Archiv für den Monat: Dezember 2020

StPO III: Wohnungsdurchsuchung im Hinblick auf die Tagessatzhöhe, oder: Ich will wissen, wie du lebst

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Und als dritte Entscheidung dann noch der LG Bonn, Beschl. v. 28.10.2020 – 50 Qs-857 Js 721/20-36/20. Der nimmt zur Verhältnismäßigkeit einer Wohnungsdurchsuchung Stellung. Die war vom AG angeordnet worden zur Aufklärung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten im Hinblick auf die Festsetzung der Tagessatzhöhe.

Das LG hat die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festgestellt:

„Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts Bonn vom 15.09.2020 rechtswidrig war. Die Anordnung der Durchsuchung ist, jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt des Verfahrens, nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar.

Bei der Anordnung von Durchsuchungen der Wohnung muss aufgrund der Schwere des damit verbundenen Eingriffs in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderem Maße beachtet werden (BVerfGE 20, 162/187; 42, 212/220). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet, dass die Durchsuchung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn mildere, weniger einschneidende Maßnahmen zur Verfügung stehen oder die Durchsuchung zur Bedeutung der Sache völlig außer Verhältnis stehen würde.

Vorliegend wurde die Durchsuchung mit Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 15.09.2020 ausschließlich zur Ermittlung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten angeordnet. Aus den Gründen der Entscheidung lässt sich des Weiteren entnehmen, dass das erkennende Gericht aufgrund des Schweigens des Angeklagten im Parallelverfahren zu seinen persönlichen Verhältnissen, ein entsprechendes prozessuales Verhalten des Angeklagten auch in der anstehenden Hauptverhandlung vermutet und zur Vermeidung einer Schätzung der monatlichen Einkünfte bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe (§ 40 Abs. 3 StGB) im Falle einer Verurteilung des Angeklagten die Durchsuchung zur Ermittlung des „Lebenszuschnitts“ des Angeklagten angeordnet hat.

An eine Durchsuchung, die ausschließlich der Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten im Rahmen der Festsetzung der Tagessatzhöhe (§ 40 Abs. 2 S. 1 StGB) dient, sind angesichts des damit verbundenen Grundrechtseingriffs besonders strenge Anforderungen zu stellen, da das Gesetz in § 40 Abs. 3 StGB ausdrücklich die Möglichkeit einer Schätzung der Einkünfte des Täters vorsieht (vgl. OLG Dresden, StraFo 2007, 329 f.; Thüringer OLG, Beschluss v. 12.02.2009, 1 Ss 160/08, Rn. 15 f.; Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 23.11.2009, 1 Ss 104/09, Rn. 15 f. – jeweils zitiert nach juris). Eine solche Durchsuchung ist allenfalls dann denkbar, wenn anhand der zur Verfügung stehenden Beweismittel eine Schätzung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten nicht möglich ist (OLG Dresden aaO), was nur in eng begrenzten Ausnahmefällen der Fall sein dürfte. So liegt es hier indessen nicht. Dem Amtsgericht hätten naheliegend andere Aufklärungsansätze hinsichtlich der Erwerbstätigkeit des Angeklagten zur Verfügung gestanden: es hätte bspw. eine behördliche Auskunft der Bafin oder der Deutschen Rentenversicherung einholen – wofür angesichts der erst eineinhalb Monate später anberaumten Hauptverhandlung auch ausreichend Zeit zur Verfügung stand – oder die ohnehin zum Termin geladene Lebensgefährtin des Angeklagten zu dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vernehmen können. Des Weiteren ist auch zu berücksichtigen, dass generell die Anforderungen an eine Schätzung nicht überspannt werden dürfen und als Schätzgrundlage bspw. auf die sich aus den allgemein zugänglichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes sowie der Statistischen Landesämter ergebenden Durchschnittseinkommen von Arbeitnehmern zurückgegriffen werden kann, sofern eine Erwerbstätigkeit des Angeklagten feststeht. Vor zu hohen Schätzungen kann der Angeklagte sich durch eine Offenlegung seiner Verhältnisse – spätestens in der Berufungsinstanz – schützen. Darüber hinaus konnte vor dem ersten Hauptverhandlungstermin nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte wie im Parallelverfahren keine Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen machen werde, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass das dortige Schweigen aus anderen Gesichtspunkten erfolgte.

