Archiv für den Monat: November 2014

Manchmal gibt der BGH auch Hilfestellung: Tatrichter nimmt doch Bezug

entnommen wikidmedia.org Fotograf Faßbender, Julia

entnommen wikidmedia.org
Fotograf Faßbender, Julia

Manchmal gibt der BGH den Instanzgerichten auch Hilfestellung, sicherlich auch im eigenen Interesse, damit es beim zweiten Mal dann „richtig“ gemacht wird und der BGH die Sache nicht noch einmal sieht und ggf. nochmals aufheben muss. Ein schönes Beispiel für solche Hilfestellung ist der BGH, Beschl. v. 14.08.2014 – 4 StR 163/14, über den ich schon mal in anderem Zusammenhang berichtet habe.

Es ging um § 226 StGB und die Frage, ob das LG die Qualifikation des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu Recht abgelehnt hat. Dazu führt der BGH zunächst aus:

a) Ein Verletzter ist im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt, wenn es durch die Tat zu einer Verunstaltung seiner Gesamterscheinung gekommen ist, die in ihren Auswirkungen dem Gewicht der geringsten Fälle des § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 – 2 StR 139/13, NStZ-RR 2013, 343; Urteil vom 20. April 2011 – 2 StR 29/11, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 3; Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2 mwN). Dies kann grundsätzlich auch bei einzelnen besonders großen oder markanten Narben (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2), ebenso wie bei einer Vielzahl von Narben in derselben Körperregion der Fall sein. Allein der Umstand, dass eine Narbe deutlich sichtbar ist, reicht dabei aber für die Annahme einer erheblichen Entstellung noch nicht aus.

Erst wenn im Einzelfall – etwa durch eine deutliche Verzerrung der Proportionen des Gesichts – ein Grad an Verunstaltung erreicht ist, der in einer Relation zu den anderen schweren Folgen im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB steht, kommt die Annahme einer erheblichen Entstellung in Betracht (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2; Be“schluss vom 2. Mai 2007 – 3 StR 126/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 1).

Und dann kommt der Teil mit der „Hilfestellung“:

„b) Ob das äußere Erscheinungsbild des Nebenklägers durch die verbliebenen Narben eine Verunstaltung erfahren hat, die diesen Vorgaben entspricht, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Das Landgericht teilt zwar ausführlich mit, welche Schnittverletzungen der Nebenkläger erlitten hat. Eine revisionsgerichtlicher Überprüfung zugängliche Beschreibung des verbliebenen Narbenbildes und seiner Auswirkungen auf die äußere Erscheinung des Nebenklägers fehlt jedoch. Den Urteilsgründen kann dazu lediglich entnommen werden, dass die Narbe auf der linken Wange lang ist und „sofort ins Auge springt“ (UA 25). Zu den anderen Narben und dem durch sie hervorgerufenen optischen Gesamteindruck verhält sich die Strafkammer dagegen nicht. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich ein Tatrichter die mitunter nicht einfache textliche Schilderung einer solchen verunstaltenden Wirkung durch eine nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zulässige Bezugnahme auf Lichtbilder erleichtern kann.“

Was haste im Portmonee? – das muss man den Betroffenen fragen…

© Gina Sanders - Fotolia.com

© Gina Sanders – Fotolia.com

Nun, die Geldbuße und deren Höhe sind im OWi-Verfahren sicherlich ein Nebenkriegsschauplatz, aber ggf. doch mit Auswirkungen beim Fahrverbot. Denn werden bei der Bemessung der Geldbuße Fehler gemacht, die zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils durch das OLG Führen, kann der dadurch entstehende „Zeitgewinn“ in der neuen Hauptverhandlung dazu führen, dass ggf. dann wegen langen Zeitablaufs von einem Fahrverbot abgesehen wird/werden muss. Von daher darf/sollte man als Verteidiger die mit der Geldbuße zusammenhängenden Fragen nicht ganz aus den Augen verlieren. Deshalb zu der Problematik dann heute der Hinweis auf den OLG Oldenburg, Beschl. v.29.10.2014 –  2 Ss (0Wi) 278/14, in dem das OLG nicht ausreichende tatsächliche Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen beanstandet und deshalb aufgehoben und zurückverwiesen hat.

„Im Urteil fehlen jegliche Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen.

Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG kommen die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bemessung der Höhe der Geldbuße in Betracht. Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt.

