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Rechtsmittel I: Mal wieder der BGH zur Verfahrensrüge, oder: Auch die StA hat „Probleme“

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Ich beginne die Berichterstattung heute mit dem BGH, Urt. v. 28.06.2023 – 4 StR 212/22. Das Urteil/Verfahren behandelt einen Ableger“ aus dem „Lübcke-Fall“. Dem Angeklagten war der Verkauf der Tatwaffe an den Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke zur Last gelegt worden. Das LG hatte ihn freigesprochen. Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die beim BGH keinen Erfolg hatte. evision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Die StA hatte neben der Sachrüge auch mehrere Verfahrensrügen erhoben, die – so der BGH – alle unzulässig, weil nicht ausreichend begründet, waren. Ist ein bisschen mehr Text, aber ganz interessant. Und das Urteil beweist: Die StA hat auch Probleme mit dem § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO

„1) Die Verfahrensrügen, mit denen die Beschwerdeführerin die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags und einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht geltend macht, sind unzulässig, weil sie nicht in der gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Weise ausgeführt sind.

a) Mit der Rüge der Verletzung des § 244 3 StPO beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das Landgericht ihren auf die Vernehmung des Kriminalbeamten G. als Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass die in einem Erdlager des Zeugen Er. auf dem Gelände seines damaligen Arbeitgebers gefundene, näher bezeichnete Schusswaffe „Amadeo Rossi S.A.“, Kaliber .38 Special, aus der Schweiz stamme, gerichteten Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt habe. Nach dem Revisionsvorbringen lag dem Antrag zugrunde, dass der Zeuge Er.   vor seiner ersten polizeilichen Vernehmung eine Skizze angefertigt hatte, in welcher der Buchstabe „E.“, der den Angeklagten bezeichnet habe, durch Linien unter anderem mit den Ländernamen „Belgien“ und „Schweiz“ verbunden war. Das Landgericht hat den Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung abgelehnt.

aa) Die Verfahrensrüge ist nicht in einer den Anforderungen des § 344 2 Satz 2 StPO entsprechenden Weise ausgeführt, weil die Beschwerdeführerin diese Skizze, auf die sowohl der Beweisantrag als auch der denselben ablehnende Beschluss des Landgerichts ausdrücklich Bezug genommen haben, nicht vorgelegt hat. Die Vorlage der Skizze ist hier nicht deshalb entbehrlich, weil ihr Inhalt in der Revisionsbegründung hinreichend verbal beschrieben worden wäre. Denn den Ausführungen der Revision einschließlich der in ihr wiedergegebenen Dokumente (Beweisantrag und ablehnender Beschluss) kann insoweit nur entnommen werden, dass die Skizze die Namen mehrerer Personen enthält, „von denen der Zeuge Er.   Waffen erworben bzw. veräußert haben soll“, sowie die Angabe der Länder Belgien und Schweiz, die „mit geraden Strichen“ mit einer „Bezeichnung ‚E‘“ verbunden sind, wobei neben dieser „E.N.“ vermerkt ist.

Diese erkennbar nur vereinfachte Beschreibung der Skizze genügt den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO deshalb nicht, weil sie den Senat nicht in die Lage versetzt, die Schlüsse nachzuvollziehen, die der Beweisantrag aus ihr ziehen zu können meint, und damit die – vom Landgericht verneinte – Bedeutung der behaupteten Indiztatsache zu beurteilen. Aus der nur verbalen Wiedergabe des Dargestellten nicht verständlich wird insbesondere, ob und wie der Skizze entnommen werden kann, dass mit dem Wort „Schweiz“ und dessen Verbindung zu einer mit „E.“ bezeichneten Person die Herkunft von Waffen, namentlich der zur Tötung des Geschädigten Dr. Lübcke eingesetzten Tatwaffe, aus der Schweiz bezeichnet sein sollte, wie es der Beweisantrag ausweislich seiner Begründung angenommen hat. Dasselbe gilt für die Behauptung des Beweisantrags, durch eine „Bestätigung der aus der erwähnten Skizze ersichtlichen Angaben des Zeugen Er.   in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren durch die weiteren Ermittlungen“ könnte belegt werden, dass der Zeuge den Angeklagten wahrheitsgemäß als Verkäufer unter anderem der zur Tötung des Dr. Walter Lübcke eingesetzten Waffe bezeichnet habe. Welche Angaben aus der Skizze ersichtlich sind, die (oder deren Bestätigung) zu diesem Beleg geeignet sein könnten, erschließt sich ohne nähere Kenntnis des Inhalts der Skizze nicht. Dies gilt umso mehr, als das Landgericht die Ablehnung des Beweisantrags unter anderem damit begründet hat, die Skizze weise „nach derzeitigem Beweisergebnis keinen konkreten Bezug zur Tatwaffe“ auf, sich also aus beiden von der Revision wiedergegebenen Dokumenten, dem Beweisantrag und seiner Ablehnung, offenbar unterschiedliche Deutungen des Aussagegehalts der Skizze ergeben.

