Zum Tagesschluss dann noch der LG Potsdam, Beschl. v. 02.04.2025 – 25 Qs 8/25.
In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam den Erlass eines Strafbefehls gegen den Angeschuldigten wegen fahrlässiger Brandstiftung beantragt. Hintergrund der zur Last gelegten Tat ist eine Silvesterfeier des Angeschuldigten in dem von ihm angemieteten Reihenhaus in der Silvesternacht 2023/2024, bei der sechs Gäste bzw. Bewohner anwesend waren. Gegen Mitternacht begab sich die Feiergesellschaft hinaus in den Garten und zündete im hinteren Teil pyrotechnische Gegenstände, insbesondere Raketen und Feuerfontänen. Gegen 0:15 Uhr entzündeten sich brennbare Materialien, insbesondere Gartenmöbel aus Kunststoff, die sich auf der Terrasse des Nachbargrundstücks befanden; dadurch zerbarsten wiederum dort befindliche Propangasflaschen hitzebedingt innerhalb weniger Minuten. Das benachbarte Reihenhaus wurde hierdurch vollständig zerstört, das eigene Haus teilweise sowie ein weiteres benachbartes Haus ebenfalls vollständig zerstört. Die Bewohner der beiden benachbarten Häuser waren zu dieser Zeit urlaubsbedingt abwesend.
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrem Strafbefehlsantrag angenommen, dass der Brand durch einen pyrotechnischen Gegenstand, der vom Grundstück des Angeschuldigten herrührte, aufgrund unachtsamen Verhaltens ausgelöst wurde – entweder durch ihn persönlich oder einen seiner Gäste bzw. Bewohner, was sich nicht aufklären lasse. Dem Angeschuldigten wird dabei vorgeworfen, seine Sorgfaltspflicht jedenfalls dadurch verletzt zu haben, dass er die Verwendung von Pyrotechnik in seinem Garten gestattet habe, ohne hinreichend dafür Sorge zu tragen, dass keine pyrotechnischen Gegenstände auf das Nachbargrundstück gelangen können.
Das Amtsgericht Zossen hat den Erlass des Strafbefehls mit der Begründung abgelehnt, dass der Angeschuldigte nicht hinreichend verdächtig sei. So habe der Sachverständige in seinem Gutachten keine Zündquelle und auch keinen Verursacher für den Brand identifizieren können. Ein Tun werde dem Angeschuldigten im Strafbefehl zudem nicht vorgeworfen, vielmehr komme lediglich ein Unterlassen in Betracht, wofür es jedoch an einer Garantenpflicht fehle. Es entspreche zudem der Üblichkeit und in weiten Teilen der Welt einem Brauch, zum Jahreswechsel Feuerwerk zu zünden, es sei daher in Deutschland unter den Voraussetzungen der § 23 Abs. 2 der 1. SprengV erlaubt, sein Verhalten mithin nicht sorgfaltswidrig.
Dagegen die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die beim LG keinen Erfolg hatte. Das LG führt zum hinreichenden Tatverdacht aus – die übrigen Einzelheiten bitte dem Volltext entnehmen:
„2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet, da der hinreichende Tatverdacht einer fahrlässigen Brandstiftung gemäß § 306d Abs. 1 StGB nicht vorliegt.
Ein hinreichender Tatverdacht erfordert die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung. Dies erfordert nicht nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Angeschuldigte eine Straftat – retrospektiv – begangen hat, sondern auch, dass ihm dies mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Rahmen einer Hauptverhandlung – prospektiv – nachgewiesen werden kann (s. dazu MüKoStPO/Kölbel/Neßeler StPO § 170 Rn. 15).
In Bezug auf die beschwerdegegenständliche fahrlässige Brandstiftung gemäß § 306d Abs. 1 i.V.m. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB muss die vorstehend skizzierte Wahrscheinlichkeitsbewertung sich insbesondere auch darauf beziehen, dass der Angeschuldigte den Brand adäquat-kausal verursacht (dazu a)) und hierdurch gegen eine Sorgfaltspflicht verstoßen hat (dazu b)).
Das ist vorliegend indes nicht anzunehmen.
…..
(1) Im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung mag es zwar – wie von der Staatsanwaltschaft angenommen – gleichwohl vertretbar sein, aufgrund der räumlichen und zeitlichen Nähe in tatsächlicher, retrospektiver Hinsicht eine – noch – überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür anzunehmen, dass der Brand von der Silvestergesellschaft des Angeschuldigten herrührte.
(2) In prospektiver Hinsicht ist dies jedoch nicht der Fall.
(a) Dass die zweifelsfreie Verursachung durch den Angeschuldigten (durch eigenes Handeln bzw. das seiner Gäste/Bewohner) im Rahmen einer Hauptverhandlung festgestellt werden könnte, ist vielmehr fernliegend. Denn aktuell ist kein Beweismittel – insbesondere Zeuge – ersichtlich, das eine weitergehende Aufklärung erwarten lässt. Der Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) entfaltet daher vorliegend eine Vorwirkung, die bereits auf den hinreichenden Tatverdacht durchschlägt („mittelbare Berücksichtigung“, vgl. BeckOK StPO/Gorf, 54. Ed. 1.1.2025, StPO § 170 Rn. 3; s. auch OLG Bamberg NStZ 1991, 252). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass richterliche Vernehmungen der Zeugen (oder das Auffinden weiterer) weitergehende Erkenntnisse hervorbringen könnten. Aufgrund der umfassenden Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden und des Umstands, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass ein Zeuge die Unwahrheit gesagt haben könnte oder Details einer Aussage zu einem anderen Ergebnis führen könnten, liegt dies den Umständen nach fern.
(b) Daran ändert auch nichts, dass der Bezugspunkt des hinreichenden Tatverdachts die zu erwartende Aufklärung im Rahmen einer Hauptverhandlung ist (die hier abgelehnt wurde), obwohl es sich im vorliegenden Fall um ein Strafbefehlsverfahren handelt, bei dem es gerade nicht zu einer Hauptverhandlung kommen muss.
Dies beruht nicht nur darauf, dass im vorliegenden Fall die Einlegung eines Einspruchs naheliegt, womit es zur Durchführung einer Hauptverhandlung käme (§ 411 Abs. 1 S. 2 StPO). Vielmehr ist dies zwingender Ausfluss von Rechtsstaats- und Schuldprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) im Zusammenhang mit dem Zweifelsgrundsatz (als Ausfluss von Art. 103 Abs. 2 GG, Art. 6 Abs. 2 EMRK). Denn das Strafbefehlsverfahren dient lediglich der Entlastung der Justiz und Verfahrensbeschleunigung; der herabgesetzte Maßstab für den Tatnachweis – der hinreichende Tatverdacht – lässt sich jedoch lediglich im Vorgriff auf die – insoweit zunächst vermutete – zweifelsfreie Schuldfeststellung rechtfertigen, die durch einen Angeschuldigten durch Einlegung eines Einspruchs aufgrund des verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatzes nach Belieben verlangt werden kann. Ist diese Vermutung des Vollbeweises der Schuld indes bereits ausnahmsweise im Vorfeld als widerlegt anzusehen – wie vorliegend –, dann verbietet sich auch der Erlass eines Strafbefehls.
Der Maßstab des hinreichenden Tatverdachts ist daher – auch bezüglich des prognostischen Elements – identisch mit dem der Anklageerhebung.
…“
