In die 43. KW./2021 starte ich dann mal wieder mit zwei „Corona.-Entscheidungen“. Passt m.E. Denn die Pandemie haben wir noch lange nicht hinter uns. Und wenn man die Zahlen sieht ….. mir gefallen sie nicht.
Bei der ersten Entscheidung, die ich vorstelle handelt es sich um den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 15.10.2021 – 12 Qs 69/21. Es geht in der Entscheidung um eine Durchsuchung bei einer Ärztin wegen des (Anfangs)Verdachts der Verwendung eines falschen Attests zur Befreiung von der Corona-Maskenpflicht. Folgender Sachverhalt:
Am 27.10.2020 erschien der Beschuldigte bei der Polizeidienststelle in H., um eine Strafanzeige zu erstatten. Hierbei trug er keine Mund-Nasen-Bedeckung. Er legte aber ein Attest vor, datiert vom 04.09.2020, das augenscheinlich von der Fachärztin ausgestellt worden war. Dieses enthielt neben den Personalien des Beschuldigten, dem Arztstempel und einer Unterschrift folgenden Text „Der Patient kann aus medizinischen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen“. Am 15.12.2020 verfügte die die Anzeige des Beschuldigten bearbeitende Staatsanwältin die Rückversendung der Akte an die Polizeiinspektion H. und bat um Ermittlungen und ggf. die Einleitung eines neuen Ermittlungsverfahrens gegen den Beschuldigten wegen des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 279 StGB durch die Vorlage des Attestes bei der Polizeiinspektion. Nachdem die als Zeugin angeschriebene Ärztin unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht Angaben zur Behandlung des Beschuldigten verweigert hatte, erließ der Ermittlungsrichter des AG Nürnberg am 22. 06.2021 einen auf § 103 StPO gestützten Durchsuchungsbeschluss für die Geschäftsräume mit Nebenräumen der unverdächtigen Ärztin. Darin wurde dem Beschuldigten ein Verstoß gegen § 279 StGB zur Last gelegt. Gesucht werden sollte nach Patientenunterlagen und Patientenakte des Beschuldigten. Den Anfangsverdacht sah das Amtsgericht durch zwei Umstände begründet: Durch den Text des Attestes und durch die räumliche Distanz zwischen dem Wohnort des Beschuldigten und den Praxisräumen der Ärztin.
Die Durchsuchung wurde vollzogen. Danach legte die Rechtsanwältin der Ärztin gegen den Durchsuchungsbeschluss ein. Das LG hat die Durchsuchung als rechtswidrig angesehen:
„Die Durchsuchung war rechtswidrig, weil ein Anfangsverdacht, der sie hätte rechtfertigen können, bei Beschlusserlass nicht vorlag. Ein Anfangsverdacht setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die es als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat begangen worden ist (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1999 – StB 7/99, juris Rn. 6). Daran fehlt es.
a) Ein Anfangsverdacht wird nicht dadurch begründet, dass das vorgelegte Attest ohne Angabe einer Diagnose lediglich den Satz enthält „Der Patient kann aus medizinischen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen“. Weitergehende Informationen musste das Attest nicht enthalten. Denn nach dem zur Zeit der angabegemäßen Ausstellung des Attestes in Nordrhein-Westfalen geltenden § 2 Abs. 3 Satz 2 CoronaSchVO i.d.F. vom 31. August 2020, der für die Beschwerdeführerin als in Nordrhein-Westfalen praktizierende Ärztin maßgeblich war, waren von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung Personen befreit, die aus medizinischen Gründen keine solche Bedeckung tragen können. Das stellt das Attest gerade fest. Anders als der zu diesem Zeitpunkt geltende § 1 Abs. 2 Nr. 2 6. BayIfSMV i.d.F. vom 19. Juni 2020 verlangte die nordrhein-westfälische Regelung keine Glaubhaftmachung der gesundheitlichen Gründe, die das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung unmöglich oder unzumutbar machen würden. Die Nichtangabe der nach bayerischer Rechtslage erforderlichen Diagnose (vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 16. September 2020 – W 8 E 20.1301, juris 21), ist daher für das einem anderen landesrechtlichen Regime unterfallende Attest insofern ohne Belang, als daraus nicht gefolgert werden kann, das Gesundheitszeugnis sei unrichtig i.S.d. § 279 StGB.
b) Das weitere Argument, das Attest sei in einer vom Wohnort des Beschuldigten weit entfernten Stadt ausgestellt worden, trägt für sich genommen nicht. Zum angabegemäßen Ausstellungszeitpunkt am 4. September 2020 lag die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei 9,8 pro 100.000 Einwohner. Es war nach der ersten und vor der zweiten Corona-Welle ein Sommer, in dem zahlreiche Reisen im Inland stattfanden. Dass sich vor diesem Hintergrund jemand weit entfernt von seinem Heimatort ein ärztliches Attest ausstellen lässt, begründet daher ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keinen Anfangsverdacht. Es erscheint in einer mobilen Gesellschaft vielmehr als nicht unüblich.
c) Weitergehende Verdachtsmomente lagen zum Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung aber nicht vor. Insbesondere gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin als eine Ärztin aufgefallen wäre, die – wie aus anderen Fällen allgemein bekannt ist – aus Überzeugung oder Gewinnstreben Gefälligkeitsatteste dutzend- oder hundertfach unter Corona-Leugner oder Maskenverweigerer gebracht hätte.“