Archiv der Kategorie: Strafrecht

Einziehung I: Beiseite geschafft/verheimlicht, oder: Wert des Erlangten

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Und dann setze ich den Reigen fort, heute mit StGB-Entscheidungen zur Einziehung.

Ich beginne mit dem zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten BGH, Beschl. v. 14.06.2023 – 1 StR 327/22  – zum Wert des Erlangten.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlichen Bankrotts verurteilt und die Einziehung einer Grundschuld und eines hinterlegten Geldbetrags angeordnet. Der Angeklagte war Vorstandsmitglied und Hauptaktionär der E-AG. Zu­dem war er einziger Kommanditist und Alleingesellschafter-Ge­schäftsführer der Komplementär-GmbH der Mö. GmbH & Co. KG, die Eigentümerin eines gleichnamigen Landguts war. Die E-Gruppe hatte ab 2007 Liquiditätsprobleme. In der Folgezeit ließ der Angeklagte über Strohleute und Scheinfirmen eine Grundschuld über 2,5 Mio EUR an Grundstücken der Mö. bestellen und ein abstraktes Schuldversprechen in gleicher Höhe ab­geben. Später wurde die Grundschuld (einschließlich der Rechte aus dem abstrakten Schuldversprechen) in Höhe des noch bestehenden Betrags von zwei Millionen Euro an die ebenfalls vom Angeklagten beherrschte Einziehungsbeteiligte zu 1. abgetreten, die die Abtretung annahm. Im Insolvenzverfahren verschwieg er die Grundschuld und die genannten Umstände. Nach Einleitung des Strafverfahrens gegen den Angeklagten wurden die Grundschuld und die durch sie gesicherte Forderung beschlagnahmt. Später wurde hinsichtlich eines Teils der betroffenen Grundstücke mit Zustimmung der StA die Grundschuld gelöscht, nachdem im Gegenzug die Einziehungsbeteiligte zu 1. einen Geldbetrag in Höhe von 385.128,48 Euro hinterlegt hatte. Die Revisionen des Angeklagten und der Einziehungsbeteiligten zu 1. wurden verworfen.

Der BGH gibt seiner Entscheidung folgende Leitsätze:

  1. Nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB beiseite geschaffte oder verheimlichte Gegenstände oder wirtschaftliche Vorteile sind Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB.

  1. Gegenstände, die der Täter oder ein Einziehungsbeteiligter als Wertersatzhinterlegt hat, um die Freigabe eines beschlagnahmten Rechts zu bewirken, unterliegen, ungeachtet dessen, dass insoweit § 111d Abs. 2 Satz 2 StPO keine (analoge) Anwendung findet, der Einziehung, sofern das später erkennende Gericht dieVoraussetzungen der Einziehung des beschlagnahmten Rechts feststellt.

Haft III: Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe, oder: Kann der Verurteilte die Geldstrafe nicht sofort zahlen?

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Und zum Schluss des Tages dann noch der OLG Hamm, Beschl. v. 13.04.2023 – 3 Ws 99/23 – zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe.

Wegen der Einzelheiten des (umfangreichen) Sachverhalts verweise ich auf den verlinkten Volltext. Es geht um eine durch einen Strafbefehl wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis festgesetzte Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 10 EUR, die der Verurteilte nicht gezahlt hat, so dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden ist. Dagegen die sofortige Beschwerde, die keinen Erfolg hatte:

„Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe – wie von dem Landgericht Bielefeld in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt – für die Anwendung der §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 S. 1 StGB kein Raum mehr ist. Vielmehr kann die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nur aus den in § 459e Abs. 4 StPO genannten Gründen unterbleiben, vorliegend also namentlich dann, wenn der Verurteilte die nach der inzwischen bereits weitgehend erfolgten Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe verbleibende Restgeldstrafe entrichtet.

Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ist in § 459e StPO geregelt. Dabei setzt die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch die Vollstreckungsbehörde gemäß § 459e Abs. 2 StPO voraus, dass die Geldstrafe nicht eingebracht werden kann oder die Vollstreckung nach § 459c Abs. 2 StPO unterbleibt (was wiederum dann der Fall ist, wenn zu erwarten ist, dass die Beitreibung der Geldstrafe in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen wird). Werden dem Verurteilten Zahlungserleichterungen gemäß §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 S. 1 StGB bewilligt, fehlt es an der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. September 2015 – 2 Ws 472/15 -, BeckRS 2015, 16545), was der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe entgegensteht. Ist die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe demgegenüber erfolgt und der Verurteilte bereits inhaftiert, findet die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach dem eindeutigen Wortlaut des § 459e Abs. 4 StPO ausschließlich dann nicht statt, wenn die Geldstrafe entrichtet oder beigetrieben wird oder – was vorliegend ersichtlich nicht in Betracht kommt – die Vollstreckung nach § 459d StPO unterbleibt (a.A. Appl in: Karlsruher Kommentar, StPO, 9. Auflage 2023, § 459a, Rn. 3, der die Gewährung von Zahlungserleichterungen gemäß § 459 Abs. 1 StPO auch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe noch für möglich hält, sich indessen aber nicht mit dem entgegenstehenden Wortlaut des § 459e Abs. 4 StPO auseinandersetzt). Abgesehen von dem eindeutigen Wortlaut des § 459e Abs. 4 StPO sprechen darüber hinaus aber auch Erwägungen der Effektivität der Strafverfolgung gegen die Möglichkeit, auch noch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe Zahlungserleichterungen zu gewähren. So stehen dem Verurteilten im Zuge der Vollstreckung der Geldstrafe – was durch den Verlauf des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens eindrucksvoll verdeutlicht wird – umfangreiche Spielräume dahingehend zu, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch die Beantragung von Zahlungserleichterungen und/oder der Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. Würde dem Verurteilten, der diese Spielräume nicht erfolgreich nutzt, auch noch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe die Möglichkeit eingeräumt, (gegebenenfalls – wie vorliegend – auch noch wiederholt) Zahlungserleichterungen zu beantragen, würde dies die repressiv erforderliche Spürbarkeit der ausgeurteilten Strafe in einem mit dem Strafzweck nicht mehr zu vereinbarenden Maße reduzieren. Denn in diesem Fall hätte der inhaftierte Verurteilte die Möglichkeit, die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe im Ausgangspunkt jederzeit durch die erfolgreiche Beantragung von Zahlungserleichterungen zu verhindern, da er sodann unmittelbar aus der Haft zu entlassen wäre und – gegebenenfalls über Monate hinweg erfolglos – abgewartet werden müsste, ob der Verurteilte nunmehr doch noch gewillt ist, die ausgeurteilte Geldstrafe ratenweise zu entrichten. Einem derart zerstückelten Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe käme nach Auffassung des Senats indessen kein ausreichend spürbarer Strafcharakter mehr zu.

Dahinstehen kann vorstehend im Übrigen, ob der Ansicht des OLG Karlsruhe (Beschluss vom 30. September 2015 – 2 Ws 472/15 -, BeckRS 2015, 16545) zu folgen ist, dass in Abweichung von dem eingangs dargestellten abschließenden Charakter des § 459e Abs. 4 StPO eine Gewährung von Zahlungserleichterungen gemäß §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 S. 1 StGB auch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ausnahmeweise dann in Betracht kommt, wenn die Staatsanwaltschaft es vor der Anordnung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe fälschlicherweise unterlassen hat, die Bewilligung von Zahlungserleichterungen zu prüfen. Denn vorliegend hat der Verurteilte bereits am 08. Juni 2022 einen Antrag auf Gewährung von monatlichen Ratenzahlungen gestellt, welcher von der Staatsanwaltschaft geprüft und am 27. Juli 2022 (abschlägig) beschieden worden ist.