Bei Geldbußen von mehr als 250,- € sind jedoch wegen Überschreitens dieser Geringfügigkeitsgrenze in der Regel nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich (Göhler/Gürtler OWiG 16. Aufl. § 17 Rdn. 24). Einschränkungen dieses Grundsatzes sind aber bei Geldbußen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten anzuerkennen, die den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung entsprechen (Thüringer Oberlandesgericht Beschluss vom 22.12.2004 1 Ss 282/04 juris; Göhler OWiG a.a.O.).

Im vorliegenden Fall beträgt die Geldbuße für die Geschwindigkeitsüberschreitung nach der Bußgeldkatalogverordnung 240,- E, für das Rechtsüberholen 100,- E. Da das Amtsgericht lediglich eine geringfügige Erhöhung der Regelgeldbuße für die Geschwindigkeitsüberschreitung um 25,- € für das Rechtsüberholen vorgenommen hat, darüber hinaus die Geldbuße lediglich 15,- über der Geringfügigkeitsgrenze liegt, sieht der Senat in Übereinstimmung mit der oben genannten zitierten Literatur und Rechtsprechung einen Sachverhalt als gegeben an, bei dem Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht allein wegen der Höhe der Geldbuße erforderlich sind.

In Übereinstimmung mit dem OLG Hamm (Beschluss vom 13.06.2013 1 RBs 72/13 juris) hält der Senat Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bei Festsetzung einer Regelgeldbuße von mehr als 250 aber nur dann für entbehrlich, wenn keine Anhaltspunkte für außergewöhnlich gute oder außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen vorhanden sind und dieser auch keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht. Das OLG Hamm hat dieses zutreffend damit begründet, dass das Gericht Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen nicht erzwingen könne und Aufklärungsmöglichkeiten, wie z. B. Durchsuchungen, vor dem Hintergrund der im Raum stehenden Sanktion als unverhältnismäßig erachtet werden müssten.

Dem angefochtenen Urteil lässt sich aber nicht entnehmen, ob der Betroffene Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat. Insofern vermag der Senat nicht zu prüfen, ob eine Ausnahme vom Erfordernis, Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu treffen, vorliegt.

Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot führt die rechtsfehlerhafte Entscheidung über die verhängte Geldbuße zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches insgesamt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Beanstandungen der Generalstaatsanwaltschaft – soweit es die Verhängung des Fahrverbotes betrifft – durchgreifen würden.“

Pflichtverteidiger im Strafvollstreckungsverfahren? Geht doch

© Haramis Kalfar - Fotolia.com

© Haramis Kalfar – Fotolia.com

M.E. wird den Verurteilten im Strafvollstreckungsverfahren viel zu wenig – analog – § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt. Meist wird das unter Hinweis darauf, dass § 140 Abs. 2 StPo eben nur analog anwendbar ist und deshalb eng ausgelegt werden müsse, abgelehnt. Deshalb haben Entscheidungen, mit denen ein Pflichtverteidiger im Strafvollstreckungsverfahren bestellt worden ist, Bedeutung und sei es nur, um „Argumentationsmasse“ zu haben. Daher hier dann der Hinweis auf den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 23.10.2014 – 16 Qs 35/14, mit folgender Begründung:

Mit Antrag vom 1.8.2014 hatte der Verurteilte beantragt, ihm Rechtsanwalt Loyens als Pflichtverteidiger im Beschwerdeverfahren BwR 403 Ds 304 Js 6812/ 10 gegen den Bewährungswiderruf durch das Amtsgericht Nürnberg vom 25.07.2014 beizuordnen.

„Das Amtsgericht Nürnberg wies durch Richter am Amtsgericht pp. mit Beschluss vom 4.8.2014 den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zurück, da kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliege.

Mit Beschluss vom 14.8.2014 hob das Landgericht Nürnberg-Fürth auf die Beschwerde des Verurteilten den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 25.7.2014, mit dem der Bewährungswiderruf erfolgt war, auf, und verlängerte die Bewährungszeit um sechs Monate.

Der Verurteilte wendet sich nunmehr mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung von Rechtsanwalt Loyens als Pflichtverteidiger, sowie mit einer sofortigen Beschwerde vom 29. September 2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 23.9.2014, mit dem sein Antrag vom 19.8.2014 auf Ablehnung des Richters am Amtsgericht‘- wegen Befangenheit für das Abhilfeverfahren zurückgewiesen wurde.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO sind gegeben, wobei auf die Schwierigkeit der Sach – und Rechtslage nicht des Erkenntnisverfahrens, sondern des Vollstreckungsverfahrens abzustellen ist. Für die Frage, ob eine schwierige Sach- und Rechtslage gegeben ist, ist auf den Zeitpunkt der Antragstellung für die Pflichtverteidigerbestellung abzustellen. Zum Zeitpunkt der Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss am 1.8.2014 war die Sach- und Rechtslage schwierig. Dies zeigt sich schon daran, dass letztlich der Widerrufsgrund in zwei Instanzen unterschiedlich bewertet wurde. Auch die vom Verteidiger im Einzelnen dargelegten Umstände in der Persönlichkeit des Verurteilten rechtfertigten die Beiordnung eines Pflichtverteidigers auch im Beschwerdeverfahren.

