Archiv für den Monat: November 2016

Geringwertigkeit einer Sache, oder: Es bleibt bei 50 EUR

© Julydfg - Fotolia.com

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Auch in den Bereich der Strafzumessung gehört der OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.10.2016 – 1 Ss 80/16. Der Angeklagte ist vom AG wegen Diebstahls in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 7,- EUR verurteilt. Gegenstand einer der Taten war ein fahrtüchtiges Mountain-Bike. Dazu fehlte im Urteil eine ausdrückliche Wertangabe, die GStA ist aber davon ausgegangen, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erschließe, dass das fahrtüchtige Mountain-Bike keine geringwertige Sache i.S.d. § 243 Abs. 2 StGB gewesen sei. Das OLG sieht das anders und hebut auf: Aus der Begründung:

„Die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB hält indes aus mehreren Gründen einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Hinsichtlich der Tat zu Ziff. 1 kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Tat gemäß § 243 Abs. 2 StGB auf eine geringwertige Sache bezogen hat, sodass ein besonders schwerer Fall des Diebstahls bereits aus diesem Grund ausscheidet.

Dabei hält der Senat an seiner st. Rspr. fest, nach der die Grenze der Geringwertigkeit i.S.d. §§ 243 Abs. 2; 248a StGB bei 50,- Euro anzusetzen ist (Senat, Beschl. v. 09.05.2008 – 1 Ss 67/08, juris [Rn. 6, 15] = NStZ-RR 2008, 311 m. zust. Anm. und ausf. Begr. bei Jahn, JuS 2008, 1024 m.w.N.; a.A. — freilich unter außendivergenzhindernder Betonung, dass die Geringwertigkeitsgrenze im Sinne des § 248a StGB nicht starr zu ziehen sei — KG, Beschl. v. 08.01.2015 — [4] 121 Ss 211/14 [276/14], juris [Rn. 18 ff.] = StV 2016, 652, 654 f. = OLGSt StGB § 252 Nr. 3).

Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend erkennt, fehlt im amtsgerichtlichen Urteil jegliche Wertangabe bezüglich des Mountain-Bikes. Es finden sich auch keine Feststellungen dazu, um welches Fabrikat es sich handelt oder welches Alter das Mountain-Bike aufweist. Ein Erfahrungssatz, dass fahrtüchtige Mountain-Bikes einen Wert von mehr als 50,- Euro haben, existiert nicht. Auch aus dem Umstand, dass das Amtsgericht bezogen auf die Tat zu Ziff. 2 Ausführungen zur Geringwertigkeit (§ 248a StGB) gemacht hat, kann nichts für die Geringwertigkeitsfrage bei der Tat zu Ziff. 1 abgelesen werden.“

Na ja, alles wird teurer…..

Drogenfahrt: Was gehört in den Bußgeldbescheid?, und: Das vollstreckte Fahrverbot

© Maksim Kabakou Fotolia.com

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Zwei interessante/spannende Fragen behandelt der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.11.2016 – IV-2 RBs 157/16:

Einmal geht es um die Frage der Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid (§ 67 Abs. 2 OWiG). Gegen den  Betroffenen war ein Bußgeldbescheid wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG (Drogenfahrt) erlassen worden. In dem Bußgeldbescheid wurde aber die THC-Konzentration nicht angegeben.

Das OLG sagt dazu mit dem Leitsatz 1 seiner Entscheidung:

„Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ist beim Tatvorwurf des Führens eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss (§ 24a Abs. 2 StVG) unwirksam, wenn in dem Bußgeldbescheid die im Blut des Betroffenen nachgewiesene THC-Konzentration nicht mitgeteilt wird.

Der Bußgeldbescheid ist aber nicht unwirksam (?).

Und die zweite Frage behandelt das Fahrverbot: Betroffener und Bußgeldbehörde waren nämlich davon ausgegangen, dass die Entscheidung über das in dem Bußgeldbescheid verhängte Fahrverbot rechtskräftig geworden war. Daraufhin war der Führerschein in amtliche Verwahrung genommen und einen Monat verwahrt worden. Die Frage, die sich nun stellte. Kann diese Verwahrdauer angerechnt werden und wenn ja, wie? Das OLG bejaht das im Leitsatz 2 seiner Entscheidung:

„Gehen der Betroffene und die Bußgeldbehörde irrtümlich davon aus, dass die Entscheidung über das in dem Bußgeldbescheid verhängte Fahrverbot rechtskräftig geworden ist, und wird der Führerschein (hier: Mofa-Prüfbescheinigung) daraufhin in amtliche Verwahrung genommen, kommt eine Anrechnung der Verwahrungsdauer auf das Fahrverbot in Betracht. Die Entscheidung über die Anrechnung kann im Vollstreckungsverfahren getroffen werden, wenn die tatrichterlichen Feststellungen eine eigene Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht ermöglichen.“

Wegen der Anrechnung muss der Betroffene also ins Vollstreckungsverfahren. Und wenn es da nicht klappt, müsste m.E. ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 103 OWiG gestellt werden.

