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OWi I: Befreiung von Maskenpflicht zu Corona-Zeiten, oder: Anforderungen an das ärztliche Attest

Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

Und heute dann OWi-Entscheidunge, aber mal kein Verkehrsrecht sondern andere Bereiche.

Ich beginne mit dem OLG Celle, Beschl. v. 17.10.2023 – 2 ORbs 278/23. Das OLG arbeitet ind em Beschluss noch ein wenig die Corona-Zeit auf.

Das AG hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen eine vollziehbare Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (hier: Maskenpflicht bei öffentlichen Veranstaltungen) zu einer Geldbuße von 100,- € verurteilt. Nach den Feststellungen des Urteils nahm der Betroffene am 28.02.2022 in B. an einer angemeldeten Versammlung zum Thema „Spaziergang für das Ende aller Corona-Maßnahmen, Freiheit und Selbstbestimmung “ unter freiem Himmel teil, zu deren Beginn die Demonstrationsteilnehmer einschließlich des Betroffenen von den eingesetzten Polizeikräften auf die bestehende Maskenpflicht hingewiesen worden seien. Sodann habe der Betroffene während der gesamten Versammlung bewusst auf das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verzichtet und mehrfach eine Trillerpfeife verwendet. Ein von dem Betroffenen in der Hauptverhandlung vorgelegtes ärztliches Attest vom 14.01.2022 mit dem Inhalt „Aus psychischen Gründen kann o.g. Person keinen MNB tragen“ erfüllte aus Sicht des Amtsgerichts nicht die an ein ärztliches Attest zu stellenden Mindestanforderungen, sodass der Betroffene nicht nach § 4 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung von der Maskenpflicht befreit gewesen sei, weil eine als Ausnahme geltende Beeinträchtigung oder Vorerkrankung weder am Vorfallstag noch in der Hauptverhandlung glaubhaft gemacht worden sei. Das vorgelegte Dokument enthalte weder eine Diagnose, noch gebe es andere Hinweise auf die Art der Erkrankung und auf den Grund, warum diese dem Tragen einer Schutzmaske entgegenstehen soll.

Zum Tatzeitpunkt galt die Niedersächsische Verordnung über Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. Februar 2022.

Das OLG hat die Verordnung als wirksam angesehen. Es hat das Urteil aber aufgehoben, weil das AG die Anforderungen an das Attest überspannt habe.

ich stelle hier, weil die Problematik ja nicht mehr so ganz aktuell istt, nur die Leitsätze des OLG ein. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext der umfangreich begründeten Entscheidung:

    1. Zur Glaubhaftmachung der Unzumutbarkeit des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung nach § 4 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. Februar 2022 bedarf es nicht der Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests.
    2. Die Glaubhaftmachung durch ein ärztliches Attest oder eine vergleichbare amtliche Bescheinigung hat schon zur Gewährleistung eines effektiven Gesundheitsschutzes bereits zum Zeitpunkt der behördlichen Kontrolle an Ort und Stelle des Vorfalls zu erfolgen und nicht erst in einer späteren Hauptverhandlung in dem nachgelagerten Bußgeldverfahren.
    3. Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes waren aufgrund des im Februar und März 2022 besonders hohen und stagnierenden Infektionsgeschehens mit einem Höchststand an Neuinfektionen während der gesamten COVID-19-Pandemie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der Fassung vom 23. Februar 2022 noch deutlich reduziert, sodass § 21 der Verordnung trotz seiner Ausgestaltung als Blankettvorschrift noch als materiell rechtmäßig anzusehen ist.