Archiv für den Monat: März 2013

Pflichtverteidiger im JGG-Verfahren – ja, aber….

© Beboy – Fotolia.com

In Rechtsprechung und Literatur besteht Streit, wann im JGG-Verfahren dem Beschuldigten/Angeklagten ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist und welche Grundsätze gelten. Teilweise geht die Rechtsprechung sehr weit und sieht die Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung immer dann als gegeben an, wenn eine Jugendstrafe zu erwarten ist. Das hat m.E. etwas für sich, weil nach § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG Jugendstrafe ja immer mindestens sechs Monate beträgt.

Zu eine differenzierten Lösung kommt da der KG, Beschl. v. 26. 11.2012 – (4) 161 Ss 226/12 (286/12) –, der folgende Leitsätze hat:

1. Für die Beurteilung der Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung im Jugendstrafverfahren gelten die Grundsätze, die auch bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafverfahren gegen Erwachsene gelten; den Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens ist jedoch Rechnung zu tragen.

2. Für die Gewichtung des Tatvorwurfs ist auch im Jugendstrafrecht maßgeblich auf die zu erwartende Rechtsfolgenentscheidung abzustellen. Die Schwere der Tat gebietet die Beiordnung eines Pflichtverteidigers grundsätzlich auch im Jugendstrafrecht jedenfalls dann, wenn nach den Gesamtumständen eine Freiheitsentziehung von mindestens einem Jahr zu erwarten ist oder jedenfalls angesichts konkreter Umstände in Betracht kommt.

3. Eine Pflichtverteidigerbestellung ist nicht allein deshalb notwendig, weil Anklage vor dem Jugendschöffengericht erhoben worden oder überhaupt die Verhängung einer Jugendstrafe, deren Mindestmaß nach § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG mit sechs Monaten deutlich über dem Mindestmaß der Freiheitsstrafe liegt, zu erwarten ist.

Begründung zum LS 3:

„Entgegen den – dem Landgericht Gera (StV 1999, 654) folgenden – jüngeren Erwägungen des OLG Hamm (StV 2009, 85; StV 2008, 120; NStZ-RR 2006, 26; anders noch: NStZ 2004, 293) ist eine Pflichtverteidigerbestellung dagegen nicht allein deshalb notwendig, weil Anklage vor dem Jugendschöffengericht erhoben worden oder überhaupt die Verhängung einer Jugendstrafe, deren Mindestmaß nach § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG mit sechs Monaten deutlich über dem Mindestmaß der Freiheitsstrafe liegt, zu erwarten ist (vgl. OLG Saarbrücken aaO). Zwar stellt, wie die Revision zu Recht vorträgt, für einen Jugendlichen jeder Vollzug einer Jugendstrafe regelmäßig einen erheblichen Eingriff dar. Allein dieser Umstand rechtfertigt es aber nicht, ohne entsprechende (Sonder-)Regelung im JGG von den vorzitierten Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen. Die nachteiligen Folgen, die bereits die Vollstreckung einer sechsmonatigen Jugendstrafe für einen jungen Menschen hat, sind vielmehr im Rahmen einer Gesamtschau neben den sonstigen schwerwiegenden Nachteilen, die der jugendliche (oder heranwachsende) Angeklagte in dem Strafverfahren zu erwarten hat, zu berücksichtigen. Letztlich kommt es dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. OLG Brandenburg, NStZ-RR 2002,184).

Allerdings:

„Bei der Straferwartung von einem Jahr handelt es sich danach nicht um eine starre Grenze, sondern es sind vielmehr auch sonstige Umstände zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der verhängten bzw. drohenden Strafe dazu führen können, dass die Mitwirkung eines Verteidigers auch bei einer niedrigeren Strafe geboten erscheint. Neben der Frage eines möglichen Bewährungswiderrufs wegen der zu verhängenden Strafe können dabei auch, gerade im Jugendstrafrecht, andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Denn gerade im Jugendstrafrecht ist wegen der in der Regel geringeren Lebenserfahrung des jugendlichen oder heranwachsenden Angeklagten und seiner daher größeren Schutzbedürftigkeit eher die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich als im Erwachsenenstrafrecht (vgl. OLG Schleswig, StV 2009, 86; OLG Hamm, StV 2008, 120; NStZ-RR 2006, 26; OLG Karlsruhe, StV 2007, 3; OLG Saarbrücken, StV 2007, 9).“

Nun ja, also: Ja, aber – und im Ergebnis wird es m.E. in sehr vielen Fällen zur Beiordnung kommen (müssen).

 

Sonntagswitz: Dämliche Diebe XXI

© Teamarbeit – Fotolia.com

Mal wieder – zum Start in die Karwoche – das ein oder andere von den „dämlichen Dieben“.