Pflichtverteidiger aufgepasst!!!!, oder: Formgerechte Revisionsbegründung

© frogarts -Fotolia.com

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Pflichtverteidiger aufgepasst!! So muss/kann man m.E. den BGH, Beschl. v. 05.10.2016 – 3 StR 268/16 – überschreiben. In ihm hat der BGH eine Revision nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, weil sie nicht entsprechend den Anforderungen des § 345 Abs. 1 StPo begründet worden ist. Der Beschluss und die Begründung des BGH sprechen für sich:

„Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht im Sinne des § 345 Abs. 2 StPO begründet worden ist. Die Revisionsbegründungsschrift ist entgegen dieser Vorschrift nicht vom Pflichtverteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Dr. S. , sondern „pro abs. Dr. S. “ von der in derselben Kanzlei tätigen Rechtsanwältin H. unterzeichnet; auf diese konnte der Pflichtverteidiger seine Befugnisse indes nicht wirksam übertragen. Anhaltspunkte dafür, dass die Unterzeichnerin als allgemeine Vertreterin des Pflichtverteidigers gemäß § 53 Abs. 2 BRAO tätig geworden ist, sind nicht ersichtlich. Hierauf hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. August 2016 hingewiesen. Dem ist der Beschuldigte nicht entgegengetreten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2011 – 4 StR 430/11, NStZ 2012, 276, 277; vom 16. Dezember 2015 – 4 StR 473/15, juris Rn. 2 mwN).

Rechtsanwalt Dr. S. war entgegen seiner Auffassung auch nicht – gleichzeitig neben dem Pflichtmandat – als Wahlverteidiger mandatiert, so dass sich auch hieraus keine Befugnis zur Erteilung einer Untervollmacht an Rechtsanwältin H. ergab. Zwar hat Rechtsanwalt Dr. S. eine vom 18. September 2014 datierende Verteidigervollmacht des Beschuldigten vorgelegt. Doch ist diese mit seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger am 14. Januar 2015 erloschen. Die Pflichtverteidigerbestellung setzt nach § 141 Abs. 1 StPO das Nichtbestehen eines Wahlmandates voraus (vgl. auch § 143 StPO). Entsprechend enthält der Antrag des Wahlverteidigers, ihn als Pflichtverteidiger beizuordnen, die Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Be-stellung enden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 142 Rn. 7 mwN). Wird dem Antrag stattgegeben, endet das zivilrechtliche Auftrags- bzw. Ge-schäftsbesorgungsverhältnis (§ 675 BGB) des Rechtsanwaltes, der in der Folge seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger allein auf der Grundlage der öffentlich-rechtlichen Bestellung ausführt. Das Ende des Vertragsverhältnisses hat das Erlöschen der zuvor erteilten Strafprozessvollmacht zur Folge (BGH, Urteil vom 13. August 2014 – 2 StR 573/13, BGHSt 59, 284, 286 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 – 4 StR 346/13, juris Rn. 2).

Schließlich hat Rechtsanwältin H. die Revisionsbegründung auch nicht ihrerseits als Wahlverteidigerin des Beschuldigten unterzeichnet. Zwar hat der Beschuldigte am 18. September 2014 jeden der in der Kanzlei des Pflichtverteidigers tätigen Rechtsanwälte „zur Einzelvertretung“ in der gegen ihn anhängigen Strafsache bevollmächtigt. Doch ist dem Zusatz der Unterschrift unter die Revisionsbegründung „pro abs. Dr. S. “ eindeutig zu entnehmen, dass Rechtsanwältin H. nicht als Wahlverteidigerin des Beschuldigten tätig geworden ist, sondern in Vertretung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Dr. S.“

Strafzumessung III: Das strafmildernde Gewicht des Geständnisses, oder: Spitzfindig?

entnommen openclipart.org

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Auf einem schmalen Grad wandelt m.E. das BGH, Urt. v. 19.10.2016 – 2 StR 549/15, in dem es auch um Strafzumessung geht. Und zwar um die Frage, welches strafmilderndes Gewicht im Rahmen der Strafzumessung eigentlich ein Geständnis des Angeklagten hat. Verurteilt worden ist der Angeklagtewegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten. Dagegen die Strafmaßrevision des Angeklagten, die beim BGH keinen Erfolg hat.

