Archiv der Kategorie: Beweiswürdigung

Alkoholfreies Weizen bestellt, mit Alkohol bekommen, oder: Das AG glaubts…..

entnommen wikimedia.org Urheber Ukko.de

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Schon etwas älter ist der KG, Beschl. v. 03.03.2016 – 3 Ws (B) 106/16, hängt also auch schon etwas länger in meinem Blogordner. Das KG behandelt in seiner Entscheidung die Anforderungen an die Darlegungen im Urteil bei einem (unechtem Teil) Freispruch vom Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG im Falle der angeblich unbewussten Alkoholaufnahme. Das ist ja eine nicht seltene Einlassung. Hier hatte der Betroffene geltend gemacht, er habe in einer Gaststätte ein alkoholfreies Weizenbier bestellt, aber offenbar ein alkoholhaltiges erhalten, und auch vor und während der Fahrt habe er nicht bemerkt, alkoholisiert gewesen zu sein. Das hatte ihm die Amtsrichterin geglaubt und vom Vorwurf eines Verstoßes gegen § 24a StVG frei gesprochen.

Das KG hat Bedenken gegen die Beweiswürdigung, da das AG „vergessen“ hat „auch die gegen den Betroffenen sprechenden Umstände in gleicher Weise darzustellen und zu erörtern (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338, NStZ 2012, 227; Meyer-Goßner/Schmidt, StPO 58. Aufl., § 267 Rn. 33). Auch enthält das Urteil, obwohl sich der Betroffene umfassend eingelassen hat, keine Angaben zum Zeitpunkt des Trinkendes. Daneben verhält sich das Urteil auch nicht zu weiteren Parametern, die dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der Beweiswürdigung ermöglichen könnten.“

„Das Urteil lässt eine kritische Auseinandersetzung mit der Behauptung des Betroffenen vermissen, er habe nur „ein Weizenbier“ getrunken. Einer Erörterung hätte es bedurft, weil die beim Betroffenen um 2.22 Uhr und damit 42 Minuten nach einem von Polizeibeamten beobachteten Rotlichtverstoß gemessene Atemluft eine Alkoholkonzentration von 0,35 mg/l aufwies. Auch wenn sich in der Literatur Angaben über Konversionsfaktoren mit einer Schwankungsbreite in Extremen zwischen 1 : 0,7 und 1 : 6,0 finden (vgl. Haffner/Graw, NZV 2009, 209 mwN; Haffner/Dettling, Blutalkohol 52, 233) und mithin eine exakte Konvertierung von Atemalkohol in Blutalkohol im wissenschaftlich-arithmetischen Sinn ausgeschlossen ist, so ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr hoch, dass eine um 2.22 Uhr entnommene Blutprobe einen deutlich höheren Blutalkoholwert (in Promille) ergeben hätte. Dies gilt umso mehr, als die Urteilsfeststellungen es in zeitlicher und örtlicher Hinsicht als denkbar oder sogar naheliegend erscheinen lassen, dass der Atemalkohol nicht in der Anflutungs-, sondern in der sog. postresorptiven Eliminationsphase gemessen wurde. In diesem Abschnitt steigen die Konversionsfaktoren gegenüber der Trinkphase deutlich an, nämlich auf durchschnittlich etwas über 1 : 2 (vgl. Haffner/Graw, aaO; Haffner/Dettling, aaO: zwischen 1 : 1,99 und 1 : 2,33). Auf dieser Grundlage geht auch der Gesetzgeber von einer „normativen Entsprechung“ der Messverfahren im Verhältnis von 1 : 2 aus. Dabei will er den Betroffenen, dessen Atemalkohol gemessen wird, eher etwas günstiger stellen als jenen, dessen Blut untersucht wird, so dass die (hier nicht gemessene) Blutalkoholkonzentration des Betroffenen, zumal die Trinkphase schon länger abgeschlossen war und ggf. die Phase überwiegender Alkoholelimination begonnen hatte, mit einiger Wahrscheinlichkeit sogar noch über dem verdoppelten Atemalkoholwert gelegen hätte.

