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Strafzumessung III: Nachtatverhalten bei der Geldbußenbemessung, oder: „Corona-Abschlag“

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Und die dritte Entscheidung kommt dann heute aus dem Bußgeldbereicht. Insofern passt „Strafzumessung“ also nicht ganz, besser wäre „Rechtsfolgenbemessung“. Aber die Entscheidung passt ganz gut zu dem am Mittag vorgestellten BGH, Beschl. v. . Denn in dem AG Eilenburg, Beschl. v. 22.06.2020 – 8 OWi 950 Js 61954/19 – geht es um „Nachtatverhalten“, und zwar bei der Bemessung der Geldbuße.

Nach dem BKat wäre bei dem Betroffenen wegen der ausgeurteilten Geschwindigkeitsüberschreitung an sich eine Geldbuße von 80 EUR festzusetzen gewesen. Das AG hat aber nur 55 EUR festgesetzt und das wie folgt begründet:

„Ausweislich des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten ist für eine solche Tat bei fahrlässigem Verhalten und für einen Ersttäter der Ausspruch einer Geldbuße von 80,00 Euro vorgesehen (11.3.4 BKat). Vom im Bußgeldbescheid verhängten Regelsatz war hier zugunsten des Betroffenen gemäß § 17 Abs. 3 OWiG abzuweichen und eine Geldbuße in Höhe von lediglich 55,00 Euro festzusetzen, da es sich im vorliegenden Fall zwar in tatbezogener, nicht aber in täterbezogener Hinsicht um einen Regelfall mit Regeltatumständen handelt.

Maßgebend wirkt sich hier zugunsten des Betroffenen aus, dass er seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt hat, dem nach Auffassung des Gerichts Geständnisfiktion zukommt (vgl. nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.01.2006 – 1 Ss 5/06 -, BeckRS 2006, 1865 zur Rechtsfolgenbeschränkung im Strafbefehlsverfahren). Die bereits darin zum Ausdruck kommende Einsicht des Betroffenen in sein straßenverkehrsordnungswidriges Verhalten hat der Betroffene ferner durch seine Teilnahme an einer zweieinhalbstündigen Beratung bei einem amtlich anerkannten verkehrspsychologischen Berater nachgewiesen und insoweit ein positives Nachtatverhalten gezeigt. Hinzu kommt hier, dass der Betroffene dem Gericht im Rahmen einer Entscheidung nach § 72 Abs. 1 OWiG die Durchführung von mindestens einem Termin zur mündlichen Hauptverhandlung erspart und damit in Zeiten der Corona-Pandemie in mittelbarer Hinsicht zur Krankheitsprävention beiträgt. Demgegenüber verkennt das Gericht zwar nicht, dass zulasten des Betroffenen die beiden Voreintragungen im Fahreignungsregister betreffend dreier Verkehrsstraftaten zu werten sind. Jedoch sind die zugunsten des Betroffenen sprechenden Ahndungskriterien hier von deutlich größerem Gewicht, sodass nach Auffassung des Gerichts unter Zurückstellung gewisser Bedenken hier ausnahmsweise auf eine Geldbuße unterhalb der Eintragungsgrenze im Fahreignungsregister erkannt werden konnte, da bei der Bewertung auch nicht außer Betracht bleiben darf, dass die Voreintragungen nicht einschlägiger Natur sind und die Rechtskraft dieser Entscheidungen bereits über drei bzw. über vier Jahre zurückliegt.“

Strafzumessung II: Nachtatverhalten, oder: Strafschärfung wegen Fehlens eines Milderungsgrundes

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Die zweite Entscheidung zur Strafzumessung kommt heute auch vom 4. Strafsenat des BGH. Im BGH, Beschl. v. 16.06.2020 – 4 StR 45/20 – geht es um die Berücksichigung von Nachtatverhalten bei einer Verurteilung wegen Totschlags. Das LG hat den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und dabei Nachtatverhalten berücksichtigt. Das hat der BGH beanstandet:

„2. Der Strafausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat das Nachtatverhalten des Angeklagten zu seinen Lasten berücksichtigt. Der Angeklagte habe, nachdem er mit jedenfalls bedingtem Tötungsvorsatz mehrfach mit erheblicher Gewalt auf den Kopfbereich seines 18 Monate alten Pflegesohns eingewirkt und ihn derart heftig geschüttelt hatte, dass dieser tödliche Hirnverletzungen erlitt, keine tauglichen Rettungsbemühungen unternommen. Vielmehr habe er solche bewusst unterlassen, indem er weder seiner Ehefrau noch den behandelnden Ärzten die Ursache des Verletzungsbildes des Kindes geschildert, sondern die Ursache im eigenen Interesse verschleiert habe.

