Archiv für den Monat: Februar 2016

Ob Gebührenüberhebung in 1678 oder in 1661 Fällen: Egal, das bringt dem Notar neun Monate…

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Sicherlich nicht alltäglich ist der Fall, der dem BGH, Beschl. v. 14.10.2015 – 1 StR 164/15  zugrunde gelegen hat: Angeklagt war ein Notar wegen Gebührenüberhebung. Der hatte bei der Abrechnung von 5/10-Betreuungsgebühren gemäß § 147 Abs. 2 KostO nach der Beurkundung von Grundstückskaufverträgen einen überhöhten Gegenstandswert ansetzte, und zwar hatte er den mit dem Kaufpreis gleichgesetzt, obwohl er, wie er aus vorangegangenen Kostenprüfungen wusste, nach der Rechtsprechung nur maximal 50 % des Kaufpreises zugrunde legen durfte. Ergebnis: 250.557,52 € inklusive USt zu Unrecht eingenommen. Verurteilt worden ist der Notar zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Verurteilt worden ist der Notar wegen in 1.678 Fällen. Der BGH macht in der Revision auf der Grundlage der Ausführungen des GBA eine andere Rechnung auf:

„1. Die Urteilsformel ist um insgesamt 17 Fälle zu reduzieren.
a) Soweit die Strafkammer in dem Urteilstenor eine Gesamtzahl von 1678 Taten angegeben hat, ist ihr offensichtlich ein Zählfehler unter-laufen. Tatsächlich führen die Urteilsgründe nur 1662 Fälle auf, de-nen jeweils eine gesonderte Einzelstrafe zugeordnet ist. Dieses Ver-sehen beruht darauf, dass die Strafkammer die eigentlich an 727. Stelle stehende Tat zum Nachteil des S. unter der Ziffer 728 erfasst und sodann bei der fortlaufenden Nummerierung der nächsten 15 Taten in Zweierschritten statt bis Ziffer 742 bis Ziffer 758 weitergezählt hat (UA S. 31 f.). Dies führt dazu, dass die Strafkammer in der Urteilsformel eine um 16 Fälle zu hohe Gesamtzahl angegeben hat. Einen derartigen Zählfehler kann das Revisionsgericht selbst korrigieren…

Soweit das Landgericht in den Fällen III. 357 und 1041 von Tatmehr-heit ausgegangen ist und den Angeklagten jeweils wegen Gebühren-überhebung zum Nachteil der R. verurteilt hat, kann der Schuldspruch keinen Bestand haben (UA S. 21, 40). Das Landge-richt hat insoweit übersehen, dass die in Ansatz gebrachten Gebühren nach § 147 Abs. 2 KostO in Höhe von 216 Euro und 507 Euro gegen-über der Kostenschuldnerin nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe mit nur einer Kostenrechnung angefordert wurden (und zwar mit der im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Kosten-rechnung vom 23. Januar 2012, URNr. 160/12 [auf DVD])….

Macht also 17 Fälle weniger. Auf die Strafe hatte das allerdings keinen Einfluss. Wie sollte es auch bei der Vielzahl der Fälle und der Strafhöhe. Da hätte sich das LG noch ein paar Mal mehr verzählen dürfen….

Und nochmals: Wiedereinsetzungsantrag, oder: Ist das denn so schwer, Herr Kollege?

© Elena Schweitzer - Fotolia.com

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Am vergangenen Mittwoch hatte ich über den  BGH, Beschl. v. 13.01.2016 – 4 StR 452/15 – berichtet (vgl. dazu Wiedereinsetzungsantrag: Ist das denn so schwer, Herr Kollege?); bei dem Beitrag hatte ich mir wegen zwei Schreibfehlern übrigens Kritik von einem Kollegen (?) eingefangen. Aber, was soll es? Ich lege – auch am Rosenmontag – nach. Denn beim Stöbern in meinem Blogordner bin ich auf den OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2015 – 3 Ws 379/15 – gestoßen, der auch eine Wiedereinsetzungsproblamtik behandelt. Der Beschluss ist in doppelter Hinsicht interessant.

