Archiv für den Monat: Juni 2014

Das missbrauchte Ausweispapier muss echt sein…

entnommen wikimedia.org

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Das LG verurteilt den Angeklagten nach § 281 StGB wegen Missbrauchs von Ausweispapieren. Das OLG Hamm hebt im OLG Hamm, Beschl. v. 18.02.2014 – 5 RVs 7/14 – auf und beanstandet, dass sich den landgerichtlichen Feststellungen nicht entnehmen lässt, ob die „missbrauchte“ Ausweispapier echt ist/war.

Eine Verurteilung nach § 281 StGB setzt voraus, dass die gebrauchte oder überlassene Urkunde echt ist (vgl. OLG Bremen, StV 2002, 552. 553; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 281 Rdnr. 1; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 281 Rdnr. 2; Zieschang, in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 281 Rdnr. 8). Denn die Vorschrift des § 281 StGB zielt auf die Sicherheit des Rechtsverkehrs im Umgang mit echten Ausweispapieren und dient dem Schutz der inhaltlichen Richtigkeit amtlicher Ausweisdokumente. Der Gebrauch eines unechten oder verfälschten Ausweispapiers ist hingegen unter den Voraussetzungen des § 267 StGB strafbar (vgl. Cramer/Heine, a.a.O.; Fischer, a.a.O.).

Die Feststellungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, ob es sich bei dem vom Angeklagten vorgelegten Dokument um ein echtes Ausweispapier, d.h. einen von den britischen Behörden ausgestellten Reisepass gehandelt hat. Das Landgericht hat zu der Frage der Echtheit des Ausweispapiers keine Feststellungen getroffen. Das ursprünglich am Tattag in H. sichergestellte Dokument ist im Original nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden. Vielmehr ist das bei dem Angeklagten seinerzeit sichergestellte Ausweispapier von der Kreispolizeibehörde E.-Kreis im Oktober 2012 noch während des laufenden Ermittlungsverfahrens an die Kriminalpolizei in D. übersandt worden, weil von dort mitgeteilt worden war, dass „unter Vorlage dieses Reisepasses in D. Kontoeröffnungs- und Überweisungsbetrügereien begangen“ worden seien. Allein anhand der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Fotokopie (Bl. 10 d.A.) konnte die Echtheit des Ausweispapiers nicht beurteilt werden, weshalb diesbezügliche Feststellungen im Urteil (zwangsläufig) fehlen. Die – im Übrigen auch aus Sicht des Senats gänzlich unglaubhafte – Einlassung des Angeklagten schließt nicht aus, dass es sich bei dem sichergestellten Dokument um einen gefälschten Pass gehandelt hat. Dann käme eine Verurteilung nach § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB in Betracht.“

Und noch ein Gegenstandswert, und zwar in Strafvollzugssachen

© mpanch - Fotolia.com

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Dann schließen wir den Tag der Gegenstandswerte bzw. großen Zahlen (vgl. hier: 5,2 Mio Gegenstandswert im Strafverfahren – das ist doch mal “ein Schluck aus der Pulle” und: Egal, ob Kostenansatz von fast 162.000 € oder nur 74.000 € – konkret muss es schon sein) mit dem Hinweis auf den KG, Beschl. v. 14.02.2014 –  2 Ws 27/14 Vollz – zum Streitwert in Strafvollzugssachen. Ja, auch in dem Bereich sind Gegenstandswerte von Bedeutung, denn es wird, was oft nicht bekannt ist, nach Teil 3 VV RVG abgerechnet. In Strafvollzugssachen sind die Gegenstandswerte i.d.R. aber nicht so hoch. Ein Beispiel dazu eben aus dem KG, Beschluss – Gegenstand des Strafvollzugsverfahren war die Rückverlegung in den offenen Vollzug gewesen.  Die war dem KG 2.000 e wert. Hier dann die Leitsätze

  1. Bei der Streitwertbestimmung nach § 52 Abs. 1 in Verb. mit § 60 GKG sind die Tragweite der Entscheidung und die Auswirkungen eines Erfolges des Antrags für den Gefangenen zu berücksichtigen.
  2. Der Streitwert in Strafvollzugssachen ist angesichts der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit der meisten Gefangenen eher niedrig festzusetzen, muss aber so hoch bemessen sein, dass die Tätigkeit des Verteidigers wirtschaftlich vertretbar erscheint.
  3. Die beantragte Rückverlegung in den offenen Vollzug kann bei verbleibender Vollzugsdauer von (voraussichtlich) viereinhalb Jahren einen Streitwert von 2.000 Euro rechtfertigen.

