Archiv für den Monat: Februar 2013

Gibt es eine Informationspflicht des Gerichts?

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„Alle Welt lechzt nach Info – nur bei Gericht gibt es die nicht“ Worum geht es bei dem Satz? Nun, es geht um die letztlich zwischen Verteidigern/Angeklagten und den Gerichten häufig strittige Frage, ob das Gericht verpflichtet ist/sein kann, den Prozessbeteiligten insbesondere Informationen über die vorläufige Bewertung von Beweismitteln zu geben, also z.B., wie vom Gericht eine bestimmte Zeugenaussage gesehen wird oder andere Beweismittel bewertet werden. Das kann für den weiteren Verfahrensablauf und das prozessuale Verhalten des Angeklagten von entscheidender Bedeutung sein, weil z.B. aus der vorläufigen – negativen – Bewertung einer Zeugenaussage folgen kann, doch noch einen Beweisantrag stellen zu müssen.

Die damit zusammenhängenden Fragen haben in der Vergangenheit auch schon den BGH beschäftigt, der eine solche Informationspflicht grundsätzlich verneint hat. Zu der Problematik hat sich dann vor kurzem auch noch einmal das KG zu Wort gemeldet (vgl. KG, Beschl. v. 17.12.2012 – (4) 161 Ss 191/12 [262/12]) und ausgeführt, dass das erkennende Gericht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet ist, die Prozessbeteiligten in einem „Zwischenverfahren“ über die vorläufige Bewertung von Beweismitteln zu informieren; auch durch Antrag oder Erklärung der Prozessbeteiligten könne es dazu grundsätzlich nicht gezwungen werden.

„bb) Denn das erkennende Gericht ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, die Prozessbeteiligten in einem „Zwischenverfahren“ über die vorläufige Bewertung von Beweismitteln zu informieren; auch durch Antrag oder Erklärung der Prozessbeteiligten kann es dazu grundsätzlich nicht gezwungen werden (vgl. BGHSt 43, 212; NStZ-RR 2008, 180). Ausdrücklich entschieden ist dies für die Erklärung nach § 257 Abs. 2 StPO, in der die Aussage eines Zeugen wiedergegeben wird, wie sie der Angeklagte bzw. seine Verteidigung verstanden hat, verbunden mit dem Antrag, bei abweichendem Verständnis des Gerichts einen tatsächlichen Hinweis zu erteilen (BGH aaO). Für das in einen Beweisantrag gekleidete Verlangen des Prozessbeteiligten nach einer solchen vorläufigen Bewertung der Beweisaufnahme durch das erkennende Gericht vor der Urteilsberatung kann aber jedenfalls dann nichts anderes gelten, wenn der Beweisantrag lediglich die Erklärung nach § 257 Abs. 2 StPO ersetzt und nicht ernsthaft auf die Erhebung des Beweises, sondern allein auf die Erteilung eines solchen Hinweises abzielt. So liegt es hier. Dem Zeugen B. sind ausweislich der Urteilsgründe seine eigenen Angaben bei der Polizei im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung erster Instanz im Rahmen seiner Vernehmung in der Berufungshauptverhandlung vorgehalten worden. Der Zeuge hat sich hierzu geäußert, so dass die früheren Angaben des Zeugen zum Zeitpunkt der Stellung des Beweisantrages bereits Gegenstand der Erörterung in der Hauptverhandlung gewesen waren. Es ging der Verteidigung mit der Stellung dieses Beweisantrages danach ersichtlich allein darum, der Kammer ihr Verständnis der Aussage des Zeugen B. in der Berufungshauptverhandlung und ihre daran geknüpften Wertungen zu unterbreiten und sie ihrerseits zu einer vorläufigen Bewertung der Aussage dieses Zeugen zu veranlassen. Erstrebt wurde ausschließlich eine wertende Äußerung der Kammer zum Verständnis der Zeugenaussage, nicht die Beweiserhebung. Die Voraussetzungen, unter denen das Gericht gehalten sein kann, aus Beweisantragstellungen erkannte Missverständnisse der Verteidigung – nicht etwa bewusst unrichtige Behauptungen über den Inhalt einer Zeugenaussage – durch Hinweis auszuräumen (vgl. BGH (Kusch), NStZ 1993, 228; Basdorf, StV 1995, 310, 319), lagen hier nicht vor; die Kammer war nicht verpflichtet, der Angeklagten aus Gründen fairer Verfahrensführung den von der Revision vermissten tatsächlichen Hinweis zu erteilen.“

Das bedeutet natürlich nicht, dass sich das Gericht und die Prozessbeteiligten nicht über das vorläufige Beweisergebnis austauschen dürfen.