Diese Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes bei der Bemessung der Strafe dem Angeklagten angelastet hat. Das ernsthafte Bemühen eines Täters um die Rettung des Tatopfers ist ein Strafmilderungsgrund. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Fehlen eines Milderungsgrundes aber nicht strafschärfend ins Gewicht fallen (vgl. zum Fehlen von Rettungsbemühungen BGH, Beschluss vom 16. März 1984 – 2 StR 81/84; vom 25. September 2002 – 1 StR 347/02, Rn. 5; vom 6. November 2013 – 1 StR 525/13, Rn. 5). Auf einen Rückschluss aus dem Nachtatverhalten auf die Gesinnung des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1996 – 1 StR 338/96, Rn. 18 ff.; Urteil vom 14. März 2018 – 2 StR 416/18, Rn. 22) hat das Landgericht nicht abgestellt.“

Das OLG Frankfurt und die Bewährungsstrafe, oder: Berücksichtigung von Nachtatverhalten

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Das OLG Frankfurt setzt sich im OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.11.2016 – 1 Ss 197/16 – u.a. mit Bewährungsfragen (§ 56 StGB) auseinander. Das LG hatte seine Entscheidung, die Vollstreckung der gegen den Angeklagten verhängten Freiheits­strafe nicht zur Bewährung auszusetzen, maßgeblich mit dem Nachtatverhalten des Angeklagten und einer insoweit nicht gegebenen positiven Sozialprognose i.S.v. § 56 Abs. 1 und 2 StGB begründet. Es hatt ausgeführt, der An­geklagte werde sich nicht allein durch die Verhängung der Freiheitsstrafe zukünftig von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lassen, da dieser „während des laufenden Berufungsverfahrens wenige Wochen vor der Berufungshauptverhandlung in frem­dem Wohnraum aufgefunden und verhaftet [wurde]. Anhaltspunkte für einen berech­tigten Aufenthalt in der fremden Wohnung liegen nicht vor“. Das beanstandet das OLG als rechtsfeherlhaft:

„Diese Erwägung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Vorwürfe aus einem schwebenden Verfahren, in dem ein Urteil noch aussteht, dürfen bei der Sozialprog­nose i.S.v. § 56 Abs. 1 StGB nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden, wenn das Gericht zur Richtigkeit dieser Beschuldigungen keine eigenen und pro­zessordnungsgemäßen Feststellungen getroffen hat (BGH StV 1995, 521; BGH StV 1993, 458 f.; vgl. auch Senat, Beschl. v. 11.02.2015 – 1 Ss 323/14, juris [Rn. 13]; BGH, Beschl. v. 19.06.2012 – 4 StR 139/12, juris [Rn. 8] = NStZ 2013, 36 [insoweit nicht abgedr.]). Der bloße Verdacht einer weiteren Straftat darf aufgrund der Un­schuldsvermutung nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden; dies gilt selbst dann, wenn in dem anderen Verfahren aufgrund eines dringenden Tatver­dachts bereits Untersuchungshaft angeordnet worden ist (BGH StV 1993, 458 [459]).

Vorliegend hat das Landgericht in den Urteilsgründen festgestellt, dass gegen den Angeklagten zu 1. ein anderes Verfahren wegen des Vorwurfs des versuchten Woh­nungseinbruchdiebstahls am …12.2015, 18:31 Uhr, in der A-straße … in Stadt1 – Az. …/15 – anhängig ist (UA S. 3). Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts ist in dieser Sache vom Amtsgericht Stadt2 am …12.2015 ein Haftbefehl erlassen worden und nach Anklageerhebung vom 11.01.2016 die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Stadt2 für den 03.03.2016 anberaumt worden (UA S. 3). Der Haftbefehl und die Anklageschrift wurden nach den Urteilsgründen auch verlesen (UA S. 7 f.).

Eigene Feststellungen zur Richtigkeit dieser Beschuldigung hat das Landgericht hin­gegen nicht getroffen. Jene Beschuldigung hätte daher auch nicht zum Nachteil des Angeklagten zu 1. berücksichtigt werden dürfen.“

Ist nicht so ganz einfach mit dem „Nachtatverhalten“…..