Seinen Arbeitgeber erpressen wollte ein 39jähriger Mann.
Seine Forderung war unmissverständlich: „10 000 DM, sonst erzähle ich der Polizei, dass ich bei ihnen schwarzarbeite.“
Eine persönliche Geldübergabe erschien dem Mann allerdings als zu riskant. Deshalb forderte er, dass die geforderte Summe auf sein Konto eingezahlt werden solle und übermittelte seine Kontonummer. Noch am selben Tag wurde der Erpresser von der Polizei festgenommen.

——————————————————-

Anscheinend war der Mann benebelt oder er hatte wirklich noch nie eine Turnhalle von Innen gesehen – sonst hätte er gewusst, wie flexibel Fensterscheiben aus Plexiglas sein können.
So aber nahm er einen Stein zur Hand, holte aus und warf ihn mit viel Schmackes in das Schaufenster einer Getränkehandlung in Arkansas, um anschließend, so hoffte er, mit einigen Flaschen Hochprozentigen das Weite suchen zu können. Doch der mit viel Energie geworfene Stein prallte an der Plexiglasscheibe ab und traf den verhinderten Dieb am Kopf, der wie vom Blitz gefällt sofort zu Boden ging.
Dieser Vorfall wurde von einem Video-Überwachungssystem aufgezeichnet und der Dieb konnte noch vor Wiedererlangen des Bewusstseins von der Polizei verhaftet werden.

———————————————————–

Wie der Jäger der Schweißspur, so folgte die New Yorker Polizei einem Räuber.
Als dieser einen Taxifahrer ausrauben wollte, fuchtelte er der maßen nervös mit seiner Pistole herum, dass er sich in den rechten Fuss schoss. Der Taxifahrer fiel im Glauben erschossen worden zu sein in Ohnmacht – die Polizei ging nur den Bluttropfen des Gangsters nach.

————————————————————-

Der Dieb bricht in ein Getränkelager ein, um einen Kasten Bier zu stehlen. Beim Wegtragen nach etwa 500 Meter merkt der Dieb: Das Bier ist alkoholfrei!
Er geht zurück, um den Kasten „umzutauschen“ und wird dann von der Polizei erwischt, als er einbricht, um einen vollen Bierkasten zurückzubringen.

Wochenspiegel für die 12. KW., das war die „Verständigungsentscheidung“ des BVerfG, das Katzen-/Hundeurteil des BGH und ein emotional aufgebrachter Verteidiger

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

Aus der Woche, in der an sich – nach dem Kalender – der Frühling kommen sollte, statt dessen aber der Winter zurück gekommen ist, berichten wir über:

  1. natürlich über die „Verständigungsentscheidung“ des BVerfG, vgl. auch hier, hier, hier und hier
  2. – Zusammenhang mit der Verständigungsentscheidung – einen „Bericht von der Front“ oder einen Quickie mit der Richterin,
  3. einen emotional sehr aufgebrachten Verteidiger,
  4. die Frage: Vergütungsvereinbarung, schriftlich oder?,
  5. das Serviceentgelt für „beanstandungsfreie Nächte“ (darauf muss man erst mal kommen),
  6. die rechtswidrige Durchsuchung bei der „Augsburger Allgemeinen„, siehe auch hier,
  7. das „Katzen-/Hundeurteil“ des BGH, vgl. auch hier, hier,
  8. die Adoption durch Homosexuelle und den Beschluss des AG Schöneberg,
  9. die Bestandsdatenauskunft,
  10. und dann war da noch ein Witz „aus gegebenem Anlass„.

Ein teures Upgrade – 20.000 € für zwei Hotelübernachtungen?, oder: Wie entscheidet sich Christian Wulff?

© Timur Emek/dapd

Lange war es einigermaßen ruhig um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wullf, auch in den Blogs; der letzte Beitrag zu Christian Wulff datiert m.E. vom 13.01.2013 (vgl. hier). Nun geht es aber sicher wieder los, wenn auch die Meldungen über das „Einstellungsangebot“ der Staatsanwaltschaft Hannover nicht mehr die ersten Seiten der Tagespresse beherrschen, sondern weit(er) nach hinten gerutscht sind (in den „Westfälischen Nachrichten“ reichte es gerade noch für ein paar Zeilen auf der Seite 2 unter der Rubrik „Menschen“).

Es liegt also nun das „Angebot“ an den ehemaligen Bundespräsidenten auf dem Tisch: 20.000 € für eine Einstellung nach § 153a StPO und dann sind auch die Vorwürfe wegen „Vorteilsannahme“ vom Tisch. Mehr ist nämlich nicht geblieben am Ende eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens, in dem 90 Zeugen vernommen worden sein sollen, als der Vorwurf der Vorteilsannahme wegen des Hotelupgrades in München. Es geht also noch um 770 € für zwei Übernachtungen (vgl. hier u.a. aus Zeit-online).