Für die hier alleine in den Blick zu nehmende Bestimmung der erforderlichen Darstellungs- und Erörterungstiefe im Urteil ergibt sich daraus, dass eine Orientierung an der – zudem auf empirisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgehenden – normativen Wertung des Gesetzgebers zulässig und geboten ist. Danach musste das Amtsgericht die Behauptung des Betroffenen, er habe nur „ein Weizenbier“ getrunken, mit der Möglichkeit abgleichen, dass um 2.22 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von ca. 0,7 Promille auf ihn wirkte. Eine Erörterung dieses Umstands lag umso näher, als allein zwischen der Gestellung des Betroffenen und der Messung 42 Minuten lagen. Die vom Betroffenen zuvor besuchte Gastwirtschaft wiederum lag mehr als 15 im innerstädtischen Verkehr zurückzulegende Kilometer vom Gestellungsort entfernt, so dass von einem noch deutlich früheren Trinkende auszugehen und gegebenenfalls in Rechnung zu stellen war, dass die mit dem Genuss von 0,5 l Weizenbier aufgenommene Alkoholmenge (ca. 20 g) bereits ganz oder zumindest teilweise abgebaut gewesen wäre.

Zwar bewertet es der nicht sachverständig beratene Senat nicht als Verstoß gegen die Denkgesetze, dass das Amtsgericht dem Betroffenen geglaubt hat, er habe nur „ein Weizenbier“ getrunken, und schon gar nicht ersetzt der Senat die Würdigung der Tatrichterin durch seine eigene. Die im Urteil geschilderten Umstände lassen die Einlassung jedoch als so überprüfungs- und klärungsbedürftig erscheinen, dass es einer vertieften Darstellung und Auseinandersetzung mit den Begleitumständen bedurft hätte. Hinzunehmen wäre die Bewertung des Amtsgerichts gegebenenfalls gewesen, wenn das Urteil ein ausgesprochen leichtes Körpergewicht des Betroffenen mitgeteilt hätte, so dass bereits geringe Mengen Alkohol zu der festgestellten, den Gefahrengrenzwert des § 24a StVG erheblich überschreitenden Alkoholisierung geführt haben könnten. Nach einer überschlägigen Berechnung des Senats und (sogar) unter Außerachtlassung möglichen Abbaus müsste der Betroffene allerdings zur Tatzeit weniger als 40 kg gewogen haben. Unter zusätzlicher Berücksichtigung begonnener Alkoholelimination dürfte die vom Betroffenen angegebene Trinkmenge indes kaum plausibel sein.

Daneben ist auch die Beweiswürdigung nicht frei von Rechtsfehlern. Eine einen Rechtsfehler im Sinn des § 79 Abs. 3 OWiG iVm § 337 Abs. 1 StPO darstellende Lücke liegt vor, wenn die Beweiswürdigung wesentliche Feststellungen nicht erörtert (vgl. etwa BGH NStZ-RR 2016, 54) oder nur eine von mehreren gleich naheliegenden Möglichkeiten prüft (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147). Das ist hier der Fall. Der Senat versteht das Urteil so, dass es das Amtsgericht als Indiz für die Glaubhaftigkeit der Behauptung des Betroffenen, er habe eigentlich alkoholfreies Bier trinken wollen, gewertet hat, dass er an Krebs leidet und „seit ca. einem Jahr generell keinen Alkohol“ trinke. Zugleich hat das Amtsgericht dem Betroffenen geglaubt, dass er „vor Fahrtantritt sowie während der Fahrt nicht merkte, dass er unter dem Einfluss alkoholischer Getränke stand“. Es mag entfernt denkbar sein, dass ein seit einem Jahr alkoholabstinent Lebender den zu einer Atemalkoholkonzentration von 0,35 mg/l führenden Alkohol nicht spürt. Jedenfalls müsste das Urteil aber erkennen lassen, dass sich die Richterin der Besonderheit dieses Umstands bewusst war, und es wäre darzulegen gewesen, dass und warum dem Betroffenen gleichwohl geglaubt werden konnte.“

Solche Entscheidungen zeigen ja immer auch, was man als Verteidiger ggf. im Blick behalten muss. Und: Die Entscheidung passt so richtig schön zu dem heißen Wetter. Aber: Zu Fuß gehen!

Auch beim Freispruch muss die Beweiswürdigung stimmen…..

