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StGB III: Keine Kontakte zum Bewährungshelfer, oder: In Strafhaft kann man sich nicht „beharrlich entziehen“

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Und die dritte Entscheidung äußert sich dann auch noch einmal zu einer Bewährungsfrage. Jetzt geht es aber nicht um die Gewährung von Bewährung, sondern um den Bewährungswiderruf (§ 56f StGB).

Der Verurteilte ist zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wird auf drei Jahre fest und der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.  Den Berichten des zuständigen Bewährungshelfers ist dann zu entnehmen, dass sich die Bewährungsaufsicht von Beginn an schwierig gestaltete. Es fanden zwar vereinzelte Kontakte statt, es gab aber auch wiederholt mehrmonatige Kontaktabbrüche, während derer der Verurteilte mit den Mitteln der Bewährungshilfe in keiner Form erreicht werden konnte.

Seit dem 01.04.2021 befindet sich der Verurteilte dann in anderer Sache in Strafhaft, das Strafende ist auf den 05.05.2023 notiert.

Die Strafvollstreckungskammer hat die Strafaussetzung zur Bewährung wegen beharrlichen Sich-Entziehens der Bewährungsaufsicht nach § 56f Abs.1 S. 1 Nr. 2 StGB widerrufen. Dagegen das Rechtsmittel, das beim OLG Saarbrücken mit dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 03.11.2021 – 4 Ws 162/21 – Erfolg hatte:

„Die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ist deshalb veranlasst, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f Abs.1 S.1 Nr.2, 2. Alt. StGB im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Danach widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird. Demnach verlangt   § 56f StGB, seinem Charakter als Muss-Vorschrift mit möglicherweise harten Konsequenzen entsprechend, Umstände von einer gesteigerten Erheblichkeit (Groß/Kett-Straub in: MüKo, StGB, 4. Auflage, § 56f Rdnr.14). Das Merkmal „beharrlich“ stellt dabei nicht auf die Schwere der Verfehlung im Einzelfall ab, sondern enthält eine Wiederholungskomponente: Es genügt nicht der einmalige, vielleicht sogar „grobe“ Verstoß, sondern dieser muss sich fortsetzen und, ggf. im Zusammenhang mit der bekanntgewordenen Einstellung des Verurteilten, den Schluss erlauben, dass er auch in Zukunft der Weisung keine Folge leisten wird (MüKo a.a.O., Rdnr.15). Eine ablehnende Haltung gegen die erteilte Weisung kann insbesondere aus andauerndem Verhalten (Flucht, Sich-Verstecken) abgeleitet werden (vgl. Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage, § 56f Rdnr.14), das dazu führt, dass die Bewährungshilfe den Einfluss auf den Verurteilten insgesamt verliert (vgl. Hubrach in: LK, StGB, 12. Auflage, § 56f Rdnr.22; Trüg in: Leibold/Tsambikakis/Zöller, StGB, 3. Auflage, § 56f Rdnr.19 m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall jedenfalls derzeit nach Aktenlage aufgrund der Inhaftierung des Verurteilten seit dem 1. April 2021 nicht mehr von einem beharrlichen Verstoß gegen die erteilte Weisung in Form der Unterstellung unter die Bewährungshilfe ausgegangen werden, mag dies auch in der Vergangenheit durch die fehlende Kontakthaltung und die wiederholten Kontaktabbrüche der Fall gewesen sein. Denn der Verurteilte ist für die Bewährungshilfe in der Justizvollzugsanstalt erreichbar und es bestehen auch keine begründeten Anhaltspunkte dafür, dass der Verurteilte sich einer Zusammenarbeit verweigern und die Bewährungshilfe demnach den Einfluss auf den Verurteilten insgesamt verlieren wird.

Insoweit ergibt sich aus dem Bericht des Bewährungshelfers vom 13. September 2019, dass die mangelnde Kontakthaltung damals mit der schwierigen persönlichen Lebenssituation des Verurteilten zu erklären und nicht etwa Ausdruck einer ablehnenden Haltung gegenüber der erteilten Weisung war.

Da es aufgrund der geschilderten Umstände bereits an dem Tatbestandsmerkmal des beharrlichen Sich-Entziehens fehlt, kommt es auf die weitere einschränkende Voraussetzung des § 56f Abs.1 S.1 Nr.2, dass der Verurteilte aufgrund des Weisungsverstoßes „Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird“ nicht mehr an.“