Vorbeifahrt am Linienbus – gefährdet muss ein „Fahrgast“ sein

In § 20 Abs. 4 StVO heißt es:

„An Omnibussen des Linienverkehrs und an gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224) halten und Warnblinklicht eingeschaltet haben, darf nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, daß eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Die Schrittgeschwindigkeit gilt auch für den Gegenverkehr auf derselben Fahrbahn. Die Fahrgäste dürfen auch nicht behindert werden. Wenn nötig, muß der Fahrzeugführer warten.

Wer sich daran nicht hält, muss mit einer Geldbuße rechnen, vgl. Nr. 95 ff. BKat. Und wenn es dabei zu einer Gefährdung eines Fahrgastes kommt, sind nach Nr. 95.2 BKatV 50 € fällig. Was ist nun, wenn nicht mit Schrittgeschwindigkeit gefahren wird, es zu einer Gefährdung kommt,e s sich bei dem Gefährdeten aber nicht um einen „Fahrgast“ gehandelt hat? Nun dann liegt es m.E. auf der Hand, dass dann eine Geldbuße nach Nr. 95.2 BKatV nicht festgesetzt werden kann. Das hatte aber ein AG in Bayern anders gesehen und den Betroffenen dennoch nach § 20 Abs. 4 StVO i.V.m. Nr. 95.2 BKatV verurteilt.

Es musste sich nun vom OLG Bamberg im OLG Bamberg, Beschl. v. 29.01.2013 – 3 Ss OWi 24/13 – eines Besseren belehren lassen.

„Die dem Betroffenen zur Last liegende fahrlässige Ordnungswidrigkeit (Tatzeit: 27.06.2011) liegt jedenfalls in der qualifizierten und für die konkrete Bußgeldbemessung ausschlaggebenden „Gefährdungsvariante“ des § 20 Abs. 4 StVO (i.V.m. Nr. 95.2 BKat) nicht vor, da es sich bei dem Verletzen gerade nicht um einen „Fahrgast“ des Linienomnibusses gehandelt hat. Gerade diese Fahrgasteigenschaft ist überdies zumindest vorrangiger Schutzzweck der Norm, wenn auch die in § 20 StVO genannten erhöhten Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren letztlich dem Schutz aller Fußgänger und nicht nur derjenigen dienen mögen, die im räumlichen Bereich des Verkehrsmittels (unachtsam) die Fahrbahn überqueren (vgl. hierzu z.B. König in Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 41. Aufl. § 20 StVO Rn. 6 m.w.N.).“

Und da aus dem Unfallereignis keine schwerwiegenden Verletzungsfolgen resultierten und der Betroffene als straßenverkehrsrechtlich unbelastet anzusehen war, hat das OLG nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, weil ihm „eine bußgeldrechtliche Ahndung ausnahmsweise nicht geboten“ erschien. Zu denken wäre etwa an § 1 StVO gewesen.

Die (beschränkte) Bindungswirkung des Adhäsionsurteils

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Zur Bindungswirkung des im Adhäsionsverfahren ergangenen Urteils hinsichtlich einer  Haftpflichtversicherung des Schädigers hat der BGH im BGH, Urt. v. 18.12.2012 – VI ZR 55/12 – Stellung genommen.  Danach entfaltet eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten/Geschädigten gegen den Beschuldigten/Schädiger ergehende Entscheidung weder Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht. Daran muss/sollte man denken, wenn man ins Adhäsionsverfahren bzw. anschließend, weil es im Adhäsionsverfahren nur ein Grundurteil gegeben hat, in Zivilverfahren geht.

Und: „Das im Adhäsionsverfahren gegen den Beklagten zu 2 ergangene Grundurteil ist für den Rechtsstreit des Klägers gegen die Beklagte zu 1 auch nicht deshalb bindend, weil diese als Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 2 in Anspruch genommen wird. Das Berufungsgericht erwägt für die vorliegende Fallgestaltung eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Bindungswirkung eines vorangegangenen Haft-pflichtprozesses zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer für den nachfolgenden Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. In dieser Fallgestaltung wird die Haftpflichtfrage grund-sätzlich abschließend im Haftpflichtprozess entschieden (sog. Trennungsprin-zip). Die – jedenfalls soweit es um den Haftungstatbestand geht – geltende Bin-dungswirkung verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entschei-dung und auch deren Grundlagen nochmals zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer in Frage gestellt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276, 278 mwN). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, in dem der Haftpflichtversicherer nicht im Deckungsprozess von seinem Versicherungsnehmer, sondern im We-ge der Direktklage durch den Geschädigten (§ 3 Nr. 1 PflVG a.F., jetzt § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG n.F.) in Anspruch genommen wird, nicht anwendbar….“