© Dan Race Fotolia .com

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M.E. mehren sich in der letzten Zeit die Entscheidungen, in denen vom BGH „Freispruchurteile“ der LG aufgehoben werden, weil nach Auffassung des BGH die Beweiswürdigung „nicht stimmt“. Zu den Entscheidungen gehhört z.B. das BGH, Urt v. 18.05.2016 – 2 StR 7/16. Dem Angeklagten wird der Vorwurf der Untreue gemacht. Das Verfahren ist schon vor der Hauptverhandlung aus Sicht der StA nicht „ganz rund“ gelaufen. Denn die Strafkammer hatte zunächst die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat dann das OLG Rostock das Hauptverfahren eröffnet. Nach durchgeführter Hauptverhandlung hat die Strafkammer den Angeklagten dann – wie nicht anders zu erwarten – aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Der BGh hat den Freispruch nun aufgehoben. Er beanstandet u.a. die Beweiswürdigung und führt dazu aus:

„2. Darüber hinaus ist auch die Beweiswürdigung durchgreifend rechtsfehlerhaft.

a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsge-richt kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche auf-weist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzo-gene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2015 – 3 StR 226/15, juris Rn. 5). Lückenhaft ist die Würdigung der Beweise insbesondere dann, wenn das Urteil nicht erkennen lässt, dass der Tatrichter alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 635/14, juris Rn. 3).

b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Insbesondere fehlt es an einer umfassenden Gesamtabwägung aller gegen eine Gutgläubigkeit des Angeklagten sprechende Beweisanzeichen…..“

Wenn man schon frei spricht, dann muss es auch mit der Begründung passen…

BtM I: Bitte nicht nur „Vermutungen“, oder der zu „Vertuschungszwecken vorgeschobene Zahlungsempfänger“

entnommen wikimedia.org By Dundak - Own work

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Machen wir heute mal einen BtM-Tag, ist auch mal schön 🙂 . Dazu dann jetzt etwas von höchster Stelle, nämlich den BGH, Beschl. v. 16.02. 2016 – 1 StR 525/15. Es geht um die tatrichterliche Beweiswürdigung und deren Überprüfbarkeit in der Revision. Dazu zunächst der BGh mit (s)einem Textbaustein:

„a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, der sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209 ff.; BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20 f.). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich soweit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420 mwN).“

Ok, das kennen wir bzw. das hat man so oder ähnlich schon häufiger gelesen. Der BGH wendet die Grundsätze dann auf den konkreten Fall an und kommt dabie dann zu dem Ergebnis: So, wie das LG gewürdigt hat, geht es nicht:

„b) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht. Die vom Landgericht gezogenen Schlüsse erweisen sich mangels tragfähiger Tatsachengrundlage als bloße Vermutungen.

aa) Der bislang unbestrafte Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen. Mitangeklagte oder Zeugen haben den Angeklagten weder direkt noch indirekt der Mitwirkung an dem fraglichen Betäubungsmittelgeschäft (Bestellung von 1,5 kg Marihuana in Belgien) bezichtigt. Die Kammer konnte lediglich feststellen, dass der Angeklagte in Brüssel Empfänger einer über U. durchgeführten Auslandsüberweisung in Höhe von 4.000 Euro war und dieses Geld an den anderweitig Verfolgten L. weitergegeben hat.

L., der Lieferant des Marihuanas, hatte zuvor dem Mitangeklagten W. (Käufer des Marihuanas) den Namen des Angeklagten als Empfänger der Auslandsüberweisung übermittelt. Zwei Tage später kam es in Belgien zur Übergabe des Marihuanas. Zwei Haarproben, die dem Angeklagten ein halbes Jahr nach der Tat entnommen wurden, belegen seinen gelegentlichen Konsum von Kokain, MDMA und Diazepam.7

bb) Auf dieser Grundlage hat die Kammer darauf geschlossen, der Angeklagte habe gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Geld zur Bezahlung einer Drogenlieferung dienen sollte. Er konsumiere gelegentlich Drogen und habe deshalb Kontakt zur Drogenszene. Zudem sei nicht vorstellbar, dass er durch den anderweitig Verfolgten L. mit der Empfangnahme einer derart hohen und dringlich benötigten Zahlung betraut worden sei, ohne in die zugrunde liegenden Vorgänge eingeweiht und auch darüber hinaus beteiligt gewesen zu sein.

cc) Diese Schlussfolgerung des Landgerichts entbehrt einer tragfähigen Grundlage. Entgegen der Auffassung der Strafkammer ist es ohne weiteres vorstellbar, dass ein zu Vertuschungszwecken vorgeschobener Zahlungsempfänger gerade nicht in ein umfangreiches Drogengeschäft eingeweiht wird, um den Kreis der Mitwisser möglichst klein zu halten. Vor diesem Hintergrund bildet die Feststellung, dass der Angeklagte gelegentlich verschiedene Drogen konsumiert, keine tragfähige Basis für den Schluss, ihm sei der Zweck der Zahlung zumindest mit Eventualvorsatz bekannt gewesen.“

Sexueller Missbrauch (s)eines Kindes – minder schwerer Fall?