2,28 Promille – aber Fahrerlaubnis nicht entzogen….

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Da ist mal wieder eine Entscheidung aus der Kategorie: Klein, aber fein. Es ist das AG Tiergarten, Urt. v. 18.02.2016 – (315 Cs) 3012 Js 1817/15 (281/15), das der Kollege Kroll aus Berlin erstritten hat. Ergangen im zweiten Durchlauf, nachdem die Sache schon mal beim KG war.

Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen einer fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB). BAK 2,28 Promille. Zur Zeit der Verurteilung lag die Tat schon mehr als ein Jahr zurück. Und: Der Angeklagte hat inzwischen dem Alkohol abgeschworen. Das führt dazu dass das AG von der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 sTGB) absieht und nur noch ein Fahrverbot von drei Monaten als erforderlich ansieht. Das ist aber durch die Zeit der vorläufigen Entziehung „verbüßt“:

„Im Rahmen der Strafzumessung wurde insbesondere zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und die Tat bereits über ein Jahr zurückliegt. Zudem war der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung umfassend geständig und setzte sich mit der Tat reflektiert auseinander. Auch die Ursachen und Beweggründe seines damaligen Alkoholkonsums konnte er nicht nur benennen, sondern hat auch seine Lebensumstände entsprechend geändert. Ferner fiel das weitere Nachtatverhalten erheblich — positiv— ins Gewicht. Nach eigenen und glaubhaften Angaben des Angeklagten verzichtet er nunmehr vollständig auf den Konsum von Alkohol. Er besucht regelmäßig (1-2 mal die Woche) seit dem 12.2.2015 eine suchtherapeutische Motivationsgruppe des Humboldt-Klinikums. Seine Abstinenz hat er ferner durch die Einreichung von entsprechend negativen Laborbefunden nachgewiesen.

Zuletzt war in die Strafzumessung mit einzubeziehen, dass der Baum zwar eine fremde Sache von bedeutendem Wert ist und dieser auch gefährdet wurde. Die eingetretene Schadenshöhe bewegt sich gleichwohl im unteren Bereich.

Auf Entschädigungsansprüche wurde ferner ebenfalls verzichtet.

Strafschärfend wurde die Eintragung im Fahreignungsregister beachtet

Die Tagessatzhöhe wurde unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten festgesetzt, § 40 Abs. 2 StGB.

Aufgrund des Nachtatverhaltens schied eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Sinne der §§ 69, 69 a StGB aus. Der Angeklagte ist nicht ungeeignet im Sinne der Vorschrift.

Es war jedoch als Warn- und Denkzettel ein Fahrverbot im Sinne des § 44 StGB für die Dauer von 3 Monaten festzusetzen. Das Fahrverbot ist aufgrund der amtlichen Beschlagnahme des Führerscheins vom 31.1.2015 bis zum 18.2.2016 bereits abgegolten, § 44 Abs. 3 S. 1 StGB.“

Na bitte, geht doch….

„Die Strafe ist mir zu niedrig…“

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Das LG verurteilt den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Dagegen die Revisionen der StA und der Nebenklägerin, die Erfolg haben, weil der BGH Tötungsvorsatz des Angeklagten nicht ausschließen kann. Der BGH, Beschl. v. 09.10.2013 – 5 StR 214/13 hebt deshalb auf und führt zur Strafzumessung des LG dann noch aus:

„Der Senat weist schließlich darauf hin, dass angesichts des hochgradigen Verschuldens und unter Berücksichtigung des genannten Nachtatverhaltens die Annahme eines minder schweren Falles der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 2 StGB) und das niedrige Strafmaß trotz der berücksichtigten Milderungsgründe auch für sich genommen für den Senat kaum nachvollziehbar sind.“

Revisionsrechtlich vornehm ausgedrückt. Der Senat hätte auch schreiben können: Die Strafe ist mir zu niedrig. Jedenfalls dürfte es in der neuen Hauptverhandlung nach dem Hinweis eine höhere Strafe geben.

Beim „Nachtatverhalten“ dürfte den BGH besonders gestört haben:

„Der Angeklagte machte sich an die Beseitigung der Leiche. Er ließ den Leichnam ausbluten, zerteilte ihn in sechs Teile, kochte den Kopf sowie einen Unterarm und verpackte die Leichenteile in Styroporkisten und Kartons, die er mit Plastikfolie umwickelte.“

 

 

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