Zunächst der Zeitablauf: Es wird unter dem 02.09.2015 Beschwerde gegen einen Beschluss vom 08.08.2015 eingelgt und die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde beantragt. Im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs hat der Verteidiger dann mehrfach Fristverlängerungen beantragt, das OLG hat sechs Wochen bis zu seiner Entscheidung „zugewartet“. Und dann kommt noch mal ein zweiwöchiger Fristverlängerungsantrag des Verteidigers vom 10.11.2015, der aber – so das OLG lediglich Absichtsbekundungen enthält. Das OLG ist es jetzt dan  leid und entscheidet: „Ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung war nach dem Verstreichen von sechs Wochen mit Blick auf die fehlende Glaubhaftmachung nicht mehr geboten.“ Nun, irgendwann ist Schluss.

Vor allem, wenn es auch sonst nicht passt, so wie hier, denn:

„Der Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ist bereits unzulässig, weil er entgegen den Erfordernissen gem. §§ 44, 45 Abs. 1 u. Abs. 2 StPO keine Umstände darlegt, aus denen sich ein mangelndes Verschulden des Verurteilten an der Einhaltung der einwöchigen Rechtsmittelfrist ergibt. Trotz mehrfacher Fristverlängerung mangelt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung der Tatsachen zur Begründung des fehlenden Eigenverschuldens. Eine Glaubhaftmachung ist auch nicht ausnahmsweise wegen Offenkundigkeit entbehrlich.

Soweit der Beschwerdeführer durch Schreiben seines Verteidigers vom 2. September 2015 eine Zeugin für die Tatsache benannt hat, dass er zum Zeitpunkt der Zustellung an der Zustelladresse nicht mehr wohnhaft gewesen sei, reicht dies als Mittel der Glaubhaftmachung nicht aus. In Betracht kommen zur Glaubhaftmachung grundsätzlich alle Mittel, die geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit des Vorbringens darzutun, etwa die eidesstattliche Versicherung von Zeugen (Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., § 45 Rdnr. 8). Die bloße Benennung eines Zeugen ohne weitere Ausführungen – wie vorliegend erfolgt – reicht dagegen allein nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 05. August 2010 – 3 StR 269/10 –, juris).“

Das kann doch alles nicht so schwierig sein? Oder doch?

Akteneinsicht a la AG Kassel/in Hessen, oder: Danke bzw. es gibt in Hessen doch Gewaltenteilung

© Avanti/Ralf Poller - Fotolia.com

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In erinnere: Bei mir hat es vor einiger Zeit das Posting gegeben: Sondermeldung: Gewaltenteilung in Hessen wohl aufgehoben, oder: Hinterzimmermauschelei im Bußgeldverfahren? Da ging es um Schreiben des Regierungspräsidiums Kassel, das ein Kollege auf seine Anforderung von Messdaten von dort erhalten hatte. Kurzfassung: Messdaten gibt es nur eingeschränkt, darüber ist man sich „anlässlich einer Dienstbesprechung meiner Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessi­schen Amtsgerichte am 23.04.2015″ einig geworden.

Nun, so einig – Gott sei Dank – nicht. Denn es gibt inzwischen den AG Kassel, Beschl. v. 23.12.2015 – 381 OWi 315/15 , der sich mit den Fragen (noch einmal) befasst; über den Beschluss hatte der Kollege vom Verkehrsrechtsblog ja auch schon berichtet hat. Die Leitsätze der Entscheidung, die noch einmal den Stand der Rechtsprechung schön zusammenfasst – einige der angeführten Entscheidungen hatte ich hier ja auch schon gebracht:

1. Im Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Verteidiger das Recht auf Einsicht in die gesamte Messreihe einschließlich der entsprechenden Datensätze auch dann, wenn sich diese nicht in der Akte, sondern bei der Bußgeldbehörde befinden.
2. Datenschutzrechtliche Bedenken stehen der Einsicht in die gesamte Messreihe nicht entgegen, da das Interesse anderer abgebildeter Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Recht des Betroffenen auf eine effektive Verteidigung zurückzustehen hat.
3. Die Einsicht in die vollständige Messreihe kann dem Verteidiger durch Übersendung einer Kopie der Datensätze auf einem von ihm zur Verfügung zu stellenden Datenträger gewährt werden. Erforderlichenfalls ist ihm der dazugehörige öffentlichen Schlüssel/Token zur Verfügung zu stellen.