© alphaspirit - Fotolia.com

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Das AG Warendorf hat einen Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes, seiner Stieftochter, in den Jahren 1996 – 1999 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das OLG Hamm hat die Verurteilung im OLG Hamm, Beschl. v. 05.04.2016 – 4 RVs 30/16 – aufgehoben. Ihm passt die Beweiswürdigung nicht, sie ist ihm angesichts der „Aussage-gegen-Aussage-Situation“ zu knapp. Und: In der „Segelanweisung“ gibt es m.E. ganz interessante Anmerkungen zur Strafzumessung, nämlich zur Frage des minder schweren Falles:

„b) Es bedarf – jedenfalls wenn das neue Tatgericht zu vergleichbaren Feststellungen kommt wie das frühere Tatgericht – einer näheren Erörterung des Vorliegens eines minder schweren Falles i.S.v. § 176 Abs. 1 2. Halbsatz StGB i.d.F. vom 10.03.1987 bzw. i.S.v. § 176a Abs. 3 StGB i.d.F. v. 26.01.1998 auch ohne eines ausdrücklich in der Hauptverhandlung gestellten Antrages i.S.v. § 267 Abs. 3 S. 2 StPO. Der Aus-nahmestrafrahmen eines minder schweren Falles bedarf zwar keiner ausdrücklichen Erwähnung, wenn seine Nichtanwendung nach Maßgabe aller Umstände auf der Hand liegt (BGH NStZ-RR 2010, 57 f.). Andererseits bedarf es aus materiellrechtlichen Gründen der Erörterung des Vorliegens eines minder schweren Falles, wenn die gesamten strafzumessungsrelevanten Umstände die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens nahelegen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 1 StR 548/01 –juris; BGH, Beschl. v. 06.01.2004 – 5 StR 517/03 – juris; BGH NStZ-RR 2012, 308). Dies ist hier – auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen – der Fall. Danach liegen erhebliche strafmildernde Umstände vor:

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

Die Taten liegen sehr lange zurück. Eine lange Zeitspanne zwischen Tat und Ver-urteilung ist in der Regel ein bestimmender Strafzumessungsgerichtspunkt, ohne, dass es auf die Dauer des Strafverfahrens ankommt (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 6; zeitlicher Abstand dort: 9 ½ Jahre; BGH NStZ-RR 1999, 108; zeitlicher Abstand dort: 5 ¾ Jahre). Eine Erörterung dieses Umstands ist bei einem zeitlichen Abstand zwischen Taten und Verurteilung von hier inzwischen rund 20 bzw. 17 Jahren unerlässlich. Dabei ist insbesondere zu sehen, dass die Strafe ? die bisherigen Feststellungen zu Grunde gelegt – keinerlei spezialpräventive Wirkungen entfaltet, da der Angeklagte auch ohne Bestrafung weder vorher noch nachher wieder straffällig geworden ist. Da das staatsanwaltschaftliche Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens bereits aus dem Jahre 2012 stammt, drängt sich im vorliegenden Fall zudem die Erörterung einer langen (wenn auch ggf. noch nicht rechtsstaatswidrigen) Verfahrensdauer auf.

Demgegenüber liegen kaum (ordnungsgemäß festgestellte) straferschwerende Umstände vor:

Sollte die Zeugin tatsächlich noch „schwerwiegend unter den Folgen der Taten“ leiden, so bedarf es auch hierzu näherer Feststellungen. Im angefochtenen Urteil ist lediglich festgestellt, dass ihr seinerzeit „das Ganze auch gefallen habe“; zu spätere Beeinträchtigungen aufgrund der Taten ist gar nichts festgestellt.

