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StGB III: Keine Kontakte zum Bewährungshelfer, oder: In Strafhaft kann man sich nicht „beharrlich entziehen“

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Und die dritte Entscheidung äußert sich dann auch noch einmal zu einer Bewährungsfrage. Jetzt geht es aber nicht um die Gewährung von Bewährung, sondern um den Bewährungswiderruf (§ 56f StGB).

Der Verurteilte ist zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wird auf drei Jahre fest und der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.  Den Berichten des zuständigen Bewährungshelfers ist dann zu entnehmen, dass sich die Bewährungsaufsicht von Beginn an schwierig gestaltete. Es fanden zwar vereinzelte Kontakte statt, es gab aber auch wiederholt mehrmonatige Kontaktabbrüche, während derer der Verurteilte mit den Mitteln der Bewährungshilfe in keiner Form erreicht werden konnte.

Seit dem 01.04.2021 befindet sich der Verurteilte dann in anderer Sache in Strafhaft, das Strafende ist auf den 05.05.2023 notiert.

Die Strafvollstreckungskammer hat die Strafaussetzung zur Bewährung wegen beharrlichen Sich-Entziehens der Bewährungsaufsicht nach § 56f Abs.1 S. 1 Nr. 2 StGB widerrufen. Dagegen das Rechtsmittel, das beim OLG Saarbrücken mit dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 03.11.2021 – 4 Ws 162/21 – Erfolg hatte:

„Die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ist deshalb veranlasst, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f Abs.1 S.1 Nr.2, 2. Alt. StGB im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Danach widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird. Demnach verlangt   § 56f StGB, seinem Charakter als Muss-Vorschrift mit möglicherweise harten Konsequenzen entsprechend, Umstände von einer gesteigerten Erheblichkeit (Groß/Kett-Straub in: MüKo, StGB, 4. Auflage, § 56f Rdnr.14). Das Merkmal „beharrlich“ stellt dabei nicht auf die Schwere der Verfehlung im Einzelfall ab, sondern enthält eine Wiederholungskomponente: Es genügt nicht der einmalige, vielleicht sogar „grobe“ Verstoß, sondern dieser muss sich fortsetzen und, ggf. im Zusammenhang mit der bekanntgewordenen Einstellung des Verurteilten, den Schluss erlauben, dass er auch in Zukunft der Weisung keine Folge leisten wird (MüKo a.a.O., Rdnr.15). Eine ablehnende Haltung gegen die erteilte Weisung kann insbesondere aus andauerndem Verhalten (Flucht, Sich-Verstecken) abgeleitet werden (vgl. Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage, § 56f Rdnr.14), das dazu führt, dass die Bewährungshilfe den Einfluss auf den Verurteilten insgesamt verliert (vgl. Hubrach in: LK, StGB, 12. Auflage, § 56f Rdnr.22; Trüg in: Leibold/Tsambikakis/Zöller, StGB, 3. Auflage, § 56f Rdnr.19 m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall jedenfalls derzeit nach Aktenlage aufgrund der Inhaftierung des Verurteilten seit dem 1. April 2021 nicht mehr von einem beharrlichen Verstoß gegen die erteilte Weisung in Form der Unterstellung unter die Bewährungshilfe ausgegangen werden, mag dies auch in der Vergangenheit durch die fehlende Kontakthaltung und die wiederholten Kontaktabbrüche der Fall gewesen sein. Denn der Verurteilte ist für die Bewährungshilfe in der Justizvollzugsanstalt erreichbar und es bestehen auch keine begründeten Anhaltspunkte dafür, dass der Verurteilte sich einer Zusammenarbeit verweigern und die Bewährungshilfe demnach den Einfluss auf den Verurteilten insgesamt verlieren wird.

Insoweit ergibt sich aus dem Bericht des Bewährungshelfers vom 13. September 2019, dass die mangelnde Kontakthaltung damals mit der schwierigen persönlichen Lebenssituation des Verurteilten zu erklären und nicht etwa Ausdruck einer ablehnenden Haltung gegenüber der erteilten Weisung war.

