Archiv der Kategorie: Urteilsgründe

Einziehung I: Einziehung des Handys beim BTM-Handel, oder: Ermessen ausgeübt?

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Und dann – bevor es morgen RVG-Entscheidungen gibt – noch ein „normaler“ Tag. An dem werde ich heute Entscheidungen vorstellen, die mit „Einziehung“ (§§ 73 ff. StGB) zu tun haben.

Ich beginne mit dem KG, Beschl. v.23.11.2020 – (4) 121 Ss 165/20 (205/20) -, den mir der Kollege O. Sydow aus Berlin geschickt hat. Das Jugendschöffengericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und ihn angewiesen, an einem sozialen Kompetenztraining, teilzunehmen. Ferner hat es „das sichergestellte Handy und die beschlagnahmten 30 € Handelserlös“ eingezogen. In den Urteilsgründen findet sich (nur) die Feststellung, dass der Angeklagte das. abgeurteilte Handelsgeschäft über „das sichergestellte iPhone 7 Plus mit Schutzhülle, SIM-Karte und mit der IMEI ppp., das dem Angeklagten gehörte“ vereinbart habe.  Die Einziehungsentscheidungen hat das Amtsgericht  wie folgt begründet: „Die Einziehung von 30,00 € basiert auf § 73 Abs. 1 StGB, jene des Mobiltelefons auf § 74 Abs. 1 StGB“.

Das reicht dem KG so nicht. Es hat den Rechtsfolgenausspruch aufgehoben:

2. Zu Recht beanstandet die Revision, dass das angefochtene Urteil hinsichtlich der getroffenen Einziehungsentscheidung des. Mobiltelefons keine Erwägungen enthält, die über die Nennung der Vorschrift des § 74 Abs. 1 StGB hinausgehen. Dafür, dass das Jugendschöffengericht sich des ihm nach § 74 Abs. 1 StGB eröffneten Ermessens überhaupt bewusst war, lässt sich den Urteilsgründen nichts entnehmen (vgl. KG, Beschluss vom 30. Juli 2020 – (5) 161 Ss 74/20 (31/20) -).

Es entspricht indes (auch) der kammergerichtlichen Rechtsprechung, dass, wenn die Einziehung nicht zwingend vorgeschrieben ist, das Urteil erkennen lassen muss, dass sich der Tatrichter der Befugnis, nach seinem Ermessen zu entscheiden, bewusst gewesen ist. Die Erwägungen, die der Ermessens-entscheidung zugrunde liegen, sind in dem Urteil darzulegen. In diesem Rahmen bedarf es auch sowohl der nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als auch des Tätigens von Angaben zum Wert des Einziehungsgegenstandes oder solcher, auf deren Basis der Wert geschätzt werden kann (KG, Beschluss vom 5. April 2019 – (3) 161 Ss 28/19 (20/19) -). Dies lässt das angefochtene Urteil vermissen, weshalb der diesbezügliche Ausspruch keinen Bestand haben kann.

3. Der dargelegte Mangel des Urteils führt aus dem oben zu 1. genannten Grund zur Aufhebung der gesamten Rechtsfolgenaussprüche. Das neue Tatgericht wird diese auch in ihrer Wechselwirkung neu zu beurteilen haben; es liegt dabei nicht fern, dass es erneut zu einer Einziehungsentscheidung gelangt. Das Ansinnen der Revision, dass der Strafsenat selbst die Entscheidung treffen möge, von einer Einziehung abzusehen, ist zurückzuweisen, zumal das Vorbringen, das Gerät gehöre nicht dem Angeklagten, sondern dessen Mutter, als urteilsfremd keine Berücksichtigung finden kann.

Das Urteil ist mithin in den Rechtsfolgenaussprüchen mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO an eine andere Jugendabteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.“

Der Senat tritt diesen Ausführungen, die auch seiner Rechtsprechung entsprechen (vgl. etwa Beschluss vom 29. November 2019 — [4] 161 Ss 115/19 [203/19] —), bei; er entscheidet deshalb (unter weiterer Anwendung des § 349 Abs. 4 StPO) gemäß dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.