Egal, ob Kostenansatz von fast 162.000 € oder nur 74.000 € – konkret muss es schon sein

MünzenMachen wir nach dem Gegenstandswert von 5,20 Mio € – vgl. hier: 5,2 Mio Gegenstandswert im Strafverfahren – das ist doch mal “ein Schluck aus der Pulle”, dann gleich noch ein Posting mit großen Zahlen. Nämlich einem Kostenansatz von rund 74.000 €, den die Staatsanwaltschaft Hildesheim gegenüber einem Angeklagten geltend gemacht hat, nachdem ein Verfahren wegen Einschleusens von Ausländern abgeschlossen war. Der Hauptposten in dem Betrag letztlich von rund 74.000 € – zunächst wollte die Staatsanwaltschaft rund 162.000 € haben – machten Übersetzungskosten für eine TÜ aus. Der Verurteilte hat die mangelnde Überprüfbarkeit des Kostenansatzes gerügt und beim OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v.  21.03.2014 – 1 Ws 100/14 Recht bekommen:

Die angefochtene Kostenrechnung entsprach nämlich – so das OLG – nicht den Anforderungen, welche an einen Kostenansatz i. S. des § 19 GKG zu stellen sind. Zwar waren die (technischen) Voraussetzungen für eine  den Anforderungen des § 27 Abs. 1 KostVfg genügende Kostenrechnung – Bezeichnung der Sache, der Geschäfts?Nummer, des Kostenschuldners sowie der einzelnen Kostenansätze unter Hinweis auf die angewendeten Vorschriften, Gesamtbetrag der Kosten – enthalten. Das war dem OLG aber nicht genug. Vielmehr verweist es unter Hinweis darauf, dass es sich bei der Kostenrechnung um einen Verwaltungsakt handelt und dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet ist, den Rechtsweg zu beschreiten (Art. 19 Abs. 4 GG), eine Kostenrechnung die ihm Klarheit über die Rechtsgrundlage der Gebührenforderung vermittelt. Maßgebend für den notwendigen Inhalt müsse dabei letztendlich der Zweck einer Kostenrechnung sein, dem Kostenschuldner zu ermöglichen, die mit der Zahlungspflicht verknüpften Einzelheiten in allen Teilen nachzuprüfen. Dies folge bereits aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass derjenige, in dessen Rechte eingegriffen oder der mit einer hoheitlichen Maßnahme belastet werde, einen Anspruch darauf habe, die Gründe hierfür zu erfahren, weil er nur dann seine Rechte sachgemäß verteidigen könne. Eine nähere Begründung sei insbesondere auch bei Ermessensentscheidungen des Kostenbeamten erforderlich.

„Diesen Anforderungen wird die Kostenrechnung im vorliegenden Fall nicht gerecht. Es ist bereits nicht mitgeteilt worden, aus welchen Gründen die Kostenbeamtin ihr Ermessen dahingehend ausgeübt hat, die Auslagen für die Telefonüberwachung und die Übersetzungskosten der Polizei nicht auf alle vier gemeinsam Verurteilten zu verteilen. Darüber hinaus ist die Ermittlung der Höhe dieser Kostenansätze in der Kostenrechnung nicht nachvollziehbar begründet worden. Der schlichte Verweis auf Aktenbände oder auf bloße Blattzahlen von Aktenbänden ist nicht geeignet, eine prüffähige Kostenrechnung zu bewirken (vgl. OLG Schleswig a. a. O.).“

Und auch diese Sache für den Rechtsanwalt/Verteidiger gebührenrechtlich interessant: Abgerechnet wird nämlich nach Vorbem. 4 Abs. 5 VV RVG i.V.m. Nr. 3500 VV RVG. Gegenstandswert: 162.000 € 🙂 .

Ähnlich übrigens vgl. dazu: OLG München, Beschl. v. 17.10.2013 – 4 Ws 135/13 und Kostenansatz von rund 174.000 € nach Geldstrafe von 80 TS zu je 15 €: So nicht.

5,2 Mio Gegenstandswert im Strafverfahren – das ist doch mal „ein Schluck aus der Pulle“.

