OWi I: Gegenstand der erweiterten Akteneinsicht, oder: Relevanz der Falldatensätze der Messreihe

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Urheber Jepessen

Und dann geht es weiter mit Owi-Entscheidungen.

Zunächst hier zwei AG-Entscheidungen zur Akteneinsicht, allerdings nur die Leitsätze. Es handelt sich um:

1. Der Grundsatz des fairen Verfahrens begründet für die Verteidigung ein Recht auf sogenannte erweiterte Akteneinsicht. Diese erweiterte Akteneinsicht betrifft Unterlagen und Daten, die bei der Behörde vorhanden sind und von denen sich die Verteidigung erhofft bzw. erhoffen kann, die Effektivität der Verteidigung erhöhen zu können und die insbesondere bei Überprüfung von Messverfahren auch einem Sachverständigen auf dessen Anforderung hin zur Verfügung gestellt werden würden. Dies gilt für die Falldatei inklusive der Rohmessdaten, für den hierfür notwendigen Token, das Passwort und schließlich auch für die digitalen Falldaten der gesamten Messreihe des Tattages.

2. Was nicht existent ist, kann hingegen nicht Gegenstand der erweiterten Akteneinsicht sein. Das gilt für ein Ersteinrichtung- und Aufbauprotokoll für das Messgerät nebst Gehäuse.

Eine (potentielle) Relevanz der Falldatensätze der sog. „gesamten Messreihe“ sowie der Statistikdatei für die Verteidigung eines Betroffenen im Bußgeldverfahren besteht nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht.

Ein Gedanke zu „OWi I: Gegenstand der erweiterten Akteneinsicht, oder: Relevanz der Falldatensätze der Messreihe

  1. Jürgen Vogt

    Zu AG Landstuhl,
    hat das AG Landstuhl Kenntnis vom Beschluss des BVerfG 2 BvR 868/20 vom 04.05.2021
    „Vor der Verurteilung hatte der Beschwerdeführer erfolglos Zugang zu außerhalb der Bußgeldakte befindlichen Informationen, hierunter die Messdaten, die Statistikdatei und die Case-List, begehrt, um eine eigenständige Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit des Messergebnisses vorzunehmen“?

    „Die Fachgerichte haben verkannt, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren für den Beschwerdeführer grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen folgen kann. Die generelle Versagung des Begehrens des Beschwerde- führers auf lnformationszugang, welches dieser im fachgerichtlichen Verfahren hinreichend geltend gemacht hat, wird deshalb der aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Gewährleistung nicht gerecht. Entgegen der Annahme der Fachgerichte handelt es sich hierbei auch nicht um eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht, sondern der Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020- 2 BvR 1616/18 -, Rn. 47 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2021 – 2 BvR 1451/18 -, Rn. 5). Auf dieser Fehlannahme beruht die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts. Es ist auch nicht auszuschließen, dass bereits die Verurteilung des Beschwerdeführers auf dem Verstoß des Amtsgerichts Rosenheim gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens beruht.“

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