Archiv für den Monat: November 2015

So lange es den „Richtervorbehalt“ gibt, muss man sich dran halten

© Klaus Eppele - Fotolia.com

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Die mit der Missachtung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme bei Trunkenheits- und/oder Drogenfahrten (§§ 315c, 316 StGB; 24a StVG) zusammenhängenden Fragen haben vor einiger Zeit die Rechtsprechung und auch die Blogs intensiv beschäftigt. Der „Rechtsprechungsmarathon“ ist inzwischen abgeflaut. Ein OLG Naumburg, Beschl. v. 05.11.2015 – 2 Ws 201/15  – zeigt aber, dass es auch heute noch für den Verteidiger Sinn machen kann, sich mit den Fragen des § 81a Abs. 2 StPO zu befassen. In dem Beschluss hat das OLG die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den AG Zeitz, Beschl. v. 03.08.2015 – 13 OWi 723 Js 204201/15 – verworfen und das AG Zeitz bestätigt. Das AG hatte den Betroffenen vom Vorwurf der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG freigesprochen. Es hatte für das Untersuchungsergebnis einer dort durchgeführten Blutprobenentnahme wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81 a Abs.2 StPO ein Beweisverwertungsverbot angenommen. Die Blutprobe war an einem Sonntag um 16.30 Uhr entnommen worden, obwohl zu der Zeit, was den Polizeibeamten bekannt war, ein richterlicher Eildienst eingerichtet war. Der Polizeibeamte hatte – so weit er sich überhaupt nocht erinnern konnte – nur den „Diensthabenden“ benachrichtigt, sich dann aber nicht mehr weiter um die Sache gekümmert und die Blutprobe veranlasst. Dazu das OLG:

„Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass hier der Richtervorbehalt willkürlich bewusst und gezielt umgangen worden ist. Dafür spricht bereits, dass der Zeuge pp. nicht, wie erforderlich, schriftlich Gründe dafür niedergelegt hat, weshalb er sich nicht bemüht hat, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Information des Diensthabenden, wenn sie denn erfolgt sein sollte, reichte nicht aus, um dem Richtervorbehalt zu genügen. Die bloße Information des Diensthabenden ohne Rückfrage, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, wie er entschieden hat, würde nämlich den Richtervorbehalt in besonders deutlicher Weise missachten, nämlich dergestalt, dass der Richter zwar informiert werden soll, dem Polizeibeamten aber völlig egal ist, ob der Richter eine Blutentnahme anordnet oder diese ablehnt. Eine Respektierung des Richtervorbehalts setzt nicht nur die Information des Diensthabenden voraus, sondern auch eine Rückfrage dahingehend, ob der Richter erreicht wurde und wenn ja, ob er die Blutentnahme angeordnet oder eine solche Anordnung abgelehnt hat. All dies hat der Zeuge nicht getan, das erlaubt nur eine Schlussfolgerung: Es war ihm völlig gleichgültig, ob ein Richter erreichbar war und wenn ja, wie dieser entschied, auf jeden Fall wurde die Blutentnahme angeordnet.“

Treffend auch, wenn das OLG meint:

„Zuzustimmen ist der Generalstaatsanwaltschaft zwar, dass eine Blutentnahme einen minimalen Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und es sinnvoll wäre, den Richtervorbehalt insoweit abzuschaffen. Solange der Gesetzgeber ihn indes vorsieht, haben sich Exekutive und Judikative daran zu halten, weil sie an das Gesetz gebunden sind.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Gehören zu den „Sachakten“ auch die „Beiakten pp.“?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Am vergangenen Freitag hatte die Frage des Kollegen: Ich habe da mal eine Frage: Gehören zu den „Sachakten“ auch die „Beiakten pp.“? weiter gegeben. Darauf hatte ich ihm kurz geantwortet:

„Hallo, m.E. sollten Sie es versuchen.