Bei seiner Entscheidung verkennt die Kammer nicht, dass es grundsätzliche Aufgabe des erkennenden Gerichts ist, sich Kenntnis vom Werdegang und den Lebensverhältnissen des Angeklagten zu verschaffen, da die Kenntnis dieser Umstände für eine an anerkannten Strafzwecken ausgerichtete Strafzumessung wesentlich ist (vgl. BGHSt 16, 351/353; BGH NStZ-RR 1998, 17 f.). Von dieser Verpflichtung wird das Gericht nicht schon dann frei, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung Angaben zu seinem Lebenslauf verweigert (BGH NJW 1StV 1992, 463) und es ist verpflichtet, sich um die Aufklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu bemühen. Unabhängig davon, dass das Amtsgericht seine Durchsuchungsanordnung nicht auf die Ermittlung für die Strafzumessung relevanter Umstände gestützt hat, wären auch bei dieser Zielsetzung von gerichtlichen Anordnungen unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zunächst die genannten, weniger grundrechtsrelevanten Ermittlungsansätze (Zeugenvernehmung, Behördenauskünfte) zu verfolgen.“

StPO II: Verständigung oder „nur“ Erörterung?, oder: Lasst uns über die Strafhöhe sprechen.

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Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 03.12.2020 – 1 Ws 361/20 – hat auch – im weiteren Sinn – mit einer Verständigung (§ 257c StPO) zu tun. Das OLG hat in dem Beschluss nämlich zur Unterscheidung/Abgrenzung der Verständigung (§ 257 c StPO) von einer Erörterung des Verfahrensstandes (§ 257b StPO) Stellung nehmen müssen. Der Angeklagte und der Verteidiger hatten beim AG auf die Einlegung von Rechtsmitteln „verzichtet.Später hat der Angeklagte dann doch Berufung eingelegt. Das LG hat die als unzulässig angesehen, da der vom Beschwerdeführer im Rahmen der Hauptverhandlung erklärte Rechtsmittelverzicht wirksam gewesen sei. In dem protokollierten Austausch der Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung beim AG sei trotz fehlendem Negativtestat im Protokoll keine Verständigung im Sinne des § 257c StPO zu sehen. Die Beteiligten hätten sich lediglich über die Strafhöhe im Falle einer geständigen Einlassung bzw. einer nicht geständigen Einlassung und vollem Tatnachweis ausgetauscht.

Dagegen die sofortige Beschwerde, die beim OLG keinen Erfolg hatte:

„Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Der vom Beschwerdeführer wirksam erklärte Rechtsmittelverzicht steht einer zulässigen Berufungseinlegung entgegen.

Der wirksame Verzicht eines Angeklagten auf ein Rechtsmittel führt zum Verlust des Rechtsmittels. Ein dennoch eingelegtes Rechtsmittel – hier die Berufung – ist sodann unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2019, Az. 3 StR 214/19 in NStZ-RR 219, 318). Die Unwirksamkeit einer solchen Verzichtserklärung kommt dann in Betracht, wenn dem Urteil eine Verständigung im Sinn des § 257c StPO vorausgegangen wäre (§ 302 Absatz 1 Satz 2 StPO), der Angeklagte prozessual handlungsunfähig gewesen wäre und deshalb den Bedeutungsgehalt des Rechtsmittelverzichts verkannt haben könnte, wenn er die Verzichtserklärung irrtumsbedingt aufgrund einer dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft zuzurechnenden Täuschung abgegeben hätte oder wenn der Rechtsmittelverzicht auf einer vom Gericht zu verantwortenden unzulässigen Einwirkung des Gerichts beruhte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2019, a.o.O.). Keiner dieser Voraussetzungen ist vorliegend gegeben.