Das neu mit der Sache befasste Gericht wird die Gelegenheit haben, die Vorausset-Zungen des § 74 Abs. 3 Satz 1 StGB unter Auswertung aller aktenkundigen Umstände in nachprüfbarer Weise zu begründen; hierbei wird es bedenken können, dass allein die Tatsache, dass der Erwerb des Smartphones durch die Mutter des Angeklagten zu einem Zeitpunkt erfolgte, als dieser noch 16-jährig war, entgegen der Auffassung der Revision nicht notwendig gegen das Vorliegen dieser Voraussetzungen sprechen muss. Zudem ist bei erneuter Einziehungsentscheidung zu beachten, dass ein einzuziehender Gegenstand (schon) im Urteilstenor so genau zu bezeichnen ist, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. KG, Beschluss vom 30. Juli 2020, aaO, mwN); dass sich die erforderliche Individualisierung notfalls auch unter Zuhilfenahme der Urteilsgründe ergeben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2020 — 6 StR 71/20 — [juris] mwN), ändert nichts an dem grundsätzlichen Erfordernis der Vollstreckbarkeit des Urteils schon anhand eines hinreichend klaren Entscheidungssatzes.“

OWI III: Noch einmal Trunkenheitsfahrt (§ 24a Abs. 1), oder: Urteilsanforderungen

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Und als letzte Entscheidung dann der KG, Beschl. v. 23. April 2021 – 3 Ws (B) 87/21 – nochmals zur Trunkenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG, und zwar zu den Anforderungen an das Urteil. Da reichen die umfangreichen Leitsätze der Entscheidung, nämlich:

  1. Auch ein Urteil in Bußgeldsachen erfordert in aller Regel Feststellung zur inneren Tatseite. Gerade die Annahme vorsätzlichen Handelns bedarf, jedenfalls wenn es nicht wie z. B. beim Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO in der Tat angelegt ist und sich gewissermaßen von selbst versteht, ausdrücklicher Feststellung.

  2. Eine Verweisung ist nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO nur auf Abbildungen möglich. Eine unwirksame Verweisung auf Schriftdokumente kann den Bestand des Urteils gefährden.

  3. Möchte das Tatgericht Nr. 241.1 BKat anwenden, so hat es mitzuteilen, welche im Fahreignungsregister nach § 24a StVG oder §§ 316, 315c Abs. 1a StGB eingetragene Entscheidung es verwerten und zum Anlass der Rechtsfolgenbemessung nehmen will.

  4. Es ist verfehlt, den Auszug aus dem Fahreignungsregister in faksimilierter Form im Urteil wiederzugeben und dadurch Lesbarkeit und Verständnis der Urteilsgründe zu erschweren.

  5. Nimmt das Tatgericht irrelevante oder getilgte Eintragungen in das Urteil auf, läuft es Gefahr, dass seine Strafzumessung hiermit in Zusammenhang gebracht und vom Rechtsmittelgericht aufgehoben wird.

  6. Möchte das Tatgericht bei einer Verurteilung nach § 24a StVG Ausfallerscheinungen und Fahrfehler bußgelderhöhend berücksichtigen, so hat es diese Umstände darzustellen. Der richtige Ort hierfür sind die Urteilsfeststellungen.

  7. Möchte das Tatgericht den Umstand, dass der Betroffene „in den letzten24 Stunden vor der Blutentnahme“ auch ein Medikament eingenommen hat, rechtsfolgenerhöhend berücksichtigen, so hat es mitzuteilen, unter welchem Gesichtspunkt dies geschieht. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist dabei die Überzeugung zu vermitteln, dass der Wirkstoff des Medikaments zur Tatzeit noch nachweisbar war (bzw. im Falle einer Untersuchung gewesen wäre) und dass der festgestellte Mischkonsum zumindest abstrakt gefahrerhöhend war.