bb) Daneben nimmt der Kammerbeschluss umfangreich Bezug auf die – teils inkonstanten – Aussagen des Zeugen Er.   in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren, ohne dass die Revision die Protokolle der polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen vorgelegt hätte. Auch hierdurch bleibt sie hinter den Begründungsanforderungen des § 344 2 Satz 2 StPO zurück, denn diese gebieten regelmäßig, dass Vernehmungsprotokolle, welche in der Revisionsbegründung in Bezug genommen werden, vollständig vorgelegt werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Januar 2023 – 5 StR 298/22; Beschluss vom 16. Februar 2021 – 4 StR 517/20 6, jew. mwN).

Auf die Vorlage der Vernehmungsprotokolle kann hier nicht deshalb verzichtet werden, weil das auf die zulässig erhobene Sachrüge der Beschwerdeführerin vom Senat zur Kenntnis zu nehmende Urteil (wesentliche) Teile deren Inhalts wiedergibt. Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit eine unzureichende Revisionsbegründung grundsätzlich auch dann durch Angaben in dem (auch mit der Sachrüge) angegriffenen Urteil ergänzt werden kann, wenn der Beschwerdeführer – wie hier – nicht ausdrücklich auf den Urteilsinhalt verweist und ihn als zutreffend bezeichnet (vgl. hinsichtlich des fehlenden Vortrags einer einzelnen Tatsache bejahend BGH, Urteil vom 20. März 1990 – 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 385; vgl. a. Urteil vom 14. Dezember 2022 – 6 StR 338/22, NStZ-RR 2023, 81, 82 mwN). Denn im vorliegenden Fall bleibt der Vortrag der Revision jedenfalls deshalb unzureichend, weil der von ihr vorgelegte Beschluss, mit dem das Landgericht den rügegegenständlichen Beweisantrag beschieden hat, einerseits und das Urteil andererseits die maßgeblichen Vernehmungsinhalte nicht in jeder Hinsicht übereinstimmend wiedergeben. So werden die Bekundungen des Zeugen zum Erwerb der Tatwaffe in seiner ersten verantwortlichen Vernehmung vom 25. Juni 2019 im Urteil dahingehend mitgeteilt, er habe im Jahr 2016 von dem Angeklagten die Tatwaffe, bei der es sich um eine „38er Taurus“ gehandelt habe, gekauft. Demgegenüber hat die Strafkammer zur Begründung der Ablehnung des Beweisantrags ausgeführt, der Zeuge Er.   habe „in der ersten Beschuldigtenvernehmung am 25. Juni 2019 den Angeklagten als diejenige Person bezeichnet“, die ihm „die Tatwaffe – einen Revolver des Herstellers ROSSI Kaliber 0.38 – im Jahre 2016 zum Preis von 1.100,00 Euro verkauft“ habe.

Überdies versetzen die im Urteil und in den von der Revision mitgeteilten Gründen des ablehnenden Kammerbeschlusses wiedergegebenen Teile der Aussagen des Zeugen Er.   den Senat auch nicht in die Lage nachzuvollziehen, ob die – von der Revision angegriffene – Annahme des Landgerichts zutrifft, der Zeuge habe nach seiner Angabe bei Anfertigung der Skizze nicht die Herkunft der Tatwaffe darstellen wollen, sondern es sei ihm lediglich darum gegangen, „zum Zwecke der Gefahrenabwehr aufzuzeigen, wo aktuell noch Waffen im Umlauf seien“. Ebenso wenig erschließt sich aus dem Vortrag der Revision – selbst unter zusätzlicher Berücksichtigung der Urteilsgründe -, dass der Zeuge in seiner polizeilichen Vernehmung mit dem auch in der Skizze enthaltenen Wort „N.       “ den damaligen Wohnort des Angeklagten bezeichnet hat.