„Das Landgericht hat das im neuen Verfahren abgelegte Geständnis des Angeklagten strafmildernd berücksichtigt. Soweit es dem nur eingeschränkte Bedeutung beigemessen hat, liegt darin kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Bezieht sich – wie hier – ein Geständnis auf bereits anderweitig bewiesene, gar rechtskräftig festgestellte Tatumstände, kommt ihm nur geringes Gewicht zu (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 50a). Bleibt es zudem hinter den getroffenen rechtskräftigen Feststellungen zurück, reduziert sich sei-ne strafmildernde Wirkung grundsätzlich weiter. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus der besonderen Verfahrenskonstellation, in der zwei Taten Gegenstand des (auch gegen andere Angeklagte geführten) Verfahrens sind, der Angeklagte aber nur hinsichtlich einer Tat angeklagt und auch nur insoweit geständig ist. Anders als die Revision meint, hat die Strafkammer mit ihrer Erwägung, das Geständnis sei hinter den rechtskräftigen Feststellungen zum Tatgeschehen zurückgeblieben, nicht – was unzulässig wäre – berücksichtigt, er habe auch weiterhin die nicht angeklagte Tat nicht gestanden. Sie hat damit vielmehr (nur) zu erkennen gegeben, dass der Angeklagte entgegen den getroffenen Feststellungen seine Einbindung in die Planung der zweiten eingeräumten Tat, die sich im Anschluss an die erste Tat und unter Ausnutzen der hierfür getroffe-nen Vorkehrungen ereignete, nicht zugestanden hat. Dies weist keinen Rechtsfehler auf.“

Ob das so richtig ist? Man hätte m.E. auch genauso gut anders argumentieren können (wenn man gewollt hätte): „Die Erwägung der Strafkammer, das Geständnis sei hinter den rechtskräftigen Feststellungen zum Tatgeschehen zurückgeblieben, lässt besorgen, dass die Strafkammer dem Angeklagten angelastet hat, er habe auch weiterhin die nicht angeklagte Tat nicht gestanden. Das ist unzulässig.“

Ist „spitzfindig“ die richtige Beschreibung?

Strafzumessung II: 4 + 5 Jahre = 9 Jahre, oder: Gesamtstrafübel

© rcx - Fotolia.com

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Bei der zweiten vorgestellten Entscheidung zur Strafzumessung (zum „Opening“ der OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2016 – 4 RVs 116/16 – und dazu Strafzumessung I: „Bewährung gibt es nicht, denn die fehlt die Unrechtseinsicht“)  handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 20.09.2016 – 1 StR 347/16. Ergangen ist er in einem Verfahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen u.a. Nach den Feststellungen war die Angeklagte bereits am 04.09.2015 vom LG Nürnberg-Fürth wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden; es ging um Cannabisprodukte mit einem Trockengesamtgewicht von 447,62 Gramm und einer Wirkstoffmenge von 38,7 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Bei einer (weiteren) Durchsuchung am 08.09.2015 wurde in der Wohnung sowie dem (nun durchsuchten) dazugehörigen Kellerraum Haschisch mit einem Trockengesamtgewicht von 300,81 Gramm sowie Marihuana mit einem Trockengesamtgewicht von 167,98 Gramm aufgefunden. Die Gesamtmenge an THC betrug 63,0 Gramm. 90 % dieser Betäubungsmittel waren für den gewinnbringenden Verkauf und 10 % für den Eigenkonsum bestimmt. Das LG hat die Angeklagte dann zu einer (qweiteren) Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Der Rechtsfolgenausspruch dieses Urteils wird vom BGH aufgehoben. Begründung:

„Der Strafausspruch hält jedoch revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat es versäumt, mit Rücksicht auf die Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben der Angeklagten zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), das mit der Verurteilung der Angeklagten verbundene Gesamtstrafübel ausdrücklich zu erörtern. Das Tatgericht hat grundsätzlich das gesamte Gewicht der verhängten Strafe und ihre Folgen in seine Entscheidung einzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. August 2011 – 4 StR 367/11, StV 2012, 15; vom 10. November 2010 – 5 StR 456/10, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 6; vom 27. Januar 2010 – 5 StR 432/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 19 und vom 9. November 1995 – 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 314; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1245). Einen Nachteil, der sich für eine Angeklagte dadurch ergibt, dass die Bildung mehrerer Strafen zu einem zu hohen Gesamtstrafübel führt, muss das Tatgericht gegebenenfalls ausgleichen. Diesem rechtlichen Maßstab wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung nicht bedacht, dass neben der nun verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren auch die bereits durch das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 4. September 2015 verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren vollstreckt werden muss und das daraus resultierende Gesamtstrafübel rechtsfehlerhaft nicht erkennbar berücksichtigt.“