Da es aufgrund der geschilderten Umstände bereits an dem Tatbestandsmerkmal des beharrlichen Sich-Entziehens fehlt, kommt es auf die weitere einschränkende Voraussetzung des § 56f Abs.1 S.1 Nr.2, dass der Verurteilte aufgrund des Weisungsverstoßes „Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird“ nicht mehr an.“

Gründe III: Kleine Lehrstunde vom OLG Zweibrücken, oder: Vorsatz, kurze Freiheitsstrafe, Absehen bei BtM

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Und als letzte Entscheidung des Tages dann noch der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.01.2022 – 1 OLG 2 Ss 66/21. Er enthält eine kurze  Lehrstunde des OLG zu Vorsatzfragen, zur kurzfristigen Freiheitsstrafe und zum Absehen von Strafe bei BtM-Delikten (§ 29 Abs. 5 BtMG):

„2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch der Schuldspruch im Fall II.3 der Urteilsgründe:

a) Nach den getroffenen Feststellungen wurde der Angeklagte am 30.03.2019 nach einer polizeilichen Vernehmung in der Wache der PI Ludwigshafen 1 dort entlassen. Er verließ den Bereich der Wache jedoch nicht sofort. Der Zeuge D., der nach dem Angeklagten schauen wollte, traf diesen im Bereich einer Treppe eine Zigarette rauchend an. Der Angeklagte drehte sich sodann um zum Weggehen. „Beim Weggehen schnipste er seine Zigarette in Richtung des Zeugen. Die Zigarette landete auf der Hose des Zeugen D.. Die Hose wurde nicht beschädigt.“ (UA S. 4). Das Amtsgericht hat es für erwiesen angesehen, dass der Angeklagte die Zigarette „bewusst in Richtung der Beamten schnipste und dabei billigend in Kauf nahm Kleidung zu beschädigen oder jemanden zu verletzten.“ (UA S. 6). Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass der Angeklagte nach den Angaben des Zeugen D. in einer Entfernung von drei Metern gestanden und die Zigarette beim Wegdrehen „bewusst in die Richtung, in der sich die Beamten befunden hätten, geschnipst habe“ (UA S. 6). Im Hinblick auf den Abstand des Angeklagten zu dem Zeugen und dem Umstand, dass er sich gerade zum Gehen umdrehte, hat es das Amtsgericht als fernliegend betrachtet, dass der Zeuge getroffen worden sein könnte, ohne dass der Angeklagte die Zigarette bewusst in dessen Richtung geschnipst hat. Dass es bei dem Wurf einer brennenden Zigarette zu Verletzungen und Beschädigungen kommen könne, sei allgemein bekannt weshalb der Angeklagte dies billigend in Kauf genommen habe.

b) Diese Ausführungen vermögen die Annahme eines Schädigungs- und Verletzungsvorsatzes nicht zu tragen.

aa) Zwar ist der Schluss von den geschilderten Tatumständen auf ein bewusstes Schnipsen der Zigarette in Richtung des Zeugen D. vertretbar und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen (zum Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts: BGH, Urteil vom 09.05.2005 – 3 StR 269/04, juris Rn. 45). Auch kann dem Tatgericht noch darin gefolgt werden, dass es allgemeiner Kenntnis entspricht, dass es beim Wurf einer brennenden Zigarette gegen eine Person zu Verletzungen und Beschädigungen der Kleidung kommen „kann“. Dies begründet jedoch nicht ohne weiteres die Annahme, der Angeklagte habe einen solchen Erfolg auch gebilligt.