Die Pflicht des Verteidigers, sich einzuarbeiten, bezieht sich auf alle dem Gericht vorliegenden Akten. Dazu gehören auch Beiakten.“

Ich weiß: Im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2015 – III-3 AR 65/14 ist die Rede von „Einarbeitung in die Ermittlungsakten, die sich bis zum Beginn der Hauptverhandlung auf ca. 35.500 Seiten (95 Sachakten-Stehordner) beliefen„. Aber: Nur ein Versuch macht klug und nur durch einen ensprechenden Antrag erhält das OLG die Möglichkeit, seine Rechtsprechung fortzuschreiben und/oder zu präzisieren. Ich bin gespannt, was daraus wird. Ich räume aber ein: So ganz viel Hoffnung habe ich nicht. Allerdings wird das OLG dann begründen müssen,warum die Einarbeitung in Beiakten pp. keine „Einarbeitung“ i.S. der Nr. 4100 VV RVG ist.

Dem Verteidiger kann man in solchen Fällen nur empfehlen, rein vorsorglich – wenn er nicht alle Beiakten gelesen hat – festzuhalten, in welche er sich eingearbeitet hat und dazu dann entsprechend bei der Pauschgebührenantragstellung vorzutragen.

Die „Helmut Party“, oder: Verstoß gegen das Nichtraucherschutzgesetz?

entnommen wikidmedia.org

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Da habe ich mal wieder einen OLG-Beschluss, bei dem in der zu dem Beschluss herausgebenen PM des OLG mehr steht als im Beschluss selbst. Es handelt sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2015 – 5 RBs 112/15 – und die dazu gehörende PM des OLG Hamm vom 30.10.2015. Im Verfahren ging es um einen Verstoß gegen das Nichtraucherschutzgesetz. Das AG Essen hatte einen Gastwirt, der im Rahmen von Protestveranstaltungen gegen das Nichtraucherschutzgesetz das Rauchen in seiner Gaststätte gestattet hatte wegen vorsätzlicher Verstöße gegen Geldbußen von 800 bzw. 1.600 € verhängt. Der Gastwirt hatte bei solchen sog. ʺHelmut Partys“ – ich kannte den Begriff bisher nicht – zahlreichen Gästen das Rauchen in seiner geöffneten Gaststätte gestattet. Anderen Gästen gegenüber wurde erklärt, dass geraucht werde und dass es ihnen freistehe, zu gehen. Zur Begründung hatte das AG – kommt alles aus der PM – darauf verwiesen, dass der Betroffene das nach dem Nichtraucherschutzgesetz geltende Rauchverbot vorsätzlich verletzt habe. Das Gesetz schränke in zulässiger Weise die Versammlungsfreiheit der rauchenden Gäste zu Gunsten des Lebens und der Gesundheit der Nichtraucher ein. Es sei verfassungskonform, was der Betroffene habe erkennen können, so dass er auch keinem unvermeidbaren Verbotsirrtum erlegen sei. Bei den Höhen der Geldbußen sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Betroffene uneinsichtig gezeigt habe, bereits einschlägig vorbelastet sei und im 2. Fall die Tat begangen habe, nachdem ihm bereits der Bußgeldbescheid zur 1. Tat mit der hohen dreistelligen Geldbuße vorgelegen habe.

Das OLG Hamm hat das im OLG Hamm, Beschl. v. 19.10.2015 – 5 RBs 112/15 – bestätigt. Ich stelle aus dem Beschluss hier nichts ein. Ich weiß nämlich nicht, was ich daraus entnehmen könnte. 🙂

Strafvereitelung durch den Verteidiger wegen verspäteter Aktenrückgabe?

Verfahren nach den §§ 138a ff. StPO mit dem Ziel, den Verteidiger aus dem Verfahren auszuschließen, sind nicht (mehr) so häufig wie noch vor einigen Jahren. Aber zwischendurch wird dann doch immer mal wieder von den Staatsanwaltschaften die Keule herausgeholt und ein Ausschlussverfahren eingeleitet. Diese führen aber nicht selten deshalb nicht zum Erfolg, weil die Staatsanwaltschaften/Gerichte die hohen formellen Hürden, die die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung aufgestellt hat, nicht meistern (vgl. dazu a. Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl., 2015, Rn. 4055 ff. m.w.N.; vgl. auch noch OLG Bamberg StRR 2011, 431). So auch in dem dem KG, Beschl. v. 22.10.2015 – 2 ARs 22/15 zugrunde liegenden Verfahren.