OWi II: Messung mit Dräger ALCOTEST 9510 DE, oder: Ein Lutschbonbon „Fisherman’s Friend“ im Mund

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt mit dem OLG Dresden, Beschl. v. 28.04.2021 – OLG 22 Ss 672/20 (B) – vom OLG Dresden. Gegenstand der Entscheidung ist eine Trunkenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG und in dem Zusammenhnag die Frage der Bedeutung der sog. Kontrollzeit. Das AG hatte nicht ausschließen können, dass der Betroffene während der Kontrollzeit von 10 Minuten vor Beginn der Messung mit Dräger ALCOTEST 9510 DE ein Lutschbonbon ‚Fisherman’s Friend‘ im Mund hatte.

Das OLG hat die amtsgerichtliche Verurteilung aufgehoben:

1. Das Amtsgericht hat unter anderem festgestellt:

„Der Betroffene führte unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt am 07.12.2018 um 01.18 Uhr in B-Straße/I-Straße den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichenpp. mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/I oder mehr. Die festgestellte Atemalkoholkonzentration betrug 0,26 mg/I. Die Feststellung der Atemalkoholkonzentration erfolgte mit dem Gerät Dräger ALCOTEST 9510 DE.“

2. Zur Beweiswürdigung führt das Amtsgericht unter anderem aus:

„Im Ergebnis der Beweisaufnahme war der Bußgeldrichter davon überzeugt, dass der Betroffene am 07.12.2018 in B um 01.18 Uhr ein Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,26 mg/I geführt hat. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene während der Kontrollzeit von 10 Minuten vor Beginn der Messung ein Lutschbonbon ‚Fisherman’s Friend‘ im Mund hatte. Dieses hatte er zu Beginn der Messung verschluckt. Das durch den Bußgeldrichter eingeholte Gutachten S weist überzeugend nach, dass das Lutschen des Bonbons in der Kontrollzeit keinen Einfluss auf die Messung hat. Der Bußgeldrichter ging daher von einer Atemalkoholkonzentration von 0,26 mg/I nach Durchführung der Beweisaufnahme aus.“

3. Diese Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen den angefochtenen Schuldspruch nicht.

Nach den Urteilsfeststellungen konnte der Bußgeldrichter nicht mit „letzter Gewissheit“ ausschließen, dass der Betroffene während der Kontrollzeit ein Bonbon „Fisherman’s Friend‘ eingenommen hat. Diese Einlassung des Betroffenen hat er auch nicht als Schutzbehauptung behandelt, so dass der Senat an diese Feststellungen gebunden ist.

Die Frage der Verwertbarkeit eines unter Nichteinhaltung der zehnminütigen Kontrollzeit gewonnenen Messergebnisses ist mittlerweile in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.

a) Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Atemalkoholbestimmung nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamtes gestellten Anforderungen genügen (BGHSt, 46, 358 ff.). Nach diesem Gutachten des Bundesgesundheitsamtes besteht für das Messverfahren neben dem Erfordernis einer Kontrollzeit von zehn Minuten vor der Atemalkoholmessung unter anderem die Vorgabe, dass zwischen der Beendigung der Alkoholaufnahme (Trinkende) und der Atemalkoholmessung ein Zeitraum von 20 Minuten verstrichen sein muss. Die vorgeschriebene Kontrollzeit von zehn Minuten vor der ersten Messung dient dazu, die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch Mund- oder Mundrestalkohol auf das Messergebnis auszuschließen. In der sogenannten Kontrollzeit von zehn Minuten muss gewährleistet sein, dass der Betroffene keinerlei Substanzen mehr zu sich genommen hat (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2006, 250).

