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„Judex non calculat“, oder: „Zählfehler“ dürfen berichtigt werden.

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In die 22. KW. geht es mit dem BGH, Beschl. v. 25.04.2019 – 1 StR 41/19. In meinen mal wieder eine „Kopfschüttel-Entscheidung“. Nicht der Beschluss des BGH, sondern das zugrunde liegende Urteil des LG Schweinfurt. Denn: Die dortige 1- Strafkammer – „1 KLs“ kann nicht zählen bzw. hat zumindest nicht sorgfältig gezählt, als es den Angeklagten geurteilt hat, dass der Angeklagte des „Betruges in 92 Fällen und des versuchten Betruges in vier Fällen schuldig ist.“

Es waren nämlich – wie der GBA und ihm folgend der BGH festgestellt hat – weniger Fällen, und zwar 92 Fälle des vollendeten und nur drei Fälle des versuchten Betruges. Dementsprechend hat der BGH den Schuldspruch abgeändert:

„Die vom Senat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts vorgenommene Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich der Anzahl der Taten ist zulässig, weil es sich um ein offensichtliches Verkündungsversehen in dem Sinne handelt, dass dem Landgericht nur ein Fehler bei der Zählung der abgeurteilten Fälle unterlaufen ist. Ein solcher Zählfehler darf berichtigt werden, wenn er für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist und seine Behebung darum auch nicht den entfernten Verdacht einer inhaltlichen Änderung des Urteils begründen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. August 2017 – 2 StR 362/16 Rn. 3 und vom 22. November 2016 – 1 StR 471/16 Rn. 2, jeweils mwN). So liegt es hier. Da das Landgericht ausweislich der Feststellungen nur drei Fälle des versuchten Betruges und nicht vier festgestellt und abgeurteilt hat, kann ausgeschlossen werden, dass sich der Tenorierungsfehler auf den Strafausspruch ausgewirkt hat.“

Richtig zu zählen, kann doch nicht so schwierig sein. Oder doch?

Der BGH kann zählen, das LG nicht, oder: Berichtigung

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Einen sog. Zählfehler berichtigt hat der BGH im BGH, Beschl. v. 22.11.2016 –   1 StR 471/16, der in einem Verfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt ergangen ist. Verurteilt hatte das LG den Angeklagten in 38 Fällen, in den Urteilsgründen war dann aber nur von 37 Fällen die Rede. Der BGH „berichtigt“ den Urteilstenor und verwirft dann als „ou“ nach § 349 Abs. 2 StPO:

„Die vom Senat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts vorgenommene Berichtigung des Urteilstenors hinsichtlich der Anzahl der Taten ist zulässig, weil es sich um ein offensichtliches Verkündungsversehen in dem Sinne handelt, dass dem Landgericht ein Fehler allein bei der Zählung der abgeurteilten Fälle unterlaufen ist. Ein solcher Zählfehler darf berichtigt werden, wenn er für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist und seine Behebung darum auch nicht den entfernten Verdacht einer inhaltlichen Änderung des Urteils begründen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2006 – 2 StR 562/05 mwN). So liegt es hier. Da das Landgericht in den Urteilsgründen auch nur von 37 Fällen ausgegangen ist, kann ausgeschlossen werden, dass sich der Tenorierungsfehler auf den Strafausspruch ausgewirkt hat.2

Judex non calculat 🙂

Ob Gebührenüberhebung in 1678 oder in 1661 Fällen: Egal, das bringt dem Notar neun Monate…

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Sicherlich nicht alltäglich ist der Fall, der dem BGH, Beschl. v. 14.10.2015 – 1 StR 164/15  zugrunde gelegen hat: Angeklagt war ein Notar wegen Gebührenüberhebung. Der hatte bei der Abrechnung von 5/10-Betreuungsgebühren gemäß § 147 Abs. 2 KostO nach der Beurkundung von Grundstückskaufverträgen einen überhöhten Gegenstandswert ansetzte, und zwar hatte er den mit dem Kaufpreis gleichgesetzt, obwohl er, wie er aus vorangegangenen Kostenprüfungen wusste, nach der Rechtsprechung nur maximal 50 % des Kaufpreises zugrunde legen durfte. Ergebnis: 250.557,52 € inklusive USt zu Unrecht eingenommen. Verurteilt worden ist der Notar zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Verurteilt worden ist der Notar wegen in 1.678 Fällen. Der BGH macht in der Revision auf der Grundlage der Ausführungen des GBA eine andere Rechnung auf:

„1. Die Urteilsformel ist um insgesamt 17 Fälle zu reduzieren.
a) Soweit die Strafkammer in dem Urteilstenor eine Gesamtzahl von 1678 Taten angegeben hat, ist ihr offensichtlich ein Zählfehler unter-laufen. Tatsächlich führen die Urteilsgründe nur 1662 Fälle auf, de-nen jeweils eine gesonderte Einzelstrafe zugeordnet ist. Dieses Ver-sehen beruht darauf, dass die Strafkammer die eigentlich an 727. Stelle stehende Tat zum Nachteil des S. unter der Ziffer 728 erfasst und sodann bei der fortlaufenden Nummerierung der nächsten 15 Taten in Zweierschritten statt bis Ziffer 742 bis Ziffer 758 weitergezählt hat (UA S. 31 f.). Dies führt dazu, dass die Strafkammer in der Urteilsformel eine um 16 Fälle zu hohe Gesamtzahl angegeben hat. Einen derartigen Zählfehler kann das Revisionsgericht selbst korrigieren…

Soweit das Landgericht in den Fällen III. 357 und 1041 von Tatmehr-heit ausgegangen ist und den Angeklagten jeweils wegen Gebühren-überhebung zum Nachteil der R. verurteilt hat, kann der Schuldspruch keinen Bestand haben (UA S. 21, 40). Das Landge-richt hat insoweit übersehen, dass die in Ansatz gebrachten Gebühren nach § 147 Abs. 2 KostO in Höhe von 216 Euro und 507 Euro gegen-über der Kostenschuldnerin nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe mit nur einer Kostenrechnung angefordert wurden (und zwar mit der im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Kosten-rechnung vom 23. Januar 2012, URNr. 160/12 [auf DVD])….

Macht also 17 Fälle weniger. Auf die Strafe hatte das allerdings keinen Einfluss. Wie sollte es auch bei der Vielzahl der Fälle und der Strafhöhe. Da hätte sich das LG noch ein paar Mal mehr verzählen dürfen….