bb) Der Schluss vom Wissens- auf das Willenselement des bedingten Vorsatzes darf grundsätzlich nicht ohne weiteres gezogen werden Das gilt selbst dann, wenn das Handeln mit einer hohen oder gar äußersten Gefahr der Tatbestandsverwirklichung (des Erfolgseintritts) verbunden ist und der Täter dies erkannt hat (Vogel/Bülte in: LK, 13. Aufl. 2020, § 15 Rn. 106 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Handlungen liegt es regelmäßig zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit eines Erfolgseintritts rechnet, und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (jew. zum Tötungsvorsatz: BGH, Urteile vom 20.06.2000 – 4 StR 162/00, NStZ 2000, 583 und vom 12.12.2018 – 5 StR 517/18, NStZ 2019, 208 jew. m.w.N.). Erforderlich ist allerdings, dass sich der Tatrichter unter Beachtung der tatbestandsspezifischen Besonderheiten mit allen dafür wesentlichen, in der Tat und der Täterpersönlichkeit liegenden Umständen auseinandersetzt und sowohl die Möglichkeit bedingt vorsätzlichen als auch bewusst fahrlässigen Handelns bedenkt.

cc) Diese, für Tötungsdelikte entwickelten Voraussetzungen lassen sich zwar nicht formelhaft auf andere Delikte übertragen (Vogel/Bülte aaO. Rn. 110). Gleichwohl hätte es hier einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit der konkreten Gefährlichkeit der Tathandlung und deren Erkennbarkeit für den Angeklagten bedurft. Denn nach den geschilderten Tatumständen – Schnipsen einer brennenden Zigarette über eine Entfernung von drei Metern und deren folgenloses Abprallen von der Hose des Zeugen D. – liegt es jedenfalls nicht auf der Hand, dass eine Beschädigung der Kleidung – oder gar eine Verletzung des durch Kleidung geschützten Körpers – hier nahe lag oder gar nur durch einen glücklichen Zufall ausgeblieben ist. Das Amtsgericht hätte sich daher mit der Möglichkeit befassen müssen, dass der Angeklagte ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut haben kann, dass weder die Kleidung noch gar der Körper des Zeugen durch die Zigarette Schaden nehmen werden. Zudem liegt nach den geschilderten Gesamtumständen nicht fern, dass der Angeklagte durch das Schnipsen der Zigarette in Richtung des Zeugen seiner Geringschätzung diesem gegenüber Ausdruck verleihen wollte, wofür eine Beschädigung von dessen Kleidung oder gar der Eintritt einer Körperverletzung nicht erforderlich war.

II.

Durchgehend rechtlichen Bedenken begegnet auch der Strafausspruch.

1. Das Amtsgericht hat hinsichtlich sämtlicher Taten Kurzfreiheitsstrafen (2, 4 und 3 Monate) verhängt. In diesem Zusammenhang hat es ausgeführt, dass die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen „zur Einwirkung auf den Angeklagten erforderlich“ sei. Durch diese nicht näher mit einer Begründung unterlegten Formulierung hat es die Unerlässlichkeit der Verhängung von Kurzfreiheitsstrafen i.S.d. § 47 StGB nicht belegt.

a) Zwar hat in erster Linie das Tatgericht die Frage zu beurteilen, ob eine Freiheitsstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB unerlässlich zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung ist. Allerdings muss das Urteil eine Überprüfung ermöglichen, ob dessen Würdigung eine zutreffende Auslegung der maßgeblichen Rechtsbegriffe zu Grunde liegt (vgl. § 267 Abs. 3 S. 2 StPO). Deshalb sind regelmäßig die besonderen Umstände anzugeben, auf welche das Tatgericht die Annahme einer Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe stützt. Denn nach der gesetzlichen Konzeption stellt die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe eine Ausnahme im Sinne einer ultima ratio dar. Eine ausdrückliche Darstellung ist nur dann entbehrlich, wenn sich die Unerlässlichkeit im Einzelfall in einem entsprechenden Maße aufdrängt (BGH, Urteil vom 08.04.2004 – 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554). Zwar setzt die Einwirkung auf den Täter nicht voraus, dass es zum Vollzug der kurzen Freiheitsstrafe kommt (Maier in MünchKomm-StGB, 4. Aufl. 2020, § 47 Rn. 34 m.w.N.; vgl. aber OLG Dresden, Urteil vom 19.10.2012 – 2 Ss 643/12, NStZ-RR 2013, 41, 42 zu den erhöhten Darlegungsanforderungen für die Aussetzungsentscheidung). Allerdings ist in der Regel eine tiefer gehende Darstellung geboten, wenn das Tatgericht sowohl die Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter als auch die für eine Strafaussetzung zur Bewährung erforderliche Prognose im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB bejaht (Senat, Beschluss vom 28.04.2017 – 1 OLG 2 Ss 10/17; Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 47 Rn. 17, 51. Ed., [Stand: 01.11.2021). Anderenfalls wird regelmäßig zu besorgen sein, dass das Tatgericht den Gehalt des Begriffs der Unerlässlichkeit verkannt hat.