2. Abgesehen davon ist aber auch nicht festzustellen, dass dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen.

Gemäß § 42 S. 1 StGB gestattet das Gericht dem Verurteilten, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, wenn dem Verurteilten nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen. Nach Rechtskraft des Urteils entscheidet gemäß § 459a Abs. 1 StPO die Vollstreckungsbehörde über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei Geldstrafen. Dabei ist die Zahlungserleichterung schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 42 S. 1 StGB zwingend zu gewähren, wenn die sofortige Zahlung der Geldstrafe unzumutbar ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.04.1993 – 3 Ws 48/93 -, LSK 1993, 410316; Appl, a.a.O., § 459a, Rn. 3 f.; Coen in: BeckOK, 46. Edition Stand 01.01.2023, § 459a, Rn. 2; Nestler in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Auflage 2019, § 459a, Rn. 8 f.). Dabei gilt der Amtsaufklärungsgrundsatz, eine Vortrags- oder Beweislast des Verurteilten besteht nicht (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.09.2015 – 2 Ws 472/15 -, BeckRS 2015, 16545; Appl, a.a.O.; Coen, a.a.O.; Nestler, a.a.O.). Allerdings braucht die Vollstreckungsbehörde nicht zu Gunsten des Verurteilten Unzumutbarkeitsgründe zu unterstellen, für deren tatsächliches Vorliegen sie keine konkreten Anhaltspunkte hat (Coen, a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zu konstatieren, dass der Verurteilten nach dem von ihm eingereichten Bescheid der Stadt A. vom 01. April 2022 jedenfalls bis zu einer Inhaftierung Leistungen nach SGB II i.H.v. monatlich 1.112 Euro bezog. Konkrete Anhaltspunkte für hiervon – mit Blick auf die Frage der Zumutbarkeit der sofortigen Zahlung der Geldstrafe – etwaig in Abzug zu bringende Belastungen liegen nicht vor; insbesondere hat der Verurteilte weder das seinem Verteidiger übersandte Formular „Einkommensauskunft“ ausgefüllt noch an anderer Stelle (selbst und/oder über seinen Verteidiger) irgendwie geartete konkrete Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht. Schon angesichts dessen fehlt es in Anbetracht der Höhe des Leistungsbezugs des Verurteilten an konkreten Anhaltspunkten dahingehend, dass der Verurteilte bis zu seiner Inhaftierung nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Geldstrafe zu zahlen. Dabei ist mit Blick auf die Prüfung der Zumutbarkeit der sofortigen Zahlung nämlich zu berücksichtigen, dass es zur Vollstreckung der Geldstrafe erfahrungsgemäß erst geraume Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung kommt, da es wegen der Nachbearbeitung bei Gericht etwas Zeit in Anspruch nimmt, bis die Akten an die Vollstreckungsbehörde zurückgelangen, von der dann erst die Vollstreckung eingeleitet werden kann (OLG Hamm, Beschluss vom 05. Juni 2014 – III-1 RVs 48/14 -, juris; Urteil vom 06. Januar 2015 – III-1 RVs 112/14 -, juris). Insoweit kann berücksichtigt werden, ob der Verurteilte – wenn er Kenntnis von seiner (rechtskräftigen) Zahlungsverpflichtung erhält – die Möglichkeit hat, die Geldstrafensumme bis zur voraussichtlichen Vollstreckung anzusparen; hat er diese Möglichkeit, so ist ihm die Zahlung der Gesamtsumme zumutbar (OLG Hamm, a.a.O.). Vorliegend ist der Strafbefehl des Amtsgerichts Essen seit dem 22. Februar 2022 rechtskräftig, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe hat demgegenüber erst am 15. Dezember 2022 begonnen. Da zwischen der Rechtskraft der Verurteilung und dem Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe mithin ein Zeitraum von knapp zehn Monaten lag, ist in Anbetracht der Höhe des Leistungsbezugs des Verurteilten nicht anzunehmen, dass es dem Verurteilten nicht möglich gewesen sein soll, die Geldstrafensumme inzwischen anzusparen.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die Entscheidung, dem Verurteilten keine Zahlungserleichterungen gemäß §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 S. 1 StGB zu bewilligen, nicht zu beanstanden. Dies gilt zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senats umso mehr, als nach dem vorliegenden Vollstreckungsblatt der Justizvollzugsanstalt J. (Bl. 117 der Akte) die Ersatzfreiheitstrafe von 140 Tagen am 03. Mai 2023, mithin in 20 Tagen, vollständig verbüßt sein wird. Da gemäß § 43 S. 2 StGB ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe einem Tagessatz Geldstrafe entspricht, zur Abwendung der weiteren Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 459e Abs. 4 S. 1 StPO also aktuell nur noch eine Restgeldstrafe von 200 Euro zu entrichten wäre, ist es auf der Basis der behördlichen bzw. gerichtlichen Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten erst recht fernliegend anzunehmen, dass es ihm bis zu seiner Inhaftierung nicht einmal möglich gewesen sein soll, diesen verbleibenden Restbetrag anzusparen.“

Verkehrsrecht III: Bewegungsdaten versus Zeugen, oder: Dringender Tatverdacht für Trunkenheitsfahrt?

