Heute dann ein wenig StPO, und zwar aus der OLG- und der LG Instanz.
Ich beginne mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 26.08.2025 – 3 ORs 29/25 -, der eine Frage behandelt, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt, nämlich: Wie ist mit Erklärungen des Verteidigers umzugehen?
Das LG hat den Angeklagten, einen Richter, im Berufungsverfahren wegen mehrfacher Urkundenfälschung verurteilt.
Nach den Feststellungen des LG hat der Angeklagte anwaltliche Tätigkeiten ausgeübt , indem er fünfzehn vermeintliche anwaltliche Schriftsätze gefertigt habe, die im Ergebnis mit dem Briefkopf des Rechtsanwalts O. und dessen eingescannter Unterschrift versehen und an die jeweiligen Empfänger versandt worden seien, um auf diese Weise vorzutäuschen, dass ein Rechtsanwalt tätig geworden sei. Teils sind mit den entsprechenden Schreiben auch anwaltliche Gebühren geltend gemacht worden. Der Briefkopf des Rechtsanwalts wurde jedoch dahingehend abgeändert, dass dieser mit der privaten Anschrift, der Festnetznummer, einer eigens eingerichteten Fax- und Mobilfunknummer und einer eigens eingerichteten E-Mail-Adresse sowie Kontodaten des Angeklagten versehen worden sei. Ausweislich der getroffenen Feststellungen habe Rechtsanwalt O. weder Kenntnis von den erstellten Schriftsätzen gehabt noch den Angeklagten oder seine Sekretärin Q. hierzu bevollmächtigt.
Der Angeklagte hat sich im Verlaufe der Hauptverhandlung nicht nur durch mehrere von seinem Verteidiger verlesene Erklärungen, die zudem in schriftlicher Form – jeweils durch den Angeklagten unterschrieben – an die Kammer ausgehändigt worden sind, sondern hierzu auch ergänzend mündlich zur Sache eingelassen. Dabei hat er im Grundsatz eingeräumt, die tatgegenständlichen Schriftsätze inhaltlich verfasst zu haben. Indes habe die ehemalige Sekretärin des Rechtsanwalts, die Zeugin Q., die Schriftsätze auf dem Briefkopf – mitsamt der eingescannten Unterschrift von Rechtsanwalt O. – ausgefertigt und versandt. Hierzu sei sie von Rechtsanwalt O. auch bevollmächtigt gewesen. Jedenfalls sei er – der Angeklagte – von einer solchen Generalvollmacht ausgegangen. Ihre Überzeugung davon, dass Rechtsanwalt O. weder die Zeugin Q. noch den Angeklagten zu einem Handeln unter seinem Namen bevollmächtigt hatte, hat die Kammer – neben anderen Umständen – maßgeblich auch auf die Aussage des Zeugen O. gestützt.
Der Angeklagte hat mit seiner Verfahrensrüge geltend gemacht, das LG habe entgegen § 261 StPO ihre Überzeugung von der Schuld des Angeklagten nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft, da sie Sachvortrag, der in einem Beweisantrag sowie in einer seitens des Verteidigers in der Hauptverhandlung verlesenen und von dem Angeklagten unterschriebenen schriftlichen Erklärung des Angeklagten enthalten gewesen sei, ohne Weiteres in die Beweiswürdigung habe einfließen lassen. Sie habe jene Prozesserklärungen – jeweils zu Unrecht – zum Teil als Einlassung des Angeklagten und zum Teil als Beleg für stattgefundenen Chat-Verkehr zwischen dem Angeklagten und der Zeugin B. – der gesetzlichen Betreuerin des Mandanten, für den der Angeklagte bei der Verfassung der überwiegenden Anzahl der verfahrensgegenständlichen vermeintlichen anwaltlichen Schriftsätze tätig geworden war – zugrunde gelegt.
Nach Auffassung des OLG war ist die Verfahrensrüge unbegründet, soweit sie beanstandet hat, dass die Strafkammer die von dem Verteidiger verlesene und durch den Angeklagten unterschriebene schriftliche Erklärung vom 26.11.2024 als dessen Einlassung gewertet hat. Sie war jedoch begründet, soweit die Strafkammer ihrer Beweiswürdigung zur inneren Tatseite eine Beweisbehauptung aus dem im Hauptverhandlungstermin vom 12.12.2024 durch den Verteidiger verlesenen und von dem Angeklagten unterschriebenen Beweisantrag als Einlassung des Angeklagten zugrunde gelegt hat.
Hier dann die Leitsätze zu der Entscheidung. Die Einzelheiten der Begründung bitte selbst lesen:
1. Erklärungen des Verteidigers sind seine eigenen Prozesserklärungen. Eine Einlassung des Angeklagten kann ihnen – neben den gesetzlich vorgesehenen Vertretungsfällen – nur dann entnommen werden, wenn sich feststellen lässt, dass der Angeklagte die Erklärung als eigene Äußerung zur Sache verstanden wissen will.
2. Einer vom Angeklagten verfassten und unterzeichneten Erklärung, die der Verteidiger in der Hauptverhandlung verliest, kann nach der gewählten Formulierung unter Umständen entnommen werden, dass es sich um eine ergänzende Einlassung des Angeklagten zur Sache handelt (hier bejaht für die Formulierung „… sind Nachfragen und Erklärungsbedarf aufgetreten… diverse Fragen, die wie folgt beantwortet werden…“).
3. In Beweisanträgen aufgestellte Beweisbehauptungen dürfen im Regelfall nicht ohne Weiteres in eine Einlassung des Angeklagten umgedeutet werden. Bei der Formulierung „Wenn die Zeugen die aufgestellte Behauptung bestätigen, steht fest, dass …“ liegt es auch bei dem nicht schweigenden Angeklagten fern, dass der Angeklagte die von ihm selbst schriftlich verfasste und vom Verteidiger verlesene Beweisbehauptung als Einlassung verstanden wissen wollte.