© Avanti/Ralf Poller - Fotolia.com

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Aber ich weise auf den Beschluss nicht aus dem Grund hin. Die damit zusammenhängenden Fragen sind in der Rechtsprechung weitgehend gelöst. Mir geht es hier heute um die Ausführungen, die das KG dann auch noch zur Begründetheit des Ausschlußantrages gemacht hat. derw ar nämlich darauf gestützt, dass gegen den Verteidiger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der (versuchten) Strafvereitelung (§ 258 StGB) wegen verspäteter Aktenrückgabe nach Akteneinsicht eingeleitet worden war. Da verneint das KG in seinem Beschluss zutreffend einen (dringenden) Tatverdacht:

„Strafverteidigung ist ihrer Natur nach auf den Schutz des Beschuldigten vor Bestrafung ausgerichtet (vgl. BGHSt 29, 99, 102). Auch fällt nicht jede Pflichtwidrigkeit eines Verteidigers unter den Tatbestand einer Strafvereitelung (vgl. KG, Beschluss vom 14. Juli 2003 – 4 ARs 50/03 –). Tatbestandsmäßig sind allein solche unzulässigen Handlungen, die dazu dienen, den Beschuldigten der Bestrafung zu entziehen und auch mit dieser Zielrichtung vorgenommen werden (vgl. KG NStZ 1988, 178). Es muss dem Rechtsanwalt also darauf ankommen, die Verhängung einer Strafe mindestens zum Teil zu vereiteln. Es bestehen hier erhöhte Nachweisanforderungen an das voluntative Element der Strafvereitelung (vgl. BGHSt 24, 38 f; 46, 53 f.).

Dabei wird zwar zulässiges Verteidigerverhalten bis hin zur Strafbarkeit überschritten sein, wenn zur Einsicht überlassene Strafakten zum Zwecke der Verfahrensverschleppung zurückhalten werden (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 258 Rdn. 22 m.w.N.; Erb in JR 2006, 526, im Ergebnis bei Vorliegen einer Strafvereitelungsabsicht auch Cramer/Pascal in MK-StGB, 2. Aufl., § 258 Rdn. 21). Objektive Tatsachen, aus denen sich eine solche Zielrichtung des Verteidigers herleiten lässt, lassen sich dem Vorlagebeschluss in Verbindung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft jedoch ebenfalls nicht entnehmen.

Der Verteidiger hat nach Aktenlage als Gründe für die Nichtrückgabe der Verfahrensakten bislang lediglich partnerschaftliche Probleme mitgeteilt und sich ansonsten nicht geäußert. Es ist aufgrund des Umzugs der Kanzlei von K. nach M. und der dort ungeordneten Büroverhältnisse bereits unklar, wann genau der Verteidiger in den Besitz der Verfahrensakten – welche am 17. April 2015 an seine alte Kanzlei in K. geschickt wurden – gekommen ist und ob, beziehungsweise wann ihn die (zunächst an seinen alten Kanzleisitz) adressierten Rückforderungsersuchen persönlich erreicht haben. Die Angaben seiner Ehefrau und der von dem Zeugen KOK B. geschilderte Zustand des Arbeitszimmers in K. legen vielmehr die Annahme nahe, dass der Verteidiger die Verfahrensakten schlicht deswegen nicht zurückgab, weil er aufgrund privater Probleme und beruflicher Überlastung offensichtlich zu einer ordnungsgemäßen Führung und Erledigung seiner Bürogeschäfte sowie der sachgerechten Förderung der von ihm betreuten Verfahren nicht mehr in der Lage war.