b) Nach diesen Grundsätzen waren Ausführungen zur Begründung der Unerlässlichkeit von Kurzfreiheitsstrafen hier nicht schon mit Blick auf das Vorleben des Angeklagten entbehrlich. Zwar stand dieser bei Begehung der Taten aufgrund des Urteils des AG Mainz vom 11.07.2017 wegen Taten der gefährlichen Körperverletzung und Beleidigung unter Bewährung. Gleichwohl hat das Amtsgericht aber eine positive Sozialprognose mit Blick auf die Lebensverhältnisse des Angeklagten angenommen. Es hätte daher näherer Begründung bedurft, weshalb das Amtsgericht trotz dieser offensichtlich als gegen eine erneute Strafbarkeit des Angeklagten sprechend gewerteten Umstände einer Einwirkung in Form von Kurzfreiheitsstrafen unerlässlich und die Verhängung von Geldstrafen für nicht ausreichend gehalten hat.

2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet der Strafausspruch hinsichtlich des Besitzes von Betäubungsmitteln auch unter einem weiteren Gesichtspunkt. Denn das Amtsgericht hat, obgleich hier Anlass für eine Erörterung bestanden hat, nicht erkennbar geprüft, ob ein Absehen von Strafe gem. § 29 Abs. 5 BtMG in Betracht kommt.

a) § 29 Abs. 5 BtMG ist Ausdruck des Grundsatzes, dass der Eigenverbrauch als eine Form der Selbstschädigung straflos, der Erwerb und Besitz zum Eigenverbrauch aber wegen der Gefahr der Weitergabe strafbar ist (Körner/Patzak/Volkmer in Patzak, 9. Aufl. 2019, BtMG § 29 Teil 29. Rn. 1). Die Vorschrift soll zwar in erster Linie Ersttätern zu gute kommen, schließt aber eine Anwendung auch auf Gelegenheitskonsumenten oder – in Ausnahmefällen – auch auf Dauerkonsumenten nicht aus (BGH, Urteil vom 15.09.1983 – 4 StR 454/83, juris Rn. 11; OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2009 – 3 Ss 15/09, BeckRS 2009, 12921; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.04.2003 – 3 Ss 54/03, NJW 2003, 1825). Dass der Angeklagte im Jahr 2015 zu einer Jugendstrafe wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, muss einer Anwendung der Vorschrift daher nicht entgegen stehen. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen „Drogen seit über einem Jahr nicht mehr konsumiert“ (UA S. 2).

b) Auch die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift dürften hier gegeben sein. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Körner/Patzak/Volkmer aaO. Rn. 44) ist bei Amphetamin bei einer Wirkstoffmenge von bis zu 0,15 g Amphetamin-Base von einer geringen Menge auszugehen. Zwar hat das Amtsgericht Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der sichergestellten 0,25 g Amphetamin nicht getroffen (zur Erforderlichkeit entsprechender Feststellungen: O?lakc?o?lu in MünchKomm-StGB, 4. Aufl. 2022, BtMG § 29 Rn. 1679) . Der Grenzwert zur geringen Menge wäre hier allerdings nur dann erreicht, wenn der Wirkstoffgehalt mindestens 60 % betragen hätte, was fern liegt (vgl. auch Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 29.01.2019 – Ss 114/2018 (64/18), juris Rn. 12: Annahme einer Wirkstoffkonzentration von 5 % beim Fehlen entsprechender Feststellungen). Angesichts der Gesamtumstände liegt es zudem nahe, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel zum Eigenkonsum besessen hatte.