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Und dann als dritte verkehrsrechtliche Entscheidung noch ein Beschluß des LG Itzehoe. Bei dem hatte die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) wegen einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) Erfolg. Das LG hat im LG Itzehoe, Beschl. v. 11.10.2023 – 2 Qs 137/23 – den dringenden Tatverdacht für eine „Trunkenheitsfahrt“ verneint, und zwar mit einer ganz interessanten Begründung bzw. aufgrund einer interessanten „Beweiserhebung“:

„Voraussetzung einer Maßnahme nach § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO ist das Vorliegen von dringenden Gründen für die Annahme, dass in einem Urteil die Maßregel nach § 69 StGB angeordnet werden wird. Dies erfordert dringenden Tatverdacht und einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht den Beschuldigten für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen werde (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 111a Rn. 2). Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs anzusehen und die Fahrerlaubnis deshalb zu entziehen, wenn er ein Vergehen nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) begangen hat.

Derzeit ist aber nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB entzogen werden wird. Denn es liegen keine dringenden Gründe für die Annahme vor, dass der Angeklagte im Verkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der war, das Fahrzeug sicher zu führen.

Die Zeugen pp. und pp. haben zwar angegeben, dass der Angeklagte mit seinem Fahrzeug neben ihnen (ein)parkte. Die vorgelegten Bewegungsdaten des Fahrzeugs, mit dem der Angeklagte sich auf den Parkplatz begeben hatte und bei dem es sich um einen Firmenwagen handelt, widersprechen dem aber. Danach ist nicht davon auszugehen, dass der Angeklagte zu einem Zeitpunkt um kurz vor 13.20 Uhr das Fahrzeug führte. Aus ihnen ergibt sich lediglich, dass das Fahrzeug um 11.27 Uhr entriegelt und um 13.16 Uhr verriegelt wurde. Eine Bewegung in der Zwischenzeit ist dem nicht zu entnehmen. Die Bewegungsdaten hat ausweislich der schriftlichen Angaben des Herrn pp. des Arbeitsgebers des Angeklagten, er selbst und nicht der Angeklagte ausgelesen. Dem Privatgutachten liegen zwar nur diese von Herrn pp. an den Angeklagten übermittelten Screenshots der Bewegungsdaten zugrunde, allerdings lässt sich dem Gutachten zumindest entnehmen, dass man die Daten nicht manipulieren könne. Der den 02.06.2023 betreffenden Übersicht kann man zudem auch geringe Entfernungen von unter einem Kilometer entnehmen, das System erfasst also auch sehr kurze Strecken.

Letztlich muss die Klärung des Sachverhalts der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben und der Widerspruch dort geklärt werden. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist aber nicht davon auszugehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB entzogen werden wird.“

Verkehrsrecht II: Grenze für „bedeutender Schaden“, oder: Beim LG Dresden jetzt (auch) 1.800 EUR

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An zweiter Stelle dann heute der LG Dresden, Beschl. v. 15.09.2023 – 17 Qs 77/23, in dem das LG die Grenze für den bedeutenden Schaden i.S. des § 69 Abs. 1 Nr. 3 StGB – also Entziehung der Fahrerlaubnis in den Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 146 StGB) auf (derzeit) nicht unter 1.800 EUR angehoben hat:

„a) Gemäß § 111a StPO kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluss die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis entzogen wird. Nach § 69 Abs. 1 StGB setzt die Entziehung der Fahrerlaubnis voraus, dass der Beschuldigte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, wobei nach Abs. 2 Nr. 3 der Vorschrift in der Regel der Täter als ungeeignet anzusehen ist, wenn er im Falle eines hier verfahrensgegenständlichen unerlaubten Entfernens vom Unfallort weiß oder wissen kann, dass an fremden Sachen ein bedeutender Schaden entstanden ist.

aa) Voraussetzung ist zunächst das Vorliegen eines objektiv bedeutenden Schadens. Darüber hinaus ist die Erkennbarkeit der Schadenshöhe für den Täter zum Tatzeitpunkt maßgeblich (vgl. etwa Kammerbeschluss v. 08.02.2023, Az. 17 Qs 11/23).

Eine konkrete Schadenshöhe hat der Gesetzgeber dabei nicht vorgegeben, sodass es Aufgabe der Gerichte ist, diese zu bestimmen.

bb) Im Ansatz zutreffend hat sich das Amtsgericht Dresden davon leiten lassen, dass nach der Kommentierung unter Verweis auf die Rechtsprechung, unter anderem des Oberlandesgerichts Dresden, von gegenwärtigen Grenzen von ca. 1.300 EUR bzw. jedenfalls nicht unter 1.500 EUR auszugehen sei.