b) Wenn diese Kontrollzeit von zehn Minuten nicht eingehalten wird, muss dies zumindest in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht oder nur ganz geringfügig überschritten worden ist, zur Unverwertbarkeit der Messung führen (vgl. OLG Karlsruhe, DAR 2004, 466 für einen AAK-Wert von 0,26 mg/I; OLG Bamberg, BA 45, 197 für einen AAK-Wert von 0,25 mg/l). Nur unter der Voraussetzung, dass binnen eines Zeitraumes von zehn Minuten vor der Messung der Betroffene keinerlei Substanzen, insbesondere alkoholhaltiger Art, mehr im Rachenraum hatte, kann mit Sicherheit gewährleistet werden, dass das mittels des Messgerätes Dräger Evidential 7110 bzw. Dräger ALCOTEST 9510 DE gewonnene Ergebnis nicht durch Rückstände im Rachenraum beeinträchtigt worden ist. Dementsprechend liegt nur bei Einhaltung dieser Kontrollzeit – jedenfalls bei bloßem Erreichen des Grenzwertes bzw. bei nur geringfügiger Überschreitung desselben – ein verwertbares Messergebnis vor (OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.). Wenn somit in Fällen wie dem vorliegenden (AAK von 0,26 mg/l) kein verwertbares Messergebnis vorliegt, so kann auch nicht durch HinzuZie.1 eines Sachverständigen geklärt werden, inwieweit dieses unverwertbare Messergebnis durch die aufgenommenen Fremdsubstanzen beeinflusst worden sein kann (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Karlsruhe, DAR 2016, 150).

Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat für den Fall der Nichteinhaltung der Kontrollzeit bei Erreichen oder nur geringfügigem Überschreiten des Grenzwertes an.

Mit den Feststellungen des Amtsgerichts in den Urteilsgründen ist somit nicht der Nachweis erbracht, dass sich der Betroffene zur Tatzeit im Sinne des § 24 a Abs. 1 OWiG ordnungswidrig verhalten hat. Das angefochtene Urteil ist deshalb auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin aufzuheben.“

StGB I: Das heimliche Verabreichen von Wodka, oder: Gefährliche Körperverletzung?

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Heute dann ein Tag mit StGB-Entscheidungen.

Und in den starte ich mit dem BGH, Beschl. v. 18.02.2021 – 4 StR 473/20, dem folgende Feststellungen des LG zugrunde liegen:

„Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der damals 37-jährige Angeklagte im Jahr 2011 ein sexuelles Interesse an der damals 15-jährigen Zeugin B. entwickelt. An einem Abend im Sommer 2011 fand im Haus des Angeklagten und seiner damaligen Ehefrau ein Spieleabend statt, an dem auch die Zeugin B. teilnahm. Im späteren Verlauf des Abends waren nur noch der Angeklagte, die Zeugin sowie deren 18-jähriger Freund anwesend. Die Zeugin trank zunächst ein Glas oder eine Flasche Bier. Anschließend trank sie ein Glas Wein. Der Angeklagte schenkte ihr immer wieder nach, wobei er ausnutzte, dass sie aufgrund des Spiels abgelenkt war oder zur Toilette gegangen war. Sie bekam aber auch mit, dass der Angeklagte ihr nachschenkte. Schließlich entschied sich die Zeugin, auf weiteren Alkoholkonsum zu verzichten, und trank fortan nicht-alkoholische Getränke, weil sie bemerkt hatte, dass sie durch den genossenen Alkohol angetrunken war.

Der Angeklagte erkannte, dass die Zeugin nunmehr nur noch nicht-alkoholische Getränke zu sich nahm. In der Hoffnung, alsbald mit ihr allein sein zu können, schenkte er ihr – von ihr unbemerkt – mindestens einmal Wodka in ihr nicht-alkoholisches Getränk, worauf sie dieses Mischgetränk zu sich nahm. Nach einem Streit mit dem Freund der Zeugin, der den Angeklagten aufgefordert hatte, weiteres Einschenken zu unterlassen, verließen die Zeugin und ihr Freund das Haus des Angeklagten. Die Zeugin war nunmehr erheblich betrunken. Sie hatte Schwierigkeiten beim Gehen und bei der Artikulation. Als sie zu Hause ankam, musste sie sich übergeben.“

Das LG das heimliche Verabreichen des Wodkas als gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB gewürdigt.