In dem protokollierten Austausch der Verfahrensbeteiligten über die mögliche Höhe des Strafmaßes lag keine konkludente Verständigung im Sinne des § 257c StPO, sondern es handelte sich um eine Erörterung gemäß § 257b StPO. Nach dem Willen des Gesetzgebers beschränkt sich diese Vorschrift auf kommunikative Elemente, die der Transparenz und Verfahrensförderung dienen, aber nicht auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung, wie sie der § 257c StPO vorsieht, gerichtet sind. Sie trägt dem Gedanken eines transparenten Verfahrensstils in der Hauptverhandlung Rechnung, ohne dass sich der Richter dem Vorwurf der Befangenheit ausgesetzt sehen soll. Gegenstand einer solchen Erörterung kann auch die Angabe einer Ober- und Untergrenze nach gegenwärtigem Verfahrensstand zu erwartenden Strafe durch das Gericht sein (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S.12 f.; BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019, Az. 1 StR 2/19 in NStZ 2019, 684; Beschluss vom 14. April 2015, Az. 5 StR 9/15 in NStZ 2015, 535), ebenfalls kann die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses zur Sprache kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019, Az. 1 StR 2/19 a.a.O.; Az. 3 StR 153/16; Beschluss vom 14. April 2015, Az. 5 StR 9/15 a.o.O.). Eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO kommt hingegen zustande, wenn das Gericht ankündigt, wie die Verständigung aussehen könnte (§ 257c Absatz 3 Satz 1 StPO) und wenn der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft zustimmen (§ 257c Absatz 3 Satz 4 StPO). Kennzeichen der Verständigung ist die synallagmatische Verknüpfung der Handlungsbeiträge der Beteiligten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. April 2016, Az. 2 BvR 1422/15 in NStZ 2016, 422). Voraussetzungen für ihr formwirksame Zustandekommen ist die Zustimmung der Verfahrensbeteiligten (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 13; BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019, Az. 1 StR 169/19 in NStZ 2019, 688). Sie muss – nicht zuletzt wegen der Bindungswirkung – ausdrücklich erfolgen; eine konkludente Erklärung genügt nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019, Az. 1 StR 169/19 a.a.O.; Beschluss vom 7. Dezember 2016, Az. 5 StR 39/16 in NStZ-RR 2017, 87). Vorliegend fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Zustimmung sowohl der Staatsanwaltschaft als auch des Beschwerdeführers. Dies ergibt sich zum einen aus dem Protokoll der Hauptverhandlung, zum anderen auch aus den dienstlichen Stellungnahmen der Prozessbeteiligten und wird vom Vortrag des Beschwerdeführers auch nicht angegriffen. Darüber hinaus genügt der Hinweis des Gerichts auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses – selbst wenn das Gericht wie vorliegend geschehen die Höhe des Strafmaßes eingrenzt und die Beweisaufnahme schon fortgeschritten ist – nicht, um eine gegenseitige Verknüpfung des Geständnisses mit einem bestimmten Strafmaß anzunehmen, wie es die Verständigung nach § 257c StPO vorsieht. Vielmehr ist in der protokollierten Erklärung eine Offenlegung der gerichtlichen Einschätzung des Verfahrenstandes in Bezug auf den bisherigen Verfahrensgang und die möglichen Folgen für das Strafmaß zu sehen, die dem Angeklagten zwar nochmals die Vorteile eines Geständnisses vor Augen führen sollte, aber weder eine unzulässige Drohkulisse aufbaute, noch das Angebot einer das Gericht bindende Verständigung darstellte. Diese Bekanntgabe diente allein der Transparenz und der Verfahrensförderung und war in ihrem Umfang von der Regelung des § 257b StPO gedeckt. Eine versteckte Verständigung im Sinne des § 257c StPO, die einen wirksamen Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen hätte, war hierin nicht zu erkennen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer prozessual handlungsunfähig gewesen sein und deshalb den Bedeutungsgehalt des Rechtsmittelverzichts verkannt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Prozessual handlungsfähig ist, wer aufgrund seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen verständig wahrzunehmen und Prozesshandlungen mit Verständnis und Vernunft auszuführen. In Zusammenhang mit einem Rechtsmittelverzicht ist die Fähigkeit ausschlaggebend, die verfahrensrechtliche Bedeutung des Verzichts zu erkennen. Diese Fähigkeit wird erst durch schwerwiegende psychische oder körperliche Beeinträchtigungen aufgehoben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2019 a.a.O mit Verweis auf Beschluss vom 24. August 2016, Az. 1 StR 301/16 in NStZ-RR 2017, 92 m.w.N). Hinweise auf eine solche Beeinträchtigung sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass er keine Kenntnis über die Bedeutung eines Rechtsmittelverzichts gehabt habe und diese ihm vor der Abgabe der Verzichtserklärung auch nicht erläutert worden sei, genügt dies allein für die Unwirksamkeit einer Verzichtserklärung nicht. Zudem vermag dieser Vortrag im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer ausweislich der Bundeszentralregisterauskunft bereits 27 mal verurteilt wurde und 3 Urteile am Tag der Verkündung in Rechtskraft erwachsen sind – das letzte am 11. April 2017 -, was auf einen entsprechenden Rechtsmittelverzicht in der Hauptverhandlung schließen lässt, auch nicht zu überzeugen.“