Allerdings ist nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts (und nach Abstimmung der dortigen Senate) die allgemeine Preis- und Einkommensentwicklung ausdrücklich zu berücksichtigen (OLG Dresden, Beschluss v. 12.05.2005 — 2 Ss 278/05, zitiert nach juris, dort Rn. 12), weswegen das Oberlandesgericht Dresden damals gerade erst ab 1.300 EUR einen bedeutenden Schaden annahm.

cc) Angesichts der weiter vorangeschrittenen Inflation ist die Wertgrenze anzupassen, weshalb derzeit ein bedeutender Schaden nicht unter 1.800 EUR anzunehmen ist.

(1) Dies folgt daraus, dass laut Statistischen Bundesamt im Januar 2023 (Tatzeit: 20.01.2023) allein die Teuerungsrate 8,7 % betrug. Für das vergangene Jahr 2022 betrug die Jahresteuerungsrate 7,9 %. Im Jahr 2021 belief sie sich auf 3,1 % und im Jahr 2020 betrug sie 0,5 % (vgl. die Destatis-Pressemeldungen Nr. 69 v. 22.02.2023; Nr. 22 v. 17.01.2023; Nr. 25 v. 19.01.2022; Nr. 25 v. 19.01.2021).

(2) Ausgehend von einer Grenze in Höhe von 1.500 EUR aus dem Jahr 2019 (noch LG Dresden, Besohl. v. 07.05.2019 — 3 Qs 29/19) war die Annahme des bedeutenden Schadens entsprechend einer Erhöhung um die jeweiligen Prozentwerte für die Folgejahre 2020 bis 2023 anzupassen. Bei stetiger Erhöhung des Ausgangswertes von 1.500 EUR um diese jeweiligen Jahresteuerungsraten ergibt sich, bei geringfügiger Rundung, ein Wert in Höhe von 1.800 EUR.

(3) Ebenso ergibt sich, unter geringfügiger Rundung, ein Wert in Höhe von 1.800 EUR bei Heran-ziehung der noch 2005 vomn Oberlandesgericht Dresden erkannten Wertgrenze von 1.300 EUR und stetiger Erhöhung dieses Wertes um die seitdem zu berücksichtigenden Jahresteuerungsraten bis 2023, wie folgt (Veränderung Verbraucherpreisindex laut Destatis, Genesis-Online):

Jahr Wert zu Jahresbeginn          Jahresteuerungsrate Bemerkung
2005   1.300,00 €    1,6 %
2006   1.320,80€     1,6%
2007   1.341,93 €    2,3 %
2008   1.372,80 €    2,6 %
2009   1.408,49 €    0,3 %
2010   1.412,72€     1,0%
2011   1.426,84 €    2,2 %
2012   1.458,23 €    1,9 %
2013   1 A85,94 €    1,5%
2014   1.508,23 €    1,0 %
2015   1.523,31 €    0,5 %
2016   1.530,93 €    0,5 %
2017   1.538,58 €    1,5 %
2018   1.561,66 €    1,8 %
2019   1.589,77 €    1,4 %
2020   1.612,03 €    0,5 %
2021   1.620,09 €    3,1 %
2022   1.670,31 €    7,9 % Pressemitteilung 022/2023
2023   1.802.26 €

b) Da bei zutreffender Auffassung des Beschwerdeführers ohne eine bisher erfolgte Reparatur der gutachterlich ermittelte Netto-Sachschaden in Höhe von 1/00 EUR heranzuziehen ist, der unterhalb der nach Auffassung der Kammer derzeit anzusetzenden Wertgrenze von 1.800 EUR liegt, fehlt es an den Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a Abs. 1 StPO i.V.m. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB.“

BtM I: Betreuung/Versorgung der Cannabisplantage, oder: Anbau von Betäubungsmitteln

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Und dann auf die die neue Woche mit zwei Entscheidungen aus BtM-Verfahren.

Ich beginne mit dem BGH, Urt. v. 06.09.2023 – 6 StR 107/23. Das LG hatte den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge  verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Die hatte Erfolg.

Der BGH ist von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der gesondert verfolgte J. 2020 im Auftrag einer serbischen Organisation, die grenzüberschreitenden Drogenhandel bezweckte und von P. und Po. geführt wurde, ein Anwesen mit Scheune und errichtete darin eine Cannabisplantage. Dazu wurde die Scheune mit einer Beleuchtungs-, einer Klima- sowie einer Abluftanlage ausgestattet. Spätestens im Februar 2021 begann dort die Aufzucht von Cannabispflanzen. Das Umtopfen sowie andere zeitweise anfallende Tätigkeiten – wie etwa Erntearbeiten – wurden von Mitgliedern der Organisation ausgeführt.