c) Selbst wenn das Amtsgericht im Rahmen seiner Ermessensausübung ein Absehen von Strafe für nicht geboten gehalten hätte, wäre es gehalten gewesen, diesen Umstand in die Prüfung des § 47 StGB bzw. bei der Bemessung der konkreten (Einzel-)Strafe einzustellen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.02.1996 – 1 Ss 243/95, NStZ-RR 1997, 248).“

Bisschen viel zu lesen kurz vor Feierabend, aber lohnt sich.

Gründe II: Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, oder: Keine Bindung an Entscheidung des Familiengerichts

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, kommt vom KG. Das hat im KG, Beschl. v. 18.11.2021 – (2) 121 Ss 134/21 (27/21) – zu den Urteilsgründen im Fall einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das GewSchG Stellung genommen.

Das AG hat den Angeklagten u.a. wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz verurteilt. Dagegen die Berufung, die beim LG nur hinsichtlich der Strafhöhe Erfolg hatte. Und dagegen dann die Revision, die Erfolg hatte:

„1. Der Schuldspruch wegen zweier Straftaten gemäß § 4 GewSchG kann keinen Bestand haben, weil das Urteil keine Feststellungen enthält, anhand derer die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der Gewaltschutzanordnung, deren Verletzung dem Angeklagten vorgeworfen wird, geprüft werden könnten. Eine Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG setzt voraus, dass das Strafgericht die materielle Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt, wobei es an die Entscheidung des Familiengerichts insoweit nicht gebunden ist (vgl. BGH NJW 2014, 1749-1752).

Gemäß § 4 Satz 1 Nr. 1 GewSchG macht sich strafbar, wer einer bestimmten vollstreckbaren Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder 3 GewSchG, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1, zuwiderhandelt.

a) Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich eindeutig entnehmen, ob die Verurteilung nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen Zuwiderhandlung gegen eine Gewaltschutzanordnung voraussetzt, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandlichen Voraussetzungen ohne Bindung an die Entscheidung des Familiengerichts selbst feststellt. Auch die systematische Auslegung lässt insoweit keine eindeutige Antwort zu (vgl. BGH aaO).

b) Jedoch führt die historische Auslegung der Blankettvorschrift des § 4 GewSchG zu dem eindeutigen Ergebnis, dass keine materielle Akzessorietät zur Schutzanordnung des Familiengerichts besteht. Den Gesetzesmaterialien lässt sich der dahingehende Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass das Strafgericht nicht an die Entscheidung des die Anordnung nach § 1 GewSchG treffenden Gerichts gebunden ist. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung soll der Tatbestand des § 4 GewSchG nicht erfüllt sein, wenn sich bei der strafgerichtlichen Überprüfung der Anordnung herausstellt, dass die Anordnung nicht hätte ergehen dürfen, etwa weil der Täter die ihr zugrunde liegende Tat nicht begangen hat (vgl. BT-Drs. 14/5429, 32). Auf den im Hinblick auf die Praktikabilität Bedenken anmeldenden Einwand des Bundesrates, der um dahingehende Klarstellung im Gesetzgebungsverfahren bat, dass im Strafverfahren die Rechtmäßigkeit der Schutzanordnung nicht zu prüfen ist, hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung eine solche Klarstellung ausdrücklich verweigert (vgl. BT-Drs. aaO S. 39, 42). Dass seit dem Inkrafttreten des FamFG am 1. September 2019 für alle Verfahren nach §§ 1 und 2 GewSchG ausschließlich die Vorschriften des FamFG und nicht mehr die der ZPO anzuwenden sind, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Argument, welches der Gesetzgeber im Blick hatte, dass Entscheidungen, die nach den Vorschriften der ZPO ergangen sind, insbesondere in den Fällen möglicher Versäumnisurteile keine Gewähr für eine materielle Richtigkeit böten, ist durch die Änderung des Verfahrensrechts nicht substantiell entkräftet worden. Denn insbesondere bei den häufigen Schutzanordnungen im Wege der einstweiligen Anordnung, kommt der Antragsbegründung und Glaubhaftmachung des Antragsstellers, die bei besonderer Eilbedürftigkeit allein Grundlage der Anordnung sein können, ebenso eine herausragende Bedeutung zu (vgl. BGH aaO).“