Sondermeldung: KostRÄG heute im BGBl., oder: Inkrafttreten am 01.01.2021 sicher

So, und dann zwischendurch eben die (gute) Nachricht:

Heute ist im BGBl, und zwar auf Seite 3229 das „Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021) “ verkündet worden.

Das Gesetz tritt dann am 01.01.2021 in Kraft, die Änderung des § 60 RVG dann schon morgen, damit die Änderung auch bereits für den Übergang zum neuen Recht gilt.

Über die Neuerungen, die das Gesetz bringt, habe ich ja schon berichtet. Hier noch einmal der Hinweis auf meinen Beitrag aus dem RVGreport 2020, 402: Geplante Änderungen bei der Anwaltsvergütung durch das KostRÄG 2021 – Teil 2. Der gilt nach wie vor.

Und: Dann kommt jetzt bald auch die 6. Auflage von Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen. Wir werden Anfang 2021 dann die Druckmaschinen anwerfen können, es ist so weit alles vorbereitet. Wir brauchten nur noch die Fundstelle im BGBl. Hier geht es zur Bestellseite. Da sind Vorbestellungen möglich.

StPO I: Die vereinbarte/abgesprochene Unterbringung, oder: Die Unterbringung kann man nicht „vereinbaren“

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So, dann noch einmal in diesem Jahr StPO-Entscheidungen.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 03.12.2020 – 4 StR 541/19 – zum zulässigen Inhalt einer Verständigung (§ 257c StPO). Das LG hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat das LG die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und auch insoweit die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Dagegen die Revision des Angeklagten. Zur Begründung der erhobenen Verfahrensrüge bezieht sich der Angeklagte auf folgendes Verfahrensgeschehen:

„Am ersten Hauptverhandlungstag kam es auf Initiative des Verteidigers zu einem Rechtsgespräch, bei dem das Landgericht nach kammerinterner Beratung für den Fall eines Geständnisses der Angeklagten folgenden Vorschlag unterbreitete: „Sollte sich die Angeklagte zu einem Adhäsionsvergleich mit der Geschädigten über einen Betrag von 4.000,00 Euro bereit erklären, sowie einer stationären Therapie mit engen Auflagen über Beginn, Andauern, Medikation und Beendigung der Therapie nur aufgrund ärztlicher Entscheidung, könnte unter Anordnung einer Bewährungszeit und einer Zeit der Führungsaufsicht über jeweils 4 Jahre sich das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe bis maximal 2 Jahre mit Strafaussetzung zur Bewährung sowie Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB, eine Aussetzung auf [richtig wohl: auch] letzterer Maßregel zur Bewährung, vorstellen. Weitere Geldauflagen kämen bei einer derartigen Gesamtwürdigung nicht in Betracht.“ Die Angeklagte lehnte den Vorschlag zunächst ab, stimmte in der Folge dann einer stationären Therapie und dem Verständigungsvorschlag zu; auch der Verteidiger und der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärten ihre Zustimmung.“

Der BGH hebt auf:

„b) Die zulässig erhobene Rüge ist begründet. Die Verständigung verstößt gegen § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO, weil die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zum Gegenstand der Verständigung gemacht worden ist.

Nach § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO dürfen der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht Gegenstand einer Verständigung sein. Über die bisherige Rechtsprechung hinaus hat der Gesetzgeber nicht nur die Sicherungsverwahrung (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 – 4 StR 325/04, NStZ-RR 2005, 39; Beschluss vom 18. Juni 2008 – 1 StR 204/08, NStZ 2008, 620), sondern sämtliche Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne von § 61 StGB aus den vereinbarungsfähigen Rechtsfolgen herausgenommen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 257c Rn. 9; Jahn/Kudlich in: MüKo-StPO, 1. Aufl., § 257c Rn. 114).

Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war vorliegend Inhalt der Verständigung. Der Wortlaut des der Verfahrensabsprache zugrundeliegenden gerichtlichen Vorschlags lässt insoweit keine Zweifel aufkommen. So hat sich das Landgericht selbst auf die „Gesamtwürdigung“ seines Vorschlags berufen und damit unmissverständlich einen Bezug zwischen den von der Angeklagten erwarteten Prozesshandlungen – dem Abschluss eines Vergleichs im Rahmen des Adhäsionsverfahrens und ihrer Zustimmung zu einer Therapieauflage – einerseits und den im einzelnen dargestellten Rechtsfolgen in ihrer Gesamtheit – also einschließlich einer Maßregelanordnung gemäß § 63 StGB – andererseits hergestellt. Angesichts dieser in dem gerichtlichen Vorschlag eindeutig hergestellten Verknüpfung besteht kein Raum für die Annahme, dass das Landgericht hinsichtlich der Maßregelanordnung lediglich eine vom Prozessverhalten der Angeklagten unabhängige vorläufige Bewertung der Rechtsfolgen abgeben oder – wie der Generalbundesanwalt meint – eine bloße Information über die Rechtsfolgenerwartung erteilen wollte. Vielmehr wurde die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durch ihre Zustimmung zu dem unterbreiteten Vorschlag und ihr nachfolgendes verständigungsbasiertes Verhalten bedingt. Dies ergibt sich auch aus einem Vermerk im Protokoll über den zweiten Hauptverhandlungstag. Danach wurden in dem Verständigungsgespräch sowohl die Dauer der Bewährungszeit als auch diejenige der (bei Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kraft Gesetzes eintretenden) Führungsaufsicht „in Aussicht genommen“. Nachdem sich insoweit aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen eine Änderung ergeben hatte, erklärten sich der Verteidiger, die Angeklagte und der Vertreter der Staatsanwaltschaft „hiermit einverstanden und äußerten, an der Verständigung festzuhalten“.

Da schon die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus einen unzulässigen Verständigungsinhalt darstellt, kann der Senat offenlassen, ob das Verbot des § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO auch für Folgeentscheidungen – wie hier die Aussetzung der Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67b StGB – gilt (vgl. zum Streitstand Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 257c Rn. 9 mwN).“

Tja, steht nun mal so im Gesetz.

Lösung zu: Das waren die meist geklickten Lösungen zu den Gebührenrätseln in 2020

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In der vergangenen Woche war ja Feiertagsruhe – na ja, fast. Jedenfalls hat es keine  „Gebührenfrage“ gegeben, sondern nur ein Ranking der 10 meist geklickten Fragen aus 2020 (vgl. hier: Ich habe da mal eine Frage: Heute wieder “nur” ein Ranking der 10 am meisten geklickten Fragen in 2020).

Und da bietet es sich natürlich – wie auch schon im Vorjahr – an, heute auch „nur“ das „Best off“ der meist geklickten Antworten auf Gebührenfragen in 2020 zu posten. Und mich überrascht erneut: Die Antworten sind wieder kein Spiegelbild der Fragen. Es haben sich also wieder nicht alle Leser, die sich die Frage angesehen haben, auch die Antwort angesehen. Wahrscheinlich kannten sie die Lösung schon. Aber vielleicht gibt es ja doch auch noch andere Gründe 🙂 ?

Hier dann also das „Best off“ der zehn am meisten geklickten Lösungen zu Gebührenfragen auf dem auflaufenden Jahr:

  1. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Muss der Mandant die Kosten für beide “Durchgänge” tragen?

  2. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren nach Rücknahme/Neuerlass eines Bußgeldbescheides?

  3. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Kann die nicht gezahlte PV-Vergütung angerechnet werden?

  4. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Habe ich die Verfahrensgebühr für die Revision verdient?

  5. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Pflichtverteidigerbestellung nach Honorarvereinbarung, was ist die Folge?

  6. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren bei der Beiordnung zur HB-Verkündung?

  7. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Kann es denn sein, dass 4.000 € Gebühren angefallen sind?

  8. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Was kann ich (noch) gegen einen Kostenansatz von 98.000 € tun?

  9. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Straf- und Bußgeldverfahren “gleichzeitig” ==> zweimal Grundgebühr?

  10. Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren verdient man bei der “gebündelten Nebenklage”?