Auf zwei Passagen will ich extra hinweisenn, nämlich:

…..Soweit die Verwaltungsbehörde der Auffassung ist, dass bei einem „standardisierten Messverfahren nicht ersichtlich sei, wozu die gesamte Messreihe benötigt werde“, unterliegt sie einem Zirkelschluss. Die Einsicht in den gesamten Messfilm ist erforderlich, um beispielsweise Unregelmäßigkeiten bei der Dateneinblendung, eine hohe Anzahl verworfener Messungen oder sonstige Hinweise auf eine Fehlfunktion des Geschwindigkeitsmessgerätes oder eine fehlerhafte Inbetriebnahme oder Bedienung des Gerätes durch den Messbeamten erkennen zu können. Aus den Aufzeichnungen der gesamten Messung können Schlüsse auf die Messung gezogen werden, mit der der Vorwurf gegen die Betroffene begründet wird…..

…….
In diesem Zusammenhang kann sich die Verwaltungsbehörde insbesondere auch nicht – wie zuletzt in anderen Verfahren zu beobachten war – unter pauschale Berufung auf vermeintliche datenschutzrechtliche Erwägungen aus der Verantwortung ziehen und den Betroffenen schlicht darauf zu verweisen, zunächst ein kostenträchtiges gerichtliches Verfahren anzustrengen, um dann über das Gericht Einsicht in den Messfilm zu bekommen. Eine derartige Verwaltungspraxis führt vielfach zu einer vermeidbaren Anrufung des Gerichts und ist für den Betroffenen unzumutbar. Betrachtet man die Rechtsprechung zu der Frage, ob dem Verteidiger im Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung die Einsicht in den von der Geschwindigkeitsmessung vorliegenden Messfilm bzw. Messdateiserie zu gewähren ist, ist festzustellen, dass diese Frage im Sinne des Betroffenen als geklärt anzusehen ist (siehe nur OLG Oldenburg, Beschl. 06.05.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15; AG Bergisch Gladbach, a.a.O.; AG Königs Wusterhausen, Beschl. v. 17.03.2015 – 2.4 OWi 282/14; AG Fritzlar, a.a.O.; AG Stuttgart, Beschl. v. 01.04.2014 – 11 OWi 575/14; AG Duderstadt, a.a.O.; AG Luckenwalde, Beschl. v. 07.10.2013 – 28 OWi 122/13; AG Ulm, a.a.O.; AG Schleiden, Beschl. 23.10.2012 – 13 OWi 140/12 (b); AG Cottbus, a.a.O. sowie Beschl. v. 17.06.2008 – 67 OWi 1611 Js-OWi 17966/08 (174/08); AG Stuttgart, Beschl. v. 29.12.2011 – 16 OWi 3433/11; AG Heidelberg, Beschl. v. 31.10.2011 – 3 OWi 510 Js 22198/11; AG Senftenberg, a.a.O.). Angesichts dessen grenzt die unzulässige Beschränkung der Verteidigung durch die Nichtherausgabe kompletter Messreihen durch die Verwaltungsbehörde an eine bewusste Rechtsverweigerung, die abzustellen ist.“

Danke AG Kassel, es gibt dann doch auch in Hessen die Gewaltenteilung.

Lösung zu: Ich habe mal eine Frage: Mandant nicht da, aber ich, keine Kostenerstattung?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Mein Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe mal eine Frage: Mandant nicht da, aber ich, keine Kostenerstattung?, hat immerhin vier Kommentare bekommen. Das zeigt m.E. immer, dass die Frage in der Praxis dann offenbar doch immer wieder eine Rolle zu spielen scheint. Und: Nachdem die h.M. der Kommentatoren zunächst in die falsche Richtugn 🙂 ging: Sie hat sich zum Guten gewendet. Denn:

Die Auffassung der Staatskasse ist richtig. Dazu gibt es sogar eine amtsgerichtliche Entscheidung, nämlich den AG Tiergarten, Beschl. v. 11.01.2016 – 232b Ds 10/15, in dem es heißt:

„Als notwendige Auslagen i.S. des § 467 StPO hat die Landeskasse dem Angeklagten nach § 464a StPO  § 91 ZPO nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen seines Rechtsanwalts zu erstatten.