Gründe I: Verletzung der Unterhaltspflicht, oder: Eigene Berechnungen, keine Bezugnahme auf Unterlagen

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Und am ersten Tag des neuen Monats stelle ich Entscheidungen zum Umfang der Urteilsgründe (§ 267 StPO) vor.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 13.12.2021 – 204 StRR 560/21 – zum Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei der Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StGB). Die damit zusammenhängenden Fragen sind ein Dauerbrenner. Nicht selten haben die Revisionen gegen landgerichtliche Urteile, die wegen einer Verletzung der Unterhaltspflicht verurteilen Erfolg, weil die Urteile der Tatgerichte nicht ausreichend begründet waren. So auch hier das Urteil des AG, gegen das Berufung eingelegt worden ist, die beschränkt wurde. Aber das BayObLG sagt: Beschränkung ist/war nicht wirksam, das die Feststellungen des LG nichts ausreichen:

„1. Das Landgericht ist zu Unrecht von der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch gemäß § 318 StPO ausgegangen und hat deshalb keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen. Dies hat das Revisionsgericht aufgrund der Sachrüge von Amts wegen zu prüfen, weil im Falle der Unwirksamkeit der Beschränkung die Berufungskammer als Tatsacheninstanz eigene Feststellungen zum Schuldspruch hätte treffen müssen (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 3).

a) Zwar ist die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich zulässig. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so knapp sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen und die erstinstanzlichen Feststellungen deshalb keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 4, m.w.N.).

b) Das erstinstanzliche Urteil weist hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 Abs. 1 StGB derartige zur Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch führende Defizite auf.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Neumarkt bleibt schon der Schuldumfang unklar, sodass diese keine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung durch das Berufungsgericht sein konnten. Die zur Nachvollziehbarkeit von Grund und Höhe der Berechnung erforderlichen Feststellungen zur Bedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten und zur Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners sind im Strafurteil zu treffen. Fehlen – wie vorliegend – im amtsgerichtlichen Urteil mit konkreten Zahlenangaben versehene Darlegungen, die den Umfang der Unterhaltspflicht erkennen lassen, so ist die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 6, m.w.N.).

Die vorliegend zur Begründung der Unterhaltspflicht des Angeklagten erfolgte Bezugnahme auf das Schreiben des Landratsamtes Neumarkt – Kreisjugendamt – vom 26.1.2018, wonach der Unterhaltsanspruch von pp. im Tatzeitraum durchschnittlich 83 Euro betragen habe, ist, wie generell die Bezugnahme auf Aktenteile, gemäß § 267 Abs. 1 S. 1 StPO – von den Sonderfällen des § 267 Abs. 1 S. 3, Abs. 4 S. 1 StPO abgesehen – nicht statthaft. Soweit gebotene eigene Urteilsfeststellungen durch unzulässige Bezugnahmen ersetzt werden, fehlt es verfahrens-rechtlich an einer Urteilsbegründung und sachlich-rechtlich an der Möglichkeit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BGH, Urteil vom 20.1.2021 – 2 StR 242/20, juris Rn. 19, m.w.N.; Urteil vom 20.10.2021 – 6 StR 319/21, juris Rn. 10).

Die Feststellungen des Amtsgerichts lassen somit nicht nachvollziehbar erkennen, von welcher Bedarfshöhe es im Einzelfall ausgegangen ist. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen, wobei für die Unterhaltsberechnung für Kinder Bedarfstabellen (vgl. Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland – SüdL, Stand 1.1.2018, Ziff. 11 – 14) berücksichtigt werden können, die jedoch im Urteil angegeben werden müssen (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 7), was nicht geschehen ist.