Auf den Rollstuhl angewiesen – „„keine Notwendigkeit einer Besuchsüberstellung“ im Einzeltransport

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Der Antragsteller verbüßt in der Justizvollzugsanstalt in Niedersachsen eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Da seine Ehefrau in Bayern wohnt, beantragt er eine Besuchsüberstellung nach Bayern. Diesen Antrag lehnte die JVA. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass für eine Überstellung des Antragstellers wegen seines Gesundheitszustandes ein Einzeltransport nötig wäre und die vom Antragsteller angeführten Gründe für die Überstellung, nämlich die große Entfernung, die Berufstätigkeit seiner Ehefrau und die Schulpflicht des Kindes, den damit verbundenen personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Antragsgegnerin nicht rechtfertigten. Da die Entfernung zum Wohnort der Ehefrau ca. 430 km betrage und mit dem Auto in etwa viereinhalb Stunden zu bewältigen sei, bestehe „keine Notwendigkeit einer Besuchsüberstellung“.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der von der StVK als unbegründet zurückgewiesen wird, weil der Aufwand für eine Besuchsüberstellung nach Bayern unverhältnismäßig hoch sei. Der Antragsteller sei auf den Rollstuhl angewiesen und daher nicht sammeltransportfähig. Die Ehefrau habe zwar weder ein Auto noch eine Fahrerlaubnis. Mit dem im gerichtlichen Verfahren gemachten Angebot, dem Antragsteller mehrere Sonderbesuche an einem Wochenende zu gewähren, so dass seine Ehefrau mit einer Anreise gleich mehrere Besuchstermine wahrnehmen könne, und der Alternative einer Besuchsüberstellung in die für seine Ehefrau näher gelegene Justizvollzugsanstalt H. habe die Antragsgegnerin ihrer Pflicht, Lösungswege zu prüfen und anzubieten, genügt

Das sieht das OLG Celle im OLG Celle, Beschl. v. 22.11.2012 – 1 Ws 458/12 (StrVollz) – anders und hebt auf, weil

  1. (schon) nicht ausreichend geklärt/dargelegt, ob ein wichtiger Grund i.S. des § 10 Abs. 2 NJVollzG, wonach der Gefangene in eine andere Anstalt überstellt werden darf, sofern ein Besuch in der zuständigen Anstalt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist, vorliegt,
  2.  nicht erkennbar ist, ob die Vollzugsbehörden dann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, das ihnen eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt haben.
  3. der Bescheid der JV nicht erkennen lässt, dass den grundrechtlich geschützten Belangen des Antragstellers – Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 und Art. 3 Abs. 3 Satz 3 GG im Verhältnis zu den vollzugsorganisatorischen Gründen das gebotene Gewicht beigemessen worden ist.

Zum letzteren heißt es:

Rechtlichen Bedenken unterliegt der Bescheid auch im Hinblick auf eine mögliche Verletzung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Mit der Erwägung, dass beim Antragsteller aufgrund seines „Gesundheitszustandes“ ein Einzeltransport von Nöten sein werde, der einen unzumutbaren Aufwand erfordere, lässt der Bescheid jedoch besorgen, dass die Ablehnung der Überstellung letztendlich zum Nachteil des Antragstellers an seine Behinderung anknüpft.

Anfangsverdacht wohl gegeben: „Mit dem Kölschglas in die Polizeikontrolle“

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Die Tagespresse (vgl. u.a. hier aus der Welt) berichtet über einen Vorfall in Bonn. Dort wird in der Nacht von Freitag auf Samstag eine 24-jährige Autofahrerin kontrolliert. Und siehe da: Als sie von einer Polizeistreife angehalten wird, hat sie das/ein Kölsch-Glas am Steuer noch in der Hand. Es wird dann, was nahe liegt – „Anfangsverdacht“ 🙂 ein Alkoholtest angeordnet, der eine BAK von 2,5 Promille ergibt. In der Polizeimeldung heißt es, „die Frau sei offensichtlich fahruntüchtig gewesen„. Auch die Annahme liegt nahe.