Dem BGH gefällt das so nicht:

„2. Das Landgericht hat nicht tragfähig begründet, dass das heimliche Zuführen des Wodkas den bereits zuvor eingetretenen Rauschzustand der Zeugin B. maßgebend verstärkte und daher mitursächlich für ihre späteren rauschbedingten Beeinträchtigungen war. Das Urteil leidet insoweit an durchgreifenden Erörterungsmängeln.

a) Zwar ist das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass eine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 StGB auch in der Herbeiführung eines Rauschzustandes liegen kann, wenn der Rausch etwa zur Bewusstlosigkeit führt oder der Betroffene sich übergeben muss (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1981 – 2 StR 734/80, NJW 1983, 462). Das Landgericht hat auch nicht verkannt, dass das Nachschenken von Wein in das Weinglas der Zeugin nicht den Tatbestand der Körperverletzung erfüllte. Denn der Zeugin war insoweit bewusst, dass sie Alkohol zu sich nahm, weshalb lediglich eine Förderung der eigenverantwortlichen Selbstschädigung durch einen Dritten vorliegt, die erst dann strafbar wird, wenn der Dritte aufgrund überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfasst als der sich selbst Gefährdende (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 1984 – 1 StR 200/84, NStZ 1985, 25). Dass die Zeugin einer Fehleinschätzung über die Menge des genossenen Weines oder dessen möglichen Wirkungen unterlag, hat das Landgericht nicht festgestellt.

b) Indes beruht die Annahme des Landgerichts, allein (UA S. 17) durch die heimliche Beibringung des Wodkas habe sich der bereits eigenverantwortlich herbeigeführte Rauschzustand der Zeugin in einer den Tatbestand der Körperverletzung erfüllenden Weise verschlechtert, auf durchgreifenden Erörterungslücken.

Das Urteil lässt bereits Feststellungen zu den Trinkzeiten und insbesondere der Trinkmenge der nicht alkoholgewöhnten Zeugin vermissen, die sie vor der heimlichen Beibringung des Wodkas zu sich nahm. Schon deshalb ist nicht nachzuvollziehen, ob die festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Zeugin nicht bereits auf den eigenverantwortlich herbeigeführten Rauschzustand zurückzuführen sind. Dies gilt erst recht mit Blick darauf, dass sich das Urteil nicht dazu verhält, welche Menge Wodka der Angeklagte der Zeugin heimlich verabreichte. Dass es sich hierbei lediglich um eine geringe, für die körperlichen Beeinträchtigungen der Zeugin möglicherweise nicht (mehr) relevante Menge gehandelt haben kann, ist schon deshalb nicht fernliegend, weil das Landgericht – insoweit ersichtlich der Aussage des Freundes der Zeugin folgend – zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe (nur) einmal Wodka in das Getränk der Zeugin geschüttet (UA S. 18).“

Strafzumessung III: Geschätze Vermögensverhältnisse, oder: Bitte doch die BaFin um Hilfe/Auskunft

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Und als dritte Entscheidung stelle ich dann zum Tagesschluss noch den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.04.2021 – 2 RVs 11/21 – vor. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 25 EUR. Auf die Sprungrevision des Angeklagten hat das OLG im Strafausspruch aufgehoben:

„Das Amtsgericht hat eine Tagessatzhöhe von 25 Euro zugrunde gelegt, ohne Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten, der hierzu keine Angaben gemacht hat, zu treffen. Es kann nicht nachvollzogen werden, wie das Amtsgericht diesen Betrag ermittelt hat.

