kraftfahrer gedacht, der auf seine Fahrerlaubnis verzichtet hat und sich dadurch das Löschen seiner Punkte in der Flensburger Datei erhofft hatte. Die Sache war streitig und ist bis zum BVerwG gegangen, das über diese Problematik mit Urt. v. 03.03.2011 – 3 C 1.10 entschieden hat. Bisher liegt nur die PM dazu vor. Darin wird mitgeteilt:

Keine Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister nach Verzicht auf die Fahrerlaubnis

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis nicht zu einer Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister nach § 4 Abs. 2 Satz 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) führt.

Aufgrund zahlreicher vom Kläger begangener Verkehrsverstöße forderte das Landratsamt Berchtesgadener Land von ihm im Oktober 2005 die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens; es wies darauf hin, dass bei Nichtvorlage auf seine mangelnde Fahreignung geschlossen werden dürfe und ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden müsse. Der Kläger gab an, nicht über die finanziellen Mittel für ein solches Gutachten zu verfügen und ohnehin ein Fahrverbot antreten zu müssen; er verzichtete er auf seine Fahrerlaubnis und gab den Führerschein im Februar 2006 bei der Fahrerlaubnisbehörde ab. Nach der Teilnahme an einem Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung erhielt er im September 2006 eine neue Fahrerlaubnis. Da der Kläger im Oktober 2007 16 Punkte im Verkehrszentralregister erreichte, ordnete das Landratsamt die Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Hiergegen wandte er ein, dass wegen seines Verzichts auf die Fahrerlaubnis die zuvor eingetragenen Punkte zu löschen gewesen seien. Die Vorinstanzen haben ihm mit unterschiedlicher Begründung Recht gegeben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidungen geändert und die Klage abgewiesen. Die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG, dass bei der Entziehung der Fahrerlaubnis die Punkte für die vor dieser Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht werden, ist nicht auf die Fälle eines Verzichts auf die Fahrerlaubnis übertragbar. Einer analogen Anwendung steht entgegen, dass der Normgeber ausweislich der Gesetzesbegründung bei Verzichtsfällen bewusst von einer Löschung der Punkte abgesehen hat; somit fehlt es an einer unbewussten Regelungslücke. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarf es auch keiner erweiternden Auslegung der Löschungsregelung aus Gründen der Gleichbehandlung; die vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG vorgesehene Differenzierung zwischen einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis und deren Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde ist sachlich gerechtfertigt.“

Punkteabfrage leicht gemacht

Der Nachrichtendienst von Jurion meldet zu einer PM der Bundesverkehrsministeriums  (29/2011 v. 28.0.2011):

„Neuer Personalausweis macht Punkteabfrage einfacher – Online-Antrag an Kraftfahrt-Bundesamt vorgestellt und voraussichtlich im Mai 2011 frei geschaltet

Verkehrsteilnehmer können künftig über die Internetseite des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) Auskunft über ihren Punktestand beantragen. Möglich macht dies der neue Personalausweis im Scheckkartenformat. Mit diesem kann man sich sicher identifizieren und den Online-Antrag stellen. Auf der CeBIT wird das neue Verfahren erstmals vorgestellt. Es soll voraussichtlich im Mai vom Kraftfahrt-Bundesamt für alle freigeschaltet werden.

Bisher muss ein Antrag schriftlich ausgefüllt und zusammen mit einer Kopie des Personalausweises auf dem Postweg nach Flensburg geschickt werden. Künftig reichen der neue Personalausweis, ein Lesegerät, das an den Computer angeschlossen wird und die persönliche PIN. Die Daten werden verschlüsselt übermittelt. Das Kraftfahrt-Bundesamt verschickt die Auskunft aus dem Register in Papierform. Mittelfristig soll auch die Antwort des KBA per Internet erfolgen. Neben rechtlichen Anpassungen sind hierfür weitere technische Anforderungen und Sicherheitsbedingungen zu erfüllen. Zudem muss der umfangreiche Datenbestand des KBA komplett digitalisiert werden.

Premiere auf der CeBIT

Am 01.03.2011 wird das Bundesverkehrsministerium das System auf CeBIT in Hannover erstmals vorstellen. Der Online-Antrag an das KBA ist die erste Anwendung des neuen Personalausweises innerhalb der Verkehrsverwaltung.“