Ganz schön teures Upgrade für Christian Wullf, zu dem er bis zum 08.04.2013 eine Entscheidung treffen soll. Und die möchte ich nicht treffen müssen, ebenso möchte ich ihm nicht raten müssen, wie man sich verhält. Denn:

  • Sicher, überall heißt es: Dann sind die Vorwürfe endgültig vom Tisch – juristisch. Aber: Der „Makel“, nicht frei gesprochen worden zu sein, bleibt. Ich brauche an der Stelle jetzt keinen Kommentar dahin, dass es nach der Rechtsprechung des BVerfG bei einer Einstellung nach § 153a StPO nicht zu einer endgültigen Schuldfeststellung kommt. Das weiß ich – und das wissen Christian Wulff und seine Verteidiger auch. Aber wie sagten schon die (alten) Römer: Semper aliquid haeret.
  • Und: Die Einstellung nach § 153a StPO setzt zumindest einen hinreichenden Tatverdacht voraus, sonst kann das „Angebot“ nicht gemacht werden. Also wird man sich als Beschuldigter immer damit auseinander setzen müssen, dass „irgendetwas dran“ war, denn sonst hätte die Staatsanwaltschaft ja nicht § 153a StPO angeboten. Und das ist mehr als man bei Zeit-Online meint: „Die Zahlung impliziere lediglich die Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung für den hinreichenden Tatverdacht, also für den Beginn der Ermittlungen, die letztlich zu Wulffs Rücktritt geführt hatten…“ Der Beginn der Ermittlungen setzt keinen „hinreichenden Tatverdacht“ voraus, sondern einen Anfangsverdacht. Jetzt ist man schon eine Stufe weiter und bejaht im Grunde die Voraussetzungen für eine Anklageerhebung, also den „genügenden Anlass“ i.S. des § 170 Abs. 2 StPO. Von der Anklage wird (nur) abgesehen, weil man meint, dass sich das öffentliche Interesse an der Anklageerhebung durch die Erfüllung der Geldauflage ausräumen lässt. Allerdings: Das klang hier noch anders (“Affäre um Hotelrechnungen: Wulff bleibt Korruptionsprozess wohl erspart”).
  • Und zum öffentlichen Interesse: Besteht wirklich kein „öffentliches Interesse an der Strafverfolgung“, was ja auch impliziert, dass die Vorwürfe, die noch verblieben sind in öffentlicher Hauptverhandlung geklärt werden?

Das alles sind Fragen, mit denen sich Christian Wulff und seine Verteidiger befassen müssen. Dazu dann auch noch die allgemeine Frage, ob man sich denn eine öffentliche Hauptverhandlung antun will, zwar mit der Chance eines Freispruchs – aber was ist der (noch) wert und was ist er wert, wenn er nach wochen- oder monatelanger Hauptverhandlung (90 Zeugen!!) kommt und bis dahin die Sau wieder durchs Dorf getrieben worden ist. Wie gesagt: Ich möchte nicht in Christian Wulffs Haut stecken und mich (richtig) entscheiden müssen.

Allerdings: Wie man es dreht und wendet: Es bleibt jedenfalls ein teures Upgrade.

Kronzeugenregelung wird eingeschränkt

© Marcito – Fotolia.com

Auch wir hatten ja schon ein paar Mal über die geplanten Änderungen bei der Kronzeugenregelung berichtet (vgl. dazu u.a. What´s new in 2013 bzw. was erwartet uns an neuen Gesetzen?
Die Kuh ist jetzt vom Eis – das Ende der 17. Legislaturperiode lässt grüßen. Aus dem BT wird gemeldet:

„Kronzeugenregelung im Strafrecht wird eingeschränkt
Der Bundestag hat am 14.03.2013 einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe (BT-Drs. 17/9695) auf Empfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 17/12732) angenommen. Damit wird die bisherige Kronzeugenregelung in Paragraf 46b des Strafgesetzbuchs auf die Fälle beschränkt, in denen zwischen der Tat des Kronzeugen und der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, ein Zusammenhang besteht.
Damit wird auch ein Gleichklang mit der „kleinen Kronzeugenregelung“ in Paragraf 31 des Betäubungsmittelgesetzes hergestellt, wo eine solche Verbindung laut Bundesregierung von der Rechtsprechung schon heute als erforderlich und ausreichend angesehen wird.

Weitere Beiträge zum Gesetzgebungsverfahren:

12.12.2012
Experten begrüßen im Rechtsausschuss grundsätzlich Änderungsvorschläge bei Kronzeugenregelung
01.06.2012
Bundesregierung will Kronzeugen-Regelung einschränken