Zwar können die Einkünfte des Angeklagten, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes geschätzt werden (§ 40 Abs. 3 StGB). Jedoch setzt eine Schätzung die konkrete Feststellung der Schätzungsgrundlagen und deren überprüfbare Darstellung in den Urteilsgründen voraus (vgl. BVerfG NStZ-RR 2015, 335; OLG Hamm StraFo 2001, 19; KG Berlin BeckRS 2016, 2914; OLG Zweibrücken ZfSch 2017, 649). Daran fehlt es hier. Soweit der Angeklagte im Urteilsrubrum als „Selbständiger“ bezeichnet worden ist, kommt dem schon mangels Angabe des Berufszweiges keine Aussagekraft zu. Auch ist nicht ersichtlich, worauf diese berufliche Einordnung beruht. Abgesehen davon sind Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten in den Urteilsgründen zu treffen.

Da es sich bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe um einen abtrennbaren Teil des Strafausspruchs handelt, führt der Rechtsfehler nur insoweit zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung (vgl. BGH NStZ 1986, 547; BeckOK StPO/Wiedner, 39. Edition 2021, § 353 Rdn. 23).“

Insoweit nichts Weltbewegend Neues aus dem Rheinland. Aber: Interessant dann die „Handreichungen“ des OLG zur „Vorbereitung der neuen Hauptverhandlung“. Da zeigt das OLG dem AG einen Weg, weist der Senat auf Folgendes hin:

„Zur Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Angeklagten, der hierzu keine Angaben macht, können in zwei Schritten Finanzermittlungen durchgeführt werden.

Zunächst kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) um Auskunft über die Kontostammdaten des Angeklagten ersucht werden (§ 24c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG). Ein solches Auskunftsersuchen ist nicht an eine bestimmte Schwere der zu verfolgenden Straftat gebunden und auch in Fällen nur leichter Kriminalität zulässig (vgl. OLG Stuttgart NStZ 2016, 48; BeckOK StPO/Sackreuther, 39. Edition 2021, § 161 Rdn. 5; Erb in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2018, § 161 Rdn. 39). Denn der Gesetzgeber hat davon abgesehen, die durch § 24c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG eröffnete Auskunftsmöglichkeit auf bestimmte Katalogtaten zu beschränken. Vielmehr gelten die allgemeinen Regeln der §§ 152 Abs. 2, 160 StPO. Danach genügen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat (vgl. BT-Drucksache 14/8017, S. 123).

Das Auskunftsersuchen kann nach Anklageerhebung durch das mit der Sache befasste Gericht gestellt werden (vgl. BGH NJW 1981, 1052; OLG Stuttgart NStZ 2016, 48).

Nach Erhalt der Auskunft zu den Kontostammdaten können die betreffenden Kreditinstitute um Auskunft zu den dort geführten Konten des Angeklagten ersucht werden. Dies geschieht in der Praxis in der Weise, dass die Kreditinstitute in dem Auskunftsersuchen darauf hingewiesen werden, dass durch die Erteilung einer schriftlichen Auskunft (nebst Übersendung von Ablichtungen der zugehörigen Unterlagen) die Durchsuchung der Geschäftsräume oder die Zeugenvernehmung von Mitarbeitern abgewendet werden kann.

Um einen aussagekräftigen Überblick über die Einkünfte des Angeklagten zu erhalten, sollte sich die Auskunft zu Girokonten auf die Buchungen ca. des letzten Jahres erstrecken.

Die Auskunftsersuchen an die BaFin und die kontoführenden Kreditinstitute wären verhältnismäßig. Andere hinreichenden Erfolg versprechende Ermittlungsmaßnahmen stehen hier nicht zur Verfügung. So scheidet bei einem beruflich Selbständigen eine Befragung des Arbeitgebers zu Lohn- und Gehaltszahlungen aus.

Die Finanzermittlungen wären entbehrlich, wenn der Angeklagte rechtzeitig vor der neuen Hauptverhandlung schriftsätzlich konkrete Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen machen würde.“

Der letzte Satz musste m.E. nicht sein. Der Angeklagte wird die „Drohkulisse“ auch so verstanden haben.