Die für den Termin vom 3.11.2015 beantragte Gebühr ist nicht erstattungsfähig, da deren Entstehung nicht notwendig i.S.v. § 464 a StPO i.V.m. § 91 ZPO war. Der Angeklagte erschien unentschuldigt nicht zum Termin. Die ordnungsgemäße Ladung wurde durch das Gericht festgestellt. Die Versagung der Erstattungsfähigkeit bedeutet auch nicht ein Umgehen der Kostenentscheidung, da diese eben nur die Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten beinhaltet. Die Prüfung der Notwendigkeit i.S.v. § 464a StPO i.V. m. § 91 ZPO hat demnach für alle beantragten Gebühren zu erfolgen. Die Gebühr für den Termin vom 3.11.2015 hat der Angeklagte somit in voller Höhe selbst zu tragen.“

  • Auf den ersten Blick sicherlich ein wenig überraschend, da die Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin, zu dem der Angeklagte nicht erschienen ist, für den Verteidiger nach Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2VV RVG entstanden ist. Das ändert aber nichts daran, dass dem Angeklagten diese Gebühr nicht zu erstatten ist. Denn bei der Kostenerstattung nach §§§ 467, 464a StPO geht es um die (notwendigen) Gebühren des Verteidigers des Angeklagten, die dem Angeklagten aus der Staatskasse zu erstatten sind. Die Terminsgebühr für einen Termin, der nicht stattfinden konnte, weil der Angeklagte nicht anwesend war, ist aber nicht notwendig. Oder: Es handelt sich um eine zwar zulässige, aber zwecklose Tätigkeit, die nicht zu einem Erstattungsanspruch führt.
  • Die Gebühr für den ausgefallenen Hauptverhandlungstermin muss der Angeklagte somit in voller Höhe selbst zu tragen. Der Verteidiger kann aber natürlich die Terminsgebühr von seinem Mandanten verlangen. Der kann sich ihm gegenüber nicht darauf berufen, dass die Gebühr nicht erforderlich war.
  • Und: War der Verteidiger (auch) Pflichtverteidiger, kann er die Gebühr auch als gesetzliche Gebühr über § 45 RVG im Rahmen seiner gesetzlichen Vergütung verlangen. Denn der Kostenerstattungsanspruch des Angeklagten und der Anspruch des Pflichtverteidigers auf seine gesetzliche Gebühren sind unterschiedliche Ansprüche. Bei dem Anspruch nach § 45 RVG handelt es sich um einen Anspruch des Pflichtverteidigers, dem man das Verschulden des Mandanten nicht entgegenhalten kann. Die Geltendmachung scheitert auch nicht an § 58 Abs. 3 RVG. Denn auf diese Terminsgebühr hat der Rechtsanwalt keine Zahlungen erhalten.

Karneval: Helau und Alaaf, oder: Frei auf Karneval, Kamelle, Gerichtstermine und Verkleidungen für Juristen

entnommen wikimedia.org Superbass - Own work

entnommen wikimedia.org
Superbass – Own work

Nun, da heute in vielen Teilen der Bundesrepublik nicht bzw. vielleicht nicht ganz so ernsthaft gearbeitet wird, will ich mal zur Mittagszeit keine schwere Kost bringen, sondern ein Posting mit karnevalistischem Einschlag. Und da m.E. alle Entscsheidungen, die sich mit Karneval pp. befassen zig-mal duchgekaut sind, bringe ich einen „Karnevalsrückblick“, und zwar auf die Postings in anderen Blogs, die sich in der letzten Zeit mit Karneval befasst haben. Und darunter sind dann ja auch die Klassiker. Die „Auslese“ enthält:

  1. Jeder Jeck ist anders – Al Capone rastet auf betriebsinterner Karnevalsfeier aus,
  2. Soll ich mir Karneval freinehmen?,
  3. Infobrief: Urteile und Rechtsfragen rund um den Karneval,
  4. Karnevalsfeier – bringen Videoaufnahmen die Wahrheit ans Licht?
  5. Die Einkünfte des Büttenredners,
  6. Verletzung durch Kamelle,
  7. Die Nachtruhe an Karneval,
  8. Pippi Langstrumpf-Kostüm stellt keine rechtswidrige Nachahmung dar,
  9. Strafbefehl gegen Ex-Richter wegen Schlägerei um Frau im „Biene-Maja-Kostüm“
  10. Gerichtstermin am 11.11. um 11:11 Uhr – Keine Ablehnung des Richters aufgrund Befangenheit.
  11. und dann waren da noch Die besten Verkleidungen für Juristen

Und online geht das Ganze dann um 12.11. 🙂