StPO II: Reaktion auf Drohen mit Befangenheitsantrag, oder: Der lebhafte Richter in der (Haupt)Verhandlung

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Und im zweiten Posting habe ich dann zwei OLG Entscheidungen zum Befangenheitsrecht. Zwei davon stammen allerdings nicht aus einem Strafverfahren, sondern aus dem zivilrechtlichen Bereich. Die entschiedenen Fragen können aber auch Strafverfahren von Bedeutung sein . Daher stelle ich sie unter „StPO“ vor.

Hier kommen dann die Leitsätze – Rest dann bitte im Selbststudiom erledigen:

1. Kündigt eine Partei einen Befangenheitsantrag für den Fall an, dass das Gericht an einer bestimmten, ihr missliebigen Rechtsauffassung festhalten sollte, begründet es nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Richter dieses Ansinnen mit deutlichen Worten und unter Hinweis auf die anwaltlichen Berufspflichten des Prozessbevollmächtigten der Partei zurückweist.

2. Die dienstliche Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO dient allein der Tatsachenfeststellung. Sind sämtliche zur Begründung des Ablehnungsersuchens vorgebrachten Tatsachen ohnehin bereits aktenkundig, kann sich dienstliche Erklärung daher auf einen schlichten Verweis auf den Akteninhalt beschränken oder auch ganz unterbleiben.

3. Der Umstand, dass ein abgelehnter Richter in einem anderen bei ihm anhängigen Rechtsstreit, an dem die Parteien des Ausgangsverfahren nicht beteiligt sind, nach § 48 ZPO angezeigt hat, dass er von dem Prozessvertreter einer der Parteien Beklagtenvertreter als befangen abgelehnt worden ist, rechtfertigt ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit.

1. Unsachliches Verhalten eines Richters stellt einen Befangenheitsgrund dar, wenn es den Schluss auf die mangelnde Unvoreingenommenheit gegenüber einer Partei nahelegt. Grobe Fehlgriffe in der Wortwahl, Unsachlichkeiten und abfällige, herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen des Richters können daher die Besorgnis der Befangenheit begründen.

2. Der Richter darf aber lebhaft sein, auch laut und deutlich sprechen und seiner Pflicht mit Eifer und Leidenschaft nachgehen. Je nach Verhandlungssituation sind eine pointierte Reaktion eines Richters in der mündlichen Verhandlung, eine umgangssprachliche oder selbst drastische Ausdrucksweise für sich unbedenklich. Auch geben freimütige oder saloppe Formulierungen grundsätzlich keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit.

3. Vom Richter wird zu Recht mehr Disziplin erwartet als von den anderen Prozessbeteiligten; allerdings bedeutet dies nicht, dass der Richter stets und in jeder Situation „Engelsgeduld“ aufbringen muss und nicht klare Worte gebrauchen dürfte.

4. Die Möglichkeit einer zurückhaltenderen Ausdrucksweise reicht zur Beanstandung nicht aus, da die Sprache, mit der eine richterliche Wertung ausgedrückt wird, mit dieser eng verbunden ist und in gewissen Grenzen weder durch die Beteiligten noch durch andere, namentlich über Befangenheitsgesuche entscheidende Richter vorgegeben werden kann.

5. Bloße Unmutsäußerungen des Richters und erst Recht durch das Prozessgeschehen provozierte und damit verständliche Unmutsaufwallungen führen nicht ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit herbei.

6. Mag auch ein unwirscher oder gar unnötig scharfer Tonfall eines Richters grundsätzlich unerwünscht sein, gehört es gleichwohl zur menschlichen und auch richterlichen Ausdrucksweise, Auffassungen – wie etwa Zustimmung oder Ablehnung – durch Modulation der Stimme Gehör und Gewicht zu verschaffen; allein hieraus ist kein Rückschluss auf eine etwaige Voreingenommenheit eines Richters zu ziehen.

7. Beanstandete richterliche Äußerungen dürfen nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr kommt es auf den Zusammenhang an, in dem sie gefallen sind.

8. Die persönliche Unparteilichkeit eines Richters wird bis zum Nachweis des Gegenteils vermutet.

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