Will das neue Tatgericht auch „immer wieder“ vorgekommene „sexuelle Übergriffe“ zwischen den beiden Taten strafschärfend berücksichtigen, bedarf es hierzu näherer Feststellungen.

Es erscheint auch zweifelhaft, ob das „schleichende“ Überschreiten der Grenzen zum sexuellen Missbrauch ein strafschärfender Gesichtspunkt ist. Es erschließt sich – jedenfalls ohne nähere Begründung – nicht, warum das schleichende Überschrei-ten schlimmer sein soll, als ein plötzlicher Übergriff.“

Schlechtes Lichtbild vom Betroffenen… dem OLG reichts, mir nicht

entnommen wikimedia.org Urheber Sebastian Rittau

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Knapp war es beim OLG Hamm für ein OWi-Urteil des AG Bocholt, in dem es um die Täteridentifizierung ging. Die prozeßordnungsgemäße Bezugnahme hatte der Amtsrichter allerdings wohl noch hinbekommen (vgl. dazu vor einiger Zeit BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/15 und dazu BGH: Wie wird im Urteil „prozessordnungsgemäß“ auf ein Lichtbild verwiesen?). Aber dann würde es wohl dünn(er). Das zeigt sich an der Formulierung im OLG Hamm, Beschl. v. 08.03.2016 – 4 RBs 37/16, in dem es u.a. heißt: „Die Feststellung der Fahrereigenschaft des Betroffenen ist (noch) rechtsfehlerfrei“ und darin, dass das OLG dann auch den“ Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe“ bemühen muss, um das Urteil zu „halten“:

„Die Feststellung der Fahrereigenschaft des Betroffenen ist (noch) rechtsfehlerfrei. Der Senat konnte von dem Messfoto aufgrund eines zulässigen Verweises nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Kenntnis nehmen. Daraus ergibt sich, dass nicht nur die Stirn des Betroffenen durch den Rückspiegel verdeckt ist, sondern auch dessen Augenpartie durch eine Sonnenbrille. Auch wenn die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil sich darin erschöpft, erkennbare Gesichtspartien auf dem Messfoto zu benennen und nicht ausdrücklich dargelegt wird, dass das Aussehen dieser Gesichtspartien auf dem Messfoto dem Aussehen des Betroffenen entsprach, entnimmt der Senat dies – und (vor allem) dass das Amtsgericht tatsächlich einen Abgleich zwischen der auf dem Messfoto abgebildeten Person und dem Betroffenen vorgenommen hat – dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe. Eine bloß deskriptive Darlegung der erkennbaren Gesichtspartien hätte im vorliegenden Fall keinen Sinn gemacht, wenn der Tatrichter nicht damit zum Ausdruck hätte bringen wollen, dass er gerade diese Partien in identischer Form beim Betroffenen wiedererkannt hat. Dass der Tatrichter die beim Betroffenen wiedererkannten Merkmale nicht näher beschrieben hat oder den Grad der Übereinstimmung mit den auf dem Messfoto erkennbaren Merkmalen nicht näher dargelegt hat, ist unschädlich. Denn die Überprüfung, ob der/die Betroffene mit dem/der abgebildeten Fahrzeugführer/in identisch ist, steht dem Rechtsmittelgericht ohnehin nicht zu und wäre diesem zudem unmöglich. Vielmehr steht dem Rechtsmittelgericht ausschließlich die Überprüfung der generellen Ergiebigkeit der in Bezug genommenen Lichtbilder zu, welche es aufgrund der durch die Inbezugnahme ermöglichten eigenen Anschauung vornimmt (BGH, Beschl. v. 19.12.1995 – 4 StR 170/95 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 28.08.2013 – III-5 RBs 123/13, 5 RBs 123/13 – juris).“

Ist/war aber auch wirklich dünn und die Ergiebigkeit des Lichtbildes wird man sicherlich bezweifeln können, wenn „nicht nur die Stirn des Betroffenen durch den Rückspiegel verdeckt ist, sondern auch dessen Augenpartie durch eine Sonnenbrille„. Aber dem OLG hat es gereicht. Ob das richtig ist: M.E. hätte der Amtsrichter schon mehr schreiben müssen, als er geschrieben hat. Nämlich, warum er trotz des offenbar schlechten Bildes den Betroffenen erkannt hat. Und zwar konkret und nicht nur aus dem Gesamtzusammenhang.