Im amtsgerichtlichen Urteil sind auch die erforderlichen hinreichenden Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Angeklagten unterblieben (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 8). Anhand der Mitteilung des jeweiligen monatlichen Nettoauszahlungsbetrags für die Monate Mai bis November 2018 lässt sich das unterhaltsrelevante Einkommen des Angeklagten und somit dessen Leistungsfähigkeit nicht nachvollziehen, weil insbesondere Feststellungen zu möglichem weiteren Einkommen, Vorsorgeaufwendungen, berufsbedingten Aufwendungen und anzuerkennenden Schulden fehlen (vgl. Ziff. 10.1, 10.2, 10.4 SüdL 2018; BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 8).

Ebenso fehlen Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Kindesmutter. Zwar erfüllt gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch Pflege und Erziehung des Kindes. Allerdings kann im Rahmen einer gegebenenfalls gesteigerten Leistungspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB (auch) die Leistungsfähigkeit des anderen Elternteils von Bedeutung sein. Die erweiterte Unterhaltspflicht tritt nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB nämlich nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Dies kann auch der andere Elternteil sein, wenn er leistungsfähig i.S.d. § 1603 Abs. 1 BGB ist, d.h. wenn er neben der Betreuung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) auch dessen Barbedarf ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts tragen kann (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 8, m.w.N.).

Aufgrund des Bestehens der weiteren Unterhaltspflicht des Angeklagten gegenüber seinem Sohn pp. (seine Tochter pp. dürfte erst nach Ablauf des relevanten Tatzeitraums geboren sein, das genaue Geburtsdatum ist nicht festgestellt worden) kommt zudem ein sogenannter Mangelfall in Betracht, falls das nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts verbleibende Einkommen nicht zur Unterhaltsleistung für die Kinder pp. und pp. ausgereicht und deshalb nur eine anteilige Unterhaltsleistung zu erfolgen hätte (Ziff. 24 SüdL 2018). Insoweit fehlen ebenfalls ausreichende Feststellungen. Im Falle einer solchen nur anteiligen Unterhaltspflicht für die genannten Kinder würde jedoch für die Monate Mai bis November 2018 der dem Angeklagten vorgeworfene Unterhaltsausfall für pp. von 83 Euro monatlich erheblich unterschritten werden.

c) Da es sich bei dem Umstand, ob und in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht des Angeklagten bestand, um eine doppelrelevante Tatsache handelt, die sowohl für den Schuldspruch als auch als bestimmender Strafzumessungsgrund für den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung ist, haben die dargestellten Feststellungs- und Erörterungsdefizite zur Folge, dass die Berufungen nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden konnten (BayObLG, Beschluss vom 18.3.2021 – 202 StRR 19/21, juris Rn. 6).“

Corona II: Maske in geschlossenen Räumlichkeiten im öffentlichen Raum, oder: Was gehört ins Urteil?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Hamm, Beschl. v. 16.12.2021 – 4 RBs 387/21 – befasst sich u.a. (noch einmal) mit der Maskentragepflicht.

Zur Last gelegt wird dem Betroffenen ein Verstoß gegen  § 3 Abs. 2 Nr. 1 CoronaSchVO NW. Nach den Feststellungen des AG war der Betroffene „im  Betrieb des Betroffenen im Ystraße 00 in Z …. seiner Verpflichtung zum Tragen einer textilen Mund-Nasen-Bedeckung (Alltagsmaske) in geschlossenen Räumlichkeiten im öffentlichen Raum gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 CoronaSchVO nicht“ nachgekommen.  Zudem soll der Betroffene bei einer Kontrolle die in § 4 Abs. 1 CoronaSchVO geregelten Hygiene- und Infektionsschutzanforderungen in seinem Betrieb nicht eingehalten haben.