Dies wird auch dadurch untermauert, dass er die Verfahrensakten umgehend der örtlichen Polizei übergab, nachdem diese persönlich mit seiner Ehefrau in Verbindung getreten war. Die Angaben des Zeugen KOK B. lassen zudem vermuten, dass der Postumschlag, in dem sich die Verfahrensakten befanden, von dem Verteidiger noch nicht einmal geöffnet worden war und er – da auf dem Umschlag das Gerichtsaktenzeichen nicht eingetragen war – nicht einmal wusste, dass sich darin die Verfahrensakten befanden. Die Umstände, dass in absehbarer Zeit keine Strafverfolgungsverjährung drohte und dass überdies lediglich eine Verurteilung seiner Mandantin zu einer Geldstrafe im Raum stand, sprechen ebenfalls gegen ein Zurückhalten der Akte in strafvereitelnder Absicht.“

Unter Berücksichtigung all dessen hat der Verteidiger sicherlich gegen seine anwaltlichen Berufspflichten verstoßen und auch standeswidrig gehandelt. Ein dringender Tatverdacht, darüber hinaus eine (versuchte) Strafvereitelung begangen zu haben, besteht hingegen nicht.“

Wenn ich mir den Sachverhalt so anschaue, dann frage ich mich, wie man bei den „Tatumständen“ dazu kommen kann, eine (versuchte) Strafvereitelung anzunehmen. Da kann man nur sagen: Leute, lasst den Knüppel doch im Sack, bzw.: Warum denn gleich die Keule des § 258 StGB und darauf gestützt ein Ausschlussverfahren nach den §§ 138 ff. StPO? Haben AG und Staatsanwaltschaft denn nichts anderes zu tun? Es liegt doch auf der Hand, dass hier ein Verteidiger offenbar von seinen „Amtsgeschäften“ überfordert ist/war. Da kann man doch anders mit umgehen. Vor allem dann, wenn man als AG selbst wohl zwei Monate braucht, bis eine richterliche Verfügung ausgeführt wird.

Sonntagswitz: Heute über die Zeit bzw. mit dem Stichwort „Zeit“

entnommen wikimedi.org Urheber: SKopp

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Urheber: SKopp

Ich hatte ja vorhin schon geschrieben, dass es trotz der Ereignisse vom vergangenen Freitag auch heute einen Sonntagswitz geben soll (vgl. hier Wochenspiegel für die 46. KW., das war die „Verteidigerposse“ bei NSU, Dashcams, und Richter und Talkshows). Ist aber natürlich nicht so einfach. Ich habe mich dann für den Begriff „Zeit“ entschieden bzw. für Witze mit dem Stichwort:

Das junge Paar wartet schon längere Zeit im Vorzimmes des Standesbeamten.
Schließlich erhebt sich die Braut und geht in das Trauungszimmer. „Müssen wir noch lange warten?“, fragt sie, „er wird nämlich schon nachdenklich …“


„Ein Glück, dass Sie endlich zur Untersuchung kommen, es war höchste Zeit!“
„Weiß ich, Herr Doktor, drei Tage vor dem Ersten wird überall das Geld knapp!“


Ein Mann geht mit seinem Hund an einem See spazieren. Plötzlich sieht er, wie sich eine Frau mit letzter Kraft über Wasser hält und dann bewußtlos zurücksinkt. Er springt ins Wasser, packt sich die Frau und zieht sie ans Ufer. Er legt sie auf den Rücken und beginnt mit ihren Armen pumpende Bewegungen zu machen. Jedes Mal kommt ein dicker Wasserstrahl aus ihrem Mund geschossen. Ein Fahrradfahrer hat inzwischen angehalten, schaut dem Treiben zu und schüttelt den Kopf. Der Mann pumpt weiter und jedes Mal kommt ein Wasserstrahl aus dem Mund der Frau. Der Fahrradfahrer schüttelt nur den Kopf und meint, dass das so nie etwas wird.
Nach einiger Zeit platzt dem Mann der Kragen, und er schnauzt den Fahrradfahrer an: „Mensch, seien Sie still! Ich weiß, was ich tue, ich bin Arzt.“
„Na ja“, meint der andere, „aber ich bin Ingenieur, und ich sage Ihnen, solange die Frau ihren Hintern im Wasser hat, pumpen Sie höchstens den See leer.“


Und dann war da noch die Frage:

Ich habe gerade Zeit, wo gibt es nichts zu tun?