Hingegen wurden das alltägliche Betreuen und Versorgen der Plantage – insbesondere regelmäßiges Bewässern und Düngen der Pflanzen sowie die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Funktion der Beleuchtungs-, Klima- und Abluftanlage – von P. und Po. jedenfalls für zwei Pflanzperioden im Winter 2021/22 dem Angeklagten übertragen. Er versprach sich dafür eine Entlohnung in Höhe von 700 bis 800 Euro monatlich, insgesamt einen Betrag von 4.000 bis 5.000 Euro. Ihm war bewusst, dass die aufgezogenen Pflanzen zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Spätestens am 24. September 2021 führte der Angeklagte weisungsgemäß die vereinbarte Tätigkeit aus, wobei er sich überwiegend allein auf der Plantage aufhielt und nur im Bedarfsfall J.    informierte, etwa bei Problemen mit der Elektronik oder bei Materialbedarf.

Bei einer Durchsuchung am 30. November 2021 wurden dort 1.651 erntereife Marihuanapflanzen vorgefunden. Diese hatten vielfach bereits Blütendolden ausgebildet und eine Höhe von 1,5 bis 1,8 Meter erreicht. Die abgeernteten Blüten und Blätter wiesen einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 12,15 Prozent, mindestens 5,687 Kilogramm Tetrahydrocannabinol, auf. Im Keller des Anwesens befanden sich darüber hinaus etwa 500 Kilogramm Pflanzenreste.“

Das LG hat die Tätigkeit des Angeklagten aufgrund seiner untergeordneten Stellung lediglich als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Wegen seiner alleinigen tatsächlichen Zugriffsgewalt auf die aufgezogenen Cannabispflanzen habe er sich tateinheitlich des täterschaftlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.

Das war nach Auffassung des BGH rechtsfehlerhaft.:

„Zwar hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass der Angeklagte insbesondere aufgrund seiner untergeordneten Stellung in der Organisation sowie seiner Einbindung ausschließlich in der Aufzuchtphase lediglich als Gehilfe in das bandenmäßige Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eingebunden war (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 – 2 StR 192/05, NStZ 2006, 578, 579). Jedoch hat er sich tateinheitlich hierzu des (täterschaftlich begangenen) bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

a) Der Anbau von Betäubungsmitteln in Form der Aufzucht umfasst sämtliche gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Bemühungen, um Wachstum von in den Anlagen I bis III zum Betäubungsmittelgesetz genannten Pflanzen zu erreichen (vgl. OLG Dresden, NStZ-RR 1999, 372, 373; OLG München, Beschluss vom 23. April 2009 – 4 St RR 27/09, Rn. 38; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, 10. Aufl., § 29 Rn. 43; ähnlich MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 29 Rn. 22; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, Betäubungsmittelgesetz, 6. Aufl., § 29 Rn. 54). Hierzu zählen namentlich das Bewässern, das Düngen und das Belichten (Patzak, aaO, Rn. 47). Der Angeklagte hat mithin durch die gut zweimonatige Bewirtschaftung der Plantage – insbesondere durch die regelmäßige Bewässerung und Düngung der Cannabispflanzen sowie die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Funktion der technischen Anlagen – diese Begehungsvariante erfüllt und sich daher als Mitglied der dahinterstehenden Organisation (auch) des bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 StGB) schuldig gemacht.

b) Im Verhältnis zur Beihilfe des Angeklagten zum bandenmäßigen Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kommt dem bandenmäßigen Anbau ein eigener Unrechtsgehalt zu, so dass beide Delikte in Tateinheit stehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2021 – 4 StR 411/20, Rn. 4; vom 3. April 2019 – 5 StR 87/19, NStZ-RR 2019, 218, 220).

c) Der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) – der in Fällen tatsächlicher Sachherrschaft auch neben dem Anbau verwirklicht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1990 – 1 StR 708/89, NStZ 1990, 285) – tritt hingegen hinter dem bandenmäßigen Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG mangels eigenen Unrechtsgehalts zurück.

d) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der im Wesentlichen geständige Angeklagte sich in diesem Punkte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung den Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG angewendet und auf eine höhere Strafe als die festgesetzte erkannt hätte. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um der zur neuen Entscheidung berufenen Strafkammer insgesamt eine widerspruchsfreie neue Strafzumessung zu ermöglichen.“