Dem OLG reichen die vom AG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht:

1. Das angefochtene Urteil weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf. Die Anforderungen an die Gründe eines Bußgeldurteils dürfen zwar nicht überspannt werden. Unerlässlich ist aber die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gesehen werden (vgl. Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 18. Aufl., § 71 Rdn. 42 f. m.w.N.). Die getroffenen Feststellungen sind so unzureichend, dass sie eine Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht, ob der Betroffene zu Recht wegen der o.g. Verstöße verurteilt worden ist, nicht zulassen.

Aus den getroffenen Feststellungen ergeben sich schon nicht die Voraussetzungen, nach denen in § 3 Abs. 2 Nr. 1 CoronaSchVO NW eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung begründet ist. Die Vorschrift verlangt hierzu, dass die Tatörtlichkeiten „geschlossene Räumlichkeiten im öffentlichen Raum“ sind. Diese müssen „Kundinnen und Kunden beziehungsweise Besucherinnen und Besuchern zugänglich“ sein.

Zu den Tatörtlichkeiten stellt das Amtsgericht lediglich „im Betrieb“ fest. Hieraus ergibt sich schon nicht, dass es sich (1) um geschlossene Räumlichkeiten (2) im öffentlichen Raum handelt. Allenfalls dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann man entnehmen, dass es sich bei dem „Betrieb“ des Betroffenen um geschlossene Räume handelt. Der Begriff „öffentlicher Raum“ wird in § 1 Abs. 5 CoronaSchVO NW dahin definiert, dass es sich um alle nicht durch Art. 13 GG geschützten Bereiche handelt. Dem Schutz von Art. 13 GG unterfallen auch beruflich genutzte Räume, wenn und soweit die Räumlichkeiten der Privatsphäre der natürlichen Person zuzuordnen sind (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. April 2015 – 2 BvR 2279/13 – juris). Ob es sich vorliegend um solche Räumlichkeiten handelt oder nicht, kann aufgrund der unzureichend getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden.

Auch die Frage, ob (etwaige) Räumlichkeiten des „Betriebs“ des Betroffenen „Kundinnen und Kunden bzw. Besucherinnen und Besuchern“ zugänglich waren, kann anhand der getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich auch nicht zwangsläufig schon daraus, dass Kontrollen durch Beschäftige des Ordnungsamtes stattgefunden und diese etwa als Besucher Zugang gehabt haben, denn es ist nicht festgestellt, dass diese sich innerhalb etwaiger betrieblicher Räumlichkeiten aufgehalten haben (oder womöglich lediglich von außen, z.B. durch Fenster das Tatgeschehen beobachtet haben). Ähnliches gilt, soweit es in der Beweiswürdigung heißt, ein Zeuge habe beobachtet, dass Mindestabstände zwischen Mitarbeitern und Kunden nicht eingehalten worden seien.

Darauf, ob die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Würdigung, dass das in der Hauptverhandlung vorgelegte Attest nicht den Anforderungen entspreche, die an ein wirksames ärztliches Attest zu stellen sind, lückenhaft ist, weil der Inhalt des Attestes nicht näher wiedergegeben wird, kommt es nicht mehr entscheidend an.

Soweit der Betroffene auch wegen eines tateinheitliches Verstoßes gegen die in § 4 Abs. 1 CoronaSchVO NW geregelten Hygiene- und Infektionsschutzanforderungen bei der Tat am 09.01.2021 verurteilt worden ist, fehlen jegliche Feststellungen dazu, wann welche Behörde welche Anforderungen vollziehbar angeordnet hat, insbesondere, ob das Vorhalten von Desinfektionsmitteln, welches hier fehlte, angeordnet war.“

Das OLG hat zudem Stellung genommen hinsichtlich der Wirksamkeit der VO und der Verordnungsermächtigung. Dazu nur (mein) Leitsatz. Den Rest bitte selbst lesen:

„Die Verordnungsermächtigung des § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG verstößt nicht gegen das aus Artikel 80 Abs. 1 GG folgende Wesentlichkeitsprinzip, sondern erweist sich als Ermächtigungsnorm für den Erlass von Rechtsverordnungen hinreichend bestimmt.“