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 23.9.2014, mit dem der Antrag auf Ablehnung des Richters am Amtsgerichtes wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde, ist damit erledigt. (vgl. auch Meyer-Goßner/ Schmitt StPO 57 . Aufl. 2014 § 28 Rn. 9).“

Ach so: Wer sich fragt, welche Bewandtnis es mit der Ablehnung hatte. Es handelt sich um das Verfahren, über das ich vor einigen Tagen in dem Posting: Wie werde ich einen “missliebigen Richter los”? berichtet hatte. Da hat der Verteidiger übrigens noch einmal Stellung genommen und die Hintergründe erläutert

Mischkonsum? Dann muss man 1 Jahr abstinent gewesen sein…. sonst ist die „Fleppe“ weg

© ExQuisine - Fotolia.com

© ExQuisine – Fotolia.com

Nichts Weltbewegendes, aber zur Erinnerung ist der OVG Münster, Beschl. v. 23.10.2014 – 16 B 1028/14 – doch ganz gut. Nämlich zur Erinnerung/zu einem Hinweis im Fahrerlaubnisrecht. Da hatte der Betroffene, dem die Fahrerlaubnis entzogen worden war, dagegen eingewendet, dass er sei seit einem Jahr abstinent leben und sich seine familiären Hintergrundproblematik gestellt habe Zudem sei die Entziehung der Fahrerlaubnis unverhältnismäßig. Der Antragsgegner hätte ihm die Fahrerlaubnis unter Auflagen belassen können. Das reicht – dem OVG Münster – nicht:

Mit diesem Vorbringen wird die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu Recht entzogen, aber nicht durchgreifend infrage gestellt. Dieses Beschwerdevorbringen geht daran vorbei, dass der Antragsteller bislang eine Drogenfreiheit von einem Jahr nicht nachgewiesen hat. Vielmehr sind entsprechend den Ausführungen in dem MPU-Gutachten während eines Abstinenzkontrollprogramms vom 25. Oktober 2013 bis zum 23. April 2014 insgesamt 4 Urinuntersuchungen des Antragstellers auf Betäubungsmittel, Betäubungsmittelabbauprodukte und gängige Ersatzstoffen ohne Befund untersucht worden. Die damit anzunehmende Drogenabstinenz von einem halben Jahr reicht aber nicht aus. Mit Rücksicht auf den Mischkonsum des Antragstellers von Alkohol und Cannabis ist der Nachweis einer einjährigen Drogenabstinenz geboten (Nr. 9.2.2 i.V.m. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung).
Zum Mischkonsum von Alkohol und Cannabis und dem daraus folgenden Verlust der Fahreignung vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 – 3 C 32.12 -, BVerwGE 148, 230 = […], Rn. 13 ff.

Aber auch die übrigen Umstände sprachen nicht für den Betroffenen:

Abgesehen hiervon kommen weitere Umstände für die Annahme fehlender Fahreignung des Antragstellers hinzu. In dem MPU-Gutachten heißt es unter Berücksichtigung des Entlassungsberichts der T. -Klinik-I. vom 23. Januar 2014, die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls des Antragstellers hinsichtlich eines Drogenkonsums müsse als erhöht angesehen werden und es sei zu erwarten, dass er ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder anderen psychoaktiven Stoffen oder deren Nachwirkungen führen werde. Der Antragsteller habe seit dem Jahr 2000 eine Polytoxikomanie (Cannabis, Amphetamine, Alkohol, Medikamente) entwickelt, worauf mehrere Klinikaufenthalte erfolgt seien. Da er seine problematische Beziehung zu seiner Lebenspartnerin erst vor Kurzem beendet habe, sei, so heißt es in dem MPU-Gutachten weiter, der Verzicht auf Drogen, deren Konsum mit der Familienproblematik im Zusammenhang im Jahr 2013 gestanden habe, nicht hinreichend sicher. Diese mit der Beschwerde nicht substantiiert beanstandende Einschätzung ist damit die (weitere) Grundlage für die Annahme einer derzeit vorliegenden Fahrungeeignetheit des Antragstellers.

Mit dem Mofa in die Entziehungsanstalt?

entnommen wikimedia.org Urheber Max Schwalbe

entnommen wikimedia.org
Urheber Max Schwalbe

Das LG Hannover hat den alkoholkranken Angeklagten, der in der Vergangenheit bereits fünfmal wegen verschiedender Verkehrdelikte in Erscheinung getreten ist, nach einer weiteren Trunkenheitsfahrt mit einem Mofa wegen fahrlässiger Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten. Das OLG Celle hebt im OLG Celle, Beschl. v. 23.06.2014 – 32 Ss 83/14 auf und verweist zurück. Es beanstandet die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das LG.

Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB setzt die Gefahr voraus, dass der Angeklagte infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Einigkeit besteht darüber, dass wegen des Erfordernisses der Erheblichkeit die Gefahr der Begehung reiner Bagatelltaten in der Regel nicht ausreichend ist. Als Bagatelltaten werden in diesem Zusammenhang z. B. Gewalt und drohungsfreie Beleidigungen, Hausfriedensbruch in öffentlichen Gebäuden, geringfügige Diebstähle oder der Erwerb kleiner Rauschgiftmengen zum Eigenkonsum angesehen (vgl. dazu Senat, a. a. O.; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 64 Rdnr. 16 m. w. N.).

Bei der Trunkenheitsfahrt des Angeklagten mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor handelt es sich bereits um eine erhebliche Straftat im Sinne dieser Vorschrift. Während der Senat dazu neigt, Trunkenheitsfahrten mit einem Fahrrad wegen der damit in erster Linie verbundenen Selbstgefährdungen nicht als „erheblich“ i. S. des § 64 StGB anzusehen, ist die Erheblichkeitsschwelle bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem Mofa jedenfalls im vorliegenden Fall überschritten gewesen. Der Angeklagte ist zu einem Zeitpunkt, zu dem die Straßen vorhersehbar nicht menschenleer sind, mit seinem Mofa im Innenstadtbereich H. gefahren und war dabei derart alkoholisiert, dass er sich an das Tatgeschehen im Nachhinein nicht mehr erinnern konnte. Ein solches Verhalten kann für andere Verkehrsteilnehmer mit erheblichen Gefahren verbunden sein, denn aufgrund der erheblichen Alkoholisierung war hier zu befürchten, dass der Angeklagte sein Mofa überhaupt nicht mehr unter Kontrolle hatte.

Im Übrigen ist die Kammer selbst im Rahmen der Entscheidung zur Verhängung der isolierten Sperre davon ausgegangen, dass von dem Angeklagten weitere verkehrsspezifische Gefahren für die Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer drohen. Insoweit kommt auch dem Umstand, dass der Angeklagte sein Mofa verkauft hat, kein entscheidendes Gewicht zu, da ein Verkauf einer Neuanschaffung nicht im Wege steht.

Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist hier auch nach § 62 StGB nicht ausgeschlossen. Zwar ist gegen den Angeklagten nur eine Freiheitsstrafe von 5 Monaten verhängt worden. Bei der Abwägung, ob die Vollstreckung einer Maßregel nach § 64 StGB gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, ist aber auch zu berücksichtigen, ob neben den Vollzug der Freiheitsstrafe auch ein zu erwartender Widerruf von Bewährungsstrafen tritt (OLG Celle, NStZ?RR 2012, 108; OLG Celle, Beschluss vom 20. März 2013, 32 Ss 53/13). Die erfolgreiche Absolvierung einer Maßregel kann nämlich auch bei den anstehenden Entscheidungen über einen Bewährungswiderruf von Relevanz sein. Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht § 67 Abs. 4 StGB für verfassungswidrig erklärt, soweit er die Anrechnung einer im Maßregelvollzug verbrachten Zeit auf sogenannte verfahrensfremde Freiheitsstrafen auch in Härtefällen ausschließt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.03.2012, 2 BvR 2258/09).

Auch im Übrigen, also insbesondere unter dem Gesichtspunkt der für die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB erforderlichen Erfolgsaussichten, erscheint eine solche Maßregel hier nach den übrigen Feststellungen der Kammer zu bisherigen Therapieversuchen nicht von vornherein aussichtslos.

Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird daher in einer neuen Hauptverhandlung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) zu prüfen sein.“

Also: Das LG muss nun die Frage des § 64 StGB prüfen. Im Übrigen: Hätte der Verteidiger vermeiden können, wenn er die Nichtanwendung des § 64 StGB von der Revision ausgenommen hätte. Das ist möglich/zulässig und sollte man ggf. immer überlegen, um solche Ergebnisse wie das vorliegende zu vermeiden.