© fotomek - Fotolia.com

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Auch im Strafverfahren wird die Tätigkeit des Rechtsanwalts/Verteidigers ggf. mit Wertgebühren abgerechnet – ich lenke den Blick auf die Nrn. 4142, 4143 VV RVG, im Owi-Verfahren ist es die Nr. 5116 VV RVG. Von daher kann sich also auch im Straf- oder Bußgeldverfahren die Frage nach dem Gegenstandswert stellen. Und da ist jetzt der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 30.04.2014 – 1 StR 245/09 ganz interessant. Ergangen ist er im Verfahren 1. StR 245/09 wegen versuchten Betruges und Steuerhinterziehung, in dem der BGH zwei Entscheidungen getroffen hat, nämlich einmal das Urteil v. 29.06.2010 und den Beschl. v. 14.07.2010. In den Revisionsverfahren war es u.a. um die Revision der Staatsanwaltschaft gegangen, die u.a. beanstandete hatte, dass das LG nicht durch die Anordnung des Verfalls von Wertersatz das von den Angeklagten aus der Tat Erlangte für den Staat abgeschöpft hat. Insoweit hatte die Revision der StA Erfolg.

In dem Verfahren ist dann aber für den Vertreter der am Verfahren beteiligten Verfallsbeteiligten u.a. die Nr. 4142 VV RVG angefallen, die bis zu dreimal entstehen kann (vgl. Anm. 3 zur Nr. 4142 VV RVG). Und für die musste nun der Gegenstandswert festgesetzt werden. Und den hat der BGH im Beschl. v. 30.04.2014 auf 5,2 Mio € festgesetzt:

„Der vom Senat nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die Gebühren der Tätigkeit der Vertreterin der Verfallsbeteiligten F. im Revisionsverfahren bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Verfallsbeteiligten an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft, soweit diese das Unterlassen einer Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte mit der Sachrüge beanstandet hat.

Die Staatsanwaltschaft hat, nachdem sie erstinstanzlich im Schlussvortrag die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Verfallsbeteiligte F. in Höhe von 5.200.000,00 Euro beantragt hatte, im Revisionsverfahren beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht davon abgesehen, bezüglich der Nebenbeteiligten den Verfall des Wertersatzes anzuordnen, und keine Feststellungen dazu getroffen, welche Erlöse ihr zugeflossen seien. Der Gegenstandswert beträgt demgemäß 5.200.000,00 Euro.“

Ich habe jetzt nicht ausgerechnet, wie hoch eine Wertgebühr nach dem Gegenstandswert ist. Das werden sicherlich/vielleicht Kommentatoren tun, die „beanstanden“ werden, dass die Rechtsanwälte/Verteidiger viel zu viel Geld verdienen. Dazu vorab: Ja, ist sicherlich ein „ordentlicher Schluck aus der Pulle“, aber dafür ist das Haftungsrisiko an der Stelle ja auch immens. Und um die Sache richtig rund zu machen: Die Gebühr entsteht für diejenigen Rechtsanwälte, die auch schon in der 1. Instanz beteiligt waren zweimal – und wohl auch nach dem Gegenstandswert. Und Sie entsteht auch für den Pflichtverteidiger, allerdings mit den sich aus § 49 RVG ergebenden Beschränkungen.

 

Der Rechtsmittelverzicht des Sprachunkundigen

ParagrafenEinen Hinweis wert ist m.E. der OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.05.2014 – 2 Ws 704/13, der sich mit der Frage der Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts eines Sprachunkundigen befasst. Ergangen ist die Entscheidung  zwar im Strafvollstreckungsverfahren, man wird die Grundsätze aber auch auf den nicht verteidigten Angeklagten im Erkenntnisverfahren ausdehnen können. Das OLG sagt: Jedenfalls dann ist der Rechtsmittelverzicht wegen Verstoßes gegen ein faires Verfahren unwirksam, wenn nicht ersichtlich ist, dass der Verurteilte/Angeklagte die ihn belastenden Teile einer gerichtlichen Entscheidung (hier Weisungen nach § 56c StGB) verstanden hat. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er eine vorgefertigte, inhaltlich teilweise unrichtige Belehrung über Bewährungsauflagen unterzeichnete, ein Mitgefangener als Übersetzer fungierte, ohne dass ersichtlich ist, ob dieser richtig und wortgetreu die vollständige Entscheidung oder nur die unzureichende Belehrung übersetzt hat, und der Verurteilte keine Gelegenheit hatte, sich vorher mit seinem Verteidiger zu beraten.