cc) Die Verfahrensrüge wäre schließlich – ihre Zulässigkeit unterstellt – auch unbegründet, denn die Ablehnung des Beweisantrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der unter Beweis gestellten Indiztatsache, dass eine näher bezeichnete, in einem Lager des Zeugen Er. gefundene Schusswaffe aus der Schweiz stamme, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. allgemein zu den Anforderungen des Ablehnungsgrundes nach § 244 3 Satz 3 Nr. 2 StPO BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 484/18, NStZ 2019, 295 9 mwN). Soweit die Revision dagegen vorbringt, dass „die unter Beweis gestellte Tatsache der Kenntnis des gesondert Verfolgten Er.   von Waffenbeschaffungsmöglichkeiten des Angeklagten“ ein gewichtiges Indiz für die Richtigkeit der Belastung des Angeklagten als Waffenlieferant durch den Zeugen gewesen wäre, legt sie zum einen eine andere als die in dem abgelehnten Beweisantrag genannte Beweistatsache zugrunde; zum anderen setzt sie – revisionsrechtlich unbehelflich – lediglich ihre eigene Wertung an die Stelle der in dem Beschluss niedergelegten antizipierten Beweiswürdigung der Strafkammer.

b) Auch die weitere Verfahrensrüge, mit der die Beschwerdeführerin geltend macht, die Strafkammer habe gegen formelles Recht verstoßen, weil sie – entgegen einem entsprechenden Antrag der Generalstaatsanwaltschaft – es unterlassen hat, das Verfahren wegen des dem Teilfreispruch zugrundeliegenden Anklagevorwurfs abzutrennen und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen den gesondert verfolgten Zeugen Er.   und dem damit verbundenen Wegfall des Auskunftsverweigerungsrechts des Zeugen (§ 55 StPO) auszusetzen, führt nicht zum Erfolg.

aa) Dabei rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht gemäß § 244 2 StPO. Eine Verletzung des § 228 1 Satz 1 StPO wird zwar nicht selbständig geltend gemacht; dem Vorbringen kann aber entnommen werden, dass auch insoweit ein Ermessensfehler behauptet werden soll (vgl. zu solcher Konstellation auch BGH, Urteil vom 8. Juni 2016 – 2 StR 539/15 Rn. 11 ff.; Urteil vom 24. Juli 1990 – 5 StR 221/89, juris Rn. 23 [insoweit in BGHSt 37, 141 nicht abgedruckt]).

bb) Diese Rüge ist bereits unzulässig, weil sie in mehrfacher Hinsicht nicht den Begründungsanforderungen (§ 344 2 Satz 2 StPO) entspricht.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine zulässig erhobene Aufklärungsrüge unter anderem voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte Beweistatsache und die Umstände angibt, aufgrund deren sich das Tatgericht zu der vermissten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Dezember 2022 – 6 StR 338/22 Rn. 8 mwN). Zu beidem trägt die Beschwerdeführerin nicht hinreichend vor.

(a) Zunächst fehlt es bereits an der erforderlichen bestimmten Beweisbehauptung. Soweit die Revision vorbringt, die Einvernahme des Zeugen Er.  nach dem rechtskräftigen Abschluss des gegen ihn geführten Strafverfahrens hätte den Nachweis erbracht, dass der Angeklagte dem Zeugen die zur Tötung des Geschädigten Dr. Lübcke verwendete Tatwaffe verkauft habe, handelt es sich lediglich um ein Beweisziel, also die Folgerung, die das Gericht nach Auffassung der Beschwerdeführerin aus von ihr nicht näher umschriebenen tatsächlichen Vorgängen oder Zuständen, die Gegenstand der Wahrnehmung des Zeugen sein könnten, ziehen sollte (vgl. zur Abgrenzung BGH, Beschluss vom 10. April 2019 – 4 StR 25/19 Rn. 4 mwN). Der Vortrag eines hinreichend konkret beschriebenen Sachverhalts, dessen Beweis die (weitere) Vernehmung des Zeugen Er.   in der Hauptverhandlung hätte erbringen können, war hier insbesondere deshalb unerlässlich und der Beschwerdeführerin auch möglich, weil der Zeuge Er.   in dem gegen ihn geführten Strafverfahren vielfach vernommen worden war, wobei er namentlich zu dem Erwerb der Tatwaffe mehrere voneinander abweichende Sachverhalte bekundete, unter anderem zum Typ der Waffe und zu dem Jahr ihres Erwerbs. Bei dieser Sachlage oblag es der Beschwerdeführerin, im Rahmen ihrer Aufklärungsrüge einen dieser Sachverhalte oder ein anderes Verkaufsgeschehen phänomengebunden zu behaupten. Dies hat sie nicht getan.

(b) Auch lässt die Revision den gebotenen Vortrag dazu vermissen, warum sich das Landgericht zur Abtrennung und Aussetzung des Verfahrens zum Zweck der späteren Vernehmung des Zeugen Er.  , dessen durch die Vernehmung von Verhörspersonen eingeführte Aussagen die Revision als teilweise widersprüchlich bewertet, gedrängt sehen musste (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 14. Dezember 2022 – 6 StR 338/22, NStZ-RR 2023, 81, 82; Urteil vom 29. Juni 2021 – 1 StR 287/20 Rn. 14; jew. mwN; speziell zur Abtrennung eines Verfahrensteils im Sachaufklärungsinteresse auch Urteil vom 24. Juli 1990 – 5 StR 221/89, juris Rn. 23 [insoweit in BGHSt 37, 141 nicht abgedruckt]). Der Verweis auf die Möglichkeit, dem Zeugen – in der Revisionsbegründung nicht näher konkretisierte – Nachfragen zu stellen und sich so einen persönlichen Eindruck von seiner Glaubwürdigkeit zu verschaffen, genügt hierfür nicht, zumal die Revision auch hier weder die Protokolle der polizeilichen Vernehmung des Zeugen Er.   noch die von ihm gefertigte Skizze vorgelegt hat, auf welche auch der vom Landgericht zurückgewiesene Aussetzungsantrag der Beschwerdeführerin Bezug genommen hatte.

(2) Wird – wie hier – mit der Aufklärungsrüge zugleich die fehlerhafte Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung des Verfahrens beanstandet, mit dem eine Änderung der Prozesslage und hierauf beruhende erweiterte Beweiserhebungsmöglichkeiten erreicht werden sollten, muss die Revision darüber hinaus auch diejenigen Umstände vortragen, ohne deren Kenntnis das Revisionsgericht die Ermessensausübung des Tatgerichts bei der Ablehnung des Aussetzungsantrags nicht zu beurteilen vermag. Da über die – gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte – Aussetzung des Verfahrens zum Zweck der Sachaufklärung nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände, namentlich unter Beachtung der gegenläufigen Verfahrensmaxime der Beschleunigung, entschieden werden kann, müssen insbesondere diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, welches Ausmaß an Verzögerung mit der beantragten Verfahrensaussetzung verbunden gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2016 – 2 StR 539/15 Rn. 11; LR/Becker, StPO, 27. Aufl., § 228 Rn. 10). Auch diesem Erfordernis wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.

Die Beschwerdeführerin hat insoweit zwar zu dem – damaligen -Verfahrensstand des gegen den Zeugen Er.  geführten Strafverfahrens wegen der Tötung des Geschädigten Dr. Lübcke ausreichend vorgetragen, indem sie mitgeteilt hat, dass die dortigen Akten am 25. November 2021 bei dem Bundesgerichtshof eingegangen seien und bis zum Erlass des vorliegend angefochtenen Urteils ein Termin zur Revisionshauptverhandlung noch nicht bestimmt gewesen sei. Damit ist den diesbezüglichen Vortragsanforderungen unter den hier vorliegenden Umständen aber nicht Genüge getan. Denn wie sich aus dem angefochtenen Urteil und der Anklageschrift ergibt, stand neben dem hier gegenständlichen Verkauf der Tatwaffe eine Vielzahl weiterer möglicher Waffenkäufe des Zeugen Er.   von dem Angeklagten im Raum, darunter der Verkauf einer Schusswaffe des Kalibers 4 mm, den die Strafkammer in Ermangelung einer Aussage des Zeugen Er.   für strafrechtlich nicht hinreichend konkretisierbar gehalten hat. Bei diesen weiteren Waffengeschäften, die – anders als es das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe offenbar angenommen hat – nicht Gegenstand der hiesigen Anklage und damit der gerichtlichen Kognitionspflicht waren, könnte es sich um noch verfolgbare Straftaten des Zeugen gehandelt haben, die mit dem angeklagten Verkauf der Tatwaffe im Jahr 2016 in einem so engen Zusammenhang standen, dass die Beantwortung von Fragen hierzu die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich gebracht hätte. Infolgedessen könnte dem Zeugen Er.   auch nach dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens wegen des Tötungsdelikts das von ihm gegenüber dem Landgericht geltend gemachte (umfassende) Auskunftsverweigerungsrecht betreffend seine etwaigen Kontakte zu dem Angeklagten zugestanden haben (vgl. zum Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO bei im Zusammenhang miteinander stehenden Straftaten BGH, Urteil vom 6. April 2017 – 3 StR 5/17, NStZ 2017, 546, 547; Urteil vom 8. Juni 2016 – 2 StR 539/15 Rn. 13). Zu etwaigen weiteren Strafverfahren wegen Waffengeschäften des Zeugen Er.   mit dem Angeklagten und gegebenenfalls deren Verfahrensständen verhält sich die Revisionsbegründung aber nicht.“

StPO II: Geständige Einlassung in den Urteilsgründen?, oder: Ein alter Hut, aber kein Hexenwerk

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Und als zweite Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 17.08.2023 – 2 StR 215/23 – Ein „Klassiker“. Es geht nämlich mal wieder um die Mitteilung des Geständnisses/der Einlassung in den Urteilgründen (§ 267 StPO).

Die Angeklagten sind – auf der Grundlage einer Verständigung –  jeweils wegen banden- und gewerbsmäßigen Computerbetrugs verurteilt worden. Dagegen die Revisionen, die Erfolg hatten. Dem BGH reichen die Urteilsgründe nicht:

„1. Das angefochtene Urteil leidet in Bezug auf die Angeklagten N. und A. an einem durchgreifenden Darstellungsmangel.

a) Das Landgericht hat seine Überzeugung von dem festgestellten Sachverhalt auf die Geständnisse der beiden Angeklagten gestützt, denen jeweils eine bestätigte Verteidigererklärung zugrunde lag. Die Strafkammer führte in diesem Zusammenhang aus, dass die angeklagten Taten mit Ausnahme der Taten Ziffer 1 des Beschlusses der Kammer vom 16. November 2022, der als Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll genommen wurde, in objektiver und subjektiver Hinsicht eingeräumt wurden, betreffend die Schadensermittlung und die Verteilung des Erlangten allerdings nur nach Maßgabe des unter Ziffer 2 des vorgenannten Beschlusses dargelegten vorläufigen Ergebnisses der Beweisaufnahme zum damaligen Zeitpunkt. Nähere Ausführungen zu den Einschränkungen sind dem Urteil im Weiteren nicht zu entnehmen.

b) Diese Beweiserwägungen halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Die Beweiswürdigung ist zwar Sache des Tatrichters und als solche vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Dies gilt aber nicht, wenn sie – wie hier – an einem Darstellungsmangel leidet. §§ 261 und 267 StPO verpflichten den Tatrichter, seine Beweiserwägungen geschlossen und aus sich heraus verständlich in den schriftlichen Urteilsgründen niederzulegen, um eine revisionsgerichtliche Überprüfung zu ermöglichen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. August 2022 – 6 StR 249/22, NStZ-RR 2023, 84, 85; Senat, Beschluss vom 18. November 2020 – 2 StR 152/20, NStZ-RR 2021, 114, 115, jew. mwN).

Das Tatgericht ist daher gehalten, die – auch geständige – Einlassung eines Angeklagten jedenfalls in ihren wesentlichen Grundzügen wiederzugeben. Dies gilt auch, wenn dem Urteil eine Verfahrensabsprache zugrunde liegt, denn weder eine Verständigung noch ein Geständnis entheben den Tatrichter von seiner Pflicht, die Einlassung des Angeklagten einer kritischen Prüfung auf Plausibilität und Tragfähigkeit hin zu unterziehen und zu den sonstigen Beweismitteln in Beziehung zu setzen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2022 – 3 StR 69/22, juris Rn. 5; Senat, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27 f.). Legt der Tatrichter das Geständnis des Angeklagten seinen Feststellungen in vollem Umfange zugrunde, so kann es zwar – je nach den Umständen des Einzelfalls – genügen, auf die Feststellungen Bezug zu nehmen. Dabei muss das Strafurteil aber nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO aus sich selbst heraus verständlich bleiben. Bezugnahmen oder Verweisungen auf Urkunden, auf Aktenbestandteile und auf sonstige Erkenntnisse – von den Sonderfällen des § 267 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 StPO abgesehen – sind daher nicht statthaft (Senat, Urteil vom 20. Januar 2021 – 2 StR 242/20, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2008 – 1 StR 552/08, NStZ-RR 2009, 116). Denn soweit gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen durch Bezugnahmen ersetzt werden, ist dem Revisionsgericht die Nachprüfung verwehrt (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 268/05, NStZ-RR 2007, 22; Beschlüsse vom 5. April 2000 – 3 StR 58/00, NStZ-RR 2000, 304; vom 28. Mai 2009 – 4 StR 101/09, juris Rn. 8).

bb) Nach diesen Maßstäben hält die tatrichterliche Beweiswürdigung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, denn das Landgericht hat es versäumt, die wesentlichen Grundzüge der Einlassungen der Angeklagten in hinreichender Weise darzulegen. Zwar hat die Strafkammer ausgeführt, dass die Feststellungen zu dem Tatgeschehen auf den als inhaltlich zutreffend bestätigten geständigen Verteidigererklärungen beruhen. Jedoch hat sie sowohl hinsichtlich der eingeräumten Taten als auch betreffend die Schadenshöhe sowie die Verteilung des Erlangten auf Einschränkungen hingewiesen und dazu auf ihren Beschluss vom 16. November 2022 Bezug genommen, dessen Inhalt nicht mitgeteilt wird und der damit nicht Bestandteil des Urteils ist. Damit ist nicht aus dem Urteil selbst heraus erkennbar bzw. verständlich, unter welcher Maßgabe die Angeklagten die gegenständlichen Taten tatsächlich eingeräumt haben. Auch die weiteren Urteilsgründe verhalten sich hierzu nicht. Hinzu kommt, dass die Strafkammer den Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zugutehält, die ihnen „vorgeworfenen Taten vollumfänglich gestanden“ zu haben, was im Widerspruch dazu steht, dass die Angeklagten die Anklagevorwürfe gerade nicht vollumfänglich, sondern nur mit Einschränkungen eingeräumt haben.“

Mich erstaunen solche Entscheidungen immer. Das ist doch alles keine Zauberkunst oder Hexenwerk, was hinsichtlich der Urteilsgründe zu beachten ist.

StGB III: Verkauf von Hanfblütentee mit THC-Gehalt, oder: Verbotener Handel mit BtM?

Hanfblüte

Und dann zum Tagesschluss eine Entscheidung aus dem BTM-Bereich. Der BayObLG, Beschl. v. 24.08.2023 – 202 StRR 52/23 – nimmt Stellung zum Handel mit Hanfblütentee und der Anwendbarkeit der BtMG.

Im Revisionsverfahren ist wegen der Beschränkung der Revision nur noch die Frage des vorsätzlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Streit. Dazu hatte das LG folgende Feststellungen getroffen:

„Die Angeklagten waren seit dem 26.01.2019 Geschäftsführer der H.-UG (haftungsbeschränkt) und nach deren Umwandlung in eine GmbH zum 16.09.2019 der H.-GmbH, die unter anderem Hanfblütentee in den von ihr betriebenen Ladenlokalen in Würzburg oder über Franchiseunternehmen vertrieb. Der Hanfblütentee enthielt neben Cannabidiol (CBD) auch Tetrahydrocannabinol (THC). Im Zeitraum bis zur staatsanwaltschaftlichen Durchsuchung am 05.11.2019 gaben die Angeklagten mindestens sechs Bestellungen von jeweils mindestens vier Kilogramm CBD-Blüten auf. Die Lieferungen enthielten CBD-Blüten mit einem Gehalt von mindestens 0,10 % und höchstens 0,20 % THC mit einer Gesamtmenge an THC in Höhe von 20,864 Gramm.

Die sachverständig beratene Strafkammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass bei einem Konsum des Hanfblütentees ein Rausch erzeugt werden kann, der durch das Rauchen von zwei dicken Joints (bei einem THC-Gehalt des Tees von 0,20 %) oder vier dicken Joints (bei einem THC-Gehalt des Tees von 0,10 % THC) erreicht werden könne. Dies entspreche jeweils einer zugeführten Menge an THC von 2 mg. Nach der Überzeugung der Strafkammer handelten die Angeklagten mit bedingtem Vorsatz. Sie rechneten zumindest damit, dass durch den Konsum von Hanfblütentee mit einem THC-Gehalt von unter 0,20 % ein Rausch erzielt werden kann und somit ein Missbrauch zu Rauschzwecken im Sinne der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG nicht ausgeschlossen ist.“

Das BayObLG hat aufgehoben, weil ihm die Beweiswürdigung betreffend die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, isnbesondere, dass ein Missbrauch des Hanftees durch Abnehmer zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen ist, nicht rechtsfehlerfrei erschient. Die Darstellung der Ausführungen der Sachverständigen sei unklar und lückenhaft.

Ich stelle hier mal nur die beiden Leitsätze zu der Entscheidung ein. Die umfangreiche Begründung des BayObLG bitte im verlinkten Volltext selbst lesen:

  1. Hanfblütentee, der Tetrahydrocannabinol (THC) enthält, unterfällt grundsätzlich dem Betäubungsmittelgesetz. Eine Ausnahme hiervon besteht nur dann, wenn der THC-Gehalt 0,2 % (ab 01.01.2023: 0,3 %) nicht übersteigt und der Verkehr ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen (Anlage I zu § 1 BtMG).

  2. Gelangt ein Sachverständigengutachten in Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die ihrerseits auf wissenschaftlichen Studien beruht, zu dem Ergebnis, dass bereits bei einem Konsum von 2 mg THC durch Inhalation ein Rausch erzielt werden könne, ist es rechtsfehlerhaft, wenn eine nähere Darlegung unterbleibt, aufgrund welcher Erkenntnisse die Sachverständige zu ihrer Einschätzung gelangt und aus welchen Gründen der Gegenansicht nicht zu folgen ist.

OWi III: Vorgaben für standardisiertes Messverfahren?, oder: Nachweis durch Messbeamten

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Und dann zur Abrundung des Tages noch der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.08.2023 – 2 ORbs 37 Ss 506/23 – zur Bedeutung des Messprotokolls für die Anwendung der Grundsätze des standardisierten Messverfahrens.

Dazu das OLG:

„Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die zur Geltendmachung eines – aus einer angeblich fehlenden Unterzeichnung des Messprotokolls abgeleiteten – Beweisverwertungsverbots erforderliche Verfahrensrüge (BGH NStZ 2019, 171) in einer den Anforderungen der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt ist, wobei im Hinblick auf die erhobene Sachrüge auch die Ausführungen in den Urteilsgründen ergänzend zu berücksichtigen sind (BGH NStZ-RR 2013, 352 mw.N.). Denn die Beanstandung erweist sich ungeachtet der Frage, ob es über die geleisteten Unterschriften hinaus einer weiteren Unterzeichnung des Messprotokolls bedurft hätte, als jedenfalls unbegründet. Beim Messprotokoll handelt es sich um in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Verfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, die keine Vernehmung zum Gegenstand haben (OLG Hamm ZfS 2014, 651). Ob die beurkundete Durchführung der Ermittlungshandlungen tatsächlich stattgefunden hat, ist eine Frage der allgemeinen Beweiswürdigung. Dies kann sich aus der Urkunde selbst, aber auch aus anderen Umständen ergeben. Vorliegend hat sich das Amtsgericht durch die Vernehmung der die maßgeblichen Untersuchungshandlungen durchführenden Beamtin von der Richtigkeit der Eintragungen im Messprotokoll überzeugt. Dies ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.“

Strafe III: Erörterung eines Bewährungswiderrufs, oder: Feststellungen zum Wirkstoffgehalt von BtM

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Und dann zum Tagesschluss noch der KG, Beschl. v. 03.03.2023 – (3) 161 Ss 212/22 (73/22) – u.a. zur Frage der Erforderlichkeit von Feststellungen zum Wirkstoffgehalt von Betäubungsmitteln im Hinblick auf die Strafzumessung.

Das AG hat den Angeklagten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde dabei nicht zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete Berufung hat das LG verworfen. Die Revision hatte hinsichtlich einer vom LG gebildeten Gesamtstrafe (§ 55 StGB) Erfolg, die Strafzumessung im Übrigen hat das KG nicht beanstandet:

„b) Die dem Tatgericht obliegende Strafzumessung hält sachlich rechtlicher Überprüfung stand.

Es ist grundsätzlich die Aufgabe des Tatgerichts, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1995 – 3 StR 478/95 –, juris). Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist regelmäßig nur bei beachtlichen Rechtsfehlern in dem Sinne, dass die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, bestimmende Strafzumessungstatsachen übergangen wurden oder sich die verhängte Freiheitsstrafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs offenkundig löst, möglich (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012  – 3 StR 413/11  –, juris m.w.N.).

(1) Im Hinblick auf § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB und den Strafzweck der Resozialisierung ist der Umstand drohenden Bewährungswiderrufs regelmäßig zu erörtern, wenn auf Grund eines möglichen Widerrufs die gesamte Länge der zu verbüßenden Haft diejenige der neu verhängten Strafe beträchtlich übersteigt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Februar 2022 – (3) 121 Ss 170/21 (62/21) –, juris m.w.V.). Eine Erörterung oder gar strafmildernde Bewertung eines möglicherweise drohenden Bewährungswiderrufs kann jedoch im Einzelfall dann unterbleiben, wenn ein übermäßiges Gesamtvollstreckungsübel namentlich aus spezialpräventiven Gründen nicht naheliegt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Februar 2022 , a.a.O.; OLG Hamburg NStZ-RR 2017, 72), etwa bei Intensiv- oder Serientätern, bei hoher Rückfallgeschwindigkeit oder bei einer Tat kurz nach der Haftentlassung, nachdem die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 03. August 2021 – 2 StR 129/20 –, juris; Senat, Beschluss vom 11. Februar 2022 a.a.O.).

Den vorstehenden Anforderungen wird die Strafzumessungsentscheidung gerecht. Das Landgericht hat zutreffend auf den Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG abgestellt und seine umfassenden Strafzumessungserwägungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung den infolge der erneuten Verurteilung drohenden Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus der Verurteilung des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. August 2021 – Az. 260 Ds 96/20 – nur im Zuge der Prognoseentscheidung nach § 56 Abs. 1 StGB explizit erwähnt hat. Denn ungeachtet des Umstandes, dass die Urteilsgründe eine Einheit bilden (vgl. BGHSt 65, 75; Senat, Beschluss vom 29. April 2022 – (3) 161 Ss 51/22 (15/22) –, juris m.w.V.), sind im vorliegenden Fall ausführliche Erörterungen zum möglichen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht angezeigt. Zwar droht dem Angeklagten bei Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in dem Verfahren 260 Ds 96/20 die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat, die die hier verhängte Strafe von sechs Monaten beträchtlich übersteigt. Jedoch hat das Landgericht rechtsfehlerfrei dargelegt, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Intensivtäter handelt und die früheren Verurteilungen im notwendigen Umfang geschildert. Vor diesem Hintergrund konnte eine ausführliche Erörterung des Bewährungswiderrufs oder gar dessen strafmildernde Bewertung unterbleiben.

(2) Die Strafzumessung hält auch insoweit der rechtlichen Überprüfung stand, als dass das Landgericht keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Buprenorphin in den Subutex-Tabletten getroffen hat. Der Wirkstoffgehalt des gehandelten Rauschgifts ist grundsätzlich für die Bestimmung des Unrechts- und Schuldgehalts einer Straftat rechtlich belangvoll (vgl. BGH NStZ 2023, 46; KG, Beschluss vom 4. Januar 2012 – (4) 1 Ss 466/11 (322/11), BeckRS 2012, 12416; OLG München Beschluss vom 6. August 2009 – 4 St RR 113/09, BeckRS 2010, 30585). Von genaueren Feststellungen kann aber ausnahmsweise abgesehen werden, wenn ausgeschlossen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehalts das Strafmaß im Rahmen des § 29 Abs. 1 und 3 BtMG zu Gunsten des Angeklagten beeinflussen kann. Dies kann insbesondere bei Kleinstmengen der Fall sein, da der Schuldgehalt der Tat durch die Qualität des Rauschgifts nicht wesentlich geprägt wird (vgl. BGH NStZ-RR 2022, 250, Patzak, NStZ 23,17; BeckOK BtMG/Becker, 16. Ed. 15.9.2022, BtMG § 29 Rn. 145g).

Im vorliegenden Fall kann ausnahmsweise aufgrund der gehandelten Kleinstmenge von der Bestimmung des genauen Wirkstoffgehalts abgesehen werden.

Bezüglich der hier gegenständlichen Tat hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte eine Tablette Subutex für 10,- € an den Zeugen M. verkauft und im Übrigen 12 weitere Subutex-Tabletten bei sich geführt habe, um auch diese gewinnbringend an weitere Abnehmer zu veräußern. Bei dieser Menge an Subutex handelt es sich um eine Kleinstmenge an Rauschgift unabhängig vom Gehalt des Buprenorphin der einzelnen Tablette, wobei eine Tablette eine Konsumeinheit darstellt. Dies ergibt sich auch daraus, dass die geringe Menge an Buprenorphin im Sinne des § 29 Abs. 5 BtMG bei 1-3 Konsumeinheiten Subutex liegt (vgl. Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Aufl., BtMG § 29 Rn. 1659; MüKoStGB/O?lakc?o?lu, 4. Aufl., BtMG § 29 Rn. 1680) und die nicht geringe Menge bei einem Wirkstoffgehalt von 416,67 mg Buprenorphin liegt (vgl. BGH NJW 2007, 2054). Auch unter Annahme der höchsten am Arzneimarkt erhältlichen Dosis von 8 mg Buprenorphin pro Subutex-Tablette (vgl. BGH NJW 2007, 2054) übersteigt der Wirkstoffgehalt 104 mg Buprenorphin nicht. Bei einer solchen Sachlage ist der Wirkstoffgehalt kein bestimmender Faktor bei der Strafzumessung im Sinne des § 46 StGB und das Absehen diesbezüglicher Feststellungen – wie vorliegend